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Wirtschaftsrecht
09.08.2023
Wirtschaftsrecht
BGH: Zweibrücken Fashion Outlet

BGH, Urteil vom 27.7.2023 – I ZR 144/22

ECLI:DE:BGH:2023:270723UIZR144.22.0

Volltext: BB-Online BBL2023-1857-2

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Amtliche Leitsätze

a) Eine wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtige Rechtsverordnung entfaltet – anders als ein zwar rechtswidriger, aber nicht nichtiger Verwaltungsakt – keine Legitimationswirkung für eine nach dem Lauterkeitsrecht zu beurteilende geschäftliche Handlung.

b) Die Nichtigkeit einer im Ermessen des Normgebers stehenden, ursprünglich rechtmäßigen Rechtsverordnung kann eintreten, wenn der Normgeber die Änderung oder Aufhebung der Rechtsverordnung unterlassen hat, obwohl sein Ermessen zu einem solchen Tätigwerden wegen einer nach Erlass der Rechtsverordnung eingetretenen Veränderung der maßgeblichen Umstände auf Null reduziert ist.

GG Art. 80 Abs. 1, Art. 140; WRV Art. 139; UWG § 3a; LV RP Art. 47, Art. 57 Abs. 1¸Satz 2 und Satz 3, Art. 110 Abs. 1 Satz 2; LadöffnG RP § 3 Satz 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1; und 2; Landesverordnung zur Durchführung des § 7 Abs. 2 des Ladenöffnungsgesetzes Rheinland-Pfalz vom 13. März 2007 (GVBl. Rheinland-Pfalz 2007 S. 65) § 1

Sachverhalt

Der Kläger vertreibt in Ladengeschäften in der Pfalz und in Baden Damenmodeartikel. Die Beklagte vertreibt in eigenen Filialen, darunter eine Filiale im Zweibrücken Fashion Outlet Center (nachfolgend: ZFO), Damenoberbekleidung.

Nach § 1 der von der Landesregierung Rheinland-Pfalz erlassenen Landesverordnung zur Durchführung des § 7 Abs. 2 des Ladenöffnungsgesetzes Rheinland-Pfalz vom 13. März 2007 (GVBl. Rheinland-Pfalz S. 65; nachfolgend: Durchführungsverordnung) sind Sonntagsöffnungen von Verkaufsstellen von 11 Uhr bis 20 Uhr im näheren Einzugsgebiet des Flughafens Zweibrücken während der rheinland-pfälzischen Oster-, Sommer- und Herbstferien sowie, sofern der erste Ferientag ein Montag oder der letzte Ferientag ein Freitag ist, an dem dem ersten Ferientag vorausgehenden oder dem dem letzten Ferientag folgenden Sonntag gestattet.

Das ZFO liegt im durch die Anlage der Durchführungsverordnung definierten Einzugsgebiet in unmittelbarer Nähe des Flugplatzes Zweibrücken. Der kommerzielle Linienflugverkehr auf diesem Flugplatz wurde am 3. November 2014 eingestellt. Seit dem 29. März 2018 besteht für ihn eine Genehmigung als Sonderlandeplatz; erlaubt sind seither der Fracht- und Geschäftsreiseverkehr, Flüge zu privaten sowie zu Ausbildungs- und Schulungszwecken.

Ihre im ZFO gelegene Filiale hat die Beklagte von ihrer Streithelferin, der Betreiberin des ZFO, angemietet. Nach dem Mietvertrag ist die Beklagte gegenüber ihrer Vermieterin zur Öffnung des Geschäfts an Sonntagen nach Maßgabe des Ladenöffnungsrechts verpflichtet.

Der Kläger hält die Durchführungsverordnung für ungültig und ist der Auffassung, die sonntägliche Ladenöffnung durch die Beklagte verstoße gegen das in § 3 Satz 1 Nr. 1 Ladenöffnungsgesetz Rheinland-Pfalz vom 21. November 2006 (GVBl. Rheinland-Pfalz S. 351; nachfolgend: LadöffnG RP) geregelte Verbot der Öffnung von Verkaufsstellen an Sonntagen.

