BAG: Betriebsrentenanpassung - Überschussbeteiligung - Pensionskasse
Das BAG hat mit Urteil vom 10.12.2019 – 3 AZR 122/18 – wie folgt entschieden:
1. Nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG erfüllt der Arbeitgeber eine Pflicht zur Anpassung der Betriebsrente, wenn die Anpassung nicht geringer ist als die Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmer. Darauf kann sich der Arbeitgeber hilfsweise auch dann berufen, wenn er geltend macht, überhaupt nicht zur Anpassung verpflichtet zu sein. Bei der Ermittlung der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber die typischerweise den aktiven Beschäftigten zum Leben verbleibenden Nettobeträge zu errechnen. Er darf dabei die Steuerklasse III ohne Kinderfreibetrag sowie die Kirchensteuer, den Solidaritätszuschlag und eine AOK-Mitgliedschaft zugrunde legen (Rn. 45 ff.).
2. Nach § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG entfällt die Anpassungsprüfungspflicht für Betriebsrenten ua. dann, wenn die betriebliche Altersversorgung über eine Pensionskasse durchgeführt wird und ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallenden Überschussanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden. Diese Voraussetzungen müssen bei Eintritt des Versorgungsfalls rechtlich feststehen. Dies kann aufgrund vertraglicher Vereinbarung oder aufgrund gesetzlicher Ansprüche der Fall sein (Rn. 59 ff.). Eine Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und der Pensionskasse reicht dafür aus, da sie einen Vertrag zugunsten des Versorgungsberechtigten darstellt, der nicht ohne dessen Zustimmung geändert werden kann (Rn. 66 ff.).
3. Änderungsvorbehalte in Versorgungsregelungen zwischen Arbeitgeber und Pensionskasse stehen der Anwendbarkeit von § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG nicht entgegen, wenn ihre Auslegung oder eine Anwendungskontrolle ergibt, dass die Voraussetzungen dieser Bestimmung gesichert ist (Rn. 68). Änderungsvorbehalte in Versorgungsregelungen erlauben - auch mit Zustimmung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht - keine strukturelle Veränderung der maßgeblichen Bestimmungen (Rn. 87, 108).
4. Überschüsse entfallen iSv. § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG auf den Rentenbestand, wenn sie
a) nach den rechtlichen Verpflichtungen verursachungsorientiert iSv. § 153 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 VVG - auch zu Abrechnungs- oder Gewinnverbänden bzw. Bestandsgruppen - zusammengefasst sind und innerhalb des Bestandes dem einzelnen Vertrag entsprechend seinem rechnerischen Anteil zugeschrieben werden (Rn. 71, 73 ff.)
und
b) innerhalb des Bestandes Betriebsrentner und Anwärter gleichbehandelt werden (Rn. 71, 88 ff.).
5. Betriebsrentner haben einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit Anwärtern aus dem in § 138 Abs. 2 VAG niedergelegten versicherungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Dieser gibt den Betriebsrentnern, auch wenn sie nicht Versicherungsnehmer sind, einen unmittelbar gegen die Pensionskasse durchsetzbaren Rechtsanspruch (Rn. 88 ff.).
6. Innerhalb des Bestandes muss rechtlich sichergestellt sein, dass Überschussanteile im versicherungsrechtlichen Sinne - wenn solche anfallen - weder dem Arbeitgeber noch der Pensionskasse, sondern den Betriebsrentnern und Versicherten zustehen. Das kann sich auch aus Versorgungsregelungen zwischen Arbeitgeber und Pensionskasse ergeben. Änderungsvorbehalte in den Versorgungsregelungen ermächtigen - auch mit Zustimmung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht - keine Entziehung der Rechte der Betriebsrentner (Rn. 108). Die gesetzlichen Vorgaben für die Überschussberechnung kann der Betriebsrentner unmittelbar gegenüber der Pensionskasse durchsetzen (Rn. 109).
7. Überschüsse werden zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet, wenn sichergestellt ist, dass ein angemessenes Verhältnis zwischen dauernden und vorübergehenden Erhöhungen besteht. Ferner dürfen befristete Erhöhungen keinen unangemessen hohen Anteil an der Betriebsrente insgesamt haben (Rn. 114).
8. Sterbegeld ist keine betriebliche Altersversorgung iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG (Rn. 117).