OLG Hamm: beA – Zugang von RA zu RA
OLG Hamm, Urteil vom 22.2.2024 – 22 U 29/23
ECLI:DE:OLGHAM:2024:0222.22U29.23.00
Volltext: BB-Online BBL2024-1026-3
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Amtliche Leitsätze
1. Sendet ein Rechtsanwalt über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) an einen anderen Rechtsanwalt ein Schreiben, ist dieses dem Empfänger zugegangen, wenn das Dokument auf dem Server für den Empfänger abrufbereit während seiner üblichen oder etwaig darüber hinaus nach außen bekannt gegebenen Büroöffnungszeiten eingeht. Unerheblich für den Zugangszeitpunkt ist, wann die Benachrichtigungs-E-Mail über den Eingang beim empfangenden Rechtsanwalt auf seinem E-Mail-Server eingegangen ist.
2. Tritt bei einem notariellen Grundstückskaufvertrag für einen Vertragspartner ein vollmachtlos handelnder Vertreter auf und fordert der andere Teil den Vertretenen gem. § 177 Abs. 2 BGB zur Erklärung über die Genehmigung auf, dann ist die Genehmigung dem Auffordernden nicht dadurch zugegangen, dass sie beim beurkundenden Notar eingegangen ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Notar auch für diesen Fall zur Entgegennahme bevollmächtigt ist (vorliegend verneint).
BGB, §§ 130, 177
Sachverhalt
I. Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schadensersatz wegen Rücktritts von einem Grundstückskaufvertrag.
Die Beklagten sind Erben der am 00.00.0000 verstorbenen N. H. (im Folgenden Erblasserin), welche Eigentümerin eines Wohnungseigentums auf der K.-straße ##, ##### P. war. Für die Verstorbene wurde im November 2019 Herr L. X. G. als gesetzlicher Betreuer für Vermögensangelegenheiten bestellt.
Mit notariellem Vertrag vom 02.07.2020 (UR-NR. N01/20 des Notars Z. aus B.) schlossen die Klägerin durch den vollmachtlosen Vertreter E. V. und die Erblasserin, vertreten durch den gesetzlichen Betreuer Herrn G., einen Kaufvertrag über das vorgenannte Wohnungseigentum zu einem Kaufpreis i.H. von 144.000,00 €. Wegen der Einzelheiten des Notarvertrages wird auf die Anlage K 2, Bl. 18 ff. d.A. Bezug genommen.
Das Betreuungsgericht genehmigte mit Beschluss vom 30.07.2020 (Bl. 48 d.A.) den Vertrag für die Erblasserin. Der beurkundende Notar erhielt die Genehmigung am 04.09.2020.
Nachdem die beiden Prozessbevollmächtigten der Klägerin und der Erblasserin wegen einer von der Klägerin behaupteten Wohnflächenabweichung und eines behaupteten Feuchtigkeitsschadens, der nach Kaufvertragsabschluss aufgetreten sein soll, über eine Reduktion des Kaufpreises intensiv verhandelt hatten, forderten die Beklagten die Klägerin mit Schriftsatz vom 05.03.2021 auf, sich innerhalb der gesetzlichen Frist über die Erteilung der Genehmigung zu erklären (Bl. 114 d.A.). Der Schriftsatz wurde am 05.03.2021 per beA übersandt und ging im Büro der Klägervertreterin am selben Tag ein. Die Klägerin genehmigte den Kaufvertrag mittels notariell beglaubigter Unterschrift am 16.03.2021 (Bl. 77, 78 d.A.). Am 16.03.2021 um 22.39 h erhielt die Beklagte zu 1 per E-Mail die Nachricht, der Vertrag sei genehmigt. Die Genehmigungserklärung ging beim den Kaufvertrag beurkundenden Notar am 22.03.2021 ein.
