LG Stuttgart: Zur sekundären Darlegungslast des (mutmaßlich) Kartellgeschädigten beim passing-on-Einwand
LG Stuttgart, Urteil vom 14.12.2018 – 30 O 26/17
Volltext: BB-ONLINE BBL2019-66-5
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Amtliche Leitsätze
1. Kommt die (mutmaßlich) kartellgeschädigte Klägerin ihrer sekundären Darlegungslast im Hinblick auf die Schadensweiterwälzung nicht nach, so gilt die behauptete Schadensweiterwälzung als zugestanden, § 138 Abs. 3 ZPO.
2. Eine sekundäre Darlegungslast des Kartellgeschädigten zum Einwand der Schadensweiterwälzung kann in Betracht kommen, wenn die beklagten Kartellteilnehmer keine andere Möglichkeit der Informationsbeschaffung haben.
Sachverhalt
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz wegen kartellrechtswidrigen Verhaltens der Beklagten im Arbeitskreis „Körperpflege, Wasch- und Reinigungsmittel“ (KWR) des ..., wie es das Bundeskartellamt in mehreren Bußgeldentscheidungen im Verfahren B11-17/06 festgestellt hat, in Anspruch.
Die Klägerin ist Muttergesellschaft und zentrale Einkaufsstelle einer Drogeriemarktkette mit Sitz in ... . Sie betreibt in Europa rund ... Filialen mit den Abteilungen Drogerie, Naturkosmetik, Parfümerie, Schreibwaren, Multi-Media, Haushalt und Ambiente und Fotos und beschäftigt mehr als ... Mitarbeiter.
Die Beklagten sind Mitglieder in dem bereits ... gegründeten ... . Dieser vertritt die Interessen der markenorientierten Wirtschaft in Deutschland. Ihm gehören rund ... Mitglieder an. Die Mitgliedsunternehmen stammen u.a. aus den Bereichen Nahrungs- und Genussmittel, pharmazeutische Produkte, Konsumgüter und Dienstleistungen. Der KWR wurde mittlerweile aufgelöst und stellte seine Arbeit mit Ende der Sitzung vom 21. November 2007 ein.
Bei den Beklagten und den weiteren Mitgliedern des KWR handelt es sich um die in Deutschland führenden Hersteller von Markenprodukten in den Bereichen Körperpflege-, Wasch- und Reinigungsmittel. Sie verfügen über unterschiedlich breite Produktsortimente. Während einzelne in fast allen Segmenten des Bereichs Körperpflege, Wasch- und Reinigungsmittel vertreten sind, decken anderen nur Teilbereiche mit ihren Produkten ab. Die Beklagten zu 1, 4 und 6 gehören zu den umsatzstärksten Markenherstellern auf den streitgegenständlichen Märkten.
Die Beklagte zu 4 ist Rechtsnachfolgerin der ... . Die Beklagte zu 5 ist seit 2005 eine deutsche Tochtergesellschaft des ...-Konzerns, dem auch die Beklagte zu 6 angehört.
Die streitgegenständlichen Waren, die die Klägerin unter Angabe der jeweiligen Monatsumsätze von Januar 2004 bis ins Jahr 2015 hinein im elektronischen Anlagenkonvolut K9 bezeichnet, zu denen unter anderem Produkte aus den Bereichen dekorative Kosmetik, Körperpflege, Mund- und Zahnpflegemittel sowie Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel gehören, werden zu den so genannten „schnell drehenden Konsumgütern“ (fast moving consumer goods, FMCG) gezählt, die auch im Einzelhandel vertrieben werden und dem so genannten „Non-Food-I“-Segment zugeordnet werden. Dabei ist zu trennen zwischen den Handelsmarken bzw. Eigenmarken der Handelsunternehmen und den bekannten, hier streitgegenständlichen Markenprodukten.
Auf dem so genannten Beschaffungsmarkt für Drogerie-Markenartikel treten sich die Hersteller und Händler gegenüber, während sich auf dem so genannten Absatzmarkt die Händler und die Endverbraucher gegenüberstehen. In der Regel gab es keinen Direktvertrieb zwischen dem Hersteller und dem Verbraucher. Anbieter- und Nachfragerseite im Beschaffungsmarkt sind stark konzentriert. Mehr als 90 % der Drogerie-Markenartikel werden an Lebensmitteleinzelhandelsketten, Einkaufskooperationen und Drogeriemarktketten veräußert. Die großen Drogeriemarktketten ... hatten in den Jahren 2004 - 2006 einen Marktanteil von mehr als ... %. Die Hersteller von Drogerie-Markenartikeln sind deshalb in besonders hohem Maße darauf angewiesen, dass die von Ihnen vertriebenen Drogeriewaren bei den jeweiligen Einzelhändlern „gelistet“ (also im Angebot geführt) werden. Daraus resultiert eine große Nachfragemacht. Die Hersteller haben in der Regel keine Ausweichmöglichkeiten zum Einzelhandel. Auf die drei führenden Hersteller entfällt in den einzelnen Marktsegmenten regelmäßig ein Marktanteil von mehr als ... %. Der Absatzmarkt war geprägt von Preiskämpfen und Qualitätswettbewerb.
Auf dem Beschaffungsmarkt werden die Preise so gebildet, dass die Hersteller teils kundenübergreifende, teils kundenindividuelle Bruttolistenpreise vorgeben. Die Hersteller vereinbaren mit den Händlern im Rahmen einer Jahresvereinbarung, die in der Regel für zwölf Monate Gültigkeit hat, in der Regel (1.) den Zeitpunkt, ab dem die neuen Bruttolistenpreise gelten, (2.) Sofortrabatte (etwa Mengenrabatte, Skonti etc.) sowie (3.) nachgelagerte Rabatte (etwa Werbekostenzuschüsse, Rückvergütungen, Rabatte für Regalplatzierung etc.). Die jeweiligen Verhandlungen zwischen den Herstellern und den Händlern, auch mit der Klägerin, waren hart. Einzelne Handelsunternehmen sind auch mit rechtswidrigen Forderungen (so genannte Anzapfversuche) an die Hersteller herangetreten.
Die Klägerin beruft sich zur Beschreibung des Verstoßes in vollem Umfang auf die als Anlage K13 - K18 vorgelegten Bußgeldentscheidungen des Bundeskartellamts gegen die Beklagte zu 3 ..., gegen die Beklagte zu 1 ..., gegen die Beklagte zu 2 ... und gegen die Beklagten zu 4 ..., 5 ... und 6 .... Darüber hinaus nimmt sie Bezug auf die Entscheidungen gegen den ... (K19) und weitere Teilnehmer des Informationsaustausches (K20).
