BGH: Zwei-Personen-GmbH und Ausschließungsklage – Aufgabe der Bedingungslösung
BGH, Versäumnisurteil vom 11.7.2023 – II ZR 116/21
ECLI:DE:BGH:2023:110723UIIZR116.21.0
Volltext: BB-Online BBL2023-2113-2
Amtliche Leitsätze
a) Der Gesellschafter einer Zwei-Personen-GmbH kann unter den Voraussetzungen der actio pro socio die Ausschließungsklage gegen den anderen Gesellschafter erheben.
b) Wird ein Gesellschafter wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes ohne statutarische Regelung durch Urteil aus der GmbH ausgeschlossen, wird die Ausschließung des betroffenen Gesellschafters bereits mit Rechtskraft des Urteils wirksam und ist nicht durch die Leistung der Abfindung bedingt (Aufgabe von BGHZ 9, 157, 174).
ZPO § 51 Abs. 1; GmbHG § 30 Abs. 1 Satz 1
Sachverhalt
Kläger und Beklagter sind Gesellschafter der Nebenintervenientin, einer GmbH, und an dieser jeweils hälftig beteiligt. Die Satzung der Nebenintervenientin enthält keine Regelung zum Ausschluss eines Gesellschafters oder zur Einziehung von Geschäftsanteilen. Das Stammkapital von 25.000 € haben die Gesellschafter vollständig eingezahlt.
Der Kläger hat beantragt, den Beklagten aus der Nebenintervenientin auszuschließen und dessen Geschäftsanteil nach Wahl des Klägers entweder gegen Zahlung einer Abfindung einzuziehen oder den Kläger für befugt zu erklären, die Abtretung des Geschäftsanteils an sich, die Gesellschaft oder einen Dritten herbeizuführen. Hilfsweise hat er beantragt, den Beklagten unter der Bedingung auszuschließen, dass die Gesellschaft innerhalb eines Zeitraums von höchstens sechs Monaten ab Rechtskraft des Urteils an den Beklagten eine im Ermessen des Gerichts liegende Abfindung zu zahlen hat.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers und der Nebenintervenientin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er seine Klageanträge weiterverfolgt.
Aus den Gründen
4 Die Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Entscheidung ergeht durch Versäumnisurteil, da der Beklagte in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Ladung zum Termin nicht ordnungsgemäß vertreten war. Sie beruht aber inhaltlich auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81).
5 I. Das Berufungsgericht (OLG München, NZG 2021, 1213) hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
6 Die Ausschließungsklage setze voraus, dass die Nebenintervenientin die Abfindung des Beklagten aus ihrem freien, ungebundenen Vermögen zahlen könne. Zwar sei nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die nicht auf eine Satzungsregelung gestützte Ausschließung eines Gesellschafters auch dann möglich, wenn die Gesellschaft die Abfindung nicht aus freiem, ungebundenem Vermögen zahlen könne, weil das Urteil dahingehend bedingt werde, dass der ausgeschiedene Gesellschafter von der Gesellschaft den im Ausschließungsurteil festzusetzenden Abfindungsbetrag binnen einer ebenfalls im Urteil zu bestimmenden Frist ausbezahlt erhalte. Nachdem aber der Bundesgerichtshof im Fall einer durch Beschluss der Gesellschafter auf Grundlage einer Satzungsregelung vorgenommenen Einziehung entschieden habe, dass die Einziehung bereits vor Zahlung des Abfindungsentgelts wirksam und vollziehbar werde, sei die Übertragung dieser Rechtsprechung auf den Fall der Ausschließung ohne statutarische Regelung angezeigt. Auch wenn das Wirksamwerden des den Ausschluss aussprechenden Gestaltungsurteils damit nicht von der Zahlung der Abfindung an den auszuschließenden Gesellschafter abhänge, müsse das Urteil jedoch die Kapitalerhaltungspflicht des § 30 Abs. 1 GmbHG berücksichtigen und sicherstellen, dass ein Ausschluss nur ausgesprochen werde, wenn nicht schon bei Urteilserlass feststehe, dass die an den auszuschließenden Gesellschafter zu zahlende Abfindung nicht aus dem freien Vermögen der Gesellschaft aufgebracht werden könne. Von diesen Grundsätzen ausgehend könne im vorliegenden Fall die Nebenintervenientin den nach dem Klägervortrag dem Beklagten zustehenden Abfindungsbetrag in Höhe von 2.839.456,65 € nicht aus ihrem freien Vermögen zahlen, selbst wenn man die von ihr vorgetragenen korrigierten Jahresergebnisse zugrunde lege. Die Zusage des Klägers, die Nebenintervenientin mit dem zur Auszahlung der Abfindung notwendigen Betrag auszustatten, sei nicht entscheidungserheblich, solange es in der Gesellschaft an dem für die Abfindung erforderlichen Kapital fehle.
