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Arbeitsrecht
25.10.2012
Arbeitsrecht
BAG: Arbeitskampfrecht - Wechsel in OT-Mitgliedschaft - Schadensersatz

Das BAG entschied in seinem Urteil vom 19.6.2012 - 1 AZR 775/10 - wie folgt: Da ein kurzzeitiger Statuswechsel innerhalb eines Arbeitgeberverbands von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine OT-Mitgliedschaft während laufender Tarifverhandlungen ungeachtet der vereinsrechtlichen Zulässigkeit die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie beeinträchtigt, muss die Gewerkschaft prüfen können, ob sich hierdurch die Verhandlungssituation und die Rahmenbedingungen für den geplanten Tarifabschluss wesentlich geändert haben. Andernfalls ist der erfolgte Statuswechsel tarifrechtlich wegen Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG iVm. § 134 BGB unwirksam. Die tarifrechtliche Wirksamkeit eines solchen Statuswechsels setzt deshalb voraus, dass der Arbeitgeberverband oder der Arbeitgeber selbst die Gewerkschaft rechtzeitig über die Beendigung der Mitgliedschaft mit Tarifbindung in Kenntnis setzen. Diese Unterrichtung unterliegt keinen besonderen formalen Anforderungen. Es besteht insbesondere keine Verpflichtung, einen schriftlichen Nachweis über den Statuswechsel zu führen. Entscheidend ist, dass der maßgebliche Sachverhalt der Gewerkschaft hinreichend klar mitgeteilt wird. Hat ein Unternehmen die Gewerkschaft während laufender Tarifverhandlungen über einen solchen Statuswechsel rechtzeitig unterrichtet, kann diese nicht mehr zur Durchsetzung ihrer verbandsbezogenen Tarifforderungen zu einem Warnstreik bei diesem Arbeitgeber aufrufen. Die Arbeitskampfparteien haben vor Beginn einer Arbeitskampfmaßnahme dem jeweiligen Gegner den Kampfbeschluss bekanntzugeben. An Form und Inhalt der Unterrichtung sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Für einen wirksamen Streikaufruf, dem ein entsprechender Streikbeschluss der zuständigen Gewerkschaft zugrunde liegt, genügt deshalb ein von der Gewerkschaft im zu bestreikenden Betrieb verteiltes Flugblatt, aus dem sich die Arbeitskampfmaßnahme und der Zeitraum des Streiks ergeben. Ein Partizipationsstreik richtet sich gegen einen Außenseiter-Arbeitgeber, der zwar keinem Arbeitgeberverband angehört, gleichwohl aber kein an der Verbandsauseinandersetzung unbeteiligter Dritter ist, weil er nicht lediglich faktisch am Ergebnis eines Verbandsarbeitskampfs mehr oder weniger wahrscheinlich teilhat, sondern die Übernahme des umkämpften Verbandstarifvertrags in seinem Unternehmen rechtlich gesichert ist. Diese Anforderung ist erfüllt, wenn ein mit dem Außenseiter vereinbarter Firmentarifvertrag auf näher bezeichnete Verbandstarifverträge dynamisch verweist. Entsprechendes gilt, wenn der Außenseiter die Geltung des Verbandstarifvertrags generell in den Arbeitsverträgen vereinbart hat. Nicht jedes rechtswidrige Verhalten einer Koalition bei der Wahrung und Förderung von Arbeitsbedingungen im Rahmen des Art. 9 Abs. 3 GG ist zugleich als schuldhaft zu bewerten, weil hierdurch unzumutbare Haftungsrisiken entstünden. Vor einem Streik mit seinen vielfältigen Auswirkungen hat die Gewerkschaft ihre Streikziele sorgfältig zu prüfen. Bei Zweifeln über deren Rechtmäßigkeit darf sie von ihrem Streikrecht nur in maßvollem Rahmen und dann Gebrauch machen, wenn für die Zulässigkeit des Streiks sehr beachtliche Gründe sprechen und des Weiteren eine endgültige Klärung der Rechtslage nicht anders zu erreichen ist.

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