In den vorgenannten Bußgeldbescheiden heißt es jeweils unter dem Abschnitt „Tatvorwurf“ u.a., es werde den Betroffenen zur Last gelegt, sich als Mitglied des KWR regelmäßig an dem Austausch von Informationen beteiligt zu haben über beabsichtigte kundenübergreifende Bruttopreiserhöhungen (vgl. jeweils Anl. K13-18), über den aktuellen Stand der (Konditionen-)Verhandlungen mit ausgewählten, großen Einzelhändlern bei Jahresgesprächen, insbesondere über die Vereinbarungen der mit den Einzelhändlern vereinbarten Rabatte (vgl. jeweils Anl. K13-18) sowie über wesentliche Kenngrößen der betrieblichen Tätigkeit (vgl. jeweils Anl. K13-17). Gelegentlich heißt es hierzu jeweils ergänzend, dies sei unter Offenlegung der Verhandlungsparteien, des eigenen Angebotsverhaltens sowie der Vertragsabschlüsse geschehen (vgl. etwa Anl. K13, 17, 18). Unter dem Abschnitt „Rechtliche Würdigung“ werden die Tatvorwürfe im Anschluss an die Abschnitte „Feststellungen“, „Beweismittel“, „Einlassungen“ und insbesondere „Beweiswürdigung“ als erwiesen sowie als Verstoß gegen § 81 Abs. 1 Nr. 1, § 1 GWB aF (bis 2005) und gegen § 81 Abs. 1 Nr. 1 GWB iVm Art. 81 EGV (für den Tatzeitraum ab 13. Juli 2005 bis 23. November 2006) qualifiziert, wobei in den sog. Kurzbescheiden gem. Anlage K14 und K16 die Feststellung der jeweiligen Tatvorwürfe mit Darstellung derselben einhergeht. Den sog. Langbescheiden gem. Anlage K 13, 15, 17 und 18 ist als Anlage 2 eine Übersicht der bestehenden Wettbewerbsbeziehungen in Form einer Tabelle „Marktstellung und Wettbewerbsbeziehungen“ (vgl. Anl. ...2, K25) beigefügt. Für die Feststellungen im Einzelnen wird auf die Bußgeldentscheidungen (Anl. K13 - K18) vollumfänglich Bezug genommen. Hinsichtlich der Feststellungen des Bundeskartellamts zu den gegen die weiteren KWR-Teilnehmer, insbesondere die Streithelferinnen verhängten Bußgelder wegen bi- und trilateraler Preisabsprachen für einzelne Produkte, wie etwa Zahncreme, Duschgel und Handgeschirrspülmittel, wird auf die insofern vorgelegten Bescheide Bezug genommen.
Das Bundeskartellamt hat nach dem Bonusantrag der C. GmbH vom 28. November 2006 ein Verfahren gegen vier Hersteller von Markenprodukten eingeleitet. Im März 2008 hat es das Verfahren auch gegen die übrigen Mitglieder des KWR eingeleitet. Gegen sämtliche Beklagten erging jeweils ein Bußgeldbescheid. Die Beklagten zu 2, 4, 5 und 6 haben Rechtsmittel gegen die ihnen gegenüber ergangenen Entscheidungen eingelegt. Die Beklagte zu 2 hat am ..., die Beklagten zu 5 und 6 haben ... und die Beklagte zu 4 hat ... ihren jeweiligen Einspruch zurückgenommen.
Bereits mit Pressemitteilung vom 20. Februar 2008 (u.a. vorgelegt als Anl. B15, ...9, ...1, ... 1, S1) hat das Bundeskartellamt darüber berichtet, dass im KWR seit Jahren ein regelmäßiger Austausch von Informationen über Einzelhändler stattfinde. Im Anschluss daran berichteten hierüber zahlreiche Medien, etwa die „Welt“, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, der „Tagesspiegel“, das „Hamburger Abendblatt“ und „FOCUS online“ (vgl. Anl. ...11, B16, ...10). Mit der Pressemitteilung vom 23. Januar 2011 (Anl. ...1, B12, ...12 am Ende) hat das Bundeskartellamt insbesondere über den Verfahrensabschluss gegenüber der Beklagten zu 3 berichtet und darüber, dass der Austausch im KWR auch geplante Bruttopreiserhöhungen umfasste. Auch hierüber hat die Presse, unter anderem die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, das „Handelsblatt“, „Spiegel Online“ und die „Welt“, ausführlich berichtet (vgl. Anl. B17, RB2, ...10). Darüber hinaus hat das Bundeskartellamt in den Tätigkeitsberichten 2007/08 vom 22. Juni 2009 und 2009/10 vom 20. Juli 2011 (Anl. B15, ...12, BT-Drs. 16/13500, S. 75; BT-Drs. 17/6640, S. 80) sowie im Fallbericht vom 14. Juni 2013 und vom 26. Mai 2015 (beide Anl. K7) in öffentlich zugänglichen Quellen über den Informationsaustausch informiert. Nach dem unbestritten gebliebenen Beklagtenvortrag war der Klägerin die Zusammensetzung des KWR und die Mitgliedschaft der Beklagten bekannt.
Die Klägerin hat sämtliche der von ihr bei den Beklagten und den weiteren in K9 genannten Unternehmen, wie etwa den Streithelferinnen, bezogenen Drogerie-Markenartikel an Endkunden oder an ihre - im vorliegenden Verfahren nur teilweise benannten - Tochtergesellschaften weiterveräußert.
Die Klägerin ist Mitglied der M. AG.
Die Klägerin behauptet, sie habe im Zeitraum von 21. März 2004 bis einschließlich 31. Dezember 2007 die in Anlage K9 nach Produktbezeichnung, Menge und Umsatz näher bezeichneten Waren von den Beklagten und den angeführten weiteren Teilnehmern des KWR zu jeweils kartellbedingt überhöhten Preisen erworben. In Anlage K9 seien die tatsächlichen Stückzahlen und der „Netto-Netto-Preis“, der sämtliche Nachlässe enthalte, korrekt angegeben.
Die Klägerin hat mit der Klage zu ihrem Einkaufsverhalten zunächst vorgetragen, sie habe zum einen in eigenständig geführten Konditionsverhandlungen Rabatte und dergleichen ausgehandelt sowie als Mitglied der M., bei der es sich u.a. um ein Einkaufskontor handeln würde, Drogeriewaren beschafft, da dadurch Bezugsvergünstigungen erreicht werden würden, die die Einstandspreise weiter senkten (Bl. I 47 d.A.). Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Klägerin vorgetragen, sie habe die streitgegenständlichen Waren ausschließlich direkt von den Beklagten und weiteren Teilnehmern des KWR erworben. M. sei ein Zentralregulierer, der u.a. für die Klägerin die Abrechnung vorgenommen habe.
Ferner hat die Klägerin mit ihrer Replik und Schriftsatz vom 10.10.2018 (noch) vorgetragen, sie habe Teile der streitgegenständlichen Ware zu Einkaufspreisen, möglicherweise zzgl. eines Aufschlags an (verbundene) ausländische Tochtergesellschaften weiterveräußert (Bl. VI 747 d.A. und Bl. VII 1029g d.A.). Im Termin konnte die Klägerin hierzu befragt nicht (mehr) ausschließen, Waren gar unter Einstandspreis an die Tochtergesellschaften weiterveräußert zu haben. Die Klägerin erklärte, sie habe keine Anhaltspunkte, dass kartellbedingte Preiserhöhungen auf konzernverbundene Unternehmen ganz oder zum Teil weitergewälzt worden seien.
Insgesamt habe die Klägerin an die „relevanten Tochtergesellschaften“ einen Anteil von ... % (Juli 2003 - Juni 2004), ... % (Juli 2004 - Juni 2005), ... % (Juli 2005 - Juni 2006), ... % (Juli 2006 - Juni 2007) und ... % (Juli 2007 - Juni 2008) ihres Gesamteinkaufsvolumens (vgl. Bl. VII 1029h) weiterverkauft. Der Anteil der weiterveräußerten kartellbefangenen Waren liege (schon deshalb) deutlich unterhalb von ... %. Das Gesamteinkaufsvolumen schließt unstreitig nicht kartellbetroffene Waren mit ein.
Die Klägerin behauptet, sie habe keine Kenntnisse darüber, welche konkreten Waren sie zu welchen Preisen an welche Tochtergesellschaft weiterveräußert hat. Die entsprechenden Daten seien - anders als die von M. archivierten Belege über die Geschäfte mit den Lieferanten der Klägerin - nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist (hierzu hieß es im Termin, etwa im Jahr 2014) vernichtet worden.
Die Klägerin behauptet, die ..., die ..., die ..., ..., ..., ..., ..., ... und ... hätten ihre jeweiligen Ansprüche gegen die Teilnehmer des KWR aus dem streitgegenständlichen Kartellverstoß zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt im November 2016 wirksam formlos an die Klägerin abgetreten, was sich anhand der vorgelegten, am 10. Oktober 2018 von ... - handelnd zugleich für die Klägerin und die jeweilige Zedentin - unterzeichneten Abtretungsbestätigungen (vgl. Anl. K12, K44) ergebe. Gleichwohl sei ein den Zedentinnen entstandener Schaden aufgrund der Konzernverbundenheit auch der Klägerin als Muttergesellschaft entstanden.