7 II. Das Berufungsurteil hält in einem Punkt revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8 1. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Klage nicht mangels Bestimmtheit des Klageantrags unzulässig, weil der Kläger im Hauptantrag zwei Satzteile mit dem Wort "oder" verknüpft hat, wodurch unklar bleibe, in welchem Verhältnis Ausschließung, Einziehung und Befugnis zur Abtretung des Geschäftsanteils zueinander stünden. Bei der Auslegung des Klageantrags ist im Zweifel wegen des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz und rechtliches Gehör das als gewollt anzusehen, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der erklärenden Partei entspricht (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 3. August 2021 - II ZR 123/20, BGHZ 231, 17 Rn. 11 mwN). Im Wege gebotener Auslegung ist danach dem Hauptantrag hinreichend zu entnehmen, dass der Kläger die Ausschließung des Beklagten aus der Nebenintervenientin beantragt und darüber hinaus die Rechtsmacht über die Verwertung des Geschäftsanteils erlangen will, die entweder durch Einziehung oder Abtretung erfolgen soll. Es mag grammatikalisch möglich sein, den Antrag so zu verstehen, dass der Kläger isoliert für befugt erklärt werden soll, die Abtretung des Geschäftsanteils des Beklagten an sich, die Gesellschaft oder einen Dritten herbeizuführen, wie der Beklagte meint. Dies widerspräche jedoch erkennbar dem Interesse des Klägers, weil die Verwertung des Geschäftsanteils die Ausschließung des Beklagten aus der Nebenintervenientin voraussetzt. Ebenso wenig bestehen Unklarheiten in Bezug auf das beanspruchte Wahlrecht des Klägers, das sich auf das Verhältnis von Einziehung zur Befugnis zur Abtretung des Geschäftsanteils bezieht und nicht, wie vom Beklagten erwogen, auf die Zahlung einer Abfindung oder die Einräumung der Befugnis.
9 2. Der Kläger ist für die im eigenen Namen erhobene Ausschließungsklage prozessführungsbefugt. Die Prozessführungsbefugnis ist eine Prozessvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens und auch in der Revisionsinstanz vorliegen muss (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2017 - II ZR 255/16, ZIP 2018, 276 Rn. 9; Urteil vom 25. Januar 2022 - II ZR 50/20, BGHZ 232, 275 Rn. 8).
10 a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Ausschließungsklage grundsätzlich von der GmbH zu erheben (BGH, Urteil vom 1. April 1953 - II ZR 235/52, BGHZ 9, 157, 177; Urteil vom 17. Februar 1955 - II ZR 316/53, BGHZ 16, 317, 322). Ob in einer Zwei-Personen-GmbH den Gesellschaftern ein Klagerecht zur Ausschließung des jeweils anderen zusteht, konnte der Bundesgerichtshof bisher offenlassen (BGH, Urteil vom 1. April 1953 - II ZR 235/52, BGHZ 9, 157, 177).
11 aa) Überwiegend wird angenommen, dass in einer Zwei-Personen-GmbH jeder Gesellschafter persönlich eine Ausschließungsklage gegen den Mitgesellschafter anstrengen kann (Ensthaler in Ensthaler/Füller/Schmidt, GmbHG, 2. Aufl., § 34 Rn. 26; Fleischer in Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl., § 34 GmbHG Rn. 31; Görner in Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl., § 34 Rn. 93; Kersting in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., Anhang nach § 34 Rn. 8a; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 21. Aufl., § 34 Rn. 124; Klingsch in Saenger/ Inhester, GmbHG, 4. Aufl., Anhang zu § 34 Rn. 16; Sandhaus in Gehrlein/ Born/Simon, GmbHG, 5. Aufl., § 34 Rn. 83; BeckOK GmbHG/Schindler, Stand 1.9.2022, § 34 Rn. 144; Scholz/Seibt, GmbHG, 13. Aufl., Anhang § 34 Rn. 38; Sosnitza in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl., Anhang § 34 Rn. 28; MünchKommGmbHG/Strohn, 4. Aufl., § 34 Rn. 176; Ulmer/ Habersack in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., Anhang nach § 34 Rn. 33; Wicke, GmbHG, 4. Aufl., Anhang § 34 Rn. 5; Gehrlein, Ausschluss und Abfindung von GmbH-Gesellschaftern, 1997, Rn. 228; MünchHdBGesR III/Kort, 6. Aufl., § 29 Rn. 44, 52; Reher, Die Zweipersonen-GmbH - Notwendigkeit eines Sonderrechts?, 2003, 146 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 35 IV 2c, S. 1062 f.; Soufleros, Ausschließung und Abfindung, 1983, S. 71 ff.; Taetzner/ Maul in Beck’sches Handbuch der GmbH, 6. Aufl., § 14 Rn. 100; Battke, GmbHR 2008, 850, 854; Damrau-Schröter, NJW 1991, 1927, 1934; Eser, DB 1985, 29, 31; Eser, DStR 1991, 747, 749; Oppenländer, DStR 1996, 922, 927 f.; Wolf, ZGR 1998, 92, 106 ff.; U. H. Schneider, Festschrift Kellermann, 1991, 403, 416 f.; weitergehend: Fischer, Festschrift Walter Schmidt, 1959, 117, 133 f.; Joost, ZGR 1984, 71, 100 ff.).
