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Arbeitsrecht
13.10.2022
Arbeitsrecht
BAG: Annahmeverzug – Anweisung zur Durchführung von PCR-Tests auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 (Coronavirus)

BAG, Urteil vom 1.6.2022 – 5 AZR 28/22

ECLI:DE:BAG:2022:010622.U.5AZR28.22.0

Volltext: BB-Online BBL2022-2419-1

Orientierungssätze

1. Die Anordnung, entsprechend einem betrieblichen Hygienekonzept PCR-Tests auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 vorzunehmen, betrifft Ordnung und Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb, § 106 S. 2 GewO (Rn. 25).

2. Nach § 106 S. 2 iVm. S. 1 GewO bilden die arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften, die der Arbeitgeber mit Weisungen umsetzt, insoweit die Grundlage des Weisungsrechts. Geben die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzanforderungen keine klar definierten Maßnahmen zwingend vor, hat diese Umsetzung unter Beachtung billigen Ermessens (§ 106 S. 1 GewO) zu erfolgen. Sie kann in diesem Rahmen auch über die durch die Arbeitsschutzregeln vorgegebenen Mindeststandards hinausgehen (Rn. 22, 26).

3. Das billige Ermessen, das bei der Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts nach § 106 S. 2 iVm. S. 1 GewO zu wahren ist, wird inhaltlich auch durch die Grundrechte des Arbeitnehmers mitbestimmt. Wenn es sich beim Arbeitgeber um eine selbst nicht grundrechtsfähige juristische Person des öffentlichen Rechts handelt, ist die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Grundrechte des Arbeitnehmers zu prüfen (Rn. 35).

4. Der mit einem PCR-Test (Nasen-Rachen-Abstrich) verbundene Eingriff in die körperliche Unversehrtheit ist minimal und mit Blick auf die damit bei Einbettung in ein betriebliches Hygienekonzept verfolgten legitimen arbeitsschutzrechtlichen Ziele verhältnismäßig und gerechtfertigt (Rn. 36 ff., 45 ff.).

5. Die Datenverarbeitung bei der Umsetzung einer im Rahmen eines arbeitsschutz-rechtlichen Hygienekonzepts vorgesehenen Corona-Testpflicht kann nach § 26 Abs. 3 BDSG iVm. Art. 9 Abs. 2 Buchst. b DS-GVO zur Ausübung von Rechten bzw. zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht erforderlich und damit zulässig sein. Der Datenschutz genießt gegenüber dem Arbeitsschutz keinen absoluten Vorrang (Rn. 62 ff.).

  

Sachverhalt

Die Parteien streiten über Vergütung wegen Annahmeverzugs in der Zeit vom 24. August 2020 bis zum 29. Oktober 2020 – hilfsweise Vergütung der Zeiten häuslichen Übens – und über die Beschäftigung der Klägerin. Hauptstreitpunkt ist dabei die Verpflichtung der Klägerin, sich zur Ausübung ihrer Tätigkeit als Flötistin an der Bayerischen Staatsoper auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 (Coronavirus) testen zu lassen.

Die Klägerin war seit dem 1. März 1997 bei der Bayerischen Staatsoper, einem Regiebetrieb des beklagten Freistaats, als Flötistin tätig, zuletzt zu einem Bruttomonatsgehalt von 8.351,86 Euro. Nach § 4 des Arbeitsvertrags vom 19. Dezember 1996/10. Februar 1997 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für Musiker in Kulturorchestern (TVK) in der jeweils gültigen Fassung.

Zur Verhinderung von Ansteckungen der Arbeitnehmer mit SARS-CoV-2 wurde bei der Bayerischen Staatsoper im Jahr 2020 unter anderem durch einen Umbau die Fläche für das Orchester vergrößert, es wurden Plexiglas-Trennscheiben aufgestellt, Kürzungen und Umstellungen bei den aufzuführenden Stücken vorgenommen und die Zu- und Abtritte der Orchestermusiker genau geregelt und markiert. Soweit möglich, mussten Mund-Nasen-Bedeckungen getragen werden. Darüber hinaus hat die Bayerische Staatsoper nach Beratung ua. durch das Institut für Virologie der Technischen Universität München und das Klinikum rechts der Isar im Rahmen ihres laufend fortentwickelten betrieblichen Hygienekonzepts eine Teststrategie entwickelt. Danach mussten in der Spielzeit 2020/2021 alle Mitarbeiter nach den Theaterferien bei Dienstantritt im August 2020 einen negativen PCR-Testbefund vorlegen. Folgetestungen sollten für Orchestermusiker wie die Klägerin alle ein bis drei Wochen stattfinden. Die Bayerische Staatsoper bot hierfür kostenlose PCR-Tests an, alternativ konnten die Mitarbeiter PCR-Testbefunde eines von ihnen selbst ausgewählten Anbieters vorlegen.

Der Klägerin wurde mitgeteilt, dass sie für die Teilnahme an Proben und Aufführungen, die im streitgegenständlichen Zeitraum auch stattgefunden haben, einen negativen PCR-Testbefund vorlegen müsse. Mit anwaltlichem Schreiben vom 24. August 2020 erklärte die Klägerin, dass sie sich einem – ihrer Auffassung nach – anlasslosen Test auf SARS-CoV-2 nicht unterziehen werde. Der beklagte Freistaat beschäftigte daraufhin die Klägerin nicht mehr und stellte die Gehaltszahlung zum 24. August 2020 ein. Seit dem Gütetermin im vorliegenden Verfahren, der am 21. Oktober 2020 stattfand, ließ sich die Klägerin extern ohne Anerkennung einer Rechtspflicht testen. Ein PCR-Test vom 28. Oktober 2020 fiel positiv aus. Mit der Vorlage des Testergebnisses am 30. Oktober 2020 nahm der beklagte Freistaat die Gehaltszahlung wieder auf.

Die Klägerin hat mit ihrer Klage vom 23. September 2020 verlangt, ohne Verpflichtung zur Durchführung von PCR-Tests sowie Tests jedweder Art zur Feststellung von SARS-CoV-2 als Flötistin beschäftigt zu werden. Weiter hat sie Vergütung wegen Annahmeverzugs für den Zeitraum vom 24. August 2020 bis zum 29. Oktober 2020 geltend gemacht, hilfsweise Vergütung für häusliches Üben während dieser Zeit. Sie hat im Wesentlichen gemeint, der beklagte Freistaat dürfe sie nicht zu Tests auf SARS-CoV-2 verpflichten, weil er dadurch in ihre Grundrechte eingreife. Eine Rechtsgrundlage für die Testanordnung gebe es nicht. Anlasslose Massen-PCR-Tests seien schon nicht geeignet, das von der Bayerischen Staatsoper verfolgte Ziel zu erreichen, die Verbreitung von COVID-19-Erkrankungen zu verhindern. Die Tests seien auch nicht erforderlich und angemessen. Die Testpflicht verstoße mit Blick auf die Hygienekonzepte anderer Kultureinrichtungen in München gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Zudem stünden ihr datenschutzrechtliche Bestimmungen entgegen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. den beklagten Freistaat zu verpflichten, sie weiterhin zu den vereinbarten Bedingungen als Flötistin zu beschäftigen, wobei sie nicht verpflichtet ist, zur Erbringung ihrer Arbeitsleistung PCR-Tests oder andere Tests jedweder Art zur Feststellung von SARS-CoV-2 vornehmen zu lassen und dem beklagten Freistaat vorzulegen;

2. den beklagten Freistaat zu verurteilen, an sie für September 2020 8.351,86 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Oktober 2020 zu zahlen;

3. den beklagten Freistaat zu verurteilen, an sie für August 2020 2.145,25 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 1. September 2020 zu zahlen;

4. den beklagten Freistaat zu verurteilen, an sie für Oktober 2020 7.812,95 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 1. November 2020 zu zahlen;

hilfsweise für den Fall der Abweisung der Klageanträge zu 2. bis 4.,

5. den beklagten Freistaat zu verurteilen, an sie für August bis Oktober 2020 9.155,03 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. November 2020 zu zahlen.

