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Wirtschaftsrecht
13.02.2025
Wirtschaftsrecht
BGH: beA – Überprüfungspflicht bei Umwandlung einer Rechtsmittel(begründungs)schrift in eine PDF-Datei

BGH, Beschluss vom 17.12.2024 – II ZB 5/24

ECLI:DE:BGH:2024:171224BIIZB5.24.0

Volltext: BB-Online BBL2025-385-1

unter www.betriebs-berater.de

Amtlicher Leitsatz

Eine aus einem anderen Dateiformat in eine PDF-Datei umgewandelte Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift ist durch den signierenden Rechtsanwalt vor der Übermittlung im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs an das Gericht per besonderem elektronischen Anwaltspostfach darauf zu überprüfen, ob ihr Inhalt dem Inhalt der Ausgangsdatei entspricht.

ZPO § 233 E

Aus den Gründen

1          I. Die Parteien des Rechtsstreits waren zur gemeinsamen Berufsausübung verbundene Rechtsanwälte. Sie streiten über Erstattungsansprüche wegen versehentlicher Tilgung fremder Schulden durch die Klägerin. Sie hat die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 604,93 € beantragt. Zunächst hat das Amtsgericht ein klageabweisendes Versäumnisurteil erlassen. Nach Einspruch der Klägerin hat es das Versäumnisurteil aufrechterhalten, weil es die Klageforderung für unbegründet erachtet hat, nachdem der Beklagte in entsprechender Höhe mit einer Gegenforderung die Aufrechnung erklärt hat. Das Urteil ist der Klägerin am 14. September 2023 zugestellt worden. Am Montag, den 16. Oktober 2023 ist beim Landgericht nach Dienstschluss eine über das besondere elektronische Anwaltspostfach durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin persönlich übersandte einfach signierte Nachricht eingegangen, die neben dem Prüfvermerk zwei Anhänge im PDF-Format enthalten hat, nämlich das erstinstanzliche Urteil als PDF-Dokument und ein weiteres PDF-Dokument mit dem Namen "Schriftsatz.PDF". Die letztere Datei hat jedoch nur ein leeres Blatt enthalten. Auf diesen Umstand ist die Klägerin am Folgetag hingewiesen worden. Am gleichen Tag hat sie die Berufungsschrift übermittelt und einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Eine Störung im Empfangsbereich des Landgerichts ist nicht festgestellt worden.

 

2          Die Klägerin hat den Wiedereinsetzungsantrag damit begründet, dass ihr Prozessbevollmächtigter auf die Softwares "MS-Word" als Textverarbeitungsprogramm und "RA-Micro" zurückgegriffen habe. Letztere bilde die Schnittstelle zwischen der Textverarbeitung und dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach. Ihr Prozessbevollmächtigter habe am 16. Oktober 2023 die Berufungsschrift erstellt und innerhalb der Textverarbeitung mit dem mit der Berufung angegriffenen Urteil verbunden, was ihm auch angezeigt worden sei. Nach Fertigstellung und Speicherung habe er die Dokumente in den Postausgang verschoben, einfach elektronisch signiert und an das Landgericht versandt, wobei er sich davon überzeugt habe, dass der richtige Schriftsatz vorhanden gewesen sei. Hierbei habe er die in der Bedienungsanleitung vorgesehenen Arbeitsschritte eingehalten. Technisch sei es nicht anders möglich, als dass die Berufungsschrift Teil der bereitgestellten beA-Nachricht gewesen sei, da diese mit dem angegriffenen Urteilsdokument verbunden gewesen sei. Nach Übermittlung habe er sich über das Zustellungsprotokoll über die erfolgreiche Zustellung informiert.

 

3          Das Landgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung wegen Versäumung der Berufungsfrist als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde. Diese sei zulässig und begründet, da sein Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt sei. Sie wiederholt ihren vorinstanzlichen Vortrag und macht zusätzlich geltend, dass es bei der Umwandlung einer durch das Word-Programm erstellten DOC-Datei in eine PDF-Datei durchaus vorkommen könne, dass infolge einer technischen Fehlfunktion leere Seiten entstehen könnten. Dies sei aber dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht als Verschulden anzulasten, so dass die Fristversäumung unverschuldet sei.