Die Klägerin erklärte unter dem 07.04.2021 den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Mit der Klage hat die Klägerin Schadenersatz geltend gemacht. Zur Begründung hat sie behauptet, die streitgegenständliche Wohnung habe zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung einen Feuchtigkeitsschaden aufgewiesen. Außerdem habe eine Wohnflächenunterschreitung aufgrund eines bauordnungsrechtlich nicht genehmigten Wintergartens vorgelegen. Der Rücktritt sei wegen der trotz Fristsetzung nicht beseitigten Mängel erfolgt.
Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, dass der Rücktritt ins Leere gegangen sei, weil die Klägerin den schwebend unwirksamen Vertrag nicht innerhalb der Frist des § 177 Abs. 2 BGB genehmigt habe. Sie haben zudem Grund und Höhe der von der Klägerin erhobenen Ansprüche bestritten.
Wegen der weiteren, den erstinstanzlichen Sachvortrag betreffenden Einzelheiten wird auf die erstinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe den Kaufvertrag trotz vorheriger Aufforderung nicht innerhalb der Zweiwochenfrist genehmigt, weswegen ihr keine Ansprüche aus §§ 433, 434, 437, 280 BGB zustünden. Die Verhandlungen zwischen den Parteien beinhalteten keine endgültige Genehmigungsverweigerung der Klägerin mit dem Angebot, einen neuen Vertrag abzuschließen. Auf die wirksame Genehmigungsaufforderung im Schreiben vom 05.03.2021 habe die Klägerin nicht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 177 Abs. 2 S. 2 BGB reagiert. Innerhalb der Zweiwochenfrist sei die Genehmigung nicht bei der Beklagten oder dem beurkundenden Notar zugegangen. Beim Notar sei die Genehmigung erst verspätet am 22.03.2021 eingegangen. Das Schreiben vom 05.03.2021 sei an diesem Tag zugegangen. Dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Schriftsatz tatsächlich nicht zur Kenntnis genommen habe, wie sie im Schriftsatz vom 15.01.2023 vorgetragen habe, sei unerheblich.
Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Ausführungen des Landgerichts sowie der Parteianträge wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche weiterverfolgt. Es könne nicht mehr ermittelt werden, wann die Nachricht am 05.03.2021 zugegangen sei. Für eine Zustellung sei entscheidend, dass der Zustelladressat vom Zugang des übermittelten Schriftstückes Kenntnis erlangt habe und es als empfangsbereit entgegengenommen habe. Deswegen sei für den Fristbeginn gem. § 177 Abs. 2 BGB der 09.03.2021 maßgeblich, an dem die Prozessbevollmächtigte das Schreiben vom 05.03.2021 erstmals zur Kenntnis genommen habe. Innerhalb der Zweiwochenfrist, die erst am 23.03.2021 abgelaufen sei, sei die Genehmigung bei dem bevollmächtigten Notar eingegangen. Zudem habe das Landgericht verkannt, dass das Schreiben vom 05.03.2021 inhaltlich nicht hinreichend klar gewesen sei, um die Frist des § 177 Abs. 2 BGB in Gang zu setzen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 105.121,50 € nebst 5 % Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 26.4.2021 sowie Rechtsanwaltskosten i.H. von 2.502,50 € unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Essen zu Az. 9 O 123/21 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
Der Senat hat eine amtliche Auskunft der Bundesrechtsanwaltskammer zur Übertragung des Schreibens vom 5.3.2021 per beA eingeholt. Wegen des Ergebnisses wird auf die Auskunft vom 14.8.2023 (Bl. 273 ff. zweitinstanzliche Akten, im Folgenden: GA) Bezug genommen.
Der Senat hat zudem die Prozessbevollmächtigten zu der Übermittlung des Schreibens vom 5.3.2021 angehört und Augenschein eingenommen. Wegen des Ergebnisses wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift und den Berichterstattervermerk vom 22.02.2024 (Bl. 345 ff. GA) verwiesen.
Aus den Gründen
II. Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz.
1. Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass die Parteien nicht durch einen wirksamen Kaufvertrag verbunden sind, weswegen kaufvertragliche Gewährleistungsansprüche gem. §§ 433, 434 a.F., 437 Nr. 3, 280, 281 BGB ausscheiden.
Die Klägerin hat den Kaufvertrag trotz wirksamer Aufforderung durch die Beklagten gem. § 177 Abs. 2 S. 1 BGB nicht innerhalb von zwei Wochen genehmigt, sodass die Genehmigung als verweigert gilt, § 177 Abs. 2 S. 2 BGB.
a. Zu Recht hat das Landgericht die Aufforderung zur Genehmigung im Schreiben vom 05.03.2021 als hinreichend konkret aufgefasst, sodass dieses Schreiben die Zweiwochenfrist des § 177 Abs. 2 BGB in Gang setzte.
Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil vom 14. Juli 2000 – V ZR 320/98 –, juris Rn. 11) genügt eine ergebnisoffene Aufforderung, sich über die Genehmigung des Vertrages zu erklären. Die Aufforderung muss allerdings inhaltlich klar und deutlich sein; dazu gehört, dass der Empfänger ohne weiteres erkennen kann, auf welchen Vertrag sich die Genehmigung bezieht (OLG Hamm, Urteil vom 08. August 2011 – 5 U 41/11 – BeckRS 2011, 25703).
Aufgrund der vorangegangenen intensiven Verhandlungen war für die Parteien klar, dass die Klägerin und die Beklagten als Rechtsnachfolger der Erblasserin nur durch einen notariellen Kaufvertrag verbunden waren. In Bezug auf diesen gab es unterschiedliche Auffassungen auch zu der Frage, ob der Vertrag wirksam war sowie ob die Klägerin zum Rücktritt und zum Schadensersatz berechtigt war. Die in dieser Situation erfolgte Aufforderung („Vorsorgehalber fordern wir Ihre Mandantin äußerst hilfsweise auf, sich innerhalb der gesetzlichen Frist über die Erteilung der Genehmigung zu erklären.“) ist klar und deutlich. Die Beklagten waren sich der Rechtsfolgen bei der Aufforderung bewusst. Auch der Erklärungsempfänger – die Klägerin – konnte die Bedeutung erkennen, wie die nachfolgenden Schreiben zeigen.
Die Aufforderung zur Genehmigung ist zudem nicht bedingungsfeindlich (BeckOGKBGB-Ulrici, § 177 Rn. 206). Beide Beklagte haben – vertreten durch die Prozessbevollmächtigte – zur Erklärung über die Genehmigung aufgefordert (vgl. zur Genehmigungsaufforderung durch eine Personenmehrheit: BGH, Urteil vom 02. April 2004 - V ZR 107/03, - NJW 2004, 2382, 2383). Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin war zur Entgegennahme der Aufforderung unstreitig bevollmächtigt.
b. Die Zweiwochenfrist des § 177 Abs. 2 BGB begann am 05.03.2011 zu laufen.
Der Senat ist nach der ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass das Schreiben der Beklagten vom 05.03.2021 während der Geschäftszeit, die am 05.03.2021 unstreitig um 17.00 Uhr endete, per beA bei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingegangen ist, was für einen Zugang und eine Ingangsetzung der Frist gem. § 177 Abs. 2 BGB ausreichend ist.
aa. Es ist von folgenden Grundsätzen auszugehen.
Der Zugang einer Aufforderung gem. § 177 Abs. 2 BGB richtet sich nach den Grundsätzen über den Zugang von Willenserklärungen, vorliegend nach § 130 BGB, der den Zugang von Willenserklärungen gegenüber Abwesenden regelt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2000 – V ZR 320/98, - NJW 2000, 3128, 3129; beckOGKBGB-Ulrici, § 177 Rn. 210).