Der beklagte Freistaat hat Klageabweisung beantragt. Er hat im Wesentlichen die Auffassung vertreten, die Testanordnung entsprechend dem betrieblichen Hygienekonzept der Bayerischen Staatsoper sei nach § 4 Abs. 2 TVK zulässig und könne darüber hinaus auch auf das Direktionsrecht in Verbindung mit arbeitsschutzrechtlichen Regelungen gestützt werden. Es handele sich bei der angeordneten Pflicht zur Vorlage von negativen PCR-Tests um eine an einen legitimen Zweck gekoppelte, geeignete und angemessene Maßnahme, die weder verfassungs- noch datenschutzrechtlichen Bedenken unterliege. Die hilfsweise geltend gemachte Vergütung für – bestrittene – Zeiten des häuslichen Übens sei nicht geschuldet. Eine entsprechende Vergütungspflicht ergebe sich weder aus dem Arbeitsvertrag noch aus den Vorschriften des TVK. Der Beschäftigungsantrag sei ebenfalls unbegründet, da er in seiner globalen Fassung auch Sachverhalte umfasse, bei denen die Klägerin einer Testpflicht unterliege.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat nachträglich zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klagebegehren weiter, der beklagte Freistaat beantragt die Zurückweisung der Revision. Während des Revisionsverfahrens haben die Parteien mitgeteilt, dass der beklagte Freistaat im März 2022 das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fristlos gekündigt habe.

Aus den Gründen

9          Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin war verpflichtet, vor Dienstantritt nach den Theaterferien einen PCR-Test auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 und ebenso die nach dem Schutz- und Hygienekonzept der Bayerischen Staatsoper vorgesehenen Folgetestungen durchführen zu lassen. Da sie dem im Streitzeitraum nicht nachgekommen ist, konnte der beklagte Freistaat die Entgeltzahlung in der Zeit vom 24. August 2020 bis zum 29. Oktober 2020 einstellen. Die Klägerin hat für diesen Zeitraum auch keinen Anspruch auf die Vergütung von Zeiten häuslichen Übens. Eine Beschäftigung als Flötistin ohne die Durchführung von Tests jedweder Art zur Feststellung von SARS-CoV-2 kann sie ebenfalls nicht verlangen.

10        A. Die Revision der Klägerin ist – anders als der beklagte Freistaat meint – auch hinsichtlich des Streitgegenstands Beschäftigung zulässig.

11        I. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Revision müssen gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Revisionsgründe angegeben werden. Bei Sachrügen sind diejenigen Umstände bestimmt zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergeben soll (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO). Die Revisionsbegründung muss den angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung. Der Revisionsführer muss darlegen, warum er die Begründung des Berufungsgerichts für unrichtig hält (vgl. BAG 24. Juni 2020 – 5 AZR 93/19 – Rn. 12, BAGE 171, 161).

12        II. Die Klägerin hat sich in der Revisionsbegründung mit dem Berufungsurteil auch hinsichtlich des Beschäftigungsantrags in der gebotenen Form auseinandergesetzt. Mit ihren Revisionsangriffen gegen die Testpflicht im Zusammenhang mit den geltend gemachten Entgeltansprüchen hat sie zugleich eine wesentliche Grundlage für die Abweisung ihres Beschäftigungsantrags durch das Landesarbeitsgericht infrage gestellt.

13        B. Die Revision ist jedoch unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

14        I. Die Klägerin kann im streitgegenständlichen Zeitraum vom 24. August 2020 bis zum 29. Oktober 2020 vom beklagten Freistaat keine Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs verlangen.

15        1. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Klägerin den beklagten Freistaat überhaupt ab dem 24. August 2020 wirksam in Annahmeverzug gesetzt hat.

16        a) Nach § 615 Satz 1 BGB hat der Arbeitgeber die nach § 611a Abs. 2 BGB vereinbarte Vergütung fortzuzahlen, wenn er mit der Annahme der Dienste in Verzug gerät. Nach § 293 BGB kommt der Arbeitgeber in Annahmeverzug, wenn er im erfüllbaren Arbeitsverhältnis die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Leistung grundsätzlich tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Der Arbeitnehmer muss die Arbeitsleistung so anbieten, wie sie zu bewirken ist, also am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Art und Weise entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen bzw. deren Konkretisierung kraft Weisung nach § 106 Satz 1 GewO (BAG 28. Juni 2017 – 5 AZR 263/16 – Rn. 21 mwN). Ein wörtliches Angebot genügt (nur), wenn der Arbeitgeber ihm erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen oder sei nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in einem die tatsächliche Heranziehung übersteigenden Umfang zu beschäftigen (§ 295 BGB). Ein Angebot der Arbeitsleistung kann ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn offenkundig ist, dass der Gläubiger auf seiner Weigerung, die geschuldete Leistung anzunehmen, beharrt (BAG 18. September 2019 – 5 AZR 240/18 – Rn. 19, BAGE 168, 25).

17        b) Dass die Klägerin ihre Arbeitsleistung iSv. § 294 BGB tatsächlich angeboten hat, hat sie selbst nicht behauptet. Aus dem Schreiben ihrer damaligen Prozessbevollmächtigten vom 24. August 2020 ergibt sich ein wörtliches Angebot der Arbeitsleistung iSv. § 295 BGB jedenfalls nicht unmittelbar. Ob dem Vortrag der Klägerin in den Vorinstanzen tatsächliche Umstände zu entnehmen sind, die den Schluss zuließen, dass bereits zu diesem Zeitpunkt ein tatsächliches oder wörtliches Angebot entbehrlich gewesen sei, bedarf letztlich keiner Entscheidung, weil der beklagte Freistaat zu Recht eingewandt hat, dass die geltend gemachten Annahmeverzugsansprüche wegen mangelnder Leistungswilligkeit der Klägerin gemäß § 297 BGB ausscheiden. Dies hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt.

18        2. Gemäß § 297 BGB gerät der Arbeitgeber unbeschadet der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die geschuldete Arbeitsleistung aus in seiner Person liegenden Gründen zu bewirken (st. Rspr., vgl. BAG 21. Juli 2021 – 5 AZR 543/20 – Rn. 9 mwN).

19        a) Leistungswille und Leistungsfähigkeit sind vom Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzungen, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen müssen (vgl. BAG 28. Juni 2017 – 5 AZR 263/16 – Rn. 30; 24. September 2014 – 5 AZR 611/12 – Rn. 17, BAGE 149, 144). Beruft sich der Arbeitgeber gegenüber einem Anspruch des Arbeitnehmers auf Annahmeverzug auf dessen Leistungsunfähigkeit oder -unwilligkeit iSd. § 297 BGB, erhebt er eine Einwendung, für deren Voraussetzungen er als Gläubiger der Arbeitsleistung die Darlegungs- und Beweislast trägt (BAG 21. Juli 2021 – 5 AZR 543/20 – Rn. 11).

20        b) Die Klägerin war nicht leistungswillig, weil sie sich geweigert hat, der Anordnung des beklagten Freistaats – handelnd durch die Bayerische Staatsoper – Folge zu leisten, vor Dienstantritt, dh. der Teilnahme an Proben und Aufführungen, einen PCR-Test auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 durchzuführen. Anders als beispielsweise bei Fällen eines von Kunden erteilten Hausverbots oder beim Entzug einer hoheitlichen Einsatzgenehmigung (vgl. dazu BAG 28. September 2016 – 5 AZR 224/16 – Rn. 25, BAGE 157, 34; 21. Oktober 2015 – 5 AZR 843/14 – Rn. 23, BAGE 153, 85; 23. September 2015 – 5 AZR 146/14 – Rn. 18, BAGE 152, 327) handelte es sich nicht um einen Fall der Leistungsunfähigkeit, weil die Klägerin es selbst in der Hand hatte, den Hinderungsgrund zu beseitigen.

21        3. Die Anordnung des beklagten Freistaats, PCR-Tests auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 vorzunehmen, war entgegen der Auffassung der Klägerin wirksam. Sie konnte auf § 618 Abs. 1 BGB iVm. § 106 Satz 2 GewO gestützt werden.