12 Begründet wird die Prozessführungsbefugnis zum Teil mit Praktikabilitätserwägungen (Kersting in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., Anhang nach § 34 Rn. 8a; Klingsch in Saenger/Inhester, GmbHG, 4. Aufl., Anhang zu § 34 Rn. 16; Battke, GmbHR 2008, 850, 854; Fischer, Festschrift Walter Schmidt, 1959, 117, 133 f.). Andere greifen die Grundsätze der actio pro socio bzw. deren Rechtsgedanken auf (Ensthaler in Ensthaler/Füller/Schmidt, GmbHG, 2. Aufl., § 34 Rn. 26; MünchKommGmbHG/Strohn, 4. Aufl., § 34 Rn. 176; Ulmer/ Habersack in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., Anhang nach § 34 Rn. 33; Sosnitza in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl., Anhang § 34 Rn. 28; Reher, Die Zweipersonen-GmbH - Notwendigkeit eines Sonderrechts?, 2003, 147 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 35 IV 2c, S. 1062; Eser, DStR 1991, 747, 749).
13 bb) Nach anderer Auffassung besteht kein Bedürfnis für eine vom allgemeinen Grundsatz abweichende unmittelbare Klagebefugnis des ausschließungswilligen Gesellschafters bei einer Zwei-Personen-GmbH (OLG Nürnberg, BB 1970, 1371; Balz, Die Beendigung der Mitgliedschaft in der GmbH, 1984, S. 47; Goette/Goette, Die GmbH, 3. Aufl., § 6 Rn. 12; Ganßmüller, GmbHR 1956, 145, 148; Goette, DStR 2001, 533, 534; Seydel, GmbHR 1953, 149, 150). Da über die Erhebung der Ausschließungsklage die Gesellschafterversammlung zu befinden habe und der betroffene Gesellschafter nicht stimmberechtigt sei, bestehe ein praktisches Bedürfnis allenfalls dann, wenn der auszuschließende Gesellschafter zugleich der einzige Geschäftsführer der GmbH sei (Goette, DStR 2001, 533, 534).
14 cc) Der Senat schließt sich der überwiegenden Meinung an. Der Gesellschafter einer Zwei-Personen-GmbH kann unter den Voraussetzungen der actio pro socio die Ausschließungsklage erheben.
15 (1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Gesellschafter einer GmbH berechtigt sein, einen Mitgesellschafter auf Leistung an die Gesellschaft in Anspruch zu nehmen, was namentlich dann in Betracht kommt, wenn dieser seine zwischen den Gesellschaftern bestehende Treuepflicht verletzt und durch eine damit verbundene Schädigung des Vermögens der Gesellschaft mittelbar auch dasjenige des klagenden Gesellschafters geschädigt hat (sog. actio pro socio, BGH, Urteil vom 5. Juni 1975 - II ZR 23/74, BGHZ 65, 15, 18 f.; Urteil vom 28. Juni 1982 - II ZR 199/81, ZIP 1982, 1203 f.; Urteil vom 14. Mai 1990 - II ZR 125/89, WM 1990, 1240, 1241; Urteil vom 29. November 2004 - II ZR 14/03, ZIP 2005, 320, 321; Urteil vom 22. Januar 2019 - II ZR 143/17, ZIP 2019, 1008 Rn. 10). Die Befugnis wurzelt im Gesellschaftsverhältnis und ist Ausfluss des Mitgliedschaftsrechts des Gesellschafters (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 26. April 2010 - II ZR 69/09, ZIP 2010, 1232 Rn. 3; Urteil vom 19. Dezember 2017 - II ZR 255/16, ZIP 2018, 276 Rn. 11; Urteil vom 22. Januar 2019 - II ZR 143/17, ZIP 2019, 1008 Rn. 10; Urteil vom 25. Januar 2022 - II ZR 50/20, BGHZ 232, 275 Rn. 12).
16 (2) Die Übertragung der Grundsätze der actio pro socio auf die Ausschließungsklage ist gerechtfertigt. Das Recht auf Ausschließung eines Gesellschafters hat seinen materiellen Grund in der gesellschafterlichen Treuepflicht (BGH, Urteil vom 1. April 1953 - II ZR 235/52, BGHZ 9, 157, 163; Urteil vom 20. September 1999 - II ZR 345/99, ZIP 1999, 1843, 1844 mwN). Die actio pro socio soll die Gesellschafter auch vor Beeinträchtigungen durch eine unrechtmäßige Einflussnahme auf die Geschäftsführung bei der Verfolgung von aus der gesellschafterlichen Treuepflicht erwachsenden Ansprüchen schützen (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2022 - II ZR 91/21, BGHZ 235, 57 Rn. 67). Diese Gefahr besteht auch bei Ausschließungsklagen, weil der oft intensiv geführte Streit zwischen den Gesellschaftern sich auf die Geschäftsführung der Gesellschaft und damit auch auf die Durchsetzung einer gebotenen Ausschließung auswirkt.
17 b) Der Prozessführungsbefugnis des Klägers nach diesen Grundsätzen steht insbesondere nicht der Vorrang der inneren Zuständigkeitsordnung der Gesellschaft entgegen.