Gem. § 130 BGB ist eine Willenserklärung dann zugegangen, wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass er unter normalen Umständen von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen kann (vgl. ständige Rspr. z.B. BGH, Urteil vom 26. November 1998 - VIII ZR 22/97, - NJW 1998, 976, 977; beckOGKBGB-Gomille, § 130 Rn. 48 m.w.N.). Eine während der üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit eingegangene E-Mail geht – zumindest im unternehmerischen Geschäftsverkehr – grundsätzlich in diesem Zeitpunkt zu; dass die E-Mail tatsächlich abgerufen und zur Kenntnis genommen wird, ist für den Zugang somit nicht erforderlich, vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2022 – VII ZR 895/21 –, juris Rn. 19.
Dies gilt vorliegend auch für die Zusendung des Schreibens per beA (vgl. Schwenker, jurisPR-PrivBauR 1/2023 Anm. 1 zur Entscheidung BGH, Urteil vom 6. Oktober 2022 – VII ZR 895/21). Das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) ist dafür bestimmt, dass darüber auch rechtsverbindliche Erklärungen abgegeben werden können. Innerhalb der Geschäftszeiten durfte von einer Kenntnisnahme ausgegangen werden. Die Klägervertreterin vermochte – bei einem Zugang während der Geschäftszeiten am 05.03.2021 – von dem Schreiben Kenntnis zu nehmen, was für einen Zugang ausreicht. Auch während der Coronapandemie und dem in dieser Zeit verbreiteten Homeoffice durfte der Geschäftsverkehr in Anbetracht der weit verbreiteten Fernzugriffsmöglichkeiten von einem Zugang während der Geschäftszeiten ausgehen. Dass die Klägervertreterin tatsächlich das Schreiben erst am 09.03.2021 zur Kenntnis genommen hat, ist irrelevant.
Nicht entscheidend ist die Benachrichtigungsmail über den Eingang einer beA-Nachricht, sondern der Eingang der beA-Nachricht an sich. Denn dieser Kommunikationsweg war zur Abgabe und zur Entgegennahme von rechtserheblichen Erklärungen eröffnet. Während der Geschäftszeiten konnte der Rechtsverkehr erwarten, dass zumindest zum Ende der Geschäftszeiten das beA-Postfach – auch ohne E-Mail-Nachricht, die lediglich der komfortablen Nutzung des beA dient und nicht zwingend eingestellt sein muss – kontrolliert wird.
Unbehelflich sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen der Klägerin zu Zustellungsvorschriften nach der ZPO. Vorliegend geht es nicht um eine förmliche Zustellung nach der ZPO, sondern um einen Zugang einer empfangsbedürftigen, geschäftsähnlichen Handlung.
bb. Der Senat ist davon überzeugt (§ 286 ZPO), dass das Schreiben der Beklagten vom 05.03.2021 während der Geschäftszeiten per beA bei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingegangen ist.
Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil festgestellt, dass dieses Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 05.03.2021 per beA zugegangen ist (vgl. § 314 ZPO). Dies hat die Klägerin nicht in Abrede gestellt. Auf dieser Grundlage kommen zwei bei der Klägerin eingegangene beA-Nachrichten in Betracht, die dieses Schreiben beinhaltet haben konnten, nämlich die Nachricht um 10.25 h und die um 17.49 h. Die um 7.41 h bei der Klägervertreterin eingegangene Nachricht scheidet aus, weil die Beklagtenvertreterin im Zuge ihrer Anhörung durch den Senat bekundet hat, dass sie am 05.03.2021 erst später mit der Arbeit begonnen habe.
Der Senat ist davon überzeugt, dass die Nachricht um 10.25 h bei der Klägervertreterin eingegangen ist. Ein Eingang um 17.49 h kann ausgeschlossen werden.