22        a) Nach § 618 Abs. 1 BGB hat der Arbeitgeber Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Arbeitnehmer gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. Diese Pflichten des Arbeitgebers werden durch die Normen des europäischen und des nationalen Arbeitsschutzrechts konkretisiert (BAG 6. Mai 2014 – 9 AZR 575/12 – Rn. 14; Staudinger/Richardi/Fischinger [2020] § 611a Rn. 1793; Staudinger/Oetker [2022] § 618 Rn. 14; MHdB ArbR/Nebe 5. Aufl. Bd. 2 § 175 Rn. 1; jew. mwN).

23        b) Das Arbeitsschutzgesetz bildet den gesetzlichen Rahmen des öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzes, der die Schutzpflichten des § 618 Abs. 1 BGB näher ausgestaltet. Sie beinhalten vor diesem Hintergrund – anders als die Klägerin meint – nicht nur eine Pflicht zum Einschreiten gegen unmittelbare, konkret drohende Gefahren, sondern auch zur Vermeidung von Gefährdungen (§ 4 Nr. 1 ArbSchG), also der bloßen Möglichkeit eines Schadens oder einer gesundheitlichen Beeinträchtigung ohne bestimmte Anforderungen an ihr Ausmaß oder ihre Eintrittswahrscheinlichkeit (vgl. BAG 12. August 2008 – 9 AZR 1117/06 – Rn. 19, BAGE 127, 205; MHdB ArbR/Bücker 5. Aufl. Bd. 2 § 172 Rn. 14; ErfK/Roloff 22. Aufl. BGB § 618 Rn. 5; Kollmer/Klindt/Schucht/Kohte ArbSchG 4. Aufl. § 4 Rn. 6 f.). Zu den Pflichten des Arbeitgebers aus § 618 Abs. 1 BGB gehört es hiernach, die Arbeitnehmer davor zu schützen, dass sie durch Ansteckungen anderer Arbeitnehmer in ihrer Gesundheit gefährdet werden. Der Arbeitgeber hat – soweit dies erforderlich und zumutbar ist – das Ansteckungsrisiko auch für andere Arbeitnehmer bei der Arbeit möglichst gering zu halten (BeckOGK/Witschen Stand 1. März 2022 BGB § 618 Rn. 122; ErfK/Roloff aaO Rn. 11; Sagan/Brockfeld NJW 2020, 1112, 1113; Staudinger/Oetker [2022] § 618 Rn. 188).

24        c) Bei der Umsetzung der Schutzpflichten nach § 3 ArbSchG hat der Arbeitgeber die Leitlinien des § 4 ArbSchG zu beachten. Danach sind vorrangig technische, dann organisatorische und zuletzt persönliche Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu ergreifen (Kollmer/Klindt/Schucht/Kohte ArbSchG 4. Aufl. § 4 Rn. 11; vgl. zum TOP-Prinzip auch Sagan/Brockfeld NZA-Beilage 2020, 17, 19). § 4 Nr. 3 ArbSchG verpflichtet den Arbeitgeber, hierbei den Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen. Hieraus sind Konkretisierungen für die jeweiligen Betriebe und Arbeitsplätze abzuleiten (vgl. Kollmer/Klindt/Schucht/Kohte aaO Rn. 17a). Unter Berücksichtigung der Vorgaben von § 5 ArbSchG zur Gefährdungsbeurteilung ist für Maßnahmen des Arbeitsschutzes auf die konkrete Arbeitsumgebung und die jeweiligen Arbeitsabläufe abzustellen (vgl. ErfK/Roloff 22. Aufl. ArbSchG § 5 Rn. 2 f.).

25        d) Bei den Anordnungen, die der Arbeitgeber zur Umsetzung der ihn treffenden Schutzpflichten zu erteilen hat (§ 4 Nr. 7 ArbSchG), handelt es sich um Weisungen iSv. § 106 Satz 2 GewO, welche die Ordnung und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb betreffen (so für die Anordnung von Coronatests Bayer GWR 2021, 255, 258; ErfK/Preis 22. Aufl. GewO § 106 Rn. 33a; aA Freh/Daneshian ArbRB 2021, 146, 147, die Testanordnung konkretisiere leistungssichernde Nebenpflichten nach § 106 Satz 1 GewO und § 241 Abs. 1 BGB bzw. Schutz-und Rücksichtnahmepflichten nach § 241 Abs. 2 BGB; Boecken/Bantele COVuR 2021, 322, 325 f., die Coronatests ausschließlich dem Bereich der privaten Lebensführung zuordnen, der dem Direktionsrecht entzogen sei).

26        aa) Die arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bilden in Fällen wie diesem nach § 106 Satz 2 iVm. Satz 1 GewO die Grundlage des Weisungsrechts. Mit Weisungen setzt der Arbeitgeber die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzanforderungen um. Soweit diese keine klar definierten Maßnahmen zwingend vorgeben, hat die Umsetzung unter Beachtung billigen Ermessens (§ 106 Satz 1 GewO) zu erfolgen. Die aus den arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften abgeleiteten Anforderungen stellen dabei lediglich das Mindestmaß dessen dar, was zum Schutz der Gesundheit von Arbeitnehmern und Dritten getan werden muss (BeckOK ArbR/Joussen Stand 1. März 2022 BGB § 618 Rn. 3; Staudinger/Oetker [2022] § 618 Rn. 146). Dem Arbeitgeber steht es im Rahmen seines Ermessensspielraums allerdings frei, über dieses Mindestmaß hinauszugehen (Sagan NZA-Beilage 2021, 21, 24; Thüsing/Bleckmann/Rombey COVuR 2021, 66, 68 zur Impfpflicht).

27        bb) Eine Bestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Einzelfalls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (BAG 25. Februar 2015 – 5 AZR 886/12 – Rn. 36, BAGE 151, 45). Erforderlich ist eine Abwägung nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit (BAG 18. Oktober 2017 – 10 AZR 330/16 – Rn. 45, BAGE 160, 296; BeckOGK/Maschmann Stand 1. Mai 2022 GewO § 106 Rn. 78; HWK/Lembke 10. Aufl. § 106 GewO Rn. 119; MHdB ArbR/Reichold 5. Aufl. Bd. 1 § 40 Rn. 28). Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb dieses Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (BAG 27. April 2021 – 9 AZR 340/19 – Rn. 66; 24. Oktober 2018 – 10 AZR 19/18 – Rn. 26). Ob die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Hierbei kommt es nicht auf die vom Bestimmungsberechtigten angestellten Erwägungen an, sondern darauf, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hatte (BAG 27. April 2021 – 9 AZR 340/19 – Rn. 66; 24. Oktober 2018 – 10 AZR 19/18 – Rn. 26). Den Tatsacheninstanzen steht bei der Kontrolle des billigen Ermessens bei der Ausübung des Weisungsrechts iSv. § 106 Satz 2 iVm. Satz 1 GewO, § 315 BGB ein Beurteilungsspielraum zu, der die revisionsrechtliche Prüfung einschränkt (BAG 27. April 2021 – 9 AZR 343/20 – Rn. 69).

28        e) Ausgehend von den dargestellten Grundsätzen war die auf dem im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Hygienekonzept der Bayerischen Staatsoper basierende Anweisung, zu Beginn der Spielzeit 2020/2021 einen PCR-Test auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 sowie Folgetestungen in rollierenden Abständen durchführen zu lassen, wirksam. Dies kann der Senat endentscheiden, obwohl das Landesarbeitsgericht die Ermessensausübung durch den beklagten Freistaat nicht im Rahmen der Prüfung von § 618 Abs. 1 BGB iVm. § 106 Satz 2 GewO vorgenommen hat, sondern in einem anderen Kontext – der Anordnung von Coronatests als ärztliche Untersuchungen nach § 4 Abs. 2 TVK. Dem Senat ist eine eigene Prüfung und Interessenabwägung möglich, weil die für eine Endentscheidung erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen sind (§ 559 Abs. 1 ZPO) und weiterer Sachvortrag der Parteien nicht zu erwarten ist.