Der Kläger hat beantragt,

der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verbieten, ihre Filiale "B. Ba. O. F. Ou. " im Factory Outlet Zweibrücken, Londoner Bogen 10-90, 66482 Zweibrücken, während der im jeweiligen Ferienplan für Rheinland-Pfalz festgelegten Oster-, Sommer- und Herbstferien an Sonntagen sowie an den dem ersten Ferientag vorausgehenden oder dem letzten Ferientag folgenden Sonntag, wenn der erste Ferientag der im Ferienplan für Rheinland-Pfalz festgelegten Oster-, Sommer- und Herbstferien ein Montag oder der letzte Ferientag ein Freitag ist, in der Zeit von 11 Uhr bis 20 Uhr zu öffnen.

Ferner hat der Kläger die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten und Auskunft über Zeitpunkt und Umfang der beanstandeten Ladenöffnung beantragt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben (OLG Zweibrücken, GRUR 2022, 1457). Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Aus den Gründen

8          I. Das Berufungsgericht hat die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche als unbegründet angesehen und hierzu ausgeführt:

9          Die vom Kläger beanstandete Sonntagsöffnung der Filiale der Beklagten im ZFO stelle keine unlautere geschäftliche Handlung dar. Hierbei könne dahinstehen, ob der Kläger als Mitbewerber anspruchsberechtigt sei.

10        Weiter könne dahinstehen, ob die Durchführungsverordnung noch rechtmäßig sei. Sofern die Durchführungsverordnung ursprünglich rechtsgültig gewesen sei, habe die nachträgliche Veränderung der für ihren Erlass bestimmend gewesenen tatsächlichen Verhältnisse, nämlich die Einstellung des Verkehrsflugbetriebs am Flughafen Zweibrücken im Jahr 2014, nicht zu einem Wegfall ihrer Gültigkeit geführt. Das Entfallen des Regelungszwecks lasse die Existenz und Fortgeltung einer Rechtsverordnung aufgrund des Gebots der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit unberührt und könne allenfalls die rechtliche Verpflichtung der Gesetzgebungsorgane zur Anpassung oder Aufhebung der Rechtsverordnung begründen.

11        Selbst wenn die Durchführungsverordnung von Anfang an rechtswidrig gewesen wäre, stehe dem Erfolg der Klage entgegen, dass diese Verordnung das mit der Klage beanstandete Verhalten ausdrücklich gestatte. Ein unlauteres Marktverhalten liege nicht vor, wenn es von den zuständigen Behörden als rechtlich zulässig bewertet und insbesondere durch einen wirksamen Verwaltungsakt ausdrücklich erlaubt worden sei. Ein solcher Verwaltungsakt sei der Nachprüfung durch die für das Lauterkeitsrecht zuständigen Zivilgerichte entzogen. Gleiches müsse gelten, wenn die beanstandete geschäftliche Handlung nicht nur im Einzelfall von der Verwaltungsbehörde, sondern unmittelbar durch eine Erlaubnis des Verordnungsgebers ausdrücklich gestattet worden sei. Anderes könne nur für den - hier nicht vorliegenden - extremen Ausnahmefall gelten, dass sich das positive Recht solchermaßen unerträglich von der Gerechtigkeit entferne, dass es als unrichtiges Recht im Sinne der Radbruch'schen Formel zu gelten habe. Es komme hinzu, dass die für die Überwachung der Ladenöffnung zuständige Verwaltungsbehörde wegen der für sie geltenden Gesetzesbindung keine mit der Durchführungsverordnung unvereinbare Untersagungsverfügung gegen die Beklagte erlassen könne. Könne aber das beanstandete Verhalten nicht verwaltungsrechtlich verboten werden, kämen auch lauterkeitsrechtliche Ansprüche wegen Verstoßes gegen den Rechtsbruchtatbestand nicht in Betracht.

