BGH: Zur wettbewerbswidrigen Irreführung durch Werbung mit dem gesetzlichen Gewährleistungsrecht – Geld-Zurück-Garantie III
BGH, Urteil vom 19.3.2014 – I ZR 185/12
Amtliche Leitsätze
1. Der Tatbestand der Nummer 10 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG setzt keine hervorgehobene Darstellung der vermeintlichen Besonderheit des Angebots, sondern lediglich voraus, dass beim Verbraucher der unrichtige Eindruck erweckt wird, der Unternehmer hebe sich bei seinem Angebot dadurch von den Mitbewerbern ab, dass er dem Verbraucher freiwillig ein Recht einräume. Der Tatbestand ist jedoch nicht erfüllt, wenn dem angesprochenen Verbraucher gegenüber klargestellt wird, dass ihm keine Rechte eingeräumt werden, die ihm nicht schon kraft Gesetzes zustehen.
2. Eine gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 UWG irreführende Werbung mit bei Leistungsstörungen bestehenden Gewährleistungsansprüchen liegt nicht vor, wenn die im Gewährleistungsfall bestehenden Ansprüche nicht als etwas Ungewöhnliches herausgestellt, sondern als selbstverständlich bestehend bezeichnet werden.
§ 3 Abs 3 Anhang Nr 10 UWG, § 5 Abs 1 S 2 Nr 7 UWG
Sachverhalt
Die Parteien stehen beim Internethandel mit Drucker- und Computerzubehör miteinander in Wettbewerb. Die Beklagte warb im Februar 2011 auf ihrer Internetseite für Druckerzubehör mit folgenden Angaben:
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte handele unter dem Gesichtspunkt der Herausstellung bestehender Verbraucherrechte als Besonderheit sowie der Werbung mit Selbstverständlichkeiten im Hinblick auf folgende, in dem Werbetext enthaltene Aussagen wettbewerbswidrig (Unterlassungsantrag I 4 Punkte 1 bis 3):
• Sollten Sie mit einem kompatiblen Produkt nicht zufrieden sein, haben Sie eine 14-tägige Geld-Zurück-Garantie. Das Porto der Rücksendung übernehmen wir.
• Für alle Produkte gilt selbstverständlich ebenfalls die gesetzliche Gewährleistung von zwei Jahren.
• Der Versand der Ware erfolgt auf Risiko von P. .
Das Landgericht hat die Beklagte zur Unterlassung der Verwendung der drei angegriffenen Aussagen, zur Auskunftserteilung und zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 1.479,90 € verurteilt sowie die Schadensersatzpflicht der Beklagten festgestellt.
Das Berufungsgericht hat die Klage auf Unterlassung der konkreten Werbung nach dem Klageantrag zu I 4, Auskunft und Schadensersatzfeststellung abgewiesen. Den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten über 1.479,90 € hat es nur in Höhe von 455,22 € als begründet angesehen.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre insoweit erfolglosen Klageanträge weiter.
Aus den Gründen
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I. Das Berufungsgericht hat die Klage in dem Umfang, in dem es über sie zu entscheiden hatte, als unbegründet angesehen und hierzu im Blick auf den Unterlassungsantrag zu I 4 und die darauf bezogenen Folgeanträge auf Auskunft und Schadensersatzfeststellung ausgeführt:
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Der Unterlassungsantrag zu I 4 und die darauf bezogenen Folgeanträge seien unbegründet, weil die "Geld-Zurück-Garantie" in der beanstandeten Werbung jedenfalls nicht als Besonderheit des Angebots der Beklagten im Sinne der Nummer 10 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG hervorgehoben dargestellt sei. Es sei lediglich einer von sechs Punkten. Der Hinweis auf das zweijährige Gewährleistungsrecht sei zulässig, weil mit ihm gerade nicht das selbstverständliche Recht in der Werbung hervorgehoben und damit als Besonderheit des Angebots präsentiert werde und es sich bei ihm ebenfalls nur um einen von sechs Punkten handele. Im Übrigen machten die Wörter "selbstverständlich" und "gesetzliche" gerade deutlich, dass keine Besonderheit zu Angeboten anderer Anbieter vorliege, sondern lediglich auf das gesetzlich geregelte Gewährleistungsrecht hingewiesen werden solle. Bei der Aussage zur Risikoverteilung beim Versand der Ware handele es sich im Hinblick auf die entsprechende Regelung in § 474 Abs. 2 Satz 2 BGB zwar ebenfalls um eine Selbstverständlichkeit. Da aber auch dieser Hinweis nur als ein Punkt unter insgesamt sechs Punkten dargestellt sei, sei er ebenfalls nicht als so hervorgehoben anzusehen, dass er als eine Besonderheit des Angebots der Beklagten angesehen werde.