Die glaubwürdige Beklagtenvertreterin hat glaubhaft unter Vorlage eines Ausdrucks ihres Outlookkalenders im Zuge ihrer Anhörung durch den Senat bekundet, dass sie das Büro spätestens um 15.30 h verlassen habe. Auf Grundlage der amtlichen Auskunft der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK, Bl. 273 GA) steht zudem fest, dass beA-Nachrichten in der Regel unmittelbar im Empfänger-beA eingehen. Technische Störungen auf dem Übermittlungsweg können ausgeschlossen werden, weil die Nachricht unstreitig am selben Tag tatsächlich angekommen ist. Anhaltspunkte für eine technische Störung, die zu einer Verzögerung der Zusendung führte, gibt es nicht. Dagegen spricht, dass der BRAK solche Störungen nicht bekannt waren. Sonst hätte die BRAK diese in der amtlichen Auskunft erwähnt. Zudem hat die Klägervertreterin über den Tag verteilt insgesamt drei Nachrichten über ihr beA bekommen, was auch gegen eine technische Störung spricht. Der Senat schließt aus, dass eine bis 15.30 h erstellte und per beA versandte Nachricht erst 17.49 h bei der Klägervertreterin eingegangen ist.
Für einen Zugang per beA um 10.25 h spricht die von der Beklagtenvertreterin glaubhaft geschilderte damalige Vorgehensweise. Das Büropersonal habe die Schreiben vorbereitet und eingestellt. Sie habe dann die Schreiben per beA verschickt. Da das Büropersonal nach ihren glaubhaften Angaben bereits um 13.30 Uhr das Büro verlassen hat, muss das Vorbereiten und Einstellen vorher erledigt worden sein. Die Beklagtenvertreterin hat – ohne konkrete Erinnerung an den gegenständlichen Vorgang – einen Versand vor 10.25 h für möglich gehalten. Auch die Klägervertreterin konnte nicht ausschließen, dass diese Nachricht das streitgegenständliche Schreiben betrifft, weil sie nicht feststellen konnte, welches Schriftstück welcher E-Mail-Nachricht zuzuordnen ist.
Im Rahmen der Beweiswürdigung ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägervertreterin einen Eingang außerhalb der Geschäftszeiten erstmals in der Berufungsinstanz für möglich gehalten hat. Noch im Schriftsatz vom 08.05.2023 hat die Klägervertreterin nur darauf abgestellt, dass sie zum Zeitpunkt des Eingangs der beA-Nachricht nicht im Büro war (Bl. 190 GA). Bei einem Eingang außerhalb der Geschäftszeiten wäre aber ein zeitnaher Vortrag zu diesem Gesichtspunkt zu erwarten gewesen, zumal das Landgericht im Hinweisbeschluss vom 27.04.2022 von einem Fristbeginn am 05.03.2021 ausgegangen ist.
Erstmals mit Schriftsatz vom 07.06.2023 (Bl. 213 GA) hat die Klägervertreterin Folgendes vorgetragen: „Wenn eine beA Nachricht elektronisch zugestellt wird, erhält der betreffende Anwalt eine Nachricht per email über den Zugang einer beA Nachricht. Diese email Nachricht geht üblicherweise erst einige Stunden nach dem Zugang der beA Nachricht ein.“ Die Klägerin legt diese Benachrichtigungsemail vor, die Folgendes aufweist: „In dem beA-Postfach A., D. (##### R.) ist eine Nachricht eingegangen.
Erhalten: 05.03.2021 17:49“
Es kann aber ausgeschlossen werden (vgl. oben), dass diese E-Mail das Schreiben vom 05.03.2021 betrifft.
c. Die Klägerin hat die Genehmigung nicht innerhalb der am 19.03.2021 abgelaufenen Zweiwochenfrist des § 177 Abs. 2 BGB erteilt. Durch die wirksame Aufforderung konnte die Klägerin die Genehmigung nur noch gegenüber den Beklagten erklären, § 177 Abs. 2 S. 1 HS. 1 BGB.
aa. Die Mail vom 16.03.2021 des Geschäftsführers der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1 reichte für einen Zugang nicht aus, auch wenn die Genehmigung keiner Form bedarf (vgl. beckOGKBGB-Ulrici, § 177 Rn. 159; OLG Hamm, Urteil vom 08. August 2011 – 5 U 46/11 – BeckRS 2011, 23815).