Die Klägerin meint, sie könne aufgrund der nach § 33 Abs. 4 GWB a.F. bindenden Feststellungen des Bundeskartellamts in den streitgegenständlichen Bußgeldentscheidungen (inbes. Anl. K13 - K20) von den Beklagten Schadensersatz wegen kartellbedingt überhöhter Preise verlangen. Dies ergebe sich für Erwerbe aus dem vom Bundeskartellamt festgestellten Beteiligungszeitraum von 31. März 2004 bis 23. November 2011 und / oder aus einem hierauf aufbauenden Anscheinsbeweis für die Kartellbetroffenheit der jeweiligen Erwerbsvorgänge in zeitlicher Hinsicht. Aufgrund der Feststellungen des Bundeskartellamts stehe außerdem fest, dass die Warenbezüge der Klägerin zwischen 23. November 2006 und 31. Dezember 2007 kartellbefangen gewesen seien, hierfür streite außerdem ein Anscheinsbeweis. Das gelte für sämtliche Produkte der Beklagten und KWR-Mitglieder (vgl. Anl. K9), die die Klägerin gemäß den jeweiligen Jahresvereinbarungen in den genannten Zeiträumen erworben habe. Dagegen seien Jahresbezüge 2004 auch aus Sicht der Klägerin nicht betroffen, soweit mit dem jeweiligen kartellbeteiligten Hersteller die Jahresvereinbarung vor dem 31. März 2004 abgeschlossen worden sei. Für die klägerseits behaupteten - teils unstreitig gebliebenen - Abschlusszeitpunkte wird auf Bl. VI 785 d. A. verwiesen.
Die Klägerin meint, die Feststellungswirkungen der jeweiligen Bußgeldentscheidung treffe nicht nur den dort jeweils Betroffenen und die jeweilige Nebenbetroffene, sondern sämtliche in denselben Bußgeldbescheiden als Teilnehmer des Informationsaustausches benannten Unternehmen und Personen.
Sie meint weiter, der jeweilige Beteiligungszeitraum der Beklagten und anderen Mitglieder des KWR erstrecke sich über den in dem jeweiligen Bescheid tenorierten (gemeint: unter „A. Tatvorwurf“ festgestellten) Beteiligungszeitraum hinaus auf den gesamten Zeitraum zwischen der ersten und letzten Teilnahme der jeweiligen Vertreter der Hersteller an Sitzungen des KWR (vgl. Bl. VI 778 ff, insbes. Bl. VI 783), wobei sich die Anwesenheiten aus ihrer Sicht bindend aus der Anlage 1 zu einigen Bußgeldentscheidungen (Anl. K22) ergebe. Darüber hinaus habe der Kartellverstoß bis jedenfalls Ende 2007 fortgewirkt.
Die Klägerin meint, für den behaupteten Kartellschaden streite dem Grunde nach ein Anscheinsbeweis. Die nach § 287 ZPO zu schätzende Höhe ergebe sich zutreffend aus dem hierzu vorgelegten Privatgutachten (Anl. K24).
Soweit die Beklagten auf einen „pass-on“ verweisen würden, ändere der Einwand nichts an einem Schaden auf Klägerseite, selbst wenn teilweise von einem vollständigen Weiterleiten bzw. einer vollständigen Weiterwälzung der kartellbedingt erhöhten Preise aufgrund Weiterveräußerung der Waren an Dritte, insbesondere einzelne Tochtergesellschaften der Klägerin, auszugehen wäre. Insofern stünde ein sog. Vorteilsausgleich als Problem der Schadenshöhe infrage. Für einen etwaigen Vorteilsausgleich seien die Beklagten darlegungs- und beweisbelastet, die Klägerin treffe keine sekundäre Darlegungslast. Jedenfalls verbliebe bei der Klägerin ein Schaden aufgrund eines Mengeneffekts infolge der in den Jahresvereinbarungen vereinbarten Rabattstaffeln.
Die erhobenen Verjährungseinreden würden nicht durchgreifen. Der Klägerin sei eine Kenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB frühestens im Jahre 2013 aufgrund des Fallberichts des Bundeskartellamts vom 14. März 2013 (Anl. K7) möglich gewesen. ... habe erst im Jahr 2015 von dem ....-Insolvenzverwalter G. erfahren, dass es ein Kartellverfahren gegeben habe. Für eine Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB sei insbesondere die Kenntnis über die Teilnehmer und den Zeitraum des Kartells erforderlich. Diese habe man erst im Jahr 2017 nach der mit Schreiben vom 1. August 2016 (Anl. K10) beantragten und mit Beschluss vom 30. Dezember 2016 (Anl. K36) gewährten Akteneinsicht beim Bundeskartellamt gehabt. Nach § 33 Abs. 5 GWB 2005 sei die Verjährung zudem während des laufenden Kartellverfahrens gehemmt gewesen. Deshalb scheide auch eine absolute Verjährung aus.
Der Schadensersatzanspruch der Beklagten sei auch nicht etwa deshalb zur kürzen, weil die Klägerin Ansprüche gegen weitere Teilnehmer am Verstoß habe verjähren lassen und deshalb ein Gesamtschuldnerregress nach § 426 Abs. 1 BGB womöglich ausscheide (sog. gestörte Gesamtschuld). Ein Rechtsmissbrauch sei nicht gegeben und die Klägerin habe vor 2015 ohnehin keine verjährungsunterbrechenden Maßnahmen einleiten können.
Den Entscheidungen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 10. August 2018 - 2-03 O 239/16 und denjenigen des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17. Mai 2018 - 19 O 9546/16 (Anl. ...17) und vom 16. August 2018 - 19 O 9571/14 (Anl. ...18) sei nicht zu folgen. Die Schlüssigkeit einer Klage sei allein nach dem Vortrag der Klägerseite zu beurteilen, Vortrag der Beklagten und eine etwa daraus resultierende Darlegungslast könne eine Klage nicht unschlüssig werden lassen.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2016 Klage mit einem Feststellungsantrag, der auf bereits entstandene und künftige Schäden für Umsätze in Höhe von xxx.xxx.xxx,00 EUR gerichtet war, erhoben. Mit der Replik vom 29. Januar 2018 hat sie die Klage auf einen Leistungsantrag umgestellt, teilweise erweitert und teilweise zurückgenommen. Zuletzt waren Umsätze von insgesamt xxx.xxx.xxx,00 EUR streitgegenständlich. In der mündlichen Verhandlung vom 22. November 2016 verlas die Klägerin die als Anlage 2 zu Protokoll (vom 22. November 2018, Bl. XI 1837) genommene Erklärung, wonach sie ihren Klageantrag ausschließlich auf eigene Ansprüche stütze sowie hilfsweise auf abgetretenes Recht.
Die Klägerin beantragt zuletzt:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin eine Schadenersatzzahlung zu leisten, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch in Höhe von EUR .... zuzüglich Zinsen in Höhe von jährlich 4 Prozentpunkten seit dem 01.04.2004 und seit dem 01.07.2005 in Höhe 5 Prozentpunkten über Basiszins nach folgender Maßgabe:
...
2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin die Gutachterkosten in Höhe von EUR ....nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagten und die Streithelferinnen beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten und Streithelferinnen halten die Klage für unzulässig, weil es ihr jedenfalls in Form der Replik / Klageumstellung vom 29. Januar 2018 an der gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO notwendigen Bestimmtheit fehle.