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Der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten bestehe nur in Höhe von 455,22 €, weil die Unterlassungsansprüche zu I 1 bis I 3, soweit die Klägerin mit ihnen Erfolg gehabt habe, lediglich einen Gegenstandswert von 20.000 € ausmachten.
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II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin ist in Bezug auf die Unterlassungsanträge zu I 4 Punkt 1 (Geld-Zurück-Garantie) und I 4 Punkt 3 (Risiko des Warenversands) und die darauf bezogenen Folgeanträge begründet (dazu unter 1). Keinen Erfolg hat das Rechtsmittel dagegen, soweit es sich gegen die Abweisung der Klage mit dem Unterlassungsantrag zu I 4 Punkt 2 und die darauf bezogenen Folgeanträge richtet (dazu unter 2). Dementsprechend steht der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten aus einem Gegenstandswert von 40.000 € zu (dazu unter 3).
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1. Das Berufungsgericht hat in Bezug auf die Unterlassungsanträge zu I 4 Punkt 1 und 3 einen Verstoß gegen die Nummer 10 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG jeweils mit der Begründung verneint, es fehle an der dafür erforderlichen hervorgehobenen Darstellung der vermeintlichen Besonderheit des Angebots der Beklagten. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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a) Eine unzulässige geschäftliche Handlung ist nach Nr. 10 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG die unwahre Angabe oder das Erwecken des unzutreffenden Eindrucks, gesetzlich bestehende Rechte stellten eine Besonderheit des Angebots dar. Aus der Vorschrift ergibt sich kein Anhalt für das vom Berufungsgericht angenommene Erfordernis einer hervorgehobenen Darstellung. Nichts anderes folgt auch aus der für die gebotene unionsrechtskonforme Auslegung dieser Regelung maßgeblichen Bestimmung der Nummer 10 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, nach der den Verbrauchern gesetzlich zugestandene Rechte nicht als Besonderheit des Angebots präsentiert werden dürfen. Eine hervorgehobene Angabe wird daher weder im deutschen Recht noch im für dessen Auslegung maßgeblichen Unionsrecht vorausgesetzt. Erforderlich, aber auch ausreichend ist es vielmehr jeweils, dass beim Verbraucher der unrichtige Eindruck erweckt wird, der Unternehmer hebe sich bei seinem Angebot dadurch von den Mitbewerbern ab, dass er dem Verbraucher freiwillig ein Recht einräume (vgl. Loschelder/Dörre in Gloy/Loschelder/Erdmann, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 4. Aufl., § 47 Rn. 29; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., Anh. zu § 3 III Rn. 10.1; Wirtz in Götting/Nordemann, UWG, 2. Aufl., § 3 Rn. 152; Büllesbach, Auslegung der irreführenden Geschäftspraktiken des Anhangs I der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, Diss. München 2008, S. 78; aA Link in Ullmann, jurisPK-UWG, 3. Aufl., Anh. zu § 3 Abs. 3 [Nr. 10] Rn. 6; Fezer/Peifer, UWG, 2. Aufl., Anhang UWG Nr. 10 Rn. 10; Dreyer in Harte/Henning, UWG, 3. Aufl., Anh. § 3 Abs. 3 Nr. 10 Rn. 7; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., Anhang zu § 3 Abs. 3 Rn. 27; Hoeren, BB 2008, 1182, 1188; Schöttle, WRP 2009, 673, 677). Das kann durch eine blickfangmäßige Herausstellung geschehen. Zwingend ist ein Blickfang aber nicht.
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Für diese Sichtweise spricht vor allem der Wortlaut der genannten Bestimmungen. Dieser stellt auf eine Besonderheit des Angebots und nicht auf eine besondere oder hervorgehobene Darstellung des Angebots ab. Es kommt hinzu, dass nach der Nummer 10 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG auch das Erwecken des Eindrucks, das seiner Natur nach nicht ausdrücklich oder in hervorgehobener Weise erfolgen muss, unzulässig ist.
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b) Nach diesem Maßstab erweisen sich die mit den Unterlassungsanträgen zu I 4 Punkt 1 und 3 angegriffenen Aussagen in der Werbung der Beklagten als nach Nr. 10 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG unzulässig. Die "14-tägige Geld-Zurück-Garantie" gemäß Punkt 1 des Unterlassungsantrags geht weder über das bei Fernabsatzverträgen für Verbraucher nach § 312c BGB grundsätzlich zwingend bestehende Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB noch über das dem Verbraucher vom Unternehmer wahlweise an dessen Stelle einzuräumende Rückgaberecht gemäß § 356 BGB hinaus. Die gemäß Punkt 3 des Unterlassungsantrags beanstandete Aussage über die Risikotragung beim Versand der Ware entspricht der nach § 475 Abs. 1 BGB zwingenden Regelung in § 474 Abs. 2 Satz 2 BGB. Danach ist bei einem Verbrauchsgüterkauf die Vorschrift des § 447 BGB nicht anzuwenden. Dies hat zur Folge, dass die Gefahr des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung erst dann auf den Verbraucher übergeht, wenn dieser den Besitz an der Sache erlangt hat (§ 446 Satz 1 BGB) oder in Annahmeverzug geraten ist (§ 446 Satz 3, §§ 293 ff. BGB).
