BAG: Ausschlussklausel - „Altvertrag“- ergänzende Vertragsauslegung
Das BAG hat mit Urteil vom 24.9.2019 – 9 AZR 273/18 – wie folgt entschieden:
1. § 202 Abs. 1 BGB in der seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes geltenden Fassung verbietet es, die Haftung aus vorsätzlich begangener Vertragspflichtverletzung oder unerlaubter Handlung durch vertragliche Ausschlussfristen auszuschließen. Gemäß Art. 229 § 5 EGBGB gilt dies auch für Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen, die vor dem 1. Januar 2002 vereinbart wurden (Rn. 25).
2. Eine vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes als Allgemeine Geschäftsbedingung vereinbarte arbeitsvertragliche Ausschlussfrist, die sich ohne Einschränkung auf „alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ bezieht, ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung einschränkend dahingehend auszulegen, dass ihr Anwendungsbereich Haftungsansprüche iSv. § 202 Abs. 1 BGB und § 309 Nr. 7 BGB nicht erfasst (Rn. 31, 36).
3. Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt in Betracht, wenn eine vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vereinbarte arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung nur deshalb unwirksam ist, weil der Verwender eine Bestimmung dieses Gesetzes bei Vereinbarung der Klausel nicht berücksichtigen konnte und die Anwendung der Anforderungen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes an die Vertragsformulierung auf eine vor dem 1. Januar 2002 vereinbarte Klausel auf eine echte Rückwirkung des Gesetzes hinaus liefe (Rn. 30).
4. Für die Prüfung der Transparenz einer als Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB vereinbarten Ausschlussfrist ist allein auf die Gesetzeslage bei Vertragsschluss abzustellen. Ist eine Klausel bei Vertragsschluss transparent, verliert sie ihre Wirksamkeit nicht, wenn spätere Gesetzesänderungen zu ihrer Intransparenz führen (Rn. 42).
5. Ein Arbeitgeber ist nicht gehalten, Ausschlussklauseln im Hinblick auf die unmittelbare und zwingende Wirkung von Kollektivnormen einschränkend zu formulieren, wenn solche Bestimmungen bei Vertragsschluss auf das Arbeitsverhältnis nicht normativ einwirken (Rn. 47).
6. Wurde der Arbeitsvertrag vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes am 16. August 2014 geschlossen, führt die Änderung der Gesetzeslage durch das Mindestlohngesetz nicht nachträglich nach § 307 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 BGB zur Gesamtunwirksamkeit der Ausschlussfristenregelung wegen Intransparenz, wenn sich ihr Anwendungsbereich entgegen § 3 Satz 1 MiLoG ab dem 1. Januar 2015 auch auf den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erstreckt. Die fehlende Ausnahme des gesetzlichen Mindestlohns in einem „Altvertrag“ hat für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2015 lediglich die Teilunwirksamkeit der Ausschlussfristenregelung nach § 3 Satz 1 MiLoG zur Folge (Rn. 45).