Sie wenden im Wesentlichen ein, dass die Klage entsprechend der Entscheidung des Landgerichts Frankfurt unschlüssig sei, weil die Klägerin nicht dazu vortrage, welche Waren sie an Tochtergesellschaften weiterveräußert habe. Die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert. Ein - bestrittener - Preisaufschlag sei jedenfalls in vollem Umfang weitergereicht worden, wofür auch die Marktverhältnisse sprächen. Weiterer Vortrag zur Frage der Weiterveräußerung obliege der Klägerin, denn die Beklagten hätten keine Möglichkeit, an die notwendigen Informationen zu gelangen. Die Klägerin verfüge über diese Daten und habe sie einem Dritten, etwa Marktforschungsunternehmen, zur Verfügung gestellt. Im Übrigen rügen die Beklagten den wechselnden Vortrag der Klägerin hierzu.
Es streite kein Anscheinsbeweis für einen etwaigen kartellbedingten Preissaufschlag. Das Bundeskartellamt habe lediglich einen punktuellen, bloßen Informationsaustausch festgestellt und die Klägerin sei nur ein einziges Mal Gegenstand der ausgetauschten Informationen gewesen. Der Informationsaustausch im KWR habe einen legitimen Zweck verfolgt, nämlich das Aufdecken und Verhindern von wettbewerbswidrigen Anzapfversuchen des Handels. Außerdem habe das jeweils erste Treffen in einem Jahr in der Regel erst stattgefunden als der Inhalt der Jahresvereinbarungen bereits festgestanden habe, deshalb könne sich der Austausch nicht ausgewirkt haben.
Die Treffen des KWR seien von einer auf Kartellrecht spezialisierten Rechtsanwältin geleitet worden, weshalb sich die jeweiligen Unternehmensvertreter im unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden hätten. Die Feststellungen des Bundeskartellamts zum Verschulden seien nicht bindend.
Die ausgetauschten Informationen seien unternehmensintern und bei Preisverhandlungen mit der Klägerin nicht verwendet oder weitergegeben worden, insofern fehle es an der Kausalität. Aufgrund der bi- und trilateralen Preisabsprachen einzelner Mitgliedsunternehmen des KWR hätten die ausgetauschten Informationen nicht mehr kausal für einen Preisaufschlag werden können. Ohnehin seien die ausgetauschten Informationen so stark aggregiert gewesen, dass sie völlig aussagelos gewesen seien. Für einzelne Produkte seien die Preise im Kartellzeitraum sogar gesunken. Ein etwaiger Anscheinsbeweis sei jedenfalls erschüttert.
Sie sind der Auffassung, die Feststellungswirkung gem. § 33 Abs. 4 GWB a.F. betreffe jeweils nur die im jeweiligen Bescheid genannten Betroffenen und Nebenbetroffenen. Soweit sie selbst jeweils im Verfahren nicht angehört worden seien oder nicht die Möglichkeit gehabt hätten, die Entscheidung mit Rechtsmitteln anzugreifen, scheide eine Bindungswirkung schon mit Blick auf Art. 103 Abs. 1 GG aus. Außerdem hafte jeder Hersteller nur für solche Warengruppen, für die das Bundeskartellamt festgestellt habe, dass der jeweilige Hersteller mit wenigstens einem anderen Teilnehmer der Zuwiderhandlung in einem Wettbewerbsverhältnis gestanden sei.
Die Beklagten wenden ein, einzelne der in Anl. K9 genannten Produkte stammten von völlig anderen Herstellern. Das klägerische Parteigutachten sei völlig unbrauchbar. Die Datengrundlage sei fehlerhaft, die Methodik ungeeignet und die Einflussfaktoren willkürlich ausgewählt. Es sei beispielsweise unplausibel, dass nach dem klägerischen Gutachten bei steigenden Rohstoffkosten die Preise sinken würden. Relevante Einflussgrößen, wie etwa die Filialanzahl der Klägerin, seien nicht berücksichtigt worden.
Es sei unglaubwürdig, dass Herr ... kurz vor Klageerhebung die Abtretungen vorgenommen habe, denn dass dies mündlich und nicht schriftlich erfolgt sein solle, sei nicht üblich und die Abtretungen seien in der kurz danach erstellten Klageschrift nicht erwähnt worden. Er sei zudem nicht von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.
Die Beklagten und Streithelfer erheben die Einrede der Verjährung, ausdrücklich auch für Ansprüche aus abgetretenem Recht.
Die Beklagten und Streithelferinnen haben spätestens in der mündlichen Verhandlung am 22. November 2016 ausdrücklich auf die Rüge der Unzuständigkeit verzichtet, insbesondere hat die Streithelferin ... GmbH ihre Rüge (Bl. VIII 1273) zurückgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbingens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
Aus den Gründen
Die im Hauptbegehren zulässige Klage ist unbegründet. Im Hilfsbegehren ist die Klage schon unzulässig.
I.
1. Das Landgericht Stuttgart ist gemäß Art. 4 Abs. 1 Rom-II-VO, § 32 ZPO, § 89 GWB i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 2 ZuVOJu, § 87 GWB international, sachlich und örtlich zuständig. Im Übrigen haben die Beklagten auch rügelos zur Hauptsache verhandelt, § 39 ZPO.
2. Der Streitgegenstand des Hauptbegehrens ist auch hinreichend bestimmt.
§ 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO bestimmt, dass der Kläger in der Klageschrift den Gegenstand und den Grund des Anspruchs genau bezeichnen muss. Es ist daher in der Regel unzulässig, wenn der Kläger die Bestimmung des Streitgegenstands dem Gericht überlässt, sog. alternative Klagehäufung (BGH, Beschluss vom 24. März 2011 - I ZR 108/09, BGHZ 189, 56; Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., Einl. Rn. 74; Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 260 Rn. 5; Musielak/Voit/Foerste, ZPO, 15. Aufl., § 260 Rn. 3, 7; MüKoZPO/Becker-Eberhard, ZPO, 5. Aufl., § 260 Rn. 22; aA Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl., § 260 Rn. 11). Dazu gehört bei mehreren Streitgegenständen die Benennung der Reihenfolge, in der diese zur Überprüfung durch das Gericht gestellt werden und wie sich der eingeklagte Betrag auf die einzelnen Ansprüche verteilt (BGH, Beschluss vom 24. März 2011, I ZR 108/09, BGHZ 189, 56). Zulässig ist die alternative Klagehäufung nur in Fällen echter Wahlschuld (BAG, Urteil vom 12.2.2013 - 3 AZR 100/11, NJW 2013, 2540, 2540). Dagegen ist eine eventuelle Klagehäufung in der Regel zulässig (vgl. nur Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 260 Rn. 4).
Bei der Frage, ob eine Klage auf eigene oder abgetretene Ansprüche gestützt wird, handelt es sich nicht um verschiedene rechtliche Begründungen desselben prozessualen Anspruchs, sondern um verschiedene Streitgegenstände (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 3. März 2016 - IX ZB 33/14, NJW 2016, 1818, 1821; Urteil vom 8. Mai 2014 - III ZR 371/12, BeckRS 2014, 11030; Urteil vom 23. Juli 2008 - XII ZR 158/06, NZM 2008, 686, 686; vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 14. Mai 2008 - VI-U (Kart) 14/07, Rn. 93 - juris).
Mit der in der mündlichen Verhandlung verlesenen Erklärung (Anl. 2 zum Protokoll vom 22. November 2018, Bl. XI 1837) hat die Klägerin klargestellt, dass sie im Hauptbegehren ausschließlich eigene Ansprüche geltend macht und nur hilfsweise Ansprüche aus abgetretenem Recht verfolgt. Das ist im Hinblick auf das Hauptbegehren eine zulässige eventuelle Klagehäufung (vgl. auch LG Frankfurt am Main, Urteil vom 10. August 2018 - 2-03 O 239/16, Rn. 52 - juris).
3. Soweit in der Klageumstellung in der Replik und in der in der mündlichen Verhandlung verlesenen Erklärung eine Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO liegt, ist diese jedenfalls sachdienlich.