12        II. Die zulässige Revision hat Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche gemäß § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 3, 3a UWG nicht verneint werden (nachfolgend II 2 und 3). Die angegriffene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (nachfolgend II 4).

13        1. Das Berufungsgericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass die gesetzlichen Vorschriften über die Ladenöffnungszeiten, insbesondere das in § 3 Satz 1 Nr. 1 LadöffnG RP geregelte Verbot der Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen, das Marktverhalten regelnde Vorschriften im Sinne des § 3a UWG darstellen, weil sie nicht allein dem Arbeitsschutz, sondern im Interesse der Wettbewerber zugleich der Wettbewerbsneutralität dienen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 2019 - I ZR 44/19, GRUR 2020, 307 [juris Rn. 10] = WRP 2020, 314 - Sonntagsverkauf von Backwaren; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 3a Rn. 1.263; MünchKomm.UWG/Schaffert, 3. Aufl., § 3a Rn. 552 f.; Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Aufl., § 3a Rn. 74).

14        2. Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht angenommen, ein Verstoß gegen § 3a UWG scheide wegen der Legitimationswirkung der Durchführungsverordnung aus, ohne dass es auf deren Rechtmäßigkeit ankomme.

15        a) Eine nach den §§ 3, 3a UWG unlautere Zuwiderhandlung gegen eine Marktverhaltensregelung setzt neben der Eignung, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen, allein ein den Tatbestand der das Marktverhalten regelnden Vorschrift vollständig erfüllendes, objektiv rechtswidriges Verhalten voraus (zu § 4 Nr. 11 UWG aF vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 - I ZR 194/02, BGHZ 163, 265 [juris Rn. 20] - Atemtest I; Urteil vom 20. Oktober 2005 - I ZR 10/03, GRUR 2006, 82 [juris Rn. 21] = WRP 2006, 79 - Betonstahl; Urteil vom 8. November 2007 - I ZR 60/05, GRUR 2008, 530 [juris Rn. 11] = WRP 2008, 777 - Nachlass bei der Selbstbeteiligung; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO § 3a Rn. 1.84; Ohly in Ohly/Sosnitza aaO § 3a Rn. 27; MünchKomm.UWG/Schaffert aaO § 3a Rn. 100).

16        b) An einem solchen Rechtsverstoß fehlt es, wenn ein Marktverhalten durch einen Verwaltungsakt ausdrücklich erlaubt worden ist und der Verwaltungsakt wirksam, also nicht nichtig ist (BGHZ 163, 265 [juris Rn. 17] - Atemtest I; BGH, Urteil vom 24. September 2013 - I ZR 73/12, GRUR 2014, 405 [juris Rn. 10 f.] = WRP 2014, 429 - Atemtest II; Urteil vom 30. April 2015 - I ZR 13/14, BGHZ 205, 195 [juris Rn. 31] - Tagesschau-App; Urteil vom 15. Dezember 2022 - I ZR 8/19, GRUR 2023, 503 [juris Rn. 27] = WRP 2023, 442 - Gruppenversicherung II). Die bloße Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts, die nicht zu seiner Nichtigkeit führt, berührt also seine Wirksamkeit und damit seine Legitimationswirkung nicht, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (vgl. § 43 Abs. 2 und Abs. 3, § 44 VwVfG). Hieraus folgt, dass die Zivilgerichte bei der Prüfung von Verstößen gegen § 3a UWG die Wirksamkeit eines das Marktverhalten erlaubenden Verwaltungsakts zu prüfen haben.

17        c) Ein Marktverhalten kann auch durch eine Rechtsverordnung legalisiert werden. Gestattet im Streitfall die Durchführungsverordnung die grundsätzlich nach § 3 Satz 1 Nr. 1 LadöffnG RP verbotene, vom Kläger beanstandete Sonntagsöffnung des Geschäfts der Beklagten, liegt darin kein Verstoß gegen § 3a UWG.

18        Eine rechtswidrige und damit nichtige Rechtsverordnung entfaltet allerdings keine Legitimationswirkung. Grundsätzlich ist eine mit höherrangigem Recht unvereinbare Rechtsverordnung nichtig (vgl. BeckOK.GG/Uhle, 54. Edition [Stand 15. Februar 2023], Art. 80 Rn. 36; Brenner in Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl., Art. 80 Rn. 82). Die Gerichte haben Rechtsverordnungen darauf zu überprüfen, ob sie gegen höherrangiges Recht verstoßen (vgl. BVerfGE 48, 40 [juris Rn. 16]; BGH, Beschluss vom 29. Juli 2021 - I ZR 135/20, GRUR 2021, 1320 [juris Rn. 50] = WRP 2021, 1290 - Flaschenpfand III, mwN). Die Nichtigkeit einer Rechtsverordnung können die Fachgerichte selbst feststellen, weil insoweit kein Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts besteht (st. Rspr.; vgl. BVerfGE 1, 184, 195 [juris Rn. 39 bis 53]; BVerfGE 68, 319 [juris Rn. 18 und 20]; BVerfGE 114, 303 [juris Rn. 35]).

19        Die Rechtmäßigkeit einer Rechtsverordnung ist zunächst an spezifischen verfassungsrechtlichen Rechtmäßigkeitsvorgaben zu messen (vgl. Remmert in Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, 70. Ergänzungslieferung Dezember 2013, Art. 80 Rn. 121). Nach dem für eine rheinland-pfälzische Landesverordnung geltenden Art. 110 Abs. 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz (nachfolgend: LV RP), der insoweit dem Art. 80 Abs. 1 GG entspricht, kann die Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung nur durch Gesetz erteilt werden (Satz 1), muss das Gesetz Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen (Satz 2) und ist in der Verordnung die Rechtsgrundlage anzugeben (Satz 3). Diesem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot ist genügt, wenn sich der Verordnungsermächtigung im Wege der verfassungskonformen Auslegung eine ausreichende gesetzgeberische Programmentscheidung entnehmen lässt (zu Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG vgl. BVerfG, NJW 2019, 3054 [juris Rn. 110]; BeckOK.GG/Uhle, 55. Edition [Stand 15. Mai 2023], Art. 80 Rn. 24). Weiter ist die Vereinbarkeit der Rechtsverordnung mit sonstigem höherrangigem Recht, insbesondere den Grundrechten, zu prüfen (vgl. Remmert in Dürig/Herzog/Scholz aaO Art. 80 Rn. 132).

20        d) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist im Streitfall nicht von Bedeutung, ob die für die Gewerbeaufsicht zuständige Verwaltungsbehörde gegenüber der Beklagten eine Untersagungsverfügung aussprechen kann. Das mit lauterkeitsrechtlichen Fragen befasste Zivilgericht entscheidet den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten (vgl. § 17 Abs. 2 GVG) und ist nicht daran gehindert, eine von der zuständigen Verwaltungsbehörde abweichende Rechtsauffassung zu vertreten (vgl. MünchKomm.UWG/Schaffert aaO § 3a Rn. 43). Die vom Berufungsgericht herangezogene, der Entscheidung "Atemtest II" (BGH, GRUR 2014, 405 [juris Rn. 14 f.]) zugrundeliegende Fallgestaltung ist im Streitfall nicht einschlägig. Dort schied ein Rechtsverstoß aufgrund des Verwaltungsakts aus, den die zuständige Bundesbehörde mit Bindungswirkung für die Landesbehörden erlassen und womit sie die Zulässigkeit des Marktverhaltens festgestellt hatte.

21        3. Dem Berufungsgericht kann auch nicht darin beigetreten werden, dass eine nachträgliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse keine Auswirkung auf die rechtliche Beurteilung der Durchführungsverordnung haben könne.

