R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Arbeitsrecht
25.02.2019
Arbeitsrecht
BAG: Beitragspflichten zu der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft auf den Grundlagen der Allgemeinverbindlicherklärung vom 4. Mai 2016 des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 3. Mai 2013 idF und ...

Das BAG hat mit Urteil vom 20.11.2018 – 10 AZR 121/18 – wie folgt entschieden:

1. Beitragsansprüche der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (ULAK) gegen einen nicht tarifgebundenen Arbeitgeber, die sich sowohl aus dem VTV als auch aus § 7 SokaSiG ergeben können, werden von demselben den Streitgegenstand umgrenzenden Lebenssachverhalt erfasst. Es handelt sich um zwei konkurrierende, strukturell nicht grundlegend verschieden ausgestaltete Anspruchsgrundlagen. Der Annahme eines einheitlichen Streitgegenstands steht nicht entgegen, dass die Beitragspflicht in dem einen Fall auf einer nach § 5 Abs. 4 TVG bewirkten Normerstreckung des VTV durch Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) beruht, während es sich bei § 7 SokaSiG um eine gesetzliche Anspruchsgrundlage handelt (Rn. 18 ff.).

2. Nach § 7 SokaSiG kann die ULAK einen Beitragsschuldner nicht erneut in Anspruch nehmen, wenn ihre auf eine unwirksame AVE gestützte Beitragsklage bereits rechtskräftig abgewiesen wurde (Rn. 28 ff.).

3. § 7 SokaSiG ist nach Auffassung des Senats mit Art. 9 Abs. 3 GG vereinbar. Die Norm sichert den Fortbestand des Sozialkassensystems im Baugewerbe, ohne die koalitionsspezifischen Verhaltensweisen der Tarifvertragsparteien oder den materiellen Inhalt der tariflichen Regelungen zu berühren. Die Wahl einer anderen als der in § 5 TVG geregelten Rechtsform für die Erstreckung eines Tarifvertrags auf sog. Außenseiter ändert nichts an Inhalt und Ergebnis der Erwägungen zu der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen. Der durch die gesetzliche Geltungserstreckung des VTV erzeugte mittelbare Druck, um der größeren Einflussmöglichkeit willen einer der tarifvertragsschließenden Parteien beizutreten, ist jedenfalls nicht so erheblich, dass die negative Koalitionsfreiheit verletzt würde (Rn. 45 ff.).

4. Der Senat hält die rückwirkende Beseitigung von Erstattungsansprüchen tariffreier Arbeitgeber, die sie aufgrund der Beschlüsse des Senats vom 21. September 2016 (- 10 ABR 33/15 - BAGE 156, 213; - 10 ABR 48/15 - BAGE 156, 289) und vom 25. Januar 2017 (- 10 ABR 34/15 -; - 10 ABR 43/15 -) möglicherweise gegen die ULAK erworben haben, für vereinbar mit Art. 14 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber durfte den Fortbestand der von ihm seit ihrer Gründung im Jahr 1949 als sozialpolitisch wünschenswert angesehenen gemeinsamen Einrichtungen des Baugewerbes als erheblich gefährdet ansehen. Der Ausschluss etwaiger Erstattungsansprüche ist geeignet und erforderlich, um die im Interesse des Gemeinwohls erstrebte Sicherung des Sozialkassenverfahrens zu erreichen. Die im Rahmen der Angemessenheitsprüfung durchzuführende Gesamtabwägung fällt zulasten der tariffreien Arbeitgeber aus (Rn. 56 ff.).

5. Der Senat lässt offen, ob die von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Differenzierung zwischen den Tarifgebieten West und Ost bei der Altersversorgung mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Die durch § 7 Abs. 1 bis Abs. 10 SokaSiG statisch in Bezug genommenen Verfahrenstarifverträge gelten jeweils nur in verfassungskonformem Zustand (Rn. 67).

6. § 7 SokaSiG verletzt aus Sicht des Senats nicht das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG geschützte Vertrauen der sog. Außenseiter darauf, von rückwirkenden Gesetzen nicht in unzulässiger Weise belastet zu werden (Rn. 68 ff.).

a) Hinsichtlich der aus den Anlagen 26, 27 und 35 des SokaSiG ersichtlichen Fassungen des VTV konnte bereits kein zu schützendes Vertrauen der tariffreien Arbeitgeber darauf entstehen, nicht von der Rechtsnormerstreckung erfasst zu werden (Rn. 73 ff.).

b) Bis zum 20. September 2016 bestand für ein Vertrauen auf die Unwirksamkeit der AVE des VTV in den Fassungen der Anlagen 28 bis 34 des SokaSiG ebenfalls keine Grundlage (Rn. 76 ff.).

c) Auf den Fortbestand der auf den Entscheidungen des Senats vom 21. September 2016 und 25. Januar 2017 beruhenden Rechtslage durften sich die tariffreien Arbeitgeber nicht verlassen. Dem stand ua. entgegen, dass die gesetzliche Wiederherstellung der Normerstreckung auf sie bereits vor der Veröffentlichung der Entscheidungsformeln im Bundesanzeiger absehbar war (Rn. 88 ff.).

7. Mit § 7 SokaSiG hat der Gesetzgeber nach Ansicht des Senats im Einklang mit der Verfassung und mit Rücksicht auf die Forderungen der Rechtsstaatlichkeit und der Rechtssicherheit statt anfechtbaren Rechts unanfechtbares Recht gesetzt. Er hat weder die Rechtsprechung des Senats „kassiert“, noch hat er „neues“ Recht geschaffen (Rn. 92 ff.).

 

 

 

 

 

 

stats