II.
Soweit die Klägerin Ansprüche aus eigenem Recht geltend macht, hat sie in der Sache keinen Erfolg. Ob der Klägerin im Zusammenhang mit den behaupteten Warenbezügen aufgrund des Verstoßes gegen Kartellrecht ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 GWB bzw. Art. 81 EGV, nach § 33 Satz 1, 2. Halbsatz GWB 1999 i.V.m. § 1 GWB oder § 33 Abs. 5 GWB 2005 i.V.m. § 1 GWB bzw. Art. 81 EGV zusteht, kann dahinstehen. Es gilt als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO, Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl., Vor § 284 Rn. 34c), dass sie einen möglicherweise erlittenen Schaden vollständig auf Dritte abgewälzt hat, denn die Klägerin hat die Behauptung einer vollständigen Schadensweiterwälzung nicht in erheblicher Weise bestritten, weil sie ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen ist.
1. Bei dem „Passing-on“-Einwand handelt es sich um einen Fall der Vorteilsausgleichung, der auch im kartellrechtlichen Schadenersatzprozess ohne weiteres erhoben werden kann (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011, KZR 75/10 - ORWI, Rn. 57 ff - juris). Eine etwa erfolgte Abwälzung des kartellbedingten Vermögensnachteils lässt die Entstehung eines Schadens unberührt (BGH, a.a.O., juris Rn. 56). Eine Weiterwälzung der kartellbedingten Vermögensnachteile durch den Geschädigten ist danach im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu beachten, denn der Geschädigte soll entsprechend dem schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbot nicht bessergestellt werden, als er ohne das Schadensereignis stünde (BGH, a.a.O., juris Rn. 59). Durch die Vorteilsanrechnung soll ein Ersatzanspruch vermieden werden, wenn sich sonst eine ungerechtfertigte Bereicherung des Berechtigten ergeben würde (BGH, a.a.O., juris Rn. 63). Außerdem soll der Schädiger vor einer doppelten Inanspruchnahme geschützt werden, nämlich vom direkten Abnehmer und von den Abnehmern anderer Marktstufen (BGH, a.a.O., juris Rn. 73).
2. Die Darlegungs- und Beweislast für eine Schadensweiterwälzung liegt grundsätzlich beim Schädiger (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - KZR 75/10 - ORWI, Rn. 68 ff - juris). Er hat anhand der allgemeinen Marktverhältnisse auf dem relevanten Absatzmarkt, insbesondere der Nachfrageelastizität, der Preisentwicklung und der Produkteigenschaften, plausibel vorzutragen, dass eine Weiterwälzung der kartellbedingten Preisaufschläge ernsthaft in Betracht kommt. Darüber hinaus hat er darzulegen, dass Nachteile des Berechtigten - etwa ein Nachfragerückgang (sog. Mengeneffekt) - die Weiterwälzung nicht kompensiert haben und inwieweit sich Wertschöpfungsanteile des Abnehmers auf den Vorteilsausgleich auswirken.
Die Klägerin trifft vorliegend allerdings eine sekundäre Darlegungslast. Um die Effizienz des Kartelldeliktsrechts nicht zu gefährden, ist bei der Annahme sekundärer Darlegungs- oder gar Beweislasten Zurückhaltung geboten (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - KZR 75/10 - ORWI, Rn. 70 - juris), wenngleich solche nicht generell ausgeschlossen sind. Die Bejahung einer sekundären Darlegungslast des Kartellgeschädigten setzt eine umfassende Prüfung der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit unter besonderer Berücksichtigung von Geheimhaltungsinteressen des Kartellgeschädigten und des Ziels einer Vermeidung von unbilligen Entlastungen des Kartellanten voraus (BGH, a.a.O., juris Rn. 71). Maßgeblich sind insbesondere die Wahrscheinlichkeit einer Schadensweiterwälzung, die Beweisnot des Kartellanten (BGH, a.a.O., juris Rn. 76) sowie die Vertraulichkeit und das Alter der relevanten Daten (BGH, a.a.O., juris Rn. 77). In der Regel ist eine sekundäre Darlegungslast des Kartellgeschädigten ausgeschlossen, wenn die indirekten Abnehmer selbst den Schädiger in Anspruch nehmen (BGH, a.a.O., juris Rn. 72) oder dem Schädiger zumutbar ist, sich durch Streitverkündungen vor doppelter Inanspruchnahme zu schützen (BGH, a.a.O., juris Rn. 73). Eine sekundäre Darlegungslast soll etwa gegeben sein, wenn die Details zum gruppeninternen Warenbezug außerhalb der Wahrnehmungssphäre der Kartellanten liegen, dem Kläger aber Angaben hierzu zumutbar sind (LG Frankfurt, Urteil vom 10. August 2018 - 2-03 O 239/16, Rn. 66 - juris).
3. Bei Abwägung aller relevanten Umstände ist hier von einer sekundären Darlegungslast der Klägerin auszugehen.
Zur Prüfung und Beurteilung des passing-on-Einwandes ist es aus Sicht der Kammer erforderlich, dass feststeht, welche konkrete Ware an Endverbraucher oder an welchen konkreten Abnehmer weiterveräußert worden ist. Außerdem muss feststehen, ob bei der Klägerin ein marktabhängiger Preisbildungsvorgang stattgefunden hat oder ob die Waren generell zum Einkaufspreis („1:1“) weiterveräußert worden sind.
a) Eine Schadensweiterwälzung an die Tochterunternehmen der Klägerin kommt ernsthaft in Betracht, denn die Klägerin hat als Einkaufsgesellschaft die Waren jedenfalls teilweise an konzernverbundene Tochtergesellschaften weiterveräußert und zwar möglicherweise generell zum Einkaufspreis oder unter Berechnung eines Preisaufschlags. Aufgrund der Marktverhältnisse auf dem Absatzmarkt ist es auch wahrscheinlich, dass der marktabhängige Preissetzungsspielraum der Klägerin gegenüber ihren Tochtergesellschaften sehr begrenzt war.
b) Die sekundäre Darlegungslast der Klägerin ist zur Berechnung des adäquat kausalen Vorteils erforderlich. Die Beklagten sind in der Beweisnot, denn sie selbst haben weder die notwendigen Informationen noch eine andere Möglichkeit zur Informationsbeschaffung. Das gilt insbesondere, weil die Beklagten und Streithelferinnen sich die notwendigen Informationen nicht von der Klägerin beschaffen können. Da die Klägerin aber nach ihren eigenen Angaben nicht mehr über die notwendigen Informationen verfügt, wären auch eventuelle Auskunftsansprüche nach § 33g Abs. 2 GWB 2017 (dessen Anwendbarkeit wegen § 186 Abs. 3 GWB hier fraglich ist) oder gar nach § 242 BGB jedenfalls nach § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.
c) Die Klägerin hat kein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung der notwendigen Informationen. Ob, in welchem Umfang, mit welchem Produkt und in welchem Ort Umsätze erzielt werden, sind grundsätzlich vertrauliche Unternehmensdaten, die abhängig von der Marktsituation auch wettbewerblich relevant und allein deshalb geheimhaltungsbedürftig sein können. Unterdessen handelt es sich hier um historische Daten, denn die notwendigen Informationen waren zum Schluss der mündlichen Verhandlung mehr als zehn Jahre alt und lassen angesichts der unstreitigen Marktverhältnisse keine wettbewerbsrelevanten Rückschlüsse mehr zu. Indem die Klägerin bereits sämtliche (Einkaufs-) Umsätze von Drogerie-Markenartikeln der Beklagten und Streithelferinnen bis ins Jahr 2011 hinein vorgetragen hat, hat sie außerdem zu erkennen gegeben, dass sie kein besonderes Interesse an der Geheimhaltung der in Frage stehenden Umsatzzahlen hat.
d) Eine sekundäre Darlegungslast führt auch nicht zu einer mit dem Zweck der § 823 Abs. 2 BGB, § 33 Satz 1, 2. Halbsatz GWB 1999 oder § 33 Abs. 3 GWB 2005 (jeweils i.V.m. § 1 GWB bzw. Art. 81 EGV) nicht zu vereinbarenden („unbilligen“) Entlastung der Schädiger. Diese folgt nicht allein daraus, dass in der hier gegebenen besonderen Situation infolge einer sekundären Darlegungslast ein Schadensersatzanspruch insgesamt ausscheidet.