18 aa) Gegenüber der Gesellschafterklage besteht grundsätzlich ein Vorrang der inneren Zuständigkeitsordnung der Gesellschaft, der jedoch entfällt, wenn eine Klage der Gesellschaft undurchführbar, durch den Schädiger selbst vereitelt worden oder infolge der Machtverhältnisse der Gesellschaft so erschwert ist, dass es für den betroffenen Gesellschafter ein unzumutbarer Umweg wäre, müsste er die Gesellschaft erst zu einer Klage zwingen (BGH, Urteil vom 5. Juni 1975 - II ZR 23/74, BGHZ 65, 15, 21; Urteil vom 28. Juni 1982 - II ZR 199/81, ZIP 1982, 1203, 1204; Urteil vom 29. November 2004 - II ZR 14/03, ZIP 2005, 320, 321).
19 bb) So liegt es hier. Im Zeitpunkt der Klageerhebung war die organschaftliche Vertretung der Nebenintervenientin Gegenstand mehrerer Gerichtsverfahren, in denen u.a. über die Abberufung des Rechtsvorgängers des Beklagten als Geschäftsführer sowie über die Bestellung neuer Geschäftsführer gestritten wurde. Weil die Parteien sich nicht auf einen neuen Geschäftsführer einigen konnten, bestellte das Amtsgericht - Registergericht - nach Klageerhebung im vorliegenden Rechtsstreit einen Notgeschäftsführer mit einem vornehmlich auf die Erstellung und Prüfung von Jahresabschlüssen sowie die Vertretung in Gerichtsprozessen beschränkten Aufgabenkreis. Beide Parteien haben hiergegen Beschwerde eingelegt.
20 3. Soweit der Senat bisher die Ausschließung eines Gesellschafters durch Gestaltungsurteil an die Bedingung geknüpft hat, dass der betroffene Gesellschafter binnen einer im Urteil festzusetzenden angemessenen Frist den ebenfalls im Urteil zu bestimmenden Gegenwert für seinen Geschäftsanteil erhält (sog. Bedingungslösung; vgl. BGH, Urteil vom 1. April 1953 - II ZR 235/52, BGHZ 9, 157), hält er daran nicht mehr fest. Wird ein Gesellschafter wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes ohne statutarische Regelung durch Urteil aus der GmbH ausgeschlossen, wird die Ausschließung des betroffenen Gesellschafters bereits mit Rechtskraft des Urteils wirksam und ist nicht durch die Leistung der Abfindung bedingt.
21 a) Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird die Einziehung des Geschäftsanteils bereits mit der Mitteilung eines entsprechenden Beschlusses an den betroffenen Gesellschafter wirksam, wenn der Einziehungsbeschluss weder nichtig ist noch für nichtig erklärt wird (BGH, Urteil vom 24. Januar 2012 - II ZR 109/11, BGHZ 192, 236 Rn. 13; Urteil vom 20. November 2018 - II ZR 12/17, BGHZ 220, 207 Rn. 25; Urteil vom 2. Juli 2019 - II ZR 406/17, BGHZ 222, 323 Rn. 46). Der Gesellschafter, dessen Geschäftsanteil eingezogen wird, muss allerdings davor geschützt werden, dass die verbleibenden Gesellschafter sich mit der Fortsetzung der Gesellschaft den wirtschaftlichen Wert seines Anteils aneignen und ihn aufgrund der gläubigerschützenden Kapitalerhaltungspflicht mit seinem Abfindungsanspruch leer ausgehen lassen. Die Gesellschafter haften daher dem ausgeschiedenen Gesellschafter anteilig auf Zahlung der Abfindung, wenn die Fortsetzung der Gesellschaft unter Verzicht auf Maßnahmen zur Befriedigung des Abfindungsanspruchs des ausgeschiedenen Gesellschafters als treuwidrig anzusehen ist (BGH, Urteil vom 24. Januar 2012 - II ZR 109/11, BGHZ 192, 236 Rn. 14, 21; Urteil vom 10. Mai 2016 - II ZR 342/14, BGHZ 210, 186 Rn. 22 f.). Diese sog. Haftungslösung vermeidet die erheblichen Nachteile der Schwebelage, die nach der Bedingungslösung entsteht (kritisch zur Schwebelage bereits BGH, Urteil vom 30. Juni 2003 - II ZR 326/01, ZIP 2003, 1544, 1546). Dem ausgeschiedenen Gesellschafter bleiben während der Schwebezeit seine mitgliedschaftlichen Rechte jedenfalls grundsätzlich erhalten, obwohl es zumindest dann, wenn ein wichtiger Grund in seiner Person zur Einziehung geführt hat, der Gesellschaft und den verbleibenden Gesellschaftern gerade unzumutbar ist, dass er weiter in der Gesellschaft bleibt (BGH, Urteil vom 24. Januar 2012 - II ZR 109/11, BGHZ 192, 236 Rn. 15). Die Durchsetzung der berechtigt betriebenen Einziehung kann sogar scheitern, weil der betroffene Gesellschafter durch Wahrnehmung seiner grundsätzlich fortbestehenden Gesellschafterrechte die Auszahlung der Abfindung an ihn in dieser Schwebezeit obstruiert (Goette, Festschrift Lutter, 2001, S. 399, 405). Der ausgeschiedene Gesellschafter wird seinerseits in seinem berechtigten Interesse am Erhalt seiner Abfindung ausreichend durch die persönliche Haftung der Gesellschafter geschützt (BGH, Urteil vom 24. Januar 2012 - II ZR 109/11, BGHZ 192, 236 Rn. 21 f.; Urteil vom 10. Mai 2016 - II ZR 342/14, BGHZ 210, 186 Rn. 22 ff.).