22        a) Allerdings ist anerkannt, dass der Fortfall der Ermächtigungsgrundlage im Sinne des Art. 80 Abs. 1 GG nicht zum Erlöschen der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnung führt (vgl. BVerfGE 9, 3 [juris Rn. 32]; BVerfGE 14, 245 [juris Rn. 16]; BVerfGE 44, 216 [juris Rn. 26]). Das Grundgesetz normiert in Art. 80 GG Anforderungen an den Erlass von Rechtsverordnungen, ohne in dieser Vorschrift Festlegungen für die Zeit danach zu treffen (vgl. Remmert in Dürig/Herzog/Scholz aaO Art. 80 Rn. 53 f.).

23        b) Hiervon nicht berührt wird allerdings die Frage, inwiefern nachträgliche tatsächliche Veränderungen die Annahme rechtfertigen können, dass eine Rechtsverordnung nicht mehr im Einklang mit sonstigem höherrangigem Recht, insbesondere dem Verfassungsrecht, steht. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass eine ursprünglich verfassungsgemäße gesetzliche Regelung wegen Veränderungen der maßgeblichen Umstände verfassungswidrig werden kann (BVerfGE 59, 336 [juris Rn. 53]; vgl. auch BVerfGE 39, 169 [juris Rn. 72 und 89 f.], BVerfGE 41, 360 [juris Rn. 49], BVerfGE 54, 11 [juris Rn. 66 und 69] und BVerfGE 56, 54 [juris Rn. 62 und 66]). Dieser für formelle Gesetze geltende Grundsatz hat entsprechend für eine durch Rechtsverordnung getroffene Regelung zu gelten.

24        Mit Blick auf das in einer Ermächtigungsgrundlage für eine Rechtsverordnung vorgesehene Regelungsermessen des Normgebers kommt allerdings die Nichtigkeit infolge einer nach Erlass der Rechtsverordnung eingetretenen Veränderung maßgeblicher Umstände nur in Betracht, wenn der Normgeber eine Änderung oder Aufhebung der Rechtsverordnung unterlassen hat, obwohl aufgrund der geänderten Situation sein Ermessen zu einem solchen Tätigwerden auf Null reduziert ist (zur Frage der nachträglichen Rechtswidrigkeit einer Rechtsverordnung über Schulsprengel vgl. BayVGH, BayVBl 1994, 694 [juris Rn. 23] und BayVGH, Urteil vom 25. März 1998 - 7 N 96.187, juris Rn. 27; zur Nichtigerklärung einer Bebauungsplansatzung gemäß § 47 VwGO wegen nachträglichen Funktionsverlusts vgl. BVerwGE 108, 71 [juris Rn. 13 und 22] und OVG Berlin, UPR 1992, 357 [juris Rn. 35]; vgl. ferner Panzer in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 30. Ergänzungslieferung Februar 2016, § 47 VwGO Rn. 111; Unruh in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl., § 47 Rn. 108).

25        4. Die angegriffene Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO), weil es - wie die Revisionserwiderung geltend macht - an der Anspruchsberechtigung des Klägers als Mitbewerber der Beklagten gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG oder der Spürbarkeit eines etwaigen Verstoßes gegen die Vorschrift des § 3 Satz 1 Nr. 1 LadöffnG RP fehlte oder das Vorgehen des Klägers als rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8c UWG anzusehen wäre. Insoweit hat das Berufungsgericht keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen, so dass dem Senat mangels Entscheidungsreife eine eigene Sachentscheidung verwehrt ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Weiter fehlt es an tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, die eine Entscheidung des Senats über die Vereinbarkeit des § 1 der Durchführungsverordnung mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Sonn- und Feiertage nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV sowie Art. 47, 57 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 LV RP ermöglichten.