Die erforderlichen Daten ergeben sich ohne weiteres den Rechnungen über die in Streit stehenden Veräußerungsvorgänge. Der Klägerin kann es aber nicht zugutekommen, dass sie diese vernichtet hat, denn dies geschah jeweils zu Zeitpunkten, zu denen sie diese Informationen noch nicht oder jedenfalls nicht mehr vernichten durfte.
aa) Nach § 254 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4, Abs. 4 HGB und § 147 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 AO sind von jedem Kaufmann unter anderem Handelsbücher und Buchungsbelege über zehn Jahre aufzubewahren. Wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, hat nach dem mit Wirkung zum 1. Januar 2004 eingeführten § 14b UStG zudem sämtliche Rechnungen, die er ausgestellt oder erhalten hat, für die Dauer von zehn Jahren nach Schluss des Kalenderjahres, in dem die Rechnung ausgestellt worden ist, aufzubewahren. Soweit die Klägerin einwenden könnte, dies gelte nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht für das Innenverhältnis zu inländischen Tochtergesellschaften, so träfe sie in diesem Fall die Pflicht, die Rechnungsbelege (der Tochtergesellschaften) an die Endkunden aufzubewahren.
Die Klägerin hat die Unterlagen nach eigenen Angaben nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen „ca. 2014“ vernichtet. Für Erwerbsvorgänge aus den Jahren 2006 und 2007 war die Klägerin verpflichtet, die Rechnungsbelege bis zum 31. Dezember 2016 und bis zum 31. Dezember 2017 aufzubewahren. Die Klage hat sie bereits zuvor am 20. Dezember 2016 erhoben. Damit hat die Klägerin die Belege entweder vor Ablauf der gesetzlichen Frist oder im laufenden Zivilprozess vernichtet.
bb) Auch die Rechnungsbelege für die Veräußerungsvorgänge im Jahr 2005 hätte die Klägerin nicht vernichten dürfen. Insoweit war die Klägerin gesetzlich zur Aufbewahrung bis zum 31. Dezember 2015 verpflichtet. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin hat ihr Geschäftsführer im Jahr 2015 Kenntnis von den streitgegenständlichen Ansprüchen erhalten.
cc) Nichts Anderes gilt im Ergebnis für Veräußerungsvorgänge aus dem Jahr 2004. Die Klägerin selbst hat in der Replik (Bl. VI 891f) noch vorgetragen, mit Veröffentlichung des Fallberichts vom 14. Juni 2013 habe sie erstmals Kenntnis haben können. In der mündlichen Verhandlung erklärte sie, die für die Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderlichen Informationen habe sie erst nach der Akteneinsicht im Jahr 2017 gehabt.
(1) Es steht außer Frage, dass die Klägerin so rechtzeitig Kenntnis von der Möglichkeit eines kartellrechtlichen Schadensersatzanspruchs hatte oder ihre Unkenntnis jedenfalls auf grober Fahrlässigkeit beruht hat, dass sie die Löschung rechtzeitig hätte verhindern können. Dabei kommt es für die vorliegende Abwägungsentscheidung nicht darauf an, ob die der Klägerin bekannten Tatsachen bei verständiger Würdigung ausreichten, eine so erfolgversprechende Feststellungsklage zu erheben, dass diese der Klägerin zumutbar war (so für die die Verjährung in Gang setzende Kenntnis i.S.v. § 199 Abs. 1 Satz 2 BGB st. Rspr. Vgl. nur BGH Beschluss vom 3. März 2016 - XI ZB 33/14, NJW 2016, 1818, 1822 Rn. 35). Vielmehr genügt es, wenn die Klägerin aufgrund der ihr bekannten Tatsachen in der Lage war, zu erkennen, dass die notwendigen Informationen möglicherweise für einen künftigen Prozess entscheidend sind. Dabei kommt es jedoch nicht darauf an, dass die Klägerin auch die richtigen rechtlichen Schlüsse zieht.
(2) Dass die Klägerin die intensive Berichterstattung in wichtigen bundesweit erscheinenden Tages- und Wochenzeitungen, der branchenspezifischen Fachpresse und in Online-Medien nicht zeitnah nach Veröffentlichung - also jeweils zeitnah nach Veröffentlichung der jeweiligen Pressemitteilungen - wahrgenommen hat, ist fernliegend. Dementsprechend hat sich die Klägerin schriftsätzlich zu den diesbezüglichen Behauptungen der Beklagten und Streithelferinnen nicht erklärt und in der mündlichen Verhandlung lediglich behauptet, jedenfalls Herr ... habe positive Kenntnis von den Kartellverfahren erst im Jahr 2015 erhalten. Es liegt auf der Hand, dass große Handelsketten wie die Klägerin mit mehr als ... Filialen und Umsätzen, die allein in Bezug auf die streitgegenständlichen Waren im relevanten Zeitraum mehr als ... Millionen Euro betragen, die Presseberichterstattung nicht nur im Hinblick auf die eigenen Gesellschaften, sondern auch im Hinblick auf das Marktgeschehen, die relevanten Wettbewerber und die Marktgegenseite zu beobachten pflegen. Soweit die Klägerin eine derart intensive Berichterstattung nicht oder nicht kurzfristig nach der jeweiligen Veröffentlichung zu Kenntnis genommen haben sollte, wäre das allein mit einer groben Nachlässigkeit zu erklären (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. Februar 2015 - VI-U (Kart) 3/14 - CDC-Zementkartell, Rn. 28 ff - juris).
Die Kenntnis der Presseberichterstattung gab auch genügenden Anlass, von der Löschung der notwendigen Informationen abzusehen. Sie gab schon deshalb Anlass zur genaueren Überprüfung, weil in den Pressemeldungen aus 2008 wie aus 2011 neben den Informationen über den streitgegenständlichen Informationsaustausch des KWR auch Angaben zu den vom Bundeskartellamt festgestellten bilateralen Preisabsprachen („Kartellamt knackt das Saubermann-Kartell“, WELT, 20.2.2008; „Millionenbußen gegen Seifenkartell“, FOCUS Online, 20.2.2008; „Millionenbußgelder wegen Zahnpasta-Absprachen“, Der Tagesspiegel, 20.2.2008; alle Anl. B16, ...11, ... 10; „Millionenbußgeld für Spülmittelkartell“, faz.net, 23. November 2011; „Millionenstrafe gegen Spülmittel-Kartell verhängt“, Die Welt, 23. November 2011; alle Anl. ...2) enthalten waren. Aber auch allein die Presseberichterstattung über den Informationsaustausch im KWR gab der Klägerin, die unstreitig wusste, welche Unternehmen dort Mitglied waren, genügenden Anlass hierzu. So berichten beispielsweise FOCUS Online und ntv.de am 20. Februar 2008 „Die betroffenen Markenhersteller hätten mit weiteren Unternehmen der Branche seit Jahren Informationen über die Verhandlungen mit Einzelhändlern ausgetauscht. Ziel sei es gewesen, von vornherein die Ungewissheit über das zukünftige Marktverhalten der Wettbewerber auszuräumen“ (Anl. ... 10). Am 23. November 2011 berichtete beispielsweise faz.net „In dem Arbeitskreis hätten sich die Hersteller gegenseitig über anstehende Preiserhöhungen, neue Rabattforderungen des Einzelhandels sowie ihre Verhandlungen mit Einzelhändlern unterrichtet, sagte Kartellamtspräsident Andreas Mundt“ (Anl. B17, ...2). Angesichts solcher Informationen liegt auf der Hand, dass ein derart umsatz- und mitarbeiterstarkes, international tätiges Handelsunternehmen wie die Klägerin prüft, ob ihm durch das geschilderte Verhalten Schäden entstanden sind und welche Maßnahmen zur Rechtsdurchsetzung erforderlich sind. Bis zum frühestmöglichen Zeitpunkt der Löschung zum Ablauf des Kalenderjahres 2014 hatte die Klägerin auch genügend Zeit für die Erkenntnis, dass zur Ermittlung des Schadens auch die Frage des Vorteilsausgleichs gehört. Gleichwohl vernichtete die Klägerin die notwendigen Informationen.
