BAG: ERA-TV - Leistungszulage auf der Grundlage einer Leistungsbeurteilung - innerbetriebliches und tarifliches Schlichtungsverfahren - Darlegungslast
Das BAG hat mit Urteil vom 19.2.2020 – 10 AZR 19/19 – wie folgt entschieden:
1. Legt ein Tarifvertrag fest, dass eine von einem Arbeitnehmer beanstandete Leistungsbeurteilung durch paritätisch besetzte Gremien auf betrieblicher und tariflicher Ebene zu überprüfen ist, liegt darin regelmäßig die Vereinbarung eines Schiedsgutachtens im engeren Sinn. Mit ihr ist eine Stillhalteabrede verbunden, ein sog. pactum de non petendo (Rn. 21 ff.).
2. Die Vereinbarung eines solchen Schiedsgutachtens schließt weder den Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten aus, noch führt sie dazu, dass die Klage auf ein höheres Leistungsentgelt unzulässig ist. Wird jedoch eine Klage erhoben, bevor das außergerichtliche Verfahren abgeschlossen ist, ist sie regelmäßig verfrüht. Sie ist als zurzeit unbegründet abzuweisen (Rn. 28 ff.).
3. Unterlässt es der Arbeitgeber, die nach tariflichen und betrieblichen Bestimmungen turnusmäßig zu erteilende Leistungsbeurteilung zu erstellen, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Bezahlung des Leistungsentgelts in der bisherigen Höhe. Das gilt auch dann, wenn eine weitere Leistungsbeurteilung unterbleibt, die nach den tariflichen Bestimmungen im Fall einer Leistungsminderung vorzunehmen ist. Ist der Arbeitnehmer der Ansicht, ihm stehe aufgrund einer Leistungssteigerung ein höheres Leistungsentgelt zu, kann er die Differenz zum bisherigen Leistungsentgelt als Verzugsschaden geltend machen (Rn. 39 ff., 50 f.).
4. Die Entscheidung über eine Leistungsbeurteilung, mit der das Verfahren in den paritätischen Gremien abgeschlossen wird, unterliegt einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle in entsprechender Anwendung der §§ 317, 319 BGB. Die Gerichte prüfen, ob das vorgesehene Verfahren ordnungsgemäß durchlaufen wurde und ob die getroffene Entscheidung offenbar unrichtig ist (Rn. 53 ff.).
5. Für die Umstände, aus denen sich die offenbare Unrichtigkeit der Entscheidung der paritätischen Gremien ergeben soll, trägt derjenige die Darlegungs- und Beweislast, der sich gegen die Bestimmung durch die Gremien wendet (Rn. 56).
6. Kommt der Arbeitgeber, nachdem der Arbeitnehmer eine Leistungsbeurteilung beanstandet hat, seinen Obliegenheiten, die paritätisch besetzten Gremien anzurufen, nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach, ist die Leistungsbeurteilung in entsprechender Anwendung von § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB durch das Gericht zu treffen. Gleiches gilt, wenn die Gremien innerhalb der maßgeblichen Fristen keine Entscheidung treffen (Rn. 57 ff.).