22 b) Diese Erwägungen lassen sich auf die Ausschließung eines Gesellschafters ohne statutarische Regelung durch Klage übertragen (Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl., § 60 Rn. 99; Fleischer in Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl., § 34 GmbHG Rn. 31; Görner in Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl., § 34 Rn. 92; Kersting in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., Anhang § 34 Rn. 14; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 21. Aufl., § 34 Rn. 132; Klingsch in Saenger/Inhester, 4. Aufl., Anhang zu § 34 Rn. 16; Sosnitza in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl., Anhang § 34 Rn. 31; MünchKommGmbHG/Strohn, 4. Aufl., § 34 Rn. 186; Anacker, Der Schutz des Abfindungsinteresses des zwangsweise ausscheidenden GmbH-Gesellschafters, 2015, S. 346 f.; Goette/Goette, Die GmbH, 3. Aufl., § 6 Rn. 49; MünchHdBGesR III/Kort, 6. Aufl., § 29 Rn. 45; MAH GmbH-Recht/ Römmermann/Passarge, 4. Aufl., § 14 Rn. 103; Witt in Gehrlein/Witt/Volmer, GmbH-Recht in der Praxis, 4. Aufl., Kap. 3 Rn. 50; Bayer in Festschrift Bergmann, 2018, S. 43, 60 f.; Schneider/Hoger, NJW 2013, 502, 504 f.; Staake, LMK 2012, 330924; Strohn, Festschrift Bergmann, 2018, S. 729, 741 f.; Tröger, VGR 2013, 23, 66 ff.; a.A. BeckOK GmbHG/Schindler, Stand 1.9.2022, § 34 Rn. 145.3; Scholz/Seibt, GmbHG, 13. Aufl., Anhang § 34 Rn. 46; Thiessen in Bork/Schäfer, GmbHG, 5. Aufl., § 34 Rn. 63; Ulmer/Habersack in Habersack/ Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., Anhang nach § 34 Rn. 37; Blath in Herrler, Gesellschaftsrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 2. Aufl., § 6 Rn. 1558; Lutz, Der Gesellschafterstreit, 7. Aufl., Rn. 272b; Gehrlein, WM 2019, 1, 4; Klöckner, GmbHR 2012, 1325, 1327; Trölitzsch, KSzW 2016, 55, 57; offen: Sandhaus in Gehrlein/Born/Simon, 5. Aufl., § 34 Rn. 86 ff.; Wicke, GmbHG, 4. Aufl., Anhang § 34 Rn. 6).
23 aa) Die bei der Bedingungslösung nach Rechtskraft des Urteils entstehende Schwebelage ist den übrigen Gesellschaftern in besonderem Maße unzumutbar, weil die Ausschließung, anders als die Einziehung, als äußerstes und letztes Mittel stets nur zulässig ist, wenn in der Person oder dem Verhalten des Gesellschafters ein wichtiger Grund vorliegt, mithin ein Verbleib des Gesellschafters in der Gesellschaft die gedeihliche Fortführung des Unternehmens in Frage stellen würde oder aus sonstigen Gründen die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses mit ihm für die übrigen Gesellschafter unzumutbar wäre (BGH, Urteil vom 1. April 1953 - II ZR 235/52, BGHZ 9, 157, 164; Urteil vom 17. Februar 1955 - II ZR 316/53, BGHZ 16, 317; Urteil vom 17. September 1964 - II ZR 136/62, WM 1964, 1188, 1191; Urteil vom 9. März 1987 - II ZR 215/86, GmbHR 1987, 302; MünchKommGmbHG/Strohn, 4. Aufl., § 34 Rn. 134). Liegen diese Voraussetzungen vor, besteht, anders als etwa in Fällen einer einvernehmlichen Einziehung (§ 34 Abs. 1 GmbHG), die erhöhte Gefahr, dass der Gesellschafter seine verbliebenen Gesellschafterrechte nutzt, um die gestaltende Wirkung des Urteils zu verzögern oder zu vereiteln.
24 bb) Der Abfindungsanspruch des Gesellschafters wird auch bei einem mit Rechtskraft des Ausschließungsurteils wirksamen Ausscheiden ausreichend gesichert, nämlich zum einen durch das Gebot der Kapitalerhaltung und zum anderen durch die persönliche Haftung der verbliebenen Gesellschafter ab dem Zeitpunkt, in dem die Fortsetzung der Gesellschaft unter Verzicht auf Maßnahmen zur Befriedigung des Abfindungsanspruchs des ausgeschiedenen Gesellschafters als treuwidrig anzusehen ist.