26        III. Danach ist auf die Revision des Klägers das angegriffene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

27        Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren wird auf Folgendes hingewiesen:

28        1. Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob § 7 Abs. 2 LadöffnG RP sowie § 1 der Durchführungsverordnung mit höherrangigem Recht, insbesondere dem verfassungsrechtlichen Gebot des Schutzes der Sonn- und Feiertage nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV sowie Art. 47, 57 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 LV RP, vereinbar sind.

29        a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts enthält Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV einen Schutzauftrag an den Gesetzgeber, der für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen unter anderem ein RegelAusnahme-Verhältnis statuiert. Grundsätzlich hat die typische "werktägliche Geschäftigkeit" an Sonn- und Feiertagen zu ruhen. Der verfassungsrechtlich garantierte Sonn- und Feiertagsschutz ist nur begrenzt einschränkbar. Ausnahmen von der Sonn- und Feiertagsruhe sind zur Wahrung höher- oder gleichwertiger Rechtsgüter möglich; in jedem Falle muss der ausgestaltende Gesetzgeber aber ein hinreichendes Niveau des Sonn- und Feiertagsschutzes wahren (vgl. BVerfGE 111, 10 [juris Rn. 175]; BVerfGE 125, 39 [juris Rn. 152]).

30        Danach müssen gesetzliche Schutzkonzepte für die Gewährleistung der Sonn- und Feiertagsruhe diese Tage erkennbar als solche der Arbeitsruhe zur Regel erheben. Ausnahmen hiervon bedürfen eines dem Sonntagsschutz gerecht werdenden Sachgrundes. Ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und ein alltägliches Erwerbsinteresse ("Shopping-Interesse") potenzieller Käufer genügen grundsätzlich nicht, um Ausnahmen von dem verfassungsunmittelbar verankerten Schutz der Arbeitsruhe und der Möglichkeit zu seelischer Erhebung an Sonn- und Feiertagen zu rechtfertigen. Darüber hinaus müssen Ausnahmen als solche für die Öffentlichkeit erkennbar bleiben und dürfen nicht auf eine weitgehende Gleichstellung der sonn- und feiertäglichen Verhältnisse mit den Werktagen und ihrer Betriebsamkeit hinauslaufen (BVerfGE 125, 39 [juris Rn. 157]; vgl. auch BVerwGE 168, 356 [juris Rn. 15 f.]; BVerwGE 175, 166 [juris Rn. 11]).

31        Dem Regel-Ausnahme-Gebot kommt generell umso mehr Bedeutung zu, je geringer das Gewicht derjenigen Gründe ist, zu denen der Sonn- und Feiertagsschutz ins Verhältnis gesetzt wird und je weitergreifender die Freigabe der Verkaufsstellenöffnung in Bezug auf das betroffene Gebiet sowie die einbezogenen Handelssparten und Warengruppen ausgestaltet ist. So müssen etwa bei einer flächendeckenden und den gesamten Einzelhandel erfassenden Freigabe der Ladenöffnung rechtfertigende Gründe von besonderem Gewicht vorliegen, wenn mehrere Sonn- und Feiertage in Folge über jeweils viele Stunden hin freigegeben werden sollen (zu einer landesweiten Ladenöffnung an vier aufeinanderfolgenden Adventssonntagen vgl. BVerfGE 125, 39 [juris Rn. 158]).

32        b) Das Berufungsgericht dürfte zu Recht angenommen haben, dass die Ermächtigungsnorm des § 7 Abs. 2 LadöffnG RP der verfassungsrechtlichen Prüfung standhält, weil sie jedenfalls verfassungskonform ausgelegt werden kann.

33        Nach § 7 Abs. 2 LadöffnG RP kann die Landesregierung durch Rechtsverordnung für Verkaufsstellen, die im näheren Einzugsgebiet eines Personenbahnhofs des Schienenfernverkehrs oder der in Absatz 1 Satz 1 genannten Flugplätze - dies sind Frankfurt-Hahn und Zweibrücken - liegen, bestimmen, dass diese auch während der allgemeinen Ladenschlusszeiten (§ 3) und außerhalb von nach § 4 festgelegten erweiterten Ladenöffnungszeiten an Werktagen geöffnet sein dürfen; in der Rechtsverordnung können die erweiterten Öffnungsmöglichkeiten auf bestimmte Tage und Zeiträume begrenzt sowie weitere in diesem Zusammenhang erforderliche Regelungen getroffen werden.

