BAG: Ablösung einer Versorgungsordnung - Drei-Stufen-Prüfungsschema - Begriff der sachlich-proportionalen Gründe - Anforderungen an die Substantiierung
Das BAG hat mit Urteil vom 9.12.2014 — 3 AZR 323/13 — wie folgt entschieden:
1. Änderungen einer Versorgungsregelung, die die noch nicht erdienten dienstzeitabhängigen Zuwächse betreffen, setzen sachlich-proportionale Gründe voraus. Diese müssen nachvollziehbar und anerkennenswert und damit willkürfrei sein. Derartige Gründe können auf einer Fehlentwicklung der betrieblichen Altersversorgung oder einer wirtschaftlich ungünstigen Entwicklung des Unternehmens beruhen.
2. Stützt der Arbeitgeber den Eingriff auf wirtschaftliche Schwierigkeiten, kommt es zwar grundsätzlich auf die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens an, das Versorgungsschuldner ist. Ist der Arbeitgeber in einen Konzern eingebunden, können Verflechtungen innerhalb des Konzerns allerdings dazu führen, dass ausnahmsweise eine konzerneinheitliche Betrachtung zulässig ist und der Arbeitgeber wirtschaftliche Schwierigkeiten im Konzern zum Anlass für Eingriffe in die noch nicht erdienten dienstzeitabhängigen Zuwächse nehmen darf. Dies ist ohne Weiteres dann anzunehmen, wenn sämtliche Anteile an dem die Versorgung schuldenden Arbeitgeber von der Führungsgesellschaft des Konzerns gehalten werden, deren ausschließlicher Unternehmensgegenstand die Leitung einer Gruppe von Unternehmen ist.
3. Dem Arbeitgeber stehen sachlich-proportionale Gründe für einen Eingriff in die noch nicht erdienten dienstzeitabhängigen Zuwächse zur Seite, wenn wirtschaftliche Schwierigkeiten vorliegen, auf die ein vernünftiger Unternehmer reagieren darf, und der Eingriff in die betriebliche Altersversorgung in der eingetretenen wirtschaftlichen Situation nicht unverhältnismäßig ist. Letzteres ist dann der Fall, wenn die Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung in die künftigen dienstzeitabhängigen Zuwächse nicht weiter eingreift, als ein vernünftiger Unternehmer dies zur Kosteneinsparung in der konkreten wirtschaftlichen Situation für geboten erachten durfte. Da es eines ausgewogenen, die Sanierungslasten angemessen verteilenden Sanierungsplans nicht bedarf, müssen die einzelnen zur Kosteneinsparung getroffenen Maßnahmen nicht in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Vielmehr reicht es aus, dass sich der Eingriff in das betriebliche Versorgungswerk in ein auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage zur Beseitigung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten ausgerichtetes plausibles Gesamtkonzept einpasst.
4. Dem Arbeitgeber und insbesondere den Betriebsparteien steht bei der Beurteilung der dem Eingriff zugrunde liegenden tatsächlichen Gegebenheiten und der finanziellen Auswirkungen der ergriffenen Maßnahmen eine Einschätzungsprärogative zu. Hinsichtlich der Ausgestaltung des Gesamtkonzepts haben sie einen Beurteilungsspielraum.
5. Der Arbeitgeber hat im Prozess substantiiert darzutun, welche wirtschaftlichen Schwierigkeiten vorliegen, in welchem Gesamtumfang angesichts dessen eine Kosteneinsparung aus Sicht eines vernünftigen Unternehmers geboten war und wie das notwendige Einsparvolumen ermittelt wurde. Darüber hinaus hat er sein Gesamtkonzept zu erläutern. Hierzu hat er sämtliche anderen Maßnahmen im Einzelnen darzulegen, die zur Kosteneinsparung getroffen wurden. Zudem ist vorzutragen, in welchem Umfang diese Maßnahmen bei prognostischer Betrachtung zur Einsparung beitragen und wie das auf die durchgeführten Maßnahmen entfallende Einsparpotential ermittelt wurde. Ferner ist darzutun, in welchem Umfang die Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung zur Kosteneinsparung beiträgt und nach welchen Kriterien das prognostizierte Einsparvolumen ermittelt wurde. Auf entsprechenden Einwand des Arbeitnehmers muss der Arbeitgeber erläutern, weshalb anderweitige Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten nicht getroffen wurden und unternehmerische Entscheidungen, die auf den ersten Blick dem Ziel der Kostenreduzierung zuwiderlaufen, erklären.