Die Beklagten haben nicht bestritten, dass die Beklagte zu 1 diese Mail erhalten hat, sodass dieser neue, erstmals in der Berufungsinstanz gehaltene Vortrag gem. §§ 529, 531 ZPO zu berücksichtigen ist. Sie haben aber bestritten, dass der Beklagte zu 2 diese Mail erhalten hat. Da wegen der Aufforderung zur Genehmigung gem. § 177 Abs. 2 S. 1 BGB diese nur noch gegenüber den Beklagten erfolgen konnte, musste sie nach allgemeinen Grundsätzen beiden gegenüber erklärt werden und zugehen (vgl. Grüneberg/Ellenberger, 83. Aufl., § 182 Rn. 1). Dass die Beklagte zu 1 den Beklagten zu 2 nach allgemeinen Regeln vertreten hat, ist nicht dargetan. Der Beklagte zu 2 ist am 00.00.0000 geboren (vgl. Bl. 13 d.A.), sodass dieser 2021 volljährig war.
Auch wenn die Beklagten noch in ungeteilter Erbengemeinschaft verbunden waren, führt dies nicht zu einer Empfangszuständigkeit der Beklagten zu 1 für den Beklagten zu 2. Denn die Erbengemeinschaft ist nicht rechtsfähig. Sie führt nur zu einem gesamthänderisch gebundenen „Sondervermögen“, aber nicht zu einem automatischen Zugang bei allen Erben (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2015 – V ZR 207/14 –, juris Rn. 20).
bb. Der Eingang der Genehmigung beim Notar am 22.03.2021 war nicht fristgemäß, da die Aufforderung, die Genehmigung zu erteilen, am 05.03.2021 bei der Klägervertreterin zugegangen ist. Die zweiwöchige Genehmigungsfrist gem. § 177 BGB lief bis zum 19.03.2021
Aber auch unabhängig davon müssen sich die Beklagten den Eingang beim Notar nicht zurechnen lassen. Denn er war nicht zur Entgegennahme der Genehmigung von den Beklagten bevollmächtigt.
Die maßgeblichen Klauseln des notariellen Vertrages lauten wie folgt:
„§ 1 Kaufpreisvereinbarung und Abwicklung des Kaufvertrages:
…
Der Kaufpreis muss zur Vermeidung der Verzugsfolgen innerhalb von vierzehn Tagen — frühestens jedoch am 30. Oktober 2020 — gutgeschrieben sein (Fälligkeitszeitpunkt), nachdem dem Käufer die Bestätigung des Notars (Versand per E-Mail) zugegangen ist, wonach:
…
b) dem Notar die Genehmigungserklärung der Vertretenen in der gesetzlichen Form vorliegt,
…
Der Notar wird angewiesen, die betreuungsgerichtliche Genehmigung, die Genehmigung der Vertretenen sowie die Löschungsunterlagen der in Abt. III eingetragenen Grundpfandrechtsgläubigerin und zwar unter Abfrage der Darlehnsvalutierung per 30.10.2020 anzufordern.
§ 6 Lastenübernahme, Löschungsantrag
…
Der Notar soll alle Anträge aus dieser Urkunde einzeln stellen dürfen. Alle zu diesem Vertrag erforderlichen Genehmigungen sollen wirksam werden mit ihrem Zugang beim Notar.
§ 10 Eigentumsübertragungsvormerkung, Auflassung
…
(2) …
Sie bevollmächtigen hiermit den amtierenden Notar die Bewilligung und den Antrag auf Eigentumsänderung in das Grundbuch zu erklären.
§ 12 Genehmigung des Amtsgerichts – Betreuungsgericht - Schwelm
…
b) die betreuungsgerichtliche Genehmigung samt Rechtskraftzeugnis für den Vertretenen entgegenzunehmen;
c) diese sodann dem anderen Vertragsteil mitzuteilen und die Mitteilung hierüber in Empfang zu nehmen.