25 (1) Das vorrangig gläubigerschützende Gebot der Kapitalerhaltung schützt auch den Auszuschließenden davor, seine Mitgliedschaft zu verlieren, wenn zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung feststeht, dass die Abfindung nicht ohne Verletzung von § 30 Abs. 1 GmbHG gezahlt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 1. April 1953 - II ZR 235/52, BGHZ 9, 157, 175; Urteil vom 4. August 2020 - II ZR 171/19, ZIP 2020, 1757 Rn. 31 mwN; zur Einziehung: MünchKommGmbHG/Strohn, 4. Aufl., § 34 Rn. 31).
26 (a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt das Gebot der Kapitalerhaltung auch dann, wenn die Gesellschaft einen Gesellschafter ausschließen will. Geschieht das durch Beschluss der Gesellschafterversammlung aufgrund einer statutarischen Regelung, ist dieser entsprechend § 241 Nr. 3 AktG wegen Verstoßes gegen § 30 Abs. 1 GmbHG nichtig, wenn bereits bei Beschlussfassung feststeht, dass die Abfindung nicht aus freiem Vermögen gezahlt werden kann (BGH, Urteil vom 5. April 2011 - II ZR 263/08, ZIP 2011, 1104 Rn. 19; Urteil vom 4. August 2020 - II ZR 171/19, ZIP 2020, 1757 Rn. 31).
27 (b) Diese Grundsätze gelten sinngemäß bei einer Ausschließung ohne Satzungsregelung. Steht fest, dass die geschuldete Abfindung nicht gezahlt werden kann, ist kein Grund dafür ersichtlich, warum sich ein Gesellschafter einer Ausschließung unterwerfen soll (BGH, Urteil vom 5. April 2011 - II ZR 263/08, ZIP 2011, 1104 Rn. 21). Dementsprechend kann auch ein die Ausschließung des Gesellschafters aussprechendes Gestaltungsurteil nicht ergehen, wenn zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung feststeht, dass die Abfindung nicht ohne Verletzung von § 30 Abs. 1 GmbHG gezahlt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 1. April 1953 - II ZR 235/52, BGHZ 9, 157, 175; Urteil vom 5. April 2011 - II ZR 263/08, ZIP 2011, 1104 Rn. 19; Urteil vom 4. August 2020 - II ZR 171/19, ZIP 2020, 1757 Rn. 31 mwN).
28 (2) Darüber hinaus haften die verbliebenen Gesellschafter nach Wirksamwerden der Ausschließung persönlich für die Abfindung des ausgeschlossenen Gesellschafters ab dem Zeitpunkt, in dem die Fortsetzung der Gesellschaft unter Verzicht auf Maßnahmen zur Befriedigung des Abfindungsanspruchs des ausgeschiedenen Gesellschafters als treuwidrig anzusehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 2016 - II ZR 342/14, BGHZ 210, 186 Rn. 23). Durch diese Haftung wird der Abfindungsanspruch zwar nicht in vollem Umfang gegen Veränderungen der Vermögenslage der Gesellschaft geschützt; einen derartigen Schutz hätte der nach der Bedingungslösung in der Gesellschaft verbleibende Gesellschafter im Rahmen eines Liquidationsverfahrens aber ebenfalls nicht (BGH, Urteil vom 24. Januar 2012 - II ZR 109/11, BGHZ 192, 236 Rn. 22).
29 cc) Die Ausschließung durch Beschluss ist ebenfalls nicht durch die Zahlung einer Abfindung bedingt.
30 Hat ein rechtmäßiger Ausschließungsbeschluss der Gesellschafterversammlung nach der Satzung der GmbH die Wirkung, dass der betroffene Gesellschafter seine Gesellschafterstellung mit sofortiger Wirkung verliert, tritt diese Wirkung unabhängig von der Zahlung der dem Gesellschafter zustehenden Abfindung ein (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1960 - II ZR 22/59, BGHZ 32, 17, 23; Urteil vom 20. Juni 1983 - II ZR 237/82, NJW 1983, 2880, 2881; Urteil vom 30. Juni 2003 - II ZR 326/01, ZIP 2003, 1544, 1546; Beschluss vom 8. Dezember 2008 - II ZR 263/07, ZIP 2009, 314 Rn. 6; Urteil vom 5. April 2011 - II ZR 263/08, ZIP 2011, 1104 Rn. 21; Urteil vom 4. August 2020 - II ZR 171/19, ZIP 2020, 1757 Rn. 26). Die Gesellschafterstellung des Betroffenen lebt nicht wieder auf, wenn die Gesellschaft nicht in angemessener Frist die Einziehung des Geschäftsanteils beschließt oder seine Abtretung verlangt und nichts dazu tut, dass der Ausgeschlossene den Gegenwert seines Geschäftsanteils erlangt (BGH, Urteil vom 25. Januar 1960 - II ZR 22/59, BGHZ 32, 17, 23; Beschluss vom 8. Dezember 2008 - II ZR 263/07, ZIP 2009, 314 Rn. 6; Urteil vom 4. August 2020 - II ZR 171/19, ZIP 2020, 1757 Rn. 26). Im Prozess über die Wirksamkeit des Ausschließungsbeschlusses kommt es daher nicht darauf an, dass lediglich die Ausschließung des Klägers beschlossen, nicht aber über seinen Geschäftsanteil Beschluss gefasst worden ist, und welchen Wert dieser Geschäftsanteil hat (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1960 - II ZR 22/59, BGHZ 32, 17, 23; Beschluss vom 8. Dezember 2008 - II ZR 263/07, ZIP 2009, 314 Rn. 6; Urteil vom 4. August 2020 - II ZR 171/19, ZIP 2020, 1757 Rn. 26).