34        Die in § 7 Abs. 2 LadöffnG RP vorgesehene Verordnungsermächtigung ist hinreichend bestimmt im Sinne des Art. 110 Abs. 1 Satz 2 LV RP, weil sich ihr jedenfalls bei verfassungskonformer Auslegung eine ausreichende gesetzgeberische Programmentscheidung entnehmen lässt.

35        Der Landesgesetzgeber wollte den Schutz von Sonn- und Feiertagen ausdrücklich berücksichtigen (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zum Ladenöffnungsgesetz, LT-Drucks. Rheinland-Pfalz 15/387, S. 17) und hat dies durch das in § 3 Satz 1 Nr. 1 LadöffnG RP vorgesehene grundsätzliche Verbot der Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen, die in § 7 Abs. 1 Satz 2 LadöffnG RP vorgesehene Beschränkung des außerhalb der regulären Ladenöffnungszeiten gestatteten Verkaufs auf Bahnhöfen, Flugplätzen und Schiffsanlegestellen - verkauft werden dürfen nur Reisebedarf sowie an Bahnhöfen und auf Flugplätzen auch Waren des täglichen Gebrauchs und Geschenkartikel - und die Ausnahmetatbestände für den Verkauf von Zeitungen, Milcherzeugnissen, Bäcker- und Konditorwaren etc. in § 9 LadöffnG RP sowie für verkaufsoffene Sonntage in § 10 LadöffnG RP konkretisiert. Vor diesem Hintergrund kann auch die Verordnungsermächtigung angesichts des durch ihren Wortlaut eröffneten Regelungsermessens im Sinne der Erfordernisse des Schutzes von Sonn- und Feiertagen verfassungskonform ausgelegt werden und genügt damit dem Bestimmtheitserfordernis des Art. 110 Abs. 1 Satz 2 LV RP.

36        c) Fraglich ist jedoch, ob § 1 der Durchführungsverordnung der Sache nach den verfassungsrechtlichen Erfordernissen des Schutzes von Sonn- und Feiertagen noch genügt. Nach dieser Vorschrift dürfen Verkaufsstellen im näheren Einzugsgebiet des Flugplatzes Zweibrücken an Sonntagen während der rheinland-pfälzischen Oster-, Sommer- und Herbstferien sowie unter den näher bezeichneten Voraussetzungen auch an Sonntagen vor oder nach diesen Ferien von 11 Uhr bis 20 Uhr geöffnet sein (Satz 1 und 2) und Waren abgeben, die üblicherweise von Reisenden mitgeführt werden können (Satz 3).

37        aa) Soweit nach der Begründung des Landesgesetzgebers die nach § 7 Abs. 2 LadöffnG RP ermöglichte Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen in Betracht kommt, wenn in einem Einzelfall die allgemeinen Ladenöffnungszeiten beziehungsweise die im Bahnhof oder im Flugplatz selbst vorhandenen Verkaufsstellen nicht bedarfsdeckend sind (vgl. LT-Drucks. Rheinland-Pfalz 15/387, S. 17), stellt sich die Frage, inwiefern am Sonderlandeplatz Zweibrücken entsprechender Bedarf besteht und dieser nicht gedeckt wird. Infolge der Herabstufung des Flugplatzes vom Verkehrsflughafen zum Sonderlandeplatz erscheint insbesondere fraglich, inwiefern in den von der Durchführungsverordnung erfassten Schulferien ein (erhöhtes) Aufkommen an Reisenden besteht, deren Bedarf nicht am Flugplatz selbst gedeckt werden kann, so dass in dieser Zeit eine Ausnahme vom Verbot der Sonntagsöffnung auch im Einzugsbereich des Flugplatzes erforderlich ist.

38        bb) Soweit die Gesetzesbegründung als weiteren Anwendungsfall beispielhaft die Situation nennt, dass sich ein Verkehrsknotenpunkt in einer besonderen Konkurrenzsituation zu anderen Verkehrsknotenpunkten befindet und er ohne eine Ausweitung der Öffnungszeiten im näheren Einzugsgebiet wegen des dann nur beschränkten Angebots an Verkaufsstellen in seiner Konkurrenzfähigkeit und weiteren Entwicklung unangemessen beeinträchtigt würde (vgl. LTDrucks. Rheinland-Pfalz 15/387, S. 17), stellt sich die Frage, welche Konkurrenzsituation im Falle des Sonderlandeplatzes Zweibrücken mit Blick auf andere Verkehrsknotenpunkte besteht. Soweit mit diesem weiteren Anwendungsfall das Ziel der regionalen Wirtschaftsförderung angesprochen sein sollte, ist fraglich, ob dieses Ziel die ausnahmsweise Einschränkung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Sonn- und Feiertagsruhe rechtfertigen kann und ob es - bejahendenfalls - unter Berücksichtigung der konkreten Situation des Flugplatzes Zweibrücken hinreichend gewichtig ist, um die hier in Rede stehende Einschränkung der Sonnund Feiertagsruhe zu rechtfertigen. Soweit nach der bundesrechtlichen Regelunge des § 23 Abs. 1 Satz 1 LadSchlG in Einzelfällen befristete Ausnahmen vom in § 3 Satz 1 Nr. 1 LadSchlG geregelten Verbot der Ladenöffnung an Sonntagen bewilligt werden können, wenn die Ausnahmen im öffentlichen Interesse dringend nötig werden, hat die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung angenommen, dass das für eine solche Ausnahmebewilligung erforderliche öffentliche Interesse nicht durch das Interesse an der Förderung strukturschwacher Regionen begründet werden kann (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, NJW 1999, 2982 [juris Rn. 6]; OVG Mecklenburg-Vorpommern, NVwZ 2000, 945 [juris Rn. 35]; VG Berlin, Urteil vom 5. April 2019 - 4 K 527.17, juris Rn. 41; vgl. auch OVG Sachsen, Beschluss vom 9. November 2009 - 3 B 455/09, juris Rn. 39; zum Anwendungsbereich des Ladenschlussgesetzes vgl. BGH, GRUR 2020, 307 [juris Rn. 21] - Sonntagsverkauf von Backwaren).

39        cc) Sofern das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass infolge der Herabstufung des Flugplatzes Zweibrücken zum Sonderlandeplatz kein hinreichender Bedarf an Sonntagsöffnung mehr besteht (vorstehend Rn. 37) und auch zur Einschränkung der Sonn- und Feiertagsruhe geeignete anderweitige Sachgründe nicht bestehen (vorstehend Rn. 38), dürfte aufgrund des hohen verfassungsrechtlichen Stellenwerts dieses Schutzguts davon auszugehen sein, dass das Ermessen des Normgebers zur Aufhebung von § 1 der Durchführungsverordnung auf Null reduziert ist.

40        2. Sofern das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Durchführungsverordnung rechtswidrig ist, ist mit Blick auf die geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatzfeststellung und Auskunftserteilung - nicht aber auf Unterlassung - ein Verschulden der Beklagten zu prüfen. Es ist naheliegend, dass ein solches Verschulden zu verneinen ist, weil die Beklagte im berechtigten Vertrauen auf die Rechtswirksamkeit der Durchführungsverordnung gehandelt haben könnte, so dass ein den Fahrlässigkeitsvorwurf ausschließender unvermeidbarer Verbotsirrtum vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2017 - I ZR 258/15, GRUR 2017, 409 [juris Rn. 36] = WRP 2017, 418 - Motivkontaktlinsen).

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