 

4          II. Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.

 

5          1. Das Landgericht hat - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Bedeutung - ausgeführt, dass der Wiedereinsetzungsantrag unbegründet und damit die Berufung wegen Versäumnis der Berufungsfrist unzulässig sei. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe schuldhaft gehandelt. Es sei nicht erkennbar, dass er sich über den Inhalt des zu versendenden Schriftstücks nach dessen Erstellung und vor dessen Versendung vergewissert hätte. In dem Empfangsbereich des Landgerichts sei kein PDF-Dokument mit einem Inhalt eingegangen. Es sei davon auszugehen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ein solches leeres Dokument versandt habe. Dies hätte ihm aber auffallen müssen, wenn er sich vor der Versendung über den Inhalt des Dokuments vergewissert hätte. Dazu, wie dies geschehen sein solle, habe er nichts vorgetragen. Vielmehr verweise er in seiner Stellungnahme im Wesentlichen darauf, dass der von ihm vergebene Dateiname unerheblich gewesen sei, da es sich damals um den einzigen versendeten Schriftsatz gehandelt habe. Es sei vom Prozessbevollmächtigten vor Versendung zu prüfen, ob der in dieser Datei enthaltene Schriftsatz tatsächlich die Berufungsschrift sei. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mache lediglich geltend, sich "vor Signatur nochmals davon [überzeugt]" zu haben, dass es sich bei der Versendung der Datei um den "richtigen" Schriftsatz gehandelt habe. Wäre dies aber geschehen, wäre der von der Klägerin geltend gemachte EDV-Fehler - trotz der möglichen Verknüpfung eines (leeren) Dokuments mit dem zu übermittelnden Urteil aufgefallen.

 

6          2. Die Rechtsbeschwerde ist zwar gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist aber unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Wiedereinsetzung ablehnenden und die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen, nicht erfüllt sind.

 

7          a) Die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch erfordert sie eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Insbesondere verletzt der angefochtene Beschluss nicht die verfassungsrechtlich verbürgten Ansprüche der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), auf willkürfreie Entscheidung (Art. 3 Abs. 1 GG) und auf effektiven Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden beziehungsweise die den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 21. Juni 2022 ­ II ZB 3/22, FamRZ 2023, 1797 mwN; Beschluss vom 22. September 2020 - II ZB 2/20, juris Rn. 6). Das ist hier nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat zu Recht die Wiedereinsetzung versagt und die Berufung der Beklagten wegen Versäumung der Berufungsfrist als unzulässig verworfen.

 

8          b) Die Klägerin hat nicht gemäß § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO glaubhaft gemacht, ohne ein - ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares - Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten gemäß § 233 Satz 1 ZPO an der Einhaltung der Berufungsfrist verhindert gewesen zu sein. Sie hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter vor der elektronischen Signatur der PDF-Datei und der Übersendung an das Gericht diese Datei hinreichend überprüft und kontrolliert hat.

 

9          aa) Eine aus einem anderen Dateiformat in eine PDF-Datei umgewandelte Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift ist durch den signierenden Rechtsanwalt vor der Übermittlung im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs an das Gericht per besonderem elektronischen Anwaltspostfach darauf zu überprüfen, ob ihr Inhalt dem Inhalt der Ausgangsdatei entspricht. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs über das besondere elektronische Anwaltspostfach entsprechen grundsätzlich denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax. Auch bei der Signierung eines ein Rechtsmittel oder eine Rechtsmittelbegründung enthaltenden fristwahrenden elektronischen Dokuments (§ 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO) gehört es daher zu den Pflichten eines Rechtsanwalts, das zu signierende Dokument zuvor selbst sorgfältig auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu prüfen (BGH, Beschluss vom 8. März 2022­ VI ZB 78/21, NJW 2022, 1964 Rn. 11 mwN). Entscheidend ist, dass das tatsächlich signierte Dokument überprüft wird, was insbesondere auch in den Fällen gilt, in denen eine Datei durch Scan-, Kopier- und Speichervorgänge erneut erstellt wird. Durch diese Vorgänge wird im elektronischen Bereich eine besondere Gefahrenquelle geschaffen, so dass es erforderlich ist, das letztlich zu signierende Dokument zu überprüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. März 2022­ VI ZB 78/21, NJW 2022, 1964 Rn. 14).

 

10        bb) Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass ihr Prozessbevollmächtigter eine entsprechende Überprüfung vorgenommen hat. Dieser hat die Berufungsschrift im Word-Programm erstellt. Diese ist als PDF-Dokument abgespeichert und übersendet worden. Dass vor der Signatur das PDF-Dokument von ihrem Prozessbevollmächtigten auf inhaltliche Richtigkeit überprüft worden ist, legt die Klägerin nicht dar. Sie beruft sich vielmehr darauf, dass durch die Umwandlung der DOC-Datei des Programms "MS-Word" in ein PDF-Format technisch leere Seiten erzeugt werden könnten aufgrund eines technischen Versagens, das ihrem Prozessbevollmächtigten nicht zuzurechnen sei. Hätte dieser jedoch die PDF-Datei nochmals geöffnet, hätte er sehen müssen, dass diese nur eine leere Seite enthielt. Die mangelnde Überprüfung hat dazu geführt, dass die Berufungsfrist wegen der Übersendung der Datei mit der leeren Seite versäumt wurde.

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