BGH: Zur fristlosen Kündigung eines Tankstellenpachtvertrags
Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 17.12.2008
Aktenzeichen: VIII ZR 159/07
Rechtsgebiete: HGB
Vorschriften:
HGB § 89a Abs. 1 | |
HGB § 89b Abs. 1 | |
HGB § 89b Abs. 3 |
a) Ein Mineralölunternehmen kann das Vertragsverhältnis mit einem Tankstellenhalter, der als Handelsvertreter Kraftstoff entgegen einer ihm kurz zuvor erteilten Weisung auf Kredit verkauft hat, nicht ohne vorherige Abmahnung aus wichtigem Grund kündigen, wenn es die Kreditgewährung über Jahre geduldet und gefördert hatte und der Tankstellenhalter die Kreditgewährung aufgrund der Weisung bereits erheblich vermindert hat.
b) Als Stammkunden (Mehrfachkunden) eines Tankstellenhalters können im Allgemeinen die Kunden angesehen werden, die mindestens vier Mal im Jahr - also durchschnittlich wenigstens ein Mal pro Quartal - bei ihm getankt haben (Bestätigung von BGH, Urteil vom 12. September 2007 - VIII ZR 194/06). Dafür ist nicht erforderlich, dass der Mehrfachkunde tatsächlich mindestens einmal im Quartal an der Station getankt hat.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 2008
durch
den Vorsitzenden Richter Ball,
den Richter Wiechers sowie
die Richterinnen Hermanns, Dr. Milger und Dr. Hessel
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Kammergerichts vom 21. Mai 2007 wird als unzulässig verworfen, soweit sich das Rechtsmittel gegen die Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 10.000 EUR nebst Zinsen richtet. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche nach Beendigung eines Tankstellen-Verwalter-Vertrages, auf dessen Grundlage der Kläger ab 1992 eine Tankstelle der Beklagten betrieben hatte.
Der ursprünglich zwischen den Parteien geschlossene Vertrag vom 18. Juni 1991 enthält folgende Klauseln:
"§ 2 - Vertrieb
1.
Agenturverkauf
Der Vertrieb von Kraft- und Schmierstoffen sowie sonstiger im Rahmen des Agenturverhältnisses von E. (Beklagte) gelieferter Produkte erfolgt im Namen und für Rechnung von E. ... Die Verkäufe dürfen nur gegen bar erfolgen. Schließt Verwalter dennoch Kreditgeschäfte ab, so haftet er als Gesamtschuldner neben dem Käufer für den Gegenwert. ...Der Gegenwert aus einem Kreditgeschäft ist unabhängig vom Zeitpunkt der Vereinnahmung wie bei einem Barverkauf täglich an E. einzuzahlen. ...
§ 3 - Abrechnung
Die aus dem Agenturverkauf eingenommenen Gelder gehen unmittelbar in das Eigentum von E. über, sind gesondert aufzubewahren und auf ein von E. zu benennendes Konto täglich einzuzahlen. ..."
Durch Vertrag vom 29. November/4. Dezember 2002 haben die Parteien die Vereinbarungen mit Wirkung vom 1. Januar 2003 durch folgende Klauseln ersetzt:
"§ 3 - Vertrieb
1.
Agenturverkauf
Der Vertrieb von Kraft- und Schmierstoffen, Frostschutz sowie sonstiger im Rahmen des Agenturverhältnisses zur Verfügung gestellter Produkte erfolgt ausschließlich im Namen und für Rechnung von T. (Beklagte) ... Die Verkäufe dürfen nur gegen bar oder von T. genehmigte bargeldlose Zahlungsmittel erfolgen.
§ 5 - Abrechnung
Die aus dem Agenturverkauf eingenommenen Gelder gehen unmittelbar in das Eigentum von T. über, und sind auf ein von der T. zu benennendes Konto (Sonderkonto) gemäß Anlage 5 täglich einzuzahlen."
Abweichend von den vorgenannten Vertragsbedingungen gestattete der Kläger einem Teil seiner Kunden, insbesondere Speditionen oder Taxiunternehmen, eine Bezahlung der bezogenen Kraftstoffe auf Monatsrechnung und kreditierte damit die entsprechenden Forderungen. Mit Schreiben vom 23. April 2003 forderte die Beklagte den Kläger auf, diese Kreditverkäufe bis zum 30. April 2003 einzustellen. Im Mai 2003 erfolgten durch den Kläger noch Kreditverkäufe im Umfang von knapp 10.000 EUR; zuvor hatte deren Umfang zwischen 40.000 EUR und 80.000 EUR monatlich betragen.
Mit Schreiben vom 16. Juni 2003 erklärte die Beklagte die außerordentliche Kündigung des Vertragsverhältnisses zum 23. Juni 2003 und begründete dies mit einer Unterdeckung des Agenturkontos. Die Unterdeckung war im Wesentlichen auf Umsätze zurückzuführen, die der Kläger aufgrund der von ihm gewährten Kredite noch nicht vereinnahmt hatte.
Der Kläger hält die Kündigung für unberechtigt. Mit der Klage hat er unter anderem einen erstrangigen Teilbetrag von 10.000 EUR als Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns sowie einen zweitrangigen Teilbetrag von 11.000 EUR als Handelsvertreterausgleich - jeweils nebst Zinsen - verlangt. Die Beklagte hat widerklagend Zahlung einer unstreitigen Gegenforderung von 61.939,78 EUR nebst Zinsen begehrt; gegenüber diesem Anspruch hat der Kläger die Aufrechnung mit dem erstrangigen Teilbetrag des Handelsvertreterausgleichs erklärt. Das Landgericht hat die Klage, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, abgewiesen und der Widerklage - Zug um Zug gegen Herausgabe einer auf der Tankstelle befindlichen Verkabelung - stattgegeben.
Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 21.000 EUR nebst Zinsen zu zahlen; die Widerklage hat es abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren und ihren Widerklageantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
Das Berufungsgericht (KG Berlin, DB 2007, 1355, nur Ls.) hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Die Beklagte schulde dem Kläger Schadensersatz, weil sie nicht berechtigt gewesen sei, den Tankstellenpachtvertrag fristlos zu kündigen und die Tankstelle am 23. Juni 2003 statt zu dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens einer ordentlichen Kündigung am 31. Dezember 2003 zu übernehmen. Deshalb entfalle auch ein Anspruch des Klägers auf Handelsvertreterausgleich (§ 89b Abs. 1 HGB) nicht gemäß § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB.
Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei eine Allgemeine Geschäftsbedingung, wonach der Tankstellenpächter die Tagesumsätze sofort auf ein Agenturkonto einzuzahlen und damit an die Verpächterin abzuführen habe, auch wenn diese aufgrund erfolgter Kreditierung noch nicht vereinnahmt worden seien, wegen unangemessener Benachteiligung des Pächters unwirksam. Es liege im Interesse beider Vertragsparteien, bestimmten Großkunden deren Einkäufe zu kreditieren und es könne nicht die alleinige Pflicht des Handelsvertreters sein, diese Kreditierungen vorzufinanzieren.
So liege der Fall auch hier. Sowohl der ursprüngliche als auch der modifizierte Tankstellen-Verwalter-Vertrag hätten die Vereinbarung enthalten, dass der Kläger tägliche Belastungen seines Agenturkontos auch mit den kreditierten Verkäufen hinzunehmen habe. Da diese Vereinbarung unwirksam sei, könne dem Kläger die Unterdeckung des Agenturkontos nicht vorgeworfen werden, weil diese zum überwiegenden Teil auf der unberechtigten, weil verfrühten Belastung des Klägers mit den kreditierten Verkäufen beruht habe.
Selbst wenn die Kündigung auch auf die fortgesetzten Kreditverkäufe gestützt würde, verhelfe ihr dies nicht zum Erfolg. Da die Klausel in dem Tankstellen-Verwalter-Vertrag, mit der dem Kläger diese Kreditverkäufe untersagt werden, wirkungslos sei, hätte es zur Untersagung dieser Praxis einer grundsätzlich zulässigen Weisung bedurft. Eine solche Weisung habe die Beklagte gegenüber dem Kläger erstmals mit ihrem Schreiben vom 23. April 2003 erteilt. Die Beklagte habe ihre fristlose Kündigung nicht auf einen Verstoß gegen diese Weisung stützen können, ohne den Kläger zumindest vorher noch einmal abgemahnt zu haben.
Der gemäß § 287 ZPO aufgrund der eingereichten Geschäftsunterlagen geschätzte Schadensersatzanspruch des Klägers auf entgangenen Gewinn gemäß §§ 249, 252 BGB betrage für die Monate Juli bis Dezember 2003 14.217,33 EUR, sodass der mit der Klage geltend gemachte erstrangige Teilbetrag von 10.000 EUR begründet sei.
Der Kläger habe ferner aus § 89b Abs. 1 HGB Anspruch auf Zahlung von Handelsvertreterausgleich in Höhe eines zweitrangigen Teilbetrages von 11.000 EUR. Dem Tankstellenpächter als Handelsvertreter im Sinne der §§ 84 ff. HGB stehe nach ständiger Rechtsprechung ein Anspruch aus § 89b HGB zu.
Bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs gemäß § 89b Abs. 1 HGB sei von einem gemäß § 287 ZPO zu schätzenden Stammkundenanteil von insgesamt 71,96 % an dem Umsatz der Tankstelle auszugehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei zur Ermittlung des Stammkundenanteils am Umsatz einer Tankstelle eine Schätzung vorzunehmen, weil aufgrund des anonymen Massengeschäfts keine gesicherten Erkenntnisse vorlägen. Maßgeblicher Zeitraum sei das letzte Jahr. Stammkunden seien Mehrfachkunden, die innerhalb eines überschaubaren Zeitraums, in dem üblicherweise mit Nachbestellungen zu rechnen sei, mehr als nur einmal ein Geschäft mit dem Unternehmer abgeschlossen hätten oder voraussichtlich abschließen würden. Mehr als einmal könne auch bedeuten, dass jeder als Stammkunde anzusehen sei, der mindestens vier Mal getankt habe. Aus den ausgewerteten Daten, die der Kläger zur Verfügung gestellt habe, rechne das Berufungsgericht mit den Daten der Kunden, die mindestens vier Mal die Tankstelle des Klägers aufgesucht hätten.
Auf der Grundlage der unstreitigen Jahresprovision des Klägers für den Zeitraum vom 1. Juni 2002 bis 31. Mai 2003 in Höhe von 97.859,93 EUR ergebe sich danach unter Berücksichtigung eines Anteils von 10 % für vermittlungsfremde, verwaltende Tätigkeit, eines Prognosezeitraums von vier Jahren, einer jährlichen Abwanderungsquote von 20 %, eines weiteren Abzugs von 10 % wegen der Sogwirkung der Marke der Beklagten und der erforderlichen Abzinsung ein Ausgleichsanspruch des Klägers, der über der nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre seiner Tätigkeit berechneten Jahresprovision von 108.620,51 EUR liege, auf die der Anspruch des Klägers demnach nach § 89b Abs. 2 HGB beschränkt sei.
Die Parteien seien darüber einig, dass der Kläger der Beklagten noch 61.939,78 EUR schulde. Gegenüber diesem Anspruch der Beklagten habe der Kläger mit einem erstrangigen Teilbetrag seines Ausgleichsanspruchs die Aufrechnung erklärt, sodass der Anspruch der Beklagten gemäß § 389 BGB erloschen sei und ein Ausgleichsanspruch des Klägers von 46.680,73 EUR verbleibe. Damit bestehe der geltend gemachte zweitrangige Teilanspruch in Höhe von 11.000 EUR.
Die Widerklage sei abzuweisen, nachdem der unstreitige Anspruch der Beklagten auf Zahlung von 61.939,78 EUR gemäß § 389 BGB durch die erklärte Aufrechnung des Klägers mit einem erstrangigen Teilbetrag des Anspruchs auf Zahlung von Handelsvertreterausgleich erloschen sei.
Soweit die Beklagte sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 10.000 EUR nebst Zinsen wendet, ist die Revision unzulässig. Insoweit ist eine Zulassung der Revision weder durch das Berufungsgericht noch - auf die vorsorglich eingelegte Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung - durch den Senat erfolgt (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, 2 ZPO).
Zwar hat das Berufungsgericht im Tenor seiner Entscheidung die Revision zugelassen, ohne dort ausdrücklich eine Einschränkung der Zulassung zu vermerken. Es entspricht jedoch der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass sich eine wirksame Beschränkung der Zulassung auch aus der Begründung ergeben kann, die in den Entscheidungsgründen des Urteils für die Zulassung gegeben wird (BGHZ 153, 358, 360 f. ; BGH, Urteil vom 9. März 2000 - III ZR 356/98 - NJW 2000, 1794, unter II 1; BGH, Beschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 78/07, NJW 2008, 2351, Tz. 15, jeweils m.w.N.). Eine Zulassungsbeschränkung ist allerdings nur anzunehmen, wenn aus den Gründen mit ausreichender Klarheit hervorgeht, dass das Berufungsgericht die Möglichkeit einer Nachprüfung im Revisionsverfahren nur wegen eines abtrennbaren Teils seiner Entscheidung eröffnen wollte, der einem Teilurteil zugänglich gewesen wäre oder auf den das Rechtsmittel hätte beschränkt werden können (BGH, Beschluss vom 14. Mai 2008, aaO, Tz. 16, 21).
Jedenfalls letzteres trifft hier zu. Das Berufungsgericht hat die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen und ausgeführt, der Bundesgerichtshof habe sich zu den Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Berechnung des Stammkundenanteils einer Tankstelle unter Heranziehung konkreter Kassendaten noch nicht äußern können. Diese Fragen betreffen ausschließlich den Ausgleichsanspruch des Klägers gemäß § 89b HGB (und infolge der vom Kläger erklärten Aufrechnung die mit der Widerklage geltend gemachte Gegenforderung der Beklagten). Der Schadensersatzanspruch des Klägers, der einen selbständigen Streitgegenstand bildet, ist davon nicht betroffen. Das Berufungsgericht hat auch weder zum Grund noch zur Höhe des Schadensersatzanspruchs Rechtsfragen erörtert, bei denen grundsätzlicher Klärungsbedarf bestünde.
Im Übrigen ist die Revision zulässig; die Beurteilung durch das Berufungsgericht hält aber einer rechtlichen Nachprüfung stand. Der Kläger kann als Handelsvertreter im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB von der Beklagten Zahlung eines zweitrangigen Teilbetrages in Höhe von 11.000 EUR als Ausgleichsanspruch gemäß § 89b Abs. 1 HGB verlangen; mit einem erstrangigen Teilbetrag des Ausgleichsanspruchs in Höhe von 61.939,78 EUR konnte der Kläger gegenüber der Widerklageforderung aufrechnen.
1.
Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Ausgleichsanspruch nicht gemäß § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB ausgeschlossen ist. Der Begriff des wichtigen Grundes zur Kündigung im Sinne des § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB stimmt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs inhaltlich mit dem Begriff des wichtigen Grundes im Sinne des § 89a Abs. 1 Satz 1 HGB überein(Senatsurteil vom 16. Februar 2000 - VIII ZR 134/99, NJW 2000, 1866, unter II 1; BGH, Urteil vom 21. März 1985 - I ZR 177/82, WM 1985, 982, unter II 1, jeweils m.w.N.). Deshalb wäre dem Kläger der Ausgleichsanspruch nur zu versagen, wenn der Beklagten unter Berücksichtigung aller Umstände eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens einer ordentlichen Kündigung nicht zumutbar gewesen wäre (BGH, Urteil vom 21. März 1985, aaO, unter II 2; Senatsurteil vom 11. Januar 2006 - VIII ZR 396/03, WM 2006, 873, Tz. 13, jeweils m.w.N.).
Das Revisionsgericht kann die Entscheidung des Tatrichters über das Bestehen oder Nichtbestehen eines zur außerordentlichen Kündigung berechtigenden wichtigen Grundes nur in beschränktem Umfang nachprüfen. Die Wertung durch den Tatrichter bindet das Revisionsgericht grundsätzlich. Es kann den festgestellten Umständen kein größeres oder geringeres Gewicht beimessen, als es der Tatrichter für richtig gehalten hat. Die Prüfung muss sich darauf beschränken, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff des wichtigen Grundes verkannt hat, ob ihm von der Revision gerügte Verfahrensverstöße unterlaufen sind, ob es etwa wesentliche Tatumstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt hat (BGH, Urteil vom 3. Juli 1986 - I ZR 171/84, WM 1986, 1413, unter II 1). Das ist hier nicht der Fall.
a)
Rechtsfehlerfrei und von der Revision unangegriffen hat das Berufungsgericht angenommen, dass sich ein wichtiger Grund zur Kündigung für die Beklagte nicht aus der Unterdeckung des Agenturkontos ergibt, auf die die Kündigung vom 16. Juni 2003 gestützt ist und die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Wesentlichen darauf zurückzuführen war, dass der Kläger über Jahre monatlich zwischen 40.000 EUR und 80.000 EUR und im Mai 2003 noch knapp unter 10.000 EUR an Stationskunden kreditiert hatte.
Der Kläger durfte zwar die Kraft- und Schmierstoffe der Beklagten nach dem ursprünglich zwischen den Parteien geschlossenen Tankstellen-Verwalter-Vertrag nur gegen Barzahlung und nach dem mit Wirkung vom 1. Januar 2003 geschlossenen Vertrag nur gegen Barzahlung und von der Beklagten genehmigte bargeldlose Zahlungsmittel - unter anderem EC-Karte, bestimmte Kreditkarten sowie von der Beklagten ausgegebene Tankkarten - verkaufen. Entsprechend musste er die aus dem Agenturverkauf eingenommenen Gelder (abzüglich der Bruttoumsätze mit von der Beklagten genehmigten bargeldlosen Zahlungsmitteln, vgl. Anlage 6 Nr. 1 zum Vertrag vom 29. November/ 4. Dezember 2002) täglich auf ein Sonderkonto der Beklagten einzahlen. Nach § 2 Nr. 1 des Vertrags von 1991 war der Kläger zudem bei einem von ihm - entgegen der vertraglichen Vereinbarung - gewährten Kredit als Gesamtschuldner neben dem Käufer zur Mithaftung verpflichtet und musste er den Gegenwert aus dem Kreditgeschäft unabhängig vom Zeitpunkt der Vereinnahmung wie bei einem Barverkauf täglich an die Beklagte einzahlen.
Das Berufungsgericht hat jedoch - von der Revision unangegriffen - festgestellt, dass die Beklagte abweichend von diesen vertraglichen Vereinbarungen Kreditverkäufe des Klägers an Stationskunden jahrelang geduldet und aus geschäftlichen Gründen auch gefördert hat. Es kann deshalb dahinstehen, ob die formularvertragliche Beschränkung des Klägers auf den Barverkauf (ohne oder mit gleichzeitiger Zulassung bestimmter bargeldloser Zahlungsmittel) der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand hält, obwohl die Abgabe von Kraftstoff an umsatzstarke Abnehmer auf Monatsrechnung im Tankstellengewerbe seit langem gängige Praxis ist, so dass kein Tankstellenverwalter und auch kein Mineralölunternehmen im Wettbewerb um Großabnehmer von der Einräumung solcher Stationskredite absehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2005 - KZR 18/04, WM 2006, 245, unter II 2 b). Ebenso wenig bedarf einer Entscheidung, ob - eine zulässige Beschränkung auf bestimmte Zahlungsmittel vorausgesetzt - die Verpflichtung, für vertragswidrig kreditierte Beträge persönlich einzustehen und sie wie bei einem Barverkauf täglich auf das Sonderkonto der Beklagten einzuzahlen, den Tankstellenhalter unangemessen benachteiligt, wie das Berufungsgericht meint. Da die Beklagte die Kreditgewährung durch den Kläger trotz der anderslautenden vertraglichen Vereinbarungen über Jahre geduldet und zudem gefördert hat, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, dass die dadurch eingetretene Unterdeckung auf dem Sonderkonto für Agenturgelder dem Kläger - unabhängig von den formularvertraglichen Vereinbarungen - nicht vorgeworfen werden (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2005, aaO) und die außerordentliche Kündigung durch die Beklagte deshalb nicht rechtfertigen konnte.
b)
Auch die über den 30. April 2003 hinaus fortgesetzte Kreditgewährung durch den Kläger trotz gegenteiliger Weisung der Beklagten hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei nicht als wichtigen Grund zur Kündigung genügen lassen.
aa) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass es - zumindest - einer Weisung (§ 665 BGB) bedurfte, um dem Kläger die Kreditverkäufe zu untersagen (vgl. dazu Hopt, Handelsvertreterrecht, 3. Aufl., § 86 Rdnr. 15 m.w.N.), nachdem die Beklagte nach den tatrichterlichen Feststellungen jahrelang eine von den formularvertraglichen Vereinbarungen abweichende Praxis geduldet und gefördert hatte.
Frei von Rechtsfehlern ist auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe eine Kündigung aus wichtigem Grund nicht auf einen Verstoß gegen diese Weisung stützen können, ohne den Kläger zumindest vorher einmal abgemahnt zu haben. Eine außerordentliche Kündigung wegen eines - wie hier - dem Leistungsbereich zuzuordnenden wichtigen Grundes setzt regelmäßig eine Abmahnung voraus (Senatsurteil vom 11. Januar 2006, aaO, Tz. 16 m.w.N.). Das gilt auch im vorliegenden Fall. Nachdem die Beklagte den Kläger erst mit Schreiben vom 23. April 2003 unmissverständlich aufgefordert hatte, Kreditverkäufe an Stationskunden für Agenturware bis zum 30. April 2003 einzustellen, und dies dem Kläger zwar nicht vollständig gelungen war, er aber den Umfang der Kreditverkäufe im Mai 2003 bereits erheblich reduziert hatte, durfte die Beklagte den verbleibenden Verstoß gegen die Weisung jedenfalls nicht ohne eine vorherige Abmahnung zum Anlass nehmen, das Vertragsverhältnis fristlos zu kündigen.
bb)
Gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, eine Weisung, keine Kreditverkäufe mehr zu tätigen, sei erstmals mit Schreiben vom 23. April 2003 erfolgt, und der Kläger sei wegen der im Mai 2003 - in deutlich eingeschränktem Umfang - dennoch gewährten Kredite nicht abgemahnt worden, wendet sich die Revision ohne Erfolg.
Das Berufungsgericht musste in diesem Zusammenhang nicht die Aussage des vom Kläger benannten Zeugen S. , Bezirksleiter der Beklagten, vor dem Landgericht berücksichtigen. Dieser hatte unter anderem bekundet, es habe nach dem Schreiben vom 23. April 2003 ein Gespräch zwischen dem Zeugen S. , dem Kläger und der Verkaufsleiterin F. gegeben, in dem es darum gegangen sei, dass der Kläger die Kreditierung an Kunden einstellen sollte; der Kläger habe das akzeptiert. Er, der Zeuge, habe konsequent darauf hingewirkt, dass der Kläger das Betanken auf Rechnung zurückfahre, und zwar mindestens ein halbes Jahr vor April 2003.
Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich daraus nicht, dass der Kläger schon sechs Monate vor dem Schreiben vom 23. April 2003 eine entsprechende Weisung erhalten hätte, sodass das Schreiben als Abmahnung betrachtet werden könnte; ebenso wenig ist in dem Gespräch nach dem Schreiben vom 23. April 2003 eine Abmahnung zu sehen. Wenn durch den Zeugen konsequent darauf hingewirkt wurde, das Betanken auf Rechnung "zurückzufahren", liegt darin angesichts der jahrelangen Duldung durch die Beklagte keine eindeutige Weisung, die Kreditgewährung vollständig einzustellen. Das vom Zeugen geschilderte Gespräch nach dem 23. April 2003 kann, wie die Revisionserwiderung mit Recht geltend macht, schon deshalb nicht als Abmahnung betrachtet werden, weil nicht feststeht, ob dieses Gespräch nach dem 30. April 2003 stattgefunden hat. Der Zeugenaussage kann ferner nicht entnommen werden, dass dem Kläger in dem Gespräch die fortgesetzte Kreditgewährung über den 30. April 2003 hinaus als Verstoß gegen die Weisung vorgehalten wurde. Die Revision führt schließlich auch keinen Vortrag in den Tatsacheninstanzen an, aus dem sich Näheres dazu ergeben könnte.
2.
Die Berechnung des Ausgleichsanspruchs greift die Revision nur im Hinblick auf die Schätzung des Stammkundenanteils am Gesamtumsatz des Klägers an. Sie beanstandet zum einen, das Berufungsgericht gehe davon aus, dass zu den Stammkunden all diejenigen Kunden zu rechnen seien, die bei dem Kläger insgesamt - nicht nur im letzten Vertragsjahr - mindestens vier Mal getankt hätten, und zum andern, das Berufungsgericht habe nicht vorausgesetzt, dass die Kunden mindestens ein Mal pro Quartal bei dem Kläger getankt hätten. Diesen Angriffen hält das Berufungsurteil stand. Die Beurteilung durch das Berufungsgericht steht entgegen der Auffassung der Revision nicht im Widerspruch zu dem Senatsurteil vom 12. September 2007 (Vlll ZR 194/06, BB 2007, 2475).
a)
Der Berechnung des Ausgleichsanspruchs eines Tankstellenhalters nach § 89b HGB ist die letzte Jahresprovision im Kraft- und Schmierstoffgeschäft zugrunde zu legen und davon nur der Teil zu berücksichtigen, den der Tankstellenhalter für Umsätze mit von ihm geworbenen Stammkunden erhalten hat, weil nur mit diesen Kunden eine Geschäftsverbindung im Sinne des § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB besteht (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteile vom 6. August 1997 - VIII ZR 150/96, WM 1998, 31, unter B I 1, und VIII ZR 92/96, WM 1998, 25, unter B I 2; Senatsurteil vom 12. September 2007, aaO, Tz. 22 m.w.N.). Als Stammkunden sind alle Mehrfachkunden anzusehen, die innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes, in dem üblicherweise mit Nachbestellungen zu rechnen ist, mehr als nur einmal ein Geschäft mit dem Unternehmer abgeschlossen haben oder voraussichtlich abschließen werden (Senatsurteile vom 6. August 1997 - VIII ZR 150/96, aaO, unter B I 1 a und VIII ZR 92/96, aaO, unter B I 2 a; Senatsurteil vom 12. September 2007, aaO, Tz. 36, jeweils m.w.N.). Dies ist in Bezug auf Tankstellenkunden im Allgemeinen dann zu bejahen, wenn diese mindestens vier Mal im Jahr - also durchschnittlich wenigstens ein Mal pro Quartal - bei der gleichen Tankstelle getankt haben (Senatsurteil vom 12. September 2007, aaO, Tz. 42).
Als Quelle für die Ermittlung solcher Mehrfachkunden an einer bestimmten Station kommen insbesondere Belege über Zahlungsvorgänge mit Kreditkarten oder vergleichbaren Karten (z.B. EC-Karten) in Betracht. Diese Belege können daraufhin ausgewertet werden, ob mit den Karten in einem bestimmten Zeitraum mehrfach getankt wurde, sodass sich der Umsatzanteil der Mehrfachkunden am Gesamtumsatz der Kartenkundschaft für einen bestimmten Zeitraum errechnen lässt. Auf dieser Grundlage kann eine auf die konkreten Verhältnisse im letzten Vertragsjahr bezogene Schätzung erfolgen, bei der der Stammkundenumsatzanteil innerhalb der Kartenkunden auf den Gesamtumsatz hochgerechnet wird, falls keine Anhaltspunkte dafür sprechen, dass dieses Verhältnis bei den anonymen Barzahlern wesentlich anders ist als innerhalb der Kartenkundschaft (Senatsurteil vom 12. September 2007, aaO, Tz. 28 m.w.N.).
b)
Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht ausgegangen. Anders als die Revision meint, hat es dabei für die Stammkundeneigenschaft nicht bereits genügen lassen, dass der Kunde insgesamt vier Mal an der Station des Klägers getankt hat, sondern es hat vorausgesetzt, dass dies im letzten Vertragsjahr geschehen ist.
Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung eine vom Kläger vorgelegte "Mehrfachkunden-Analyse" der Firma D. zugrunde gelegt, in der die Kartenzahlungen an der Station des Klägers und