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In der beanstandeten Werbung wird auch der Eindruck hervorgerufen, die "Geld-Zurück-Garantie" und die Regelung über die Risikotragung beim Versand seien freiwillige Leistungen der Beklagten und stellten deshalb Besonderheiten ihres Angebots dar. Dies folgt aus der Wiedergabe der beiden beanstandeten Aussagen unter den Vorzügen kompatiblen Verbrauchsmaterials, durch die der Eindruck einer freiwilligen Leistung erweckt wird. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass in unmittelbarem Zusammenhang mit den hier in Rede stehenden Angaben die Gewährleistung von zwei Jahren ausdrücklich als ein gesetzliches Recht bezeichnet wird, das selbstverständlich gilt.
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2. Anders verhält es sich bei der mit dem Unterlassungsantrag zu I 4 Punkt 2 angegriffenen Werbeaussage "Für alle Produkte gilt selbstverständlich ebenfalls die gesetzliche Gewährleistungsfrist von 2 Jahren". Mit dieser Formulierung wird für den angesprochenen Verbraucher klargestellt, dass er von der Beklagten insoweit keine Rechte eingeräumt bekommt, die ihm nicht schon kraft Gesetzes zustehen. In dieser Hinsicht liegt auch keine gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 UWG, Art. 6 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2005/29/EG irreführende Werbung mit bei Leistungsstörungen selbstverständlich bestehenden Gewährleistungsansprüchen vor; denn die dann bestehenden Ansprüche werden nicht als etwas Ungewöhnliches herausgestellt, sondern als selbstverständlich bestehend bezeichnet (vgl. GroßKomm.UWG/Lindacher, 2. Aufl., § 5 Rn. 133; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 2.115).
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3. Die Klägerin kann die ihr durch die Abmahnung nach einem Gegenstandswert von 65.000 € entstandenen Kosten von 1.479,90 € in Höhe von 910,71 € nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG nebst Zinsen ersetzt verlangen. Über den vom Berufungsgericht angenommenen Gegenstandswert von 20.000 € ist die Abmahnung hinsichtlich eines Gegenstandswerts von weiteren 20.000 € berechtigt, so dass der Klägerin ein Anspruch auf Abmahnkosten in Höhe von 40/65 von 1.479,90 € zusteht (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 - I ZR 149/07, GRUR 2010, 744 Rn. 52 = WRP 2010, 1023 - Sondernewsletter; Urteil vom 11. März 2010 - I ZR 27/08, GRUR 2010, 939 Rn. 41 = WRP 2010, 1249 - Telefonwerbung nach Unternehmenswechsel; Urteil vom 31. Mai 2012 - I ZR 45/11, GRUR 2012, 949 Rn. 49 = WRP 2012, 1086 - Missbräuchliche Vertragsstrafe, jeweils mwN).
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III. Der Streitfall wirft keine entscheidungserheblichen Fragen zur Auslegung des Unionsrechts auf, die ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union erfordern. Hinsichtlich der Auslegung der Nummer 10 des Anhangs I der Richtlinie 2005/29/EG bestehen im vorliegenden Fall keine vernünftigen Zweifel. Dementsprechend ist auch keine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.; Urteil vom 11. September 2008 - C-428/06 bis C-434/06, Slg. 2008, I6747 = EuZW 2008, 757 Rn. 42 - UGT-Rioja u.a.; Urteil vom 18. Oktober 2011 - C-128/09 bis C-131/09, C-134/09 und C-135/09, Slg. 2011, I-9711 = NVwZ 2011, 1506 Rn. 31 - Boxus u.a.).
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IV. Nach allem ist das Urteil erster Instanz wiederherzustellen, soweit das Landgericht die Beklagte nach den Unterlassungsanträgen zu I 4 Punkt 1 und 3 und den hierauf bezogenen Anträgen auf Auskunft und Schadensersatzfeststellung verurteilt hat. Hinsichtlich der Abmahnkosten erweist sich die Revision in dem oben in Rn. 16 dargestellten Umfang als begründet. Im Übrigen ist das Rechtsmittel zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2, § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO.