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Wirtschaftsrecht
12.01.2017
Wirtschaftsrecht
BGH: Zur grob fahrlässigen Unkenntnis eines Insolvenzverwalters von einem Anfechtungsanspruch

BGH, Beschluss vom 15.12.2016 – IX ZR 224/15

ECLI:DE:BGH:2016:151216BIXZR224.15.0

Amtlicher Leitsatz

Die Unkenntnis eines Insolvenzverwalters in einem umfangreichen Verfahren von einem Anfechtungsanspruch ist nicht allein deswegen grob fahrlässig, weil der Verwalter Zugriff auf die Buchhaltung des Schuldners hatte.

InsO § 146 Abs. 1; BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2

Sachverhalt

I.

Die S. Immobilienanlagen und Vermögensmanagement AG (künftig: Schuldnerin) zahlte am 7. Juni 2006 den Betrag von 51.119,46 € an den Beklagten, um die Vollstreckung aus einem Titel abzuwenden, den der Beklagte gegen eine andere wirtschaftlich angeschlagene Gesellschaft der Firmengruppe erwirkt hatte, zu der auch die Schuldnerin gehörte. Auf Antrag der Schuldnerin vom 7. Juni 2007 eröffnete das Insolvenzgericht am 14. Juni 2007 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen und bestellte zunächst Peter K. und am 5. Juni 2008 - nach dessen Entlassung - den Kläger zum Insolvenzverwalter. Der Kläger focht die Zahlung gegenüber dem Beklagten an und erhob noch im Jahre 2010 Klage.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Anspruch verjährt sei. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers durch ein erstes Urteil vom 4. Dezember 2012 zurückgewiesen. Der Senat hat das Urteil am 30. April 2015 (IX ZR 1/13, NZI 2015, 734) aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Er hat zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe nicht nach §§ 288 ff ZPO zugestanden, dass sein Amtsvorgänger noch im Jahr 2007 Kenntnis von dem streitgegenständlichen Anfechtungsanspruch besessen habe oder dessen Unkenntnis grob fahrlässig gewesen sei. Wer sich in seinem Parteivortrag erkennbar über die subjektiven Voraussetzungen der Verjährung irre und deswegen zur Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis vom Anfechtungsanspruch und vom Anfechtungsgegner nicht vortrage, gestehe diese übersehene Tatbestandsvoraussetzung nicht zu (BGH, aaO Rn. 20). Das Berufungsgericht hat die klägerische Berufung nunmehr erneut zurückgewiesen. Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde erstrebt der Kläger die Zulassung der Revision.

Aus den Gründen

II.

3          Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, weil das angefochtene Urteil den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Es ist gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

4          1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger sei den vom Senat in dem zitierten Urteil genannten Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen und habe daher seiner sekundären Darlegungslast nicht genügt. Zwar habe er vorgetragen, selbst den streitgegenständlichen Anspruch erst am 25. Mai 2009 ermittelt und von seinem Amtsvorgänger keinerlei Anfechtungslisten oder ähnliche Unterlagen erhalten zu haben. Beide Angaben seien jedoch ersichtlich falsch, wie sich aus dem klägerischen Vortrag zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Vollstreckungsschuldnerin, aus dem bei der Schuldnerin geführten Forderungs- oder Verrechnungskonto gegen die Vollstreckungsschuldnerin und aus dem Schlussbericht des klägerischen Amtsvorgängers ergebe. Sei der klägerische Vortrag zur Ermittlung des streitgegenständlichen Anspruchs unzutreffend, sei die auf die desolate Anlegerbuchhaltung gestützte Behauptung des Klägers ebenfalls falsch, seinem Vorgänger sei es während seiner Tätigkeit gar nicht möglich gewesen, den streitgegenständlichen Rückgewähranspruch aus § 134 InsO zu ermitteln. Das gelte insbesondere auch im Hinblick darauf, dass bei der Schuldnerin Zahlungen an Schwester- und Tochtergesellschaften bekannt gewesen seien. Damit sei der Kläger so zu stellen, als habe er den Vortrag des Beklagten zur Verjährung nicht wirksam bestritten. Mithin sei der streitgegenständliche Anfechtungsanspruch verjährt.

5          2. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Recht die Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) durch das Berufungsgericht, denn dieses hat erheblichen Vortrag des Klägers nicht berücksichtigt.

6          a) Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots, die im Prozessrecht keine Stütze hat, verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Das gilt auch dann, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei gestellt hat. Es verschließt sich in einem solchen Fall der Erkenntnis, dass eine Partei ihrer Darlegungslast schon dann genügt, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Eine solche nur scheinbar das Parteivorbringen würdigende Verfahrensweise stellt sich als Weigerung des Berufungsgerichts dar, in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise den Parteivortrag zur Kenntnis zu nehmen und sich mit ihm inhaltlich auseinanderzusetzen. Eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung liegt vor, wenn ein angebotener Zeugenbeweis deshalb nicht erhoben wird, weil das Gericht dessen Bekundungen wegen seiner bereits gewonnenen Überzeugung kein Gewicht mehr beimisst. Die Nichterhebung eines angebotenen Beweises mit der Begründung, es sei bereits das Gegenteil erwiesen, ist grundsätzlich unzulässig (BGH, Beschluss vom 16. April 2015 - IX ZR 195/14, NJW-RR 2015, 829 Rn. 9).

7          b) Diesen Anforderungen an das rechtliche Gehör wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht. Das Berufungsgericht hat Beweisangebote des Klägers übergangen, weil es seinen diesbezüglichen Tatsachenvortrag zu Unrecht als widerlegt angesehen hat.

8          aa) Aus dem Urteil des Senats vom 30. April 2015 (IX ZR 1/13, ZInsO 2015, 1323 Rn. 13) ergibt sich, dass die klägerische Forderung dann verjährt ist, wenn der Amtsvorgänger des Klägers noch im Jahre 2007 Kenntnis vom tatsächlichen Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen und von der Person des Anfechtungsgegners erlangt hat oder wenn seine Unkenntnis im Jahre 2007 grob fahrlässig war. Weiter ergibt sich aus diesem Urteil (BGH, aaO Rn. 17), dass der Beklagte für die maßgeblichen Tatsachen darlegungs- und beweisbelastet ist. Ihm obliegt es, die Kenntnis oder die grob fahrlässige Unkenntnis seines Gläubigers von den in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB genannten Voraussetzungen darzutun. Er muss also Umstände dartun und gegebenenfalls beweisen, aus denen folgt, dass der zunächst bestellte Insolvenzverwalter von dem Anfechtungsanspruch bis Ende 2007 erfahren hat oder sich einem sorgfältig arbeitenden Insolvenzverwalter bis Ende des Jahres 2007 der Schluss auf einen Anspruch und auf die Person des Gläubigers hätte aufdrängen müssen. Dem Kläger obliegt es, soweit es um Umstände aus seiner Sphäre geht, an der Sachaufklärung mitzuwirken. Diese Mitwirkungspflichten beziehen sich aber nicht auf die Tätigkeiten seines Amtsvorgängers. Hier muss der Kläger nur vortragen, welche Kenntnisse zu den Anfechtungsansprüchen sein Amtsvorgänger ihm übermittelt hat und wie der Bearbeitungsstand der Anfechtungsansprüche war, als er dieses Amt übernommen hat (BGH, aaO Rn. 18).

9          bb) Der Kläger hat unter Beweisantritt vorgetragen, der streitgegenständliche Anspruch sei erst am 25. Juni 2009 durch die Zeugin P. ermittelt worden. Sein Amtsvorgänger habe zum Zeitpunkt der Beendigung seines Amtes noch keine Kenntnis von dem streitgegenständlichen Anspruch gehabt. Er habe ihm, dem Kläger, keine Aufstellungen über die bis zur Amtsübergabe ermittelten Anfechtungsansprüche zur Verfügung gestellt. Zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Zahlung am 7. Juni 2006 habe es bei der Schuldnerin keine geordnete und funktionierende Buchhaltung mehr gegeben. Seit März 2006 seien in der Anlegerbuchhaltung und seit Jahresende 2006 in der Finanzbuchhaltung keine relevanten Buchungen mehr vorgenommen worden. Da eine Zuordnung der Zahlungen im Jahr 2006 an die jeweiligen Anleger nicht mehr erfolgt sei, seien in der Finanzbuchhaltung der Schuldnerin Zahlungen an Anleger der Vollstreckungsschuldnerin nur noch auf ein Verrechnungskonto dieser Gesellschaft gebucht worden. Eine Zuordnung dieser Zahlung an einen bestimmten Anleger innerhalb der G. sei zu diesem Zeitpunkt (7. Juni 2006) buchhalterisch nicht mehr erkennbar gewesen. Auch sei eine Ermittlung des Klageanspruchs nicht aufgrund der alleinigen Überprüfung eines etwaigen internen Verrechnungskontos möglich gewesen. Ein ordentlich und aktuell geführtes Verrechnungskonto habe zu keinem Zeitpunkt vorgelegen.

10        cc) Diesen Vortrag des Klägers durfte das Berufungsgericht nicht unbeachtet lassen. Dieses Vorgehen findet in der Prozessordnung keine Stütze.

11        (1) Das Berufungsgericht durfte das Bestreiten des Klägers, sein Amtsvorgänger habe Kenntnis von der streitgegenständlichen Forderung gehabt, nicht übergehen. Selbst wenn es aus dem Schlussbericht des Amtsvorgängers des Klägers entnahm, dass dieser Anfechtungsunterlagen an den Kläger übergeben und Kenntnis von dem streitgegenständlichen Anspruch gehabt hätte, hätte das Berufungsgericht über diese streitigen Tatsachen Beweis erheben müssen, weil der Kläger sich dann gegenbeweislich auf das Zeugnis seines Amtsvorgängers berufen hätte. Ohne diesen angebotenen Beweis zu erheben, durfte das Berufungsgericht seinen Vortrag nicht als ersichtlich falsch ansehen und deshalb als unbeachtlich abtun. Ob der entsprechende klägerische Vortrag glaubhaft ist, ist vom Tatrichter erst nach Vernehmung des angebotenen Zeugen in Verbindung mit den sonstigen Umständen und Indizien zu würdigen. Eine vorweggenommene Beweiswürdigung ist demgegenüber unzulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2016 - IV ZR 52/14, nv Rn. 27 f).

12        Zudem ergibt sich aus dem vom Berufungsgericht herangezogenen Schlussbericht des klägerischen Amtsvorgängers weder, dass er dem Kläger Anfechtungslisten und Unterlagen zur Anfechtung übergeben hätte, noch ist dem Schlussbericht zu entnehmen, dass der Amtsvorgänger Kenntnis von dem streitgegenständlichen Anspruch gehabt hätte. Damit fehlt es an der Grundlage für die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe falsch vorgetragen und sei deswegen seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen.

13        Der Amtsvorgänger hat ausweislich des Schlussberichts Rückforderungsansprüche gegen die Begünstigten aufgrund von Vollstreckungsmaßnahmen in den letzten drei Monaten vor Antragstellung in einem Umfang von runden 500.000 €, Rückforderungsansprüche von über 2 Mio. € aus vorinsolvenzlich in den letzten drei Monaten vor Antragstellung durchgeführten Immobilienverkäufen, Rückforderungsansprüche aus der Verteilung des Kaufpreises vorinsolvenzlicher Grundstückskaufverträge, Rückforderungsansprüche gegen Insolvenzgläubiger, die aus dem Erlös des Verkaufs des Grundkapitals der G. AG Zahlungen erhielten, und die Anfechtung eines mit der C. G. R. abgeschlossen Vertrages geprüft. Anfechtungsansprüche wegen Zahlungen an Anleger, sei es auch zur Vermeidung von Zwangsvollstreckungen gegenüber anderen Gesellschaften der G. , außerhalb der Drei-Monats-Frist werden in dem Schlussbericht nicht angesprochen, der Amtsvorgänger hat allein erwogen, ob aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen die atypischen stillen Gesellschafter gesellschaftsrechtliche Nachschusspflichten träfen. Ebenso wenig ist im Schlussbericht ausgeführt, dass Anfechtungslisten existierten, die dem Amtsnachfolger zur Verfügung gestellt worden seien.

14        Mithin hätte das Berufungsgericht, wenn es den klägerischen Vortrag nicht prozessordnungswidrig zurückgewiesen hätte, davon ausgehen müssen, dass der Kläger ausreichend dazu vorgetragen hat, dass ihm sein Amtsvorgänger keine Unterlagen zu Anfechtungsansprüchen überlassen hat, er deswegen seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen ist und er mithin wirksam der Behauptung des Beklagten widersprochen hat, sein Amtsvorgänger habe noch im Jahre 2007 Kenntnis von der streitgegenständlichen Forderung gehabt. Da der Beklagte seinen Vortrag nicht unter Beweis gestellt hat, hätte das Berufungsgericht deswegen seiner Entscheidung - sofern es dem Beklagten nicht noch Gelegenheit hätte geben müssen, Beweis anzutreten - zugrunde legen müssen, dass der Amtsvorgänger des Klägers bis zur Amtsenthebung keine Kenntnis von der streitgegenständlichen Forderung hatte.

15        (2) Entsprechendes gilt für die Annahme des Berufungsgerichts, die Unkenntnis des Amtsvorgängers des Klägers von der streitgegenständlichen Forderung sei grob fahrlässig.

16        Das Berufungsgericht meint, es ergebe sich aus dem bei der Schuldnerin geführten Forderungs- oder Verrechnungskonto gegen die Vollstreckungsschuldnerin, dass die Schuldnerin auf eine gegen die Vollstreckungsschuldnerin titulierte Forderung an den Beklagten geleistet habe. Dass die Zahlung vom 6. Juli 2006 über 51.119,46 € an den Beklagten ordnungsgemäß gebucht worden sei, ergebe sich aus dem Schreiben des Vorgängers des Klägers vom 19. September 2007 (Anl. B 3), weil dort mitgeteilt worden sei, die Finanzbuchhaltung sei bis Ende des Jahres 2006 geführt worden. Daraus habe der Amtsvorgänger des Klägers einfach erkennen können, dass ein Anfechtungsanspruch gegen den Beklagten bestehe.

17        Auch hier hätte das Berufungsgericht zu dieser Schlussfolgerung erst nach Anhörung der vom Kläger insoweit gegenbeweislich benannten Zeugen kommen dürfen. Denn dieser hat unter Beweis gestellt, aus der Buchhaltung der Schuldnerin - auch nicht aus der Finanzbuchhaltung und einem dort geführten Forderungs- und/oder Verrechnungskonto gegen die Vollstreckungsschuldnerin - sei die streitgegenständliche Zahlung an den Beklagten buchhalterisch nicht erkennbar gewesen. Mithin hat das Berufungsgericht erneut unzulässig eine vorweggenommene Beweiswürdigung vorgenommen. Diese ist zudem nicht nachvollziehbar, weil das Berufungsgericht seine Annahme, bereits aus dem Forderungs- und Verrechnungskonto ergebe sich die Zahlung an den Beklagten auf eine Forderung der Vollstreckungsschuldnerin, nicht plausibel begründet hat. Aus dem Forderungskonto gegen die Vollstreckungsschuldnerin dürfte sich in erster Linie die Forderung der Schuldnerin gegen die Vollstreckungsschuldnerin als solche ergeben. Dass sich daraus oder aus weiteren Buchhaltungsunterlagen der Grund des Anspruchs ergibt - nämlich Zahlung an einen Gläubiger der Vollstreckungsschuldnerin -, hat der Kläger bestritten und ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt.

18        dd) Die Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht nach Anhörung der vom Kläger angebotenen Zeugen die klägerische Forderung jedenfalls nicht für verjährt angesehen hätte.

III.

19        Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

20        1. Selbst wenn der streitgegenständliche Anspruch aus der Buchhaltung der Schuldnerin ohne weitere Ermittlungen hätte festgestellt werden können, ergibt sich daraus noch nicht, dass die Unkenntnis des Amtsvorgängers des Klägers von dem streitgegenständlichen Anspruch noch im Jahr 2007 grob fahrlässig gewesen ist. Bei dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin handelt es sich, wie gerichtsbekannt ist, um ein umfangreiches Insolvenzverfahren. Nicht nur die Schuldnerin selbst, sondern Tochter- und Schwestergesellschaften sind ebenfalls in Insolvenz gegangen. Eine Vielzahl von Insolvenzgläubigern haben Forderungen angemeldet; es war Grundvermögen vorhanden, das verwertet werden musste; es mussten eine Vielzahl von Anfechtungsansprüchen geprüft werden. So hat der Kläger vorgetragen, dass er bis Ende 2010 allein gegen Anleger nahezu 4.000 Einzelanfechtungsansprüche erfasst und geltend gemacht habe. Angesichts des Umfangs des Verfahrens durften der Kläger und sein Amtsvorgänger, wie vom Kläger geltend gemacht, strukturiert etwaige Anfechtungsansprüche prüfen und so vorgehen, dass sie zunächst die Buchhaltung der Schuldnerin nach inkongruenten Zahlungen im letzten Monat vor Antragstellung insbesondere an die institutionellen Gläubiger durchforsteten, sodann die Prüfung auf Zahlungen in den letzten drei Monaten vor Antragstellung ausweiteten und anschließend immer weiter in der Prüfung zeitlich zurückgingen. Ebenso durften sie zunächst Zahlungen an die institutionellen Gläubiger und erst daran anschließend die Zahlungen an die Anleger auf Anfechtungsansprüche prüfen, so wie sie auch nach dem Umfang der Zahlungen an einzelne Gläubiger differenzieren durften. Dass bei einem solchen strukturierten Vorgehen der Anspruch gegen den Beklagten bereits im Jahr 2007 hätte festgestellt werden können, liegt nicht auf der Hand und wird vom Beklagten auch nicht substantiiert vorgetragen.

21        2. Insbesondere ergibt sich die grob fahrlässige Unkenntnis nicht aus dem Umstand, dass der Beklagte noch im Jahr 2007 auch gegenüber der Schuldnerin einen Steuerschaden zur Tabelle angemeldet und dabei das Anerkenntnisurteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Januar 2006 - II ZR 328/03 in Sachen des Beklagten gegen die Vollstreckungsschuldnerin vorgelegt hat. Denn der Amtsvorgänger konnte diesen Unterlagen nicht entnehmen, dass die Schuldnerin auf eine Drittforderung gezahlt hat.

22        3. Weiter wird bei der Prüfung der groben Fahrlässigkeit zu berücksichtigen sein, dass der Amtsvorgänger des Klägers nur Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin war, nicht aber in den Insolvenzverfahren über das Vermögen der anderen Gesellschaften der G. . Er konnte sich deswegen nicht ohne weiteres Kenntnis aus der Buchhaltung

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