BAG: Arbeitskampf in kirchlichen Einrichtungen - Zweiter Weg
Das BAG entschied in seinem Urteil vom 20.11.2012 - 1 AZR 611/11 - wie folgt: Die Entscheidung der Kirche, ihre kollektive Arbeitsrechtsordnung auf der Grundlage des Tarifvertragsgesetzes zu regeln und dieses entsprechend dem Leitbild der Dienstgemeinschaft zu modifizieren, ist eine eigene Angelegenheit iSd. Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 iVm. Art. 140 GG und Art. 137 Abs. 3 WRV. Entscheidet sich die Kirche dafür, bei einem Scheitern von Tarifverhandlungen mittels eines obligatorischen Schlichtungsverfahrens den Interessenkonflikt zu lösen, schließt das den Arbeitskampf zur Durchsetzung der wechselseitigen Tarifforderungen der Dienstgeberseite und der Gewerkschaften aus. Dies setzt aber ein Verfahren zum Ausgleich der strukturellen Verhandlungsschwäche der Arbeitnehmerseite voraus. Dieses muss geeignet sein, Verhandlungsblockaden zu lösen und die Einigungsbereitschaft der Dienstgeberseite zu fördern. Eine mit Art. 9 Abs. 3 GG vereinbare Zwangsschlichtung im kirchlichen Bereich ist zur Herstellung eines Verhandlungsgleichgewichts geeignet, wenn die Dienstgeberseite die Aufnahme von Verhandlungen nur von der Einwilligung der Gewerkschaft in eine obligatorische Schlichtung abhängig macht und für diesen Fall das Führen von Tarifverhandlungen nicht verweigert. Darüber hinaus muss die Anrufung der Schlichtungskommission und die Überleitung des Verfahrens in dieses Gremium der Gewerkschaft uneingeschränkt offen stehen und im Falle einer Nichteinigung beider Seiten die Unabhängigkeit und Neutralität des Vorsitzenden auch durch das Bestellungsverfahren gewahrt sein. Dagegen ist eine staatlich angeordnete Zwangsschlichtung zur Vermeidung von Arbeitskämpfen mit der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Koalitionsbetätigungsfreiheit unvereinbar. Das hindert Tarifvertragsparteien nicht daran, sich im Rahmen der ihnen zustehenden Tarifautonomie darauf zu verständigen, dass im Konfliktfall an die Stelle einer Einigung ein Schlichtungsspruch tritt. Es fehlt an der Wiederholungsgefahr für einen auf § 1004 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG gestützten Unterlassungsanspruch eines Arbeitgeberverbands, wenn dessen Antrag auf die endgültige Unterlassung eines einzelnen als rechtswidrig angesehenen Streiks im einstweiligen Verfügungsverfahren rechtskräftig abgewiesen worden ist, das Gericht dabei sämtliche von dem Verfügungskläger gegen die Zulässigkeit des Arbeitskampfes angeführten Gründe gewürdigt hat und im Rahmen einer Unterlassungsklage keine berücksichtigungsfähigen neuen Tatsachen vorgetragen werden.