29        aa) Das Hygienekonzept der Bayerischen Staatsoper berücksichtigte die Rahmenvorgaben des Arbeitsschutzgesetzes und die zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zur Konkretisierung erlassenen Vorschriften und Empfehlungen. Im streitgegenständlichen Zeitraum war der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) veröffentlichte SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard vom 20. April 2020 als sachverständige Äußerung bei der Auslegung arbeitsschutzrechtlicher Normen zu berücksichtigen und ebenso die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel der beratenden Arbeitsschutzausschüsse beim BMAS und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) vom 10. August 2020, die die Anforderungen der einzelnen Arbeitsschutzverordnungen konkretisieren sollte (vgl. zum Ganzen BeckOGK/Witschen Stand 1. März 2022 BGB § 618 Rn. 122 mwN; Kollmer/Klindt/Schucht/Kohte ArbSchG 4. Aufl. § 4 Rn. 17a). Im beklagten Freistaat galt im Streitzeitraum zudem die 6. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 19. Juni 2020 (6. BayIfSMV), ergänzt durch die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege über die Corona-Pandemie: Hygienekonzept Kulturelle Veranstaltungen und Proben vom 2. Juli 2020 (Rahmenkonzept Kulturelle Veranstaltungen). Auch diese Verordnung hatte die Bayerische Staatsoper bei der Erarbeitung ihres Hygienekonzepts in den Blick genommen.

30        bb) Der beklagte Freistaat hat sich unter Berücksichtigung der spezifischen betrieblichen Gegebenheiten bei der Bayerischen Staatsoper an den allgemeinen Grundsätzen des § 4 ArbSchG orientiert, nämlich zunächst versucht, erkannte Gefahren an der Quelle zu bekämpfen und unter Berücksichtigung des Stands von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstiger gesicherter arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse der Arbeitsmedizin zuerst organisatorische, dann technische und zuletzt persönliche Maßnahmen ergriffen.

31        (1) Bei Beurteilung der im Sommer 2020 bestehenden betrieblichen Gefährdungssituation war von einer pandemischen Verbreitung von SARS-CoV-2 mit diffusem Ansteckungsgeschehen auszugehen, das zu zahlreichen Infektionen führte, die auch schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle nach sich zogen. Im März 2020 hatte der Deutsche Bundestag das Vorliegen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite festgestellt (vgl. zu § 5 Abs. 1 IfSG BT-Drs. 19/18111 S. 14). Impfstoffe, die Infektionen oder wenigstens schwere Krankheitsverläufe verhindern konnten, standen noch nicht zur Verfügung. Unter Berücksichtigung dieser Umstände gelangte der beklagte Freistaat – handelnd durch die Bayerische Staatsoper – in Ansehung der konkreten Arbeitsbedingungen des Opernhauses zu der Auffassung, dass bei Proben und Aufführungen mit Blick auf die geringen Abstände im Orchestergraben und die nicht bestehende Möglichkeit, beim Spielen von Blasinstrumenten einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, von einem hohen Infektionsrisiko für die Orchestermusiker auszugehen war. Um dieses einzudämmen, wurden dem arbeitsschutzrechtlichen TOP-Prinzip folgend zunächst technische Maßnahmen, wie der Umbau des Orchestergrabens und damit verbunden eine Vergrößerung der Bühne und der Abstände zwischen den Musikern sowie das Aufstellen von Trennscheiben, ergriffen. Weiter wurden – in organisatorischer Hinsicht – ua. die Zu- und Abwege genau geregelt und markiert. Die aufzuführenden Werke wurden gekürzt bzw. umgestellt. Als individuelle Schutzmaßnahme wurden die Musiker verpflichtet, auf dem Weg zur und von der Bühne einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Diese Maßnahmen orientierten sich an den Empfehlungen aus dem SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard vom 20. April 2020, der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel vom 10. August 2020 und dem bayerischen Rahmenkonzept Kulturelle Veranstaltungen.

32        (2) Nach Beratung durch das Institut für Virologie der Technischen Universität München, das Klinikum rechts der Isar und das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit kam die Bayerische Staatsoper zu dem Ergebnis, dass unbeschadet der technischen und organisatorischen Maßnahmen noch Optimierungsbedarf und -möglichkeiten bestanden. In Umsetzung von § 21 Abs. 2 Nr. 5 6. BayIfSMV und in enger Abstimmung mit den genannten Einrichtungen unter Einbeziehung des Betriebsarztes und Personalrats wurde zur weiteren Ermöglichung von Proben und Aufführungen ein Schutz- und Hygienekonzept erarbeitet. Dieses sah in der im Streitzeitraum maßgeblichen Fassung für Orchestermitglieder in der neuen Spielzeit ua. einen PCR-Test auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 vor Dienstantritt und rollierende Folgetestungen nach einem gestaffelten Stichprobenprinzip im Abstand von ein bis drei Wochen vor.

33        (3) Unter Berücksichtigung räumlicher und künstlerischer Gegebenheiten hielt die Bayerische Staatsoper zusätzliche technische oder organisatorische Maßnahmen, wie sie die Klägerin im Verfahren vorgeschlagen hat, nicht für umsetzbar. Noch größere Abstände zwischen den Musikern oder eine Änderung der Sitzordnung im Orchester, wie sie im Rahmenkonzept Kulturelle Veranstaltungen als Option („sollen möglichst“) angeregt wurden, hätten nach Einschätzung des beklagten Freistaats die hohe künstlerische Qualität des Orchesters beeinträchtigt. Hiervon konnte er für die Bayerische Staatsoper im Rahmen seines Beurteilungsspielraums ausgehen und weiteren Arbeitsschutz durch die entwickelte Teststrategie als Teil ihres Schutz- und Hygienekonzepts anstreben.

34        cc) Die Anweisung, PCR-Tests auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 durch einen Nasen- und Rachenabstrich durchführen zu lassen, ging im streitgegenständlichen Zeitraum zwar über die damaligen arbeitsschutzrechtlichen (Mindest-)Anforderungen hinaus. Sie entsprach dennoch – auch unter Berücksichtigung der damit verbundenen Grundrechtseingriffe – billigem Ermessen. Denn diese Eingriffe erweisen sich unter Berücksichtigung der verfolgten Ziele, den Opernbetrieb aufrechtzuerhalten und zugleich den Infektions- und Arbeitsschutz soweit möglich zu verbessern, als verhältnismäßig und damit gerechtfertigt.

35        (1) Das bei der Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts nach § 106 Satz 2 iVm. Satz 1 GewO zu wahrende billige Ermessen wird inhaltlich durch die Grundrechte des Arbeitnehmers mitbestimmt. Kollidieren diese mit dem Recht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer eine von der vertraglichen Vereinbarung gedeckte Anweisung zu erteilen, sind die gegensätzlichen Rechtspositionen grundrechtskonform auszugleichen. Bei Arbeitgebern, die selbst Grundrechtsträger sind, sind die betroffenen Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers im Sinne einer praktischen Konkordanz so abzuwägen, dass die geschützten Rechtspositionen für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BAG 30. Januar 2019 – 10 AZR 299/18 (A) – Rn. 40, BAGE 165, 233; BeckOGK/Maschmann Stand 1. Mai 2022 GewO § 106 Rn. 93; jew. mwN). Ist der Arbeitgeber – wie der beklagte Freistaat als Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts – selbst nicht grundrechtsfähig (vgl. dazu BVerfG 15. Dezember 2020 – 1 BvR 1395/19 – Rn. 31 ff.; 22. Februar 2019 – 2 BvR 2203/18 – Rn. 20 ff.), ist die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Rechte des Arbeitnehmers zu prüfen.

36        (2) Der mit der Durchführung von PCR-Tests verbundene Eingriff in das Grundrecht der Klägerin auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG war verhältnismäßig und damit gerechtfertigt.

37        (a) Ein PCR-Test stellt einen Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG dar. Wenn ein Wattestäbchen zur Durchführung eines Nasen-Rachen-Abstrichs eingeführt wird, handelt es sich um einen körperlichen Eingriff (vgl. Hidalgo/Ceelen/Buziek NJW 2021, 3151, 3152; Giesen ZFA 2021, 440, 459).

38        (b) Dieser Grundrechtseingriff war jedoch gerechtfertigt. Er diente einem legitimen Zweck und war zur Erreichung dieses Zwecks geeignet sowie erforderlich. Er belastete die betroffenen Arbeitnehmer auch nicht in unzumutbarer Weise; insbesondere war der – geringfügige – Eingriff unter Berücksichtigung der damit verfolgten Ziele nicht unverhältnismäßig im engeren Sinne (vgl. zur Verhältnismäßigkeitsprüfung BVerfG 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 – Rn. 149).

39        (aa) Die im Schutz- und Hygienekonzept der Bayerischen Staatsoper im streitgegenständlichen Zeitraum vorgesehenen PCR-Tests verfolgten ein legitimes Ziel. Sie sollten einen künstlerisch anspruchsvollen Opernbetrieb mit Aufführungen und Proben in der pandemischen Lage ermöglichen und zugleich den Infektions- und Arbeitsschutz soweit möglich verbessern.

40        (bb) Die vorgesehenen PCR-Tests waren zur Erreichung dieses Ziels geeignet.

41        (aaa) Eine Maßnahme ist geeignet, wenn mit ihrer Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Es genügt grundsätzlich, wenn die Möglichkeit der Zweckerreichung besteht. Eine Regelung ist erst dann nicht mehr geeignet, wenn sie die Erreichung des Zwecks in keiner Weise fördern kann oder sich sogar gegenläufig auswirkt (vgl. BVerfG 9. Februar 2022 – 2 BvL 1/20 – Rn. 126; 19. November 2021 – 1 BvR 971/21, 1 BvR 1069/21 – Rn. 114). Dem beklagten Freistaat kam – nach fachkundiger Beratung – bei der Auswahl der für den Arbeitsschutz eingesetzten Mittel ein Beurteilungsspielraum zu.

42        (bbb) Gemessen hieran konnte der beklagte Freistaat annehmen, dass der Einsatz von PCR-Tests geeignet war, um bei Aufrechterhaltung des Opernbetriebs Infektionen mit SARS-CoV-2 zu verhindern und so den Infektions- und Arbeitsschutz zu verbessern. Hiervon konnte das Landesarbeitsgericht unter Berücksichtigung des Vortrags der Klägerin ohne Beweisaufnahme ausgehen. Dies stellte keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar, denn die Klägerin hat bei ihrer Kritik an PCR-Tests nicht behauptet, dass diese ungeeignet iSd. verfassungsrechtlichen Definition (Rn. 41) seien. Sie hat unter Berufung auf verschiedene Quellen vorgetragen, dass ein positiver PCR-Test einen spezifischen Bestandteil des Virus SARS-CoV-2 nachweise, was nicht in jedem Fall mit einer tatsächlichen Infektion und nicht mit einer Erkrankung gleichzusetzen sei. Verschiedene Umstände könnten zudem zu falsch-negativen (oder falsch-positiven) Testergebnissen führen. Wenn ein PCR-Test nach Auffassung der Klägerin einen Bestandteil des Virus SARS-CoV-2 nachweisen kann, ist er nach dem oben dargestellten weiten Maßstab zur Vermeidung weiterer Ansteckungen geeignet. Dies erfordert nicht, dass durch die durchgeführten PCR-Tests weitere Infektionen vollständig ausgeschlossen werden. Daher führt die Möglichkeit falsch-negativer Ergebnisse nicht zu einer Ungeeignetheit im hier zu prüfenden Sinn. Es genügt, wenn durch einen PCR-Test eine zuvor nicht entdeckte Infektion erkannt wird und die getestete Person durch Isolation weitere Ansteckungen vermeidet. PCR-Tests können so – unabhängig von eventuellen falschen Ergebnissen, der Testfrequenz und von sonstigen Ansteckungsgefahren – Infektionen und damit Erkrankungen verhindern. Im Ergebnis bezweifelt die Klägerin lediglich die Tauglichkeit von PCR-Tests für anlasslose Massentests. Solche wurden bei der Bayerischen Staatsoper aber nicht durchgeführt. Die PCR-Tests waren – auch hinsichtlich der Folgetests nach dem Stichprobenprinzip – vielmehr Bestandteil eines unter wissenschaftlicher Begleitung entwickelten betrieblichen Schutz- und Hygienekonzepts.

43        (ccc) Darüber hinaus handelt es sich bei PCR-Tests um das Testverfahren, das alle Gesundheitsämter zum Nachweis einer Infektion mit SARS-CoV-2 anerkennen (vgl. zur grundsätzlichen Geeignetheit von PCR-Tests zum Infektionsnachweis auch BVerfG 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 – Rn. 194; Bayerischer VGH 28. Januar 2022 – 10 CS 22.233 – Rn. 19; Sächsisches OVG 30. März 2021 – 3 B 83/21 – Rn. 41; jew. mwN). Vor diesem Hintergrund konnte der beklagte Freistaat PCR-Tests nach fachkundiger Beratung durch renommierte medizinische Einrichtungen im für die Prüfung maßgeblichen Zeitpunkt der Erteilung der Anweisung für geeignet halten.

44        (cc) Die Corona-PCR-Tests waren zur Erreichung der verfolgten Ziele erforderlich. Mildere Mittel, wie zB das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes, sind nicht für alle Orchestermusiker möglich. Zudem kann hierdurch nicht festgestellt werden, ob ein Musiker infiziert ist und damit die Sicherheit der anderen gefährdet.

45        (dd) Die Maßnahme stellt sich auch als angemessen und verhältnismäßig im engeren Sinne dar. Dies erfordert, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen. In einer Abwägung sind Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte einerseits der Bedeutung der Regelung für die Erreichung legitimer Ziele andererseits gegenüberzustellen (vgl. BVerfG 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 – Rn. 203 mwN).

46        (aaa) Der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit durch einen PCR-Test ist nur minimal. Der Nasen-Rachen-Abstrich dauert nur wenige Sekunden und verursacht kurz ein unangenehmes Gefühl. Gegebenenfalls auftretende Würgereflexe beim Rachenabstrich enden mit dem Entfernen des Wattestäbchens. Gleiches gilt für etwaige durch den eingeführten Fremdkörper verursachte Irritationen beim Nasenabstrich. Selbst wenn es dem Vorbringen der Klägerin folgend „bisweilen“ zu geringen Verletzungen mit Nasenbluten komme sollte, heilen solche nach kurzer Zeit vollständig ab. Die Gefahr von Schleimhautreizungen durch wiederholte Tests bestand bei den im Hygienekonzept der Bayerischen Staatsoper vorgesehenen PCR-Tests in Abständen von einer bis drei Wochen nicht (dazu – bei mehreren Tests pro Woche – Bayerischer VGH 20. März 2021 – 20 NE 21.353 – Rn. 22).

47        (bbb) Der beklagte Freistaat wollte die Durchführung von Proben und Aufführungen bei der Bayerischen Staatsoper ermöglichen und zugleich die Arbeitnehmer vor Erkrankungen aufgrund von SARS-CoV-2 schützen. Solche Erkrankungen können mit schweren, zT bleibenden körperlichen Einschränkungen einhergehen und sogar zum Tod des Betroffenen führen. Im Zeitpunkt des Erlasses der Anweisung im August 2020 stand ein Impfstoff noch nicht zur Verfügung. Zugleich war für die Orchestermitglieder im Proben- und Aufführungsbetrieb von einem erhöhten Risiko für Ansteckungen auszugehen, weil beim Spielen von Blasinstrumenten mit erheblichem Aerosolausstoß zu rechnen ist und zugleich kein Mund-Nasen-Schutz getragen werden kann. In der Gesamtschau wiegen daher die vom beklagten Freistaat verfolgten Interessen gegenüber dem nur geringfügigen Grundrechtseingriff schwerer.

48        (3) Der mit den angeordneten PCR-Tests verbundene Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG war ebenfalls verhältnismäßig und damit gerechtfertigt (ebenso im Ergebnis OGH der Republik Österreich 14. September 2021 – 8 ObA 42/21s – Rn. 29 zum Eingriff in Persönlichkeitsrechte).

49        (a) Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung schützt die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (BVerfG 1. Dezember 2020 – 2 BvR 916/11, 2 BvR 636/12 – Rn. 198 mwN, BVerfGE 156, 63). Durch die Verpflichtung, in die Übermittlung des Testergebnisses an den Testausschuss bei der Bayerischen Staatsoper einzuwilligen, konnten die betroffenen Arbeitnehmer nicht mehr über die Preisgabe und Verwendung einer Information über ihren Gesundheitszustand bestimmen. Damit lag ein Eingriff vor.

50        (b) Dieser Grundrechtseingriff war jedoch gerechtfertigt. Er diente einem legitimen Zweck und war zur Erreichung dieses Zwecks geeignet sowie erforderlich (vgl. auch Rn. 38 ff.). Das Hygienekonzept verfolgte mit der Teststrategie die legitimen Ziele, einen künstlerisch anspruchsvollen Opernbetrieb mit Aufführungen und Proben in der pandemischen Lage zu ermöglichen und zugleich die Gesundheit der Arbeitnehmer der Bayerischen Staatsoper zu schützen. Die Vermeidung von Ansteckungen setzte dabei voraus, dass sich die getestete Person nach einem positiven PCR-Test isoliert und nicht an Proben und Aufführungen teilnimmt. Dies erforderte organisatorisch eine Informationsweitergabe an die Bayerische Staatsoper, die nach dem Hygienekonzept auf den Testausschuss beschränkt wurde.

51        (c) Die Maßnahme stellt sich auch als angemessen und verhältnismäßig im engeren Sinne dar (vgl. zu den Anforderungen Rn. 45). Die Arbeitnehmer waren lediglich zur Preisgabe eines spezifischen Gesundheitsdatums verpflichtet. Damit war nur ein geringfügiger Eingriff in ihre informationelle Selbstbestimmung verbunden. Zwar besteht am Schutz von den Gesundheitszustand betreffenden Informationen grundsätzlich ein hohes Interesse. Die Mitteilung, ob eine Infektion mit SARS-CoV-2 vorliegt oder nicht, betrifft jedoch nur den zum Zeitpunkt des Abstrichs bestehenden Gesundheitszustand und stellt eine „Momentaufnahme“ dar. Sie lässt, anders als zB Informationen über chronische Krankheiten, keine Folgerungen auf die künftige Leistungsfähigkeit zu. Der beklagte Freistaat verfolgte demgegenüber mit der Informationsgewinnung das legitime Ziel, den Opernbetrieb aufrechtzuerhalten und die Arbeitnehmer vor der Ansteckung mit einer potentiell gefährlichen Erkrankung zu schützen. Diese Interessen wiegen in der Gesamtschau gegenüber dem nur geringfügigen Grundrechtseingriff schwerer. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine Infektion mit SARS-CoV-2 in der Bayerischen Staatsoper ohnehin regelmäßig – jedenfalls mittelbar – bekannt würde, weil SARS-CoV-2 zu den meldepflichtigen Krankheiten iSv. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. t IfSG gehört. Die Teststelle hätte eine festgestellte Infektion dem zuständigen Gesundheitsamt gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 IfSG namentlich melden müssen. Das Gesundheitsamt hätte gemäß § 25 Abs. 1 IfSG eine Ermittlung der Kontaktpersonen durchgeführt und diese über die festgestellte Infektion informiert. Im gewöhnlichen Proben- und Aufführungsbetrieb hätten jeweils andere Ensemblemitglieder zu den Kontaktpersonen gehört, die dementsprechend informiert worden wären.

52        (4) Die Weisung, PCR-Tests auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 durchführen zu lassen, erweist sich auch nicht wegen eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz als unbillig.

53        (a) Der unmittelbare Anwendungsbereich des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes war – anders als die Klägerin meint – bereits nicht eröffnet. Dieser wurzelt als Rechtssatz im Privatrecht und greift ein, wenn der Arbeitgeber freiwillig nach einer abstrakten selbstgesetzten Regel und einem erkennbar ge-neralisierenden Prinzip Leistungen gewährt (vgl. zur Abgrenzung ErfK/Schmidt 22. Aufl. GG Art. 3 Rn. 29). Der Gleichbehandlungsgrundsatz zielt auf die Verwirklichung austeilender Gerechtigkeit (MHdB ArbR/Fischinger 5. Aufl. Bd. 1 § 14 Rn. 6). Er dient der Begründung von Rechten des Arbeitnehmers, nicht deren Einschränkung (BAG 20. Oktober 2017 – 2 AZR 783/16 (F) – Rn. 50, BAGE 160, 364). Zur Beurteilung der Wirksamkeit von – wie hier – belastenden Anweisungen kann er daher nicht herangezogen werden.

54        (b) Jedoch hat der Arbeitgeber bei der Ausübung billigen Ermessens im Rahmen von § 106 GewO bei der in diesem Zusammenhang gebotenen Abwägung der beiderseitigen Interessen den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung zu beachten (vgl. BAG 9. April 2014 – 10 AZR 637/13 – Rn. 29 ff., BAGE 148, 16; BeckOGK/Maschmann Stand 1. Mai 2022 GewO § 106 Rn. 59; HWK/Lembke 10. Aufl. § 106 GewO Rn. 123; Grobys/Panzer-Heemeier/Altenburg SWK-ArbR 3. Aufl. Gleichbehandlungsgrundsatz Rn. 12; Staudinger/Rieble [2020] § 315 Rn. 156). Durch die Pflicht zur Gleichbehandlung wird die durch Ausübung des Weisungsrechts bestehende Gestaltungsmacht des Arbeitgebers begrenzt (MHdB ArbR/Fischinger 5. Aufl. Bd. 1 § 14 Rn. 20). Der Gleichbehandlungsgrundsatz begründet allerdings mit Blick auf das Arbeitsschutzrecht keine Verpflichtung des beklagten Freistaats, identische Hygienekonzepte für alle Kultureinrichtungen einer Stadt oder gar des gesamten Bundeslandes aufzustellen, wobei von den von der Klägerin genannten Opern- und Konzerthäusern ohnehin allenfalls das Staatstheater am Gärtnerplatz in eine Vergleichsbetrachtung einzubeziehen wäre, weil nur dieses ebenfalls in der Trägerschaft des beklagten Freistaats steht. Denn Arbeitsschutzmaßnahmen wie hier das betriebliche Hygienekonzept der Bayerischen Staatsoper werden jeweils in Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben für die einzelnen Betriebe, Arbeitsplätze und Arbeitsabläufe entwickelt (vgl. Kollmer/Klindt/Schucht/Kohte ArbSchG 4. Aufl. § 4 Rn. 17a). Im Übrigen darf nicht außer Acht bleiben, dass auch am Staatstheater am Gärtnerplatz – allerdings zu einem etwas späteren Zeitpunkt – eine PCR-Testpflicht eingeführt wurde. Der beklagte Freistaat hat im Rahmen der für die Bayerische Staatsoper entwickelten Arbeitsschutzmaßnahmen entschieden, dort schon früh auf eine PCR-Test-Strategie zu setzen. Dass entsprechendes in anderen Häusern erst später erfolgte, macht die Weisung bei der Bayerischen Staatsoper nicht unbillig.

55        dd) Die Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Anweisung ergibt sich auch nicht aus nationalen oder unionsrechtlichen Bestimmungen zum Datenschutz. Solche standen der im Rahmen des arbeitsschutzrechtlichen Hygienekonzepts der Bayerischen Staatsoper implementierten Teststrategie, die durch die streitgegenständliche Weisung umgesetzt wurde, nicht entgegen. Rechtsgrundlage für die damit verbundene Verarbeitung besonders geschützter personenbezogener Daten ist § 26 Abs. 3 BDSG iVm. Art. 9 Abs. 2 Buchst. b DS-GVO.

56        (1) Nach § 26 Abs. 3 Satz 1 BDSG ist – abweichend von Art. 9 Abs. 1 DS-GVO – die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses zulässig, wenn sie zur Ausübung von Rechten oder zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht, dem Recht der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegt. Entsprechend § 22 Abs. 2 BDSG sind hierfür angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Interessen der betroffenen Person vorzusehen (§ 26 Abs. 3 Satz 3 BDSG).

57        (a) Gemäß Art. 288 AEUV ist die DS-GVO in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Die Verarbeitung von Gesundheitsdaten iSv. Art. 9 Abs. 1 DS-GVO ist nach Art. 9 Abs. 1 DS-GVO untersagt, wenn keiner der in Art. 9 Abs. 2 DS-GVO aufgeführten Ausnahmetatbestände vorliegt. Gemäß Art. 9 Abs. 2 Buchst. b DS-GVO kann die Verarbeitung sensibler Daten nach dem Recht der Mitgliedstaaten ua. dann zulässig sein, wenn sie erforderlich ist, damit der Verantwortliche die ihm aus dem Arbeitsrecht erwachsenden Rechte ausüben und seinen diesbezüglichen Pflichten nachkommen kann, wobei das nationale Recht geeignete Garantien für die Grundrechte und die Interessen der betroffenen Person vorsehen muss. Damit gewährt die Norm den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, unter den in ihr genannten Voraussetzungen die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten zu erlauben (vgl. Gola/Heckmann/Gola BDSG 13. Aufl. § 26 Rn. 3; Maschmann in Kühling/Buchner DS-GVO/BDSG 3. Aufl. BDSG § 26 Rn. 23).

58        (b) Mit § 26 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 BDSG hat der Gesetzgeber von der Öffnungsklausel in Art. 9 Abs. 2 Buchst. b DS-GVO in zulässiger Weise Gebrauch gemacht (EuArbRK/Franzen 4. Aufl. EU (VO) 2016/679 Art. 9 Rn. 8; Schaffland/Holthaus in Schaffland/Wiltfang DS-GVO/BDSG Stand Juni 2022 § 26 BDSG Rn. 118). Die Regelung entspricht den Vorgaben des Art. 9 Abs. 2 Buchst. b DS-GVO. Der Ausnahmetatbestand des Art. 9 Abs. 2 Buchst. b Halbs. 1 DS-GVO ist in Satz 1 von § 26 Abs. 3 BDSG inhaltsgleich übernommen. Dies ist angesichts der im Erwägungsgrund (8) zur DS-GVO ausgedrückten Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, unter näheren Voraussetzungen Teile der DS-GVO in ihr nationales Recht aufzunehmen, als offensichtlich zulässig anzusehen (vgl. BAG 9. April 2019 – 1 ABR 51/17 – Rn. 28 ff. mwN, BAGE 166, 269).

59        (c) Zur Frage der Vereinbarkeit von § 26 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 BDSG mit den Anforderungen der Öffnungsklausel des Art. 9 Abs. 2 Buchst. b DS-GVO ist ein Vorabentscheidungsverfahren durch den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV nicht veranlasst. Dem Verständnis des Art. 9 Abs. 2 Buchst. b DS-GVO als Öffnungsklausel begegnen ebenso wenig Bedenken wie der Annahme, dass der deutsche Gesetzgeber bei ihrer Umsetzung mit § 26 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 BDSG die unionsrechtlichen Vorgaben beachtet hat. Dies ergibt sich ohne Weiteres aus dem Wortlaut der zitierten Normen der DS-GVO und des BDSG; die richtige Anwendung des Unionsrechts ist mithin derart offenkundig, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt (acte clair, vgl. dazu zB EuGH 6. Oktober 2021 – C-561/19 – [Consorzio Italian Management e Catania Multiservizi] Rn. 39 ff.; 15. September 2005 – C-495/03 – [Intermodal Transports] Rn. 33; sowie BAG 7. Mai 2019 – 1 ABR 53/17 – Rn. 48, BAGE 166, 309; 9. April 2019 – 1 ABR 51/17 – Rn. 26 ff., BAGE 166, 269).

60        (2) Die vom beklagten Freistaat vorgenommene Datenverarbeitung im Zusammenhang mit den im Hygienekonzept vorgesehenen PCR-Tests auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 ist nach § 26 Abs. 3 BDSG zulässig.

61        (a) Die Datenverarbeitung erfolgte in Ausübung von Rechten und zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis iSv. § 26 Abs. 3 BDSG. Diese können auch aus dem Arbeitsvertrag selbst erwachsen, ohne dass es einer gesetzlich normierten Regelung bedarf (vgl. Gola/Heckmann/Gola BDSG 13. Aufl. § 26 Rn. 147; Hidalgo/Ceelen/Buziek NJW 2021, 3151, 3155; Thüsing/Bleckmann/Rombey COVuR 2021, 66, 71; aA Wedde in Däubler/Wedde/Weichert/Sommer EU-DSGVO und BDSG 2. Aufl. BDSG § 26 Rn. 240). Darüber hinaus setzte die streitgegenständliche Ausübung des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts arbeitsschutzrechtliche Verpflichtungen (§ 618 BGB iVm. § 3 ff. ArbSchG) zur Vermeidung von Infektionen im Betrieb um (sh. Rn. 23 ff.; vgl. auch ErfK/Franzen 22. Aufl. BDSG § 26 Rn. 46).

62        (b) Die Datenverarbeitung im Rahmen der nach dem Schutz- und Hygienekonzept der Bayerischen Staatsoper angewiesenen PCR-Tests war auch erforderlich iSv. § 26 Abs. 3 BDSG.

63        (aa) Im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung sind die Interessen des Arbeitgebers an der Datenverarbeitung und das Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten zu einem schonenden Ausgleich zu bringen, der beide Interessen möglichst weitgehend berücksichtigt (vgl. BT-Drs. 18/11325 S. 97; Thüsing/Schmidt in Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann DS-GVO/BDSG 2. Aufl. Anhang Art. 88 / § 26 BDSG Rn. 5 f. sowie Rn. 41). Darüber hinaus ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen (vgl. BAG 9. April 2019 – 1 ABR 51/17 – Rn. 39, BAGE 166, 269).

64        (bb) Gemessen hieran war die streitgegenständliche Datenverarbeitung erforderlich iSv. § 26 Abs. 3 BDSG. Der beklagte Freistaat beabsichtigte, mit der Anweisung zur Durchführung von PCR-Tests im Rahmen der Teststrategie nicht nur die Aufrechterhaltung des Opernbetriebs, sondern auch den Gesundheitsschutz der bei der Bayerischen Staatsoper beschäftigten Mitarbeiter zu optimieren, indem mögliche Infektionswege frühzeitig unterbrochen werden sollten (vgl. auch Rn. 50 ff.). Dieser Zweck konnte durch die angeordneten PCR-Tests gefördert werden und andere, gleich geeignete und wirksame Mittel standen nicht zur Verfügung (sh. Rn. 51). Demgegenüber haben die Arbeitnehmer ein Interesse daran, über das (Nicht-)Bekanntwerden ihres Infektionsstatus selbst zu bestimmen. Jedoch überwiegen unter Berücksichtigung der pandemischen Lage im streitgegenständlichen Zeitraum die Interessen des beklagten Freistaats an der Datenverarbeitung zum Schutz der anderen Mitarbeiter vor Infektionen gegenüber dem Interesse des Einzelnen an der Nichtverarbeitung der Information über das (Nicht-)Vorliegen einer SARS-CoV-2-Infektion. Diese stellt jeweils nur eine Momentaufnahme dar, deren – mittelbares – Bekanntwerden im Betrieb zudem mit Blick auf die Regelungen des Infektionsschutzgesetzes kaum zu vermeiden ist. Der Datenschutz genießt gegenüber dem Arbeitsschutz keinen absoluten Vorrang. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, im Gegenzug zu maximalem Datenschutz nur minimalen Arbeitsschutz zu gewährleisten (Sagan NZA-Beilage 2021, 21, 24).

65        (c) Der beklagte Freistaat hat zudem angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Interessen der Arbeitnehmer iSv. § 22 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 BDSG ergriffen, indem er vorgesehen hat, dass die PCR-Tests von medizinisch geschulten Dritten durchgeführt werden und die Testergebnisse nur dem Testausschuss mitgeteilt werden. Konkrete Verstöße gegen weitere datenschutzrechtliche Grundsätze wie das Gebot der Datensparsamkeit oder bezüglich des Umfangs der erhobenen Daten hat die Klägerin, die ihre datenschutzrechtlichen Einwände in der Revision nicht mehr aufgegriffen hat, auch vorinstanzlich nicht substantiiert gerügt.