31 dd) Auch die fehlende antizipierte Zustimmung zum Ausschluss ohne satzungsmäßige Regelung zwingt nicht zur Kopplung des Abfindungsanspruchs an die Wirksamkeit der Ausschließung.
32 (1) Die Satzung einer GmbH kann den Ausschluss regeln und für den Fall des Ausschlusses eines Gesellschafters durch Gesellschafterbeschluss anordnen, dass der betroffene Gesellschafter seine Gesellschafterstellung mit sofortiger Wirkung verliert (BGH, Urteil vom 4. August 2020 - II ZR 171/19, ZIP 2020, 1757 Rn. 21 mwN). Zwar ist ein auf einer solchen Satzungsgrundlage auszuschließender Gesellschafter wegen seiner antizipierten Zustimmung grundsätzlich weniger schutzwürdig als ein Gesellschafter, der einer entsprechenden Satzungsregelung nicht zugestimmt hat (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2011 - II ZR 109/11, BGHZ 192, 236 Rn. 16). Dem wird aber dadurch Rechnung getragen, dass letzterer nur durch Gestaltungsurteil aufgrund eines gerichtlichen Verfahrens, das für den Ausschluss als besonders einschneidende Maßnahme von vornherein klare Verhältnisse schaffen soll, aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden kann (BGH, Urteil vom 1. April 1953 - II ZR 235/52, BGHZ 9, 157, 166). Gleichzeitig gewährleistet das gerichtliche Verfahren damit gegenüber der Ausschließung durch Gesellschafterbeschluss dem auszuschließenden Gesellschafter besseren verfahrensrechtlichen Schutz vor einem unberechtigten Ausscheiden aus der Gesellschaft. Will ein Gesellschafter sich gegen einen auf einer Satzungsregelung beruhenden Ausschließungsbeschluss der Gesellschafterversammlung wehren, muss er selbst Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage erheben und, ggf. im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, der Gesellschaft verbieten lassen, eine neue Gesellschafterliste, in der er nicht mehr aufgeführt ist, bei dem Registergericht einzureichen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 2019 - II ZR 406/17, BGHZ 222, 323 Rn. 39).
33 (2) In Bezug auf die hiervon zu trennende Frage, ob die sofortige Wirksamkeit der Ausschließung von der Zahlung der Abfindung abhängt, ist die Interessenlage aber in beiden Fällen gleich. Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, der Gesellschafter gebe mit der Unterwerfung unter eine satzungsmäßige Regelung zu erkennen, für den Fall des Eintritts eines wichtigen Grundes dem Fortsetzungsinteresse der Gesellschaft bzw. der übrigen Gesellschafter gegenüber seinem Verbleib und seinem Interesse am sofortigen Erhalt der Abfindung den Vorzug zu geben (so Pentz in Festschrift Ulmer, 2003, 451, 467). Zum einen ist ein solcher - unterstellter - Wille in der Satzung nicht niedergelegt; zum anderen kann ein Gesellschafter auch bei Fehlen einer satzungsmäßigen Ausschließungsregelung angesichts des das Recht der Dauerschuldverhältnisse beherrschenden Grundsatzes, sich aus wichtigem Grund von diesem lösen zu können (vgl. §§ 314, 626, 723 BGB, §§ 117, 127, 133, 140 HGB), nicht berechtigt darauf vertrauen, in der Gesellschaft zu verbleiben, obwohl in seiner Person oder in seinem Verhalten ein wichtiger Grund für seinen Ausschluss vorliegt (vgl. Goette, DStR 2001, 533, 539; Strohn, Festschrift Bergmann, 2018, S. 729, 732 f.).
34 4. Allerdings tragen die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht die Annahme, die Abfindung des Beklagten könne nicht aus freiem Vermögen der Nebenintervenientin gezahlt werden.
35 a) Das Berufungsgericht ist unter Bezugnahme auf die landgerichtliche Entscheidung (§ 540 Abs. 1 ZPO) davon ausgegangen, die Zusage des Klägers, die Nebenintervenientin mit dem zur Auszahlung der Abfindung notwendigen Betrag auszustatten, sei nicht entscheidungserheblich, solange es in der Gesellschaft an dem für die Abfindung erforderlichen Kapital fehle. Ein im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorhandenes freies Vermögen der Nebenintervenientin zur Zahlung der vollständigen Abfindung habe es nicht feststellen können.