Die Vertretenen ermächtigen den Notar zudem, den Beschluss über die Bestellung eines Verfahrensbeistands sowie die betreuungsgerichtliche Genehmigung für sie entgegenzunehmen und auf jegliche Rechtsmittel hiergegen zu verzichten.“
Aus dem Vertrag ergibt sich, dass der Notar berechtigt war, eine „normale“ Genehmigungserklärung des ohne Vertretungsmacht Vertretenen entgegen zu nehmen. Hierfür sprechen insbesondere die Klauseln § 1 und 6 des notariellen Vertrages, vgl. hierzu BGH, Urteil vom 25. Februar 1983 – V ZR 290/81 –, juris. Ob der Notar berechtigt war, zur Genehmigung gem. § 177 Abs. 2 BGB aufzufordern, kann offenbleiben, vgl. hierzu bejahend OLG Köln, Beschluss vom 26. Mai 1994, 18 W 14/94 – NJW 1995, 1499, verneinend OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 13. Juli 1999 – 5 U 33/98 – NJW-RR 2000, 751.
Diese Vollmacht zur Entgegennahme einer „normalen“ Genehmigungserklärung erfasst aus Sicht des Senats aber nicht den hier vorliegenden Spezialfall einer Genehmigung nach einer Aufforderung gem. § 177 Abs. 2 BGB. Denn eine Genehmigungsaufforderung hat zur Folge, dass eine gegenüber dem Vertreter bereits erteilte Genehmigung oder Verweigerung unwirksam wird, § 177 Abs. 2 S. 1, Hs. 2 BGB. Die Genehmigung kann nur noch gegenüber dem Vertragspartner erklärt werden. Eine diesbezügliche Regelung kann dem Vertrag nicht entnommen werden. Auf den Hinweis in der Ladungsverfügung haben die Parteien hierzu nichts vorgetragen.
§ 6 des notariellen Vertrages regelt den Fall einer Genehmigung nach Aufforderung nicht. Denn gem. § 177 Abs. 2 S. 1 BGB darf die Genehmigung nur noch gegenüber dem Auffordernden erfolgen. Die Aufforderung stammte aber nicht vom Notar, sondern von den Beklagten. Eine Bevollmächtigung des Notars zur Entgegennahme könnte nur dann angenommen werden, wenn auch dieser Fall explizit erfasst worden wäre. Denn es würde von dem gesetzlichen Regelfall abgewichen.
Gegen eine Bevollmächtigung des Notars trotz der Anordnung des § 177 Abs. 2 S. 1 BGB spricht überdies, dass er in diesem Fall die Wirksamkeit der Genehmigung nicht zuverlässig überprüfen kann. Er vermag, weil sich dies regelmäßig seiner Kenntnisnahme und Kenntnisnahmemöglichkeit entzieht, nicht zu beurteilen, ob wirksam eine Aufforderung gem. § 177 Abs. 2 BGB an den Vertretenen gerichtet wurde. Ferner kann er nicht sicher feststellen, wann diese Aufforderung zugegangen ist. Insoweit können sich tatsächlich und rechtlich ggfls. schwierige Probleme stellen, z.B. bei der Einschaltung von Empfangsboten, Empfangsvertretern, der Vertretung von juristischen Personen etc.
Nach den Erfahrungen des Senats als Fachsenat für schuldrechtliches Immobilienrecht ist es in der notariellen Praxis üblich, dass der Notar nur die Fälligkeitsvoraussetzungen überwachen soll, die er kraft eigener Wahrnehmung feststellen kann. Regelmäßig wird z.B. die Räumung des Hauses als Fälligkeitsvoraussetzung von den vom Notar zu überwachenden Fälligkeitsvoraussetzungen ausgenommen. Wenn der Notar als bevollmächtigt angesehen werden würde, die Genehmigung gem. § 177 Abs. 2 BGB entgegen zu nehmen, würde dies auch auf die vom Notar zu überwachende Fälligkeit „durchschlagen“ und somit eine ungewöhnliche Regelung darstellen. Diese wäre auch nicht interessengerecht, weil die Mitteilung des Notars darüber, dass die Fälligkeitsvoraussetzungen erfüllt sind, in der Regel fälligkeitsbegründend (konstitutiv) wirkt, mit entsprechenden Rechtswirkungen für den Käufer (vgl. Krüger/Hertel, 11. Aufl. Rn. 808).-
Der Notar war mithin nur Bote der Beklagten, d.h. die Genehmigung ist erst dann zugegangen, als er diese an beide Beklagten weitergeleitet hat. Dies war in jedem Fall verspätet.
2. Die Klägerin hat auch keine Ansprüche unter dem Gesichtspunkt eines Abbruchs von Vertragsverhandlungen gem. §§ 311, 280 BGB. Hierbei trifft sie für das Vorliegen der Pflichtverletzung die Darlegungs- und Beweislast.
Bei einem Grundstückskaufvertrag sind an die Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten gem. § 241 Abs. 2 BGB strenge Anforderungen zu stellen. Bei einem solchen Vertrag löst die Verweigerung der Mitwirkung an der Beurkundung durch einen Verhandlungspartner nicht schon dann Schadensersatzansprüche aus, wenn es an einem triftigen Grund dafür fehlt, sondern nur, wenn eine besonders schwerwiegende, in der Regel vorsätzliche Treuepflichtverletzung vorliegt. Denn das Vertrauen auf das Zustandekommen des Kaufvertrages ist aufgrund des Formerfordernisses nicht berechtigt und somit nicht schutzwürdig. Das Wissen um den Formzwang steht insoweit der Verantwortung der Gegenseite für die Interessen der anderen Seite entgegen. Neben der ohnehin gewichtigen Privatautonomie tritt hier die Gefahr eines anderenfalls resultierenden indirekten Zwangs zum Vertragsabschluss, der dem Zweck der Formvorschrift bzw. des Zustimmungsvorbehalts zuwiderläuft, vgl. BeckOGKBGB-Herresthal, § 311 Rn. 371. Der (potentielle) Verkäufer haftet nicht auf Schadensersatz, wenn er zu einem Zeitpunkt Abstand von dem Abschluss eines Grundstückskaufvertrages nimmt, zu dem er weiß, dass der Kaufinteressent im Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrages bereits Aufwendungen getätigt hat. Hierin kann schon deshalb keine besonders schwerwiegende Treuepflichtverletzung gesehen werden, weil es der Kaufinteressent andernfalls in der Hand hätte, durch eigene Dispositionen den Verkäufer mittelbar zum Abschluss des Grundstückskaufvertrages zu bewegen, obwohl ein formgültiger Vertrag i.S. des § 311b BGB noch nicht zustande gekommen ist. Dies liefe dem Zweck der Formvorschrift zuwider, BGH, Urteil vom 13. Oktober 2017 – V ZR 11/17 –, juris Rn. 14. Auch der Vorbehalt einer Erhöhung des Kaufpreises – bei grundsätzlicher Abschlussbereitschaft – führt nicht zu einem Anspruch gem. §§ 311, 280 BGB (vgl. BGH a.a.O. Rn. 10).
Nach diesem Maßstab liegt keine besonders schwere Treueverletzung vor. Wenn in der Zeit, in der der Kaufvertrag schwebend unwirksam ist, die Parteien über eine Kaufpreisreduktion verhandeln, ist es legitim, wenn der Verkäufer dem für die Zeit der schwebenden Unwirksamkeit vorgesehenen Weg folgt und den Käufer auffordert, die Genehmigung gem. § 177 Abs. 2 BGB zu erteilen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen. Der Senat wendet die maßgebliche Rechtsprechung des BGH auf den vorliegenden Fall an.