66        4. Da hiernach die streitgegenständliche Anweisung zur Umsetzung des betrieblichen Schutz- und Hygienekonzepts rechtmäßig war, hat der beklagte Freistaat zu Recht eingewandt, dass Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs im streitgegenständlichen Zeitraum jedenfalls mit Blick auf den fehlenden Leistungswillen der Klägerin nicht bestehen. Ob die Testanordnung – wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat – auch auf § 4 Abs. 2 TVK gestützt werden konnte, bedarf daher keine Entscheidung.

67        II. Der für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 2. bis 4. gestellte, auf die Vergütung der Zeiten häuslichen Übens gerichtete Hilfsantrag fällt dem Senat damit zur Entscheidung an. Die Revision ist auch insoweit unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zu Recht zurückgewiesen.

68        1. Allerdings ist das Landesarbeitsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass das häusliche Üben grundsätzlich keine im arbeitsvertraglichen Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Verpflichtung der Klägerin gegenüber dem beklagten Freistaat sei, sondern nur eine Obliegenheit darstelle. Aus dem arbeitsvertraglich in Bezug genommenen § 7 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 12 Abs. 1 TVK idF vom 1. Oktober 2019 ist nicht abzuleiten, dass arbeitsvertraglich nur die Mitwirkung bei den tarifvertraglich geregelten „Diensten“, den Aufführungen und Proben, geschuldet ist (vgl. zum TVK aF BAG 19. Dezember 1991 – 6 AZR 72/90 – zu II 2 der Gründe). Diese Regelungen sind nicht abschließend. Die Tarifvertragsparteien setzen vielmehr voraus, dass es zur ordnungsgemäßen Ausführung der tarifvertraglich geregelten Dienste auch der individuellen Vorbereitung durch häusliches Proben und Üben bedarf (vgl. BAG 19. Dezember 1991 – 6 AZR 72/90 – aaO; ebenso zum Normalvertrag Chor 21. März 1984 – 4 AZR 375/83 – BAGE 45, 238). Der Orchestermusiker schuldet somit nicht nur die Ableistung der in § 12 TVK geregelten Dienste, sondern außerdem für seine häuslichen Vorbereitungen so viel an Arbeitszeit, wie er individuell benötigt, um dem Qualitätsstandard des Orchesters zu genügen (vgl. zum TVK aF BAG 19. Dezember 1991 – 6 AZR 72/90 – aaO; 31. Juli 1986 – 6 AZR 146/85 – zu B II der Gründe).

69        2. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar, § 561 ZPO. Die Zeiten der häuslichen Vorbereitungen sind nur Bestandteil der vergütungspflichtigen Arbeitszeit, soweit sie zur ordnungsgemäßen Ausführung der tarifvertraglich geregelten Dienste – der Aufführungen und Proben des Orchesters – dienen. Nur hierzu bedarf es der individuellen Vorbereitung durch häusliches Proben und Üben (vgl. BAG 19. Dezember 1991 – 6 AZR 72/90 – zu II 2 der Gründe; 31. Juli 1986 – 6 AZR 146/85 – zu B II der Gründe), nicht als Selbstzweck. Für gemeinsame Proben und Aufführungen des Orchesters stand die Klägerin im Streitzeitraum indes aufgrund ihrer Weigerung, der Anweisung zur Durchführung von PCR-Tests Folge zu leisten, nicht zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund war der beklagte Freistaat auch nicht gehalten, der Klägerin, solange keine Bereitschaft zur bzw. Möglichkeit der Teilnahme an gemeinsamen Proben und Aufführungen bestand, ein ohne Bezug hierauf schon hinsichtlich Dauer und „Erforderlichkeit“ nicht bestimmbares häusliches Üben als Tätigkeit zuzuweisen.

70        3. Darüber hinaus hat die Klägerin auch nicht substantiiert dargelegt, dass sie im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich (jedenfalls) im behaupteten Umfang zu Hause geübt hat. Verlangt ein Arbeitnehmer der – wie die Klägerin hinsichtlich der Übungszeiten – keine festen Arbeitszeiten hat, Entgelt für vermeintlich geleistete Arbeit, so muss er vortragen, an welchen Tagen er von wann bis wann die geschuldete Arbeitsleistung erbracht hat (vgl. BAG 18. April 2012 – 5 AZR 248/11 – Rn. 14, BAGE 141, 144; entsprechend zum Überstundenprozess 4. Mai 2022 – 5 AZR 359/21 – Rn. 15; 26. Juni 2019 – 5 AZR 452/18 – Rn. 39, BAGE 167, 158). Die Klägerin hat lediglich behauptet, sie habe täglich mindestens vier Stunden bzw. mindestens in Höhe der Hälfte der sonst üblichen Arbeitszeit geübt. Diesen vom beklagten Freistaat bestrittenen Vortrag hat sie hinsichtlich der konkreten Übungszeiten nicht näher präzisiert.

71        III. Der Beschäftigungsantrag, mit dem die Klägerin ihren Einsatz ohne Verpflichtung zur Durchführung von Tests jedweder Art zur Feststellung von SARS-CoV-2 erreichen möchte, ist ebenfalls unbegründet.

72        1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist er hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dies gilt nach der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erfolgten Klarstellung, dem Zusatz „weiterhin zu den vereinbarten Bedingungen“ solle keine eigenständige Bedeutung zukommen, hinsichtlich des Inhalts der begehrten Beschäftigung als Flötistin (vgl. zu einer ähnlichen Fallgestaltung BAG 27. Mai 2015 – 5 AZR 88/14 – Rn. 46, BAGE 152, 1). Auch hinsichtlich der Testverfahren, die von dem Antrag erfasst sein sollen, ist der Antrag hinreichend bestimmt. Indem die Klägerin eine Beschäftigung ohne Verpflichtung zu Tests auf SARS-CoV-2 „jedweder Art“ begehrt, macht sie deutlich, dass sie jegliche Tests ablehnt und sämtliche denkbaren Testverfahren in allen möglichen Konstellationen von ihrem Antrag erfasst sein sollen. Damit ist der Antrag hinreichend bestimmt. Dass von ihm Fallgestaltungen erfasst sein können, in denen die Anordnung bestimmter Testverfahren zulässig ist, führt nicht zur fehlenden Bestimmtheit des Antrags, sondern ist eine Frage seiner Begründetheit (vgl. zum Globalantrag BAG 29. September 2020 – 1 ABR 21/19 – Rn. 19 ff., BAGE 172, 292).

73        2. Der auf Beschäftigung ohne Verpflichtung zur Durchführung von Tests jedweder Art zur Feststellung von SARS-CoV-2 gerichtete Globalantrag ist unbegründet. Es kann dahinstehen, ob sich – wie die Revisionserwiderung meint – dies bereits daraus ergibt, dass er auch Konstellationen umfasst, in denen der beklagte Freistaat aufgrund eines Gesetzes oder einer Verordnung gezwungen ist, von den bei der Bayerischen Staatsoper beschäftigten Mitarbeitern zur Erbringung der Arbeitsleistung vor Ort die Vorlage des Ergebnisses eines Tests zur Feststellung von SARS-CoV-2 zu verlangen (sog. 3G- oder 2Gplus-Regelungen am Arbeitsplatz). Er ist jedenfalls schon deshalb unbegründet, weil bereits der für die Zahlungsanträge maßgebliche Zeitraum belegt, dass wirksame Testanordnungen möglich waren und es bei Vorliegen entsprechender Umstände auch zukünftig sein können (vgl. Rn. 21 ff.). Darüber hinaus konnte der zukunftsgerichtete Beschäftigungsantrag – derzeit – schon mit Blick auf die unstreitig ausgesprochene außerordentliche Kündigung vom 17. März 2022, über deren Wirksamkeit im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch keine gerichtliche Entscheidung ergangen war, keinen Erfolg mehr haben (vgl. dazu BAG 27. Februar 1985 – GS 1/84 – zu C II 3 b der Gründe, BAGE 48, 122).

74        C. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

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