36 b) Diese Auffassung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
37 aa) Für das im Gläubigerinteresse bestehende Auszahlungsverbot nach § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gilt eine bilanzielle Betrachtungsweise. Auszahlungen an (ausgeschiedene) Gesellschafter dürfen nicht zur Entstehung oder Vertiefung einer Unterbilanz führen. Deren Vorliegen bestimmt sich nicht nach Verkehrswerten, sondern nach den Buchwerten einer stichtagsbezogenen Handelsbilanz; stille Reserven finden keine Berücksichtigung (BGH, Urteil vom 29. September 2008 - II ZR 234/07, ZIP 2008, 2217 Rn. 11; Urteil vom 5. April 2011 - II ZR 263/08, ZIP 2011, 1104 Rn. 17; Urteil vom 26. Juni 2018 - II ZR 65/16, ZIP 2018, 1540 Rn. 15; Urteil vom 26. Januar 2021 - II ZR 391/18, ZIP 2021, 459 Rn. 32).
38 bb) Hat der Gesellschafter einer GmbH mit der Gesellschaft vereinbart, sie in der Weise auszustatten, dass die Zahlung der Abfindung an einen ausgeschiedenen Gesellschafter nicht zur Entstehung einer Unterbilanz führt, kann nach allgemeinen Grundsätzen (§ 42 GmbHG, §§ 242 ff. HGB) eine Forderung in der Handelsbilanz der Gesellschaft aktiviert werden.
39 (1) Ein Gesellschafter kann sich causa societatis, über seine Verpflichtung zur Leistung seiner Einlage (§ 19 Abs. 1 GmbHG) hinausgehend, zur Erbringung weiterer Leistungen, etwa zu Sanierungszwecken in Form von Verlustanteilserhöhungen oder verlorenen Zuschüssen oder zu sonstigen freiwilligen finanziellen Zuwendungen, verpflichten. Diese Zusagen werden regelmäßig ohne unmittelbare Gegenleistung im Rechtssinne, wohl aber vor dem Hintergrund abgegeben, dass sich der Gesellschafter davon eine Stärkung der Gesellschaft und damit mittelbar eine Verbesserung seiner durch die Mitgliedschaft vermittelten Vermögenslage verspricht (BGH, Urteil vom 8. Mai 2006 - II ZR 94/05, ZIP 2006, 1199 Rn. 11 ff.). Dementsprechend begegnet es keinen Bedenken, wenn sich ein Gesellschafter, ggf. auch erst im Rahmen eines Prozesses, gegenüber der Gesellschaft dazu verpflichtet, sie so auszustatten, dass sie die Abfindungsforderung eines ausscheidenden Gesellschafters ohne Verstoß gegen § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zahlen kann. Ein entsprechender Ausstattungsanspruch der Gesellschaft gegen ihren Gesellschafter kann in ihrer Bilanz nach allgemeinen Grundsätzen (§ 42 GmbHG, §§ 242 ff. HGB) aktiviert werden (vgl. MünchKommGmbHG/Ekkenga, 4. Aufl., § 30 Rn. 105; BeckOGK BGB/Harnos, Stand 1.5.2023, § 765 Rn. 668.2; Wittmann, GmbHR 2020, 191, 193 f.; vgl. zur Überschuldungsbilanz: BGH, Urteil vom 20. September 2010 - II ZR 296/08, BGHZ 187, 69 Rn. 17 f. - STAR 21; Urteil vom 13. Juli 2021 - II ZR 84/20, BGHZ 230, 255 Rn. 74).
40 (2) Das Berufungsgericht hat bisher keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Ausstattungszusage des Klägers eine in der Bilanz der Nebenintervenientin im Zeitpunkt der Zahlung der Abfindung aktivierbare Forderung begründet. Nach seinen Feststellungen hat der Kläger im Prozess erklärt, er werde der Nebenintervenientin - sollte über eine anderweitig gerichtlich verfolgte und in der Bilanz zu aktivierende Schadensersatzforderung gegen den früheren Geschäftsführer und Rechtsvorgänger des Beklagten noch nicht entschieden sein - den zur Auszahlung der Abfindung notwendigen Betrag im Wege einer Einlage rechtzeitig zur Verfügung stellen. Soweit die Revisionserwiderung in diesem Zusammenhang einwendet, es handele sich um keine rechtsverbindliche Vereinbarung zwischen Kläger und Nebenintervenientin, fehlt es an entsprechenden Feststellungen des Berufungsgerichts zum Rechtsbindungswillen und Vertragsabschluss nach §§ 145 ff. BGB.
41 IV. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da der Rechtsstreit noch nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO), damit dieses ergänzende Feststellungen zur Aktivierbarkeit einer Forderung aus der Ausstattungszusage des Klägers in der Handelsbilanz der Nebenintervenientin im Zeitpunkt der Zahlung der Abfindung und zu den weiteren Voraussetzungen einer Ausschließung treffen kann.
V. Rechtsbehelfsbelehrung:
42 Gegen dieses Versäumnisurteil kann die säumige Partei innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung des Versäumnisurteils beginnt, schriftlich Einspruch durch eine von einer beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwältin oder einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnete Einspruchsschrift beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe (Postanschrift: 76125 Karlsruhe) einlegen.