e) Den Beklagten und Streithelferinnen ist auch nicht zuzumuten, sich durch Streitverkündungen vor einer doppelten Inanspruchnahme zu schützen. Die Klägerin hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nämlich noch nicht einmal sämtliche Tochtergesellschaften, an die sie die streitgegenständlichen Waren weiter veräußert hat, abschließend bezeichnet, obgleich sie von den Beklagten und Streithelferinnen darauf hingewiesen wurde. Der klägerischen Behauptung, den Beklagten seien die Tochtergesellschaften der Klägerin bekannt, wurde widersprochen. Den Beklagten wäre daher allenfalls teilweise möglich, sich vor einer doppelten Inanspruchnahme zu schützen.
4. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auch auf sog. Mengeneffekte. Nach der ökonomischen Theorie sinkt die verkaufte Menge, wenn der Preis (kartellbedingt) angehoben wird und die Nachfrage nicht ausnahmsweise preisunabhängig ist. Kann das Handelsunternehmen die kartellbedingt überhöhten Preisaufschläge vollständig an die Kunden abwälzen, verbleibt beim Handelsunternehmen dennoch ein Schaden durch entgangene Gewinne, weil die verkaufte Menge sinkt (vgl. nur EU-Kommission, Praktischer Leitfaden zur Ermittlung des Schadensumfangs bei Schadensersatzklagen im Zusammenhang mit Zuwiderhandlungen gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Rn. 128 ff, 175 ff).
Ein solcher Mengeneffekt ist schon deshalb fraglich, weil die Beklagten und die Streithelferinnen bislang unwidersprochen vortragen, die Endverbraucher hätten nicht weniger Drogerieartikel gekauft, sondern seien auf die preisgünstigeren Eigenmarken der Klägerin umgestiegen. Aufgrund größerer Handelsmargen sei das für die Klägerin mit einem größeren Gewinn verbunden gewesen als der Verkauf von Markenartikeln.
Letztlich scheitert ein Mengeneffekt aber bereits daran, dass dieser voraussetzt, dass die Klägerin durch den Verkauf der kartellbetroffenen Waren überhaupt einen Gewinn oder Verlust erzielen kann. Verkauft die Klägerin die kartellbetroffenen Waren prinzipiell zum Einkaufspreis („1:1“) an ihre Tochtergesellschaften weiter, dann macht sie prinzipiell keine Gewinne, so dass ein Schaden auch prinzipiell ausgeschlossen ist. Die darlegungsbelastete Klägerin kann hierzu jedoch schon nach eigenem Vortrag überhaupt keine Angaben mehr machen.
5. Die Klägerin hat auch einen Schaden aus ihrer Stellung als Muttergesellschaft nicht dargelegt.
Sie ist nicht allein deshalb geschädigt, weil irgendeine Tochtergesellschaft ursprünglich kartellbetroffene Waren indirekt erworben hat. Eine rechtlich, wenn auch nicht wirtschaftlich, selbstständige Tochtergesellschaft hat sowohl ein eigenes Aktiv- als auch Passivvermögen. Die Muttergesellschaft kann deshalb - abgesehen von Sonderfällen wie etwa Patronatserklärungen oder Durchgriffshaftung - regelmäßig weder von den Gläubigern der Tochtergesellschaft in Anspruch genommen werden, noch die Schuldner der Tochtergesellschaft in Anspruch nehmen. Selbst, wenn die Muttergesellschaft infolge eines Gewinnabführungsvertrages (§ 291 Abs. 1 Satz 1, § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG) zur Verlustübernahme (§ 302 AktG) verpflichtet ist, bleibt nach allgemeiner Auffassung die Rechtsstellung einer Tochtergesellschaft als Gläubigerin wie auch Schuldnerin von vertraglichen und gesetzlichen Ansprüchen im Verhältnis zu Dritten unangetastet (BGH, Beschluss vom 10. November 2011 - IX ZR 106/09, Rn. 6f - juris). Auch im Kartellrecht ist eine Ausnahme von diesem Grundsatz nicht geboten, kann sich die Muttergesellschaft doch die Ansprüche der Tochtergesellschaften zur einfacheren Rechtsverfolgung regelmäßig abtreten lassen (vgl. etwa Stancke, NZKart 2017, 636, 642).
Soweit die Klägerin behaupten wollte, der ihr aufgrund eines (bislang nicht behaupteten) Gewinnabführungsvertrags abzuführende Gewinn oder der Wert ihrer Unternehmensanteile sei kartellbedingt geschmälert worden, müsste sie den entsprechenden Schaden der einzelnen Tochtergesellschaften darlegen und notfalls beweisen, was der Klägerin aus den dargelegten Gründen schon nach ihrem eigenen Vortrag mangels Kenntnis des in Frage stehenden Warenbezugs im Einzelnen nicht mehr möglich ist.
III.
1. Soweit die Klägerin ihren Anspruch hilfsweise damit begründet, der Schaden sei den jeweiligen Tochtergesellschaften entstanden und sie selbst aufgrund Abtretungen Anspruchsinhaberin, ist die Klage schon unzulässig.
a) Die Zuständigkeit ergibt sich aus § 39 Satz 1 ZPO, der auch für die internationale Zuständigkeit Anwendung findet (BGH, Urteil vom 13. Juli 1987 - II ZR 280/86, BGHZ 101, 296, Rn. 34 - juris; Zöller/Schultzky, ZPO, 32. Aufl., § 39 Rn. 4), denn die Beklagten haben nach Erörterung der Zuständigkeitsfrage im Termin ausdrücklich auf die Rüge der Zuständigkeit verzichtet.
b) Es handelt sich nicht um einen einheitlichen Streitgegenstand, sondern um verschiedene Streitgegenstände. Jede Tochtergesellschaft hat (möglicherweise) einen eigenen Schaden erlitten und deshalb einen eigenen Schadensersatzanspruch, den die Klägerin abgetreten bekommen haben will. Allein durch die - bestrittenen - Abtretungen wird daraus kein einheitlicher Streitgegenstand. Da die Klägerin die einzelnen Weiterveräußerungsvorgänge (die Erwerbsvorgänge der Zedentinnen) weder näher bezeichnet noch betragsmäßig beziffert, verbleibt es insoweit bei einer nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässigen (vgl. oben) alternativen Klagehäufung.
2. Die Klage ist insoweit aber auch unbegründet, denn sie ist unschlüssig.
Zu Recht zitiert die Klägerin in Ihrem Schriftsatz vom 10. Oktober 2018 (Bl. VII 1029a) den Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss vom 09. Februar 2009 - II ZR 77/08, Rn. 4 - juris, NJW 2009, 2137) wie folgt: „Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen, wobei unerheblich ist, wie wahrscheinlich die Darstellung ist, und ob sie auf eigenem Wissen oder einer Schlussfolgerung aus Indizien besteht. Der Pflicht zur Substantiierung ist mithin nur dann nicht genügt, wenn das Gericht aufgrund der Darstellung nicht beurteilen kann, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolgen erfüllt sind (Sen.Urt. v. 27. Juli 2005 - II ZR 199/03, WM 2005, 1847, 1848 m.w.Nachw.; Beschl. v. 21. Mai 2007 - II ZR 266/04, ZIP 2007, 1524 Tz. 8).“
Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch ist, dass der Anspruchssteller bzw. die streitgegenständlichen Erwerbsvorgänge kartellbetroffen sind. Die Kartellbetroffenheit ist vom Kläger darzulegen und gegebenenfalls nach dem Beweismaß des § 286 ZPO zu beweisen (vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Juni 2016 - KZR 25/14 - Lottoblock II, Rn. 47 - juris). Dabei streitet ein Anscheinsbeweis für die Kartellbetroffenheit solcher Erwerbsvorgänge, die sich sachlich, räumlich und zeitlich in die bindenden Feststellungen der Bußgeldentscheidung einfügen (die Kammer im Urteil vom 19. Juli 2018 - 30 O 33/17, Rn. 63ff; Urteil vom 30. November 2018 - 30 O 53/17; vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.08.2018, VI-U (Kart) 1/17; OLG München, Urteil vom 8.3.2018, U 3497/16 Kart - juris Rn. 60 ff; Thüringer OLG, Urteil vom 22.2.2017, 2 U 583/15 Kart - juris Rn. 68; OLG Karlsruhe, Urteil vom 9.11.2016, 6 U 204/15 Kart (2) - juris Rn. 64 - und Urteil vom 31.7.2013, 6 U 51/12 - juris Rn. 56). Es kann hier dahinstehen, ob sich der Erwerbsvorgang auch in persönlicher Hinsicht einfügen muss, ein Anscheinsbeweis für die Kartellbetroffenheit also nur bei direkten Erwerben von Kartellbeteiligten besteht und die Kriterien aus der ORWI-Entscheidung (BGH, Urteil vom. 28. Juni 2011 - KZR 75/10 - ORWI, Rn. 44ff - juris) Anwendung finden (so LG Hannover, Urteil vom 28. Mai 2018 - 18 O 17/17, Rn. 28-37 - juris; wohl auch LG Berlin, Urteil vom 28. Juni 2018 - 16 O 117/17; aA wohl LG Dortmund, Urteil vom 27. Juni 2018 - 8 O 13/17 (Kart), NZKart 2018, 382, Rn. 51ff - juris). In jedem Fall - unabhängig von einem Anscheinsbeweis - ist es erforderlich, dass die Kammer beurteilen kann, ob die behaupteten Erwerbsvorgänge überhaupt sachlich von dem kartellrechtswidrigen Verhalten erfasst waren. Dazu ist es in jedem Fall zwingend erforderlich, dass die erworbene Ware benannt und ein konkreter Erwerbsvorgang bezeichnet wird.
Nach dem klägerischen Vortrag ist bekannt, dass die Zedentinnen in bestimmten Zeiträumen bestimmte Gesamtumsätze erzielt haben. Es ist auch bekannt, dass diese Gesamtumsätze unstreitig nicht kartellbetroffene Waren einschließen. Dagegen ist nicht bekannt, welche Waren wann von welcher Zedentin zu welchem Preis erworben worden sind oder welcher Anteil der klägerseits vorgetragenen Umsätze auf nach Auffassung der Klägerin kartellbetroffene Waren entfällt. Letztlich ist daher nicht auszuschließen, dass Zedentinnen möglicherweise gar keine kartellbetroffenen Waren erworben haben. Die Kammer kann es jedenfalls auf Grundlage der vorhandenen Informationen nicht überprüfen. Der klägerische Sachvortrag ist damit von vornherein nicht geeignet, die begehrte Rechtsfolge zu begründen und die Klage damit nicht schlüssig. Die Klägerin kann diese Angaben, für die sie insoweit primär darlegungsbelastet ist, nach ihrem eigenen Vortrag auch nicht beibringen.
IV.
Der Klägerin war entgegen ihrem in der mündlichen Verhandlung wiederholten Antrag vom 14. November 2018 (Bl. XI 1028) kein weiteres Schriftsatzrecht einzuräumen.
1. Ein Schriftsatzrecht nach § 283 ZPO scheidet aus, denn das umfangreiche, neue Vorbringen der Beklagten und Streithelferinnen in den im Oktober 2018 fristgerecht eingereichten Schriftsätzen ist nicht entscheidungserheblich (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 283 Rn. 2a).
2. Auch nach § 139 Abs. 5 ZPO gab es keine Veranlassung, ein Schriftsatzrecht einzuräumen oder zu vertagen. Kann sich eine Partei auf einen richterlichen Hinweis nicht sofort erklären, so soll das Gericht ein entsprechendes Schriftsatzrecht einräumen.
a) Die Kammer hat im Termin am 22. November 2018 erstmals darauf hingewiesen, dass der Klägerin eine sekundäre Darlegungslast im Hinblick auf den Weiterwälzungseinwand obliegt. Nachdem die Klägerin mit ihrem Schriftsatz vom 10. Oktober 2018 (Bl. VII 1029a) ausdrücklich auf die Problematik hingewiesen hat, ist dies jedenfalls kein Gesichtspunkt, den die Parteien erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten haben (§ 139 Abs. 2 ZPO). Aber auch, soweit man eine Hinweispflicht nach § 139 Abs. 1 ZPO annehmen mag, gibt es keinen Anlass zur Fortsetzung des Verfahrens. § 139 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 ZPO dient dazu, den Parteien die Gelegenheit zu verschaffen, auf einen richterlichen Hinweis auch dann adäquat reagieren zu können, wenn der betreffenden Partei eine sofortige Erklärung im Termin nicht zugemutet werden kann. Das setzt bei tatsächlichen Gesichtspunkten allerdings voraus, dass die Partei überhaupt jemals zu der Erklärung in der Lage ist.
b) In rechtlicher Hinsicht hat die Klägerin bereits im Schriftsatz vom 10. Oktober 2018 (Bl. VII 1029a) ausführlich zu der Frage Stellung genommen. In tatsächlicher Hinsicht hat die Klägerin auch auf ausdrückliche Nachfrage im Termin erläutert, dass sie gar nicht in der Lage ist, der ihr obliegenden Darlegungslast nachzukommen und die fehlenden Tatsachen vorzutragen. Ein weiteres Zuwarten auf einen mit Sicherheit ausbleibenden entscheidungserheblichen Sachvortrag durch Einräumung einer weiteren Schriftsatzfrist ist aus Sicht der Kammer bloße Förmelei, die allein den Rechtsstreit verzögern würde und deshalb ermessensfehlerhaft wäre.
3. Die Kammer war auch nicht an einer Endentscheidung gehindert, weil sie im Hinblick auf den Hilfsantrag nicht gesondert auf die Unzulässigkeit der alternativen Klagehäufung hingewiesen (§ 139 Abs. 3 ZPO) hat, denn Gründe der prozessualen Fairness gebieten es nicht, der Klägerin vor einer Endentscheidung die Möglichkeit einzuräumen, durch Konkretisierung ihres Begehrens von der unzulässigen und unbegründeten zu einer ebenso unbegründeten Klage überzugehen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, NJW 2017, 1823 Rn. 39 ff). Die Klägerin erleidet nämlich keinen Nachteil, wenn ihre zugleich - sicher und endgültig - unbegründete Klage als unzulässig abgewiesen wird.
4. Durchgreifende Gründe zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO) sieht die Kammer nicht.
V.
Da dem Kläger dem Grunde nach keine Schadensersatzansprüche zustehen, kommen auch Ansprüche auf Zinsen oder Ersatz der Gutachterkosten nicht in Betracht.
VI.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 269 Abs. 3 Satz 2, § 101 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO. Der Streitwert ergibt sich aus § 39 Abs. 2 GKG i.V.m. § 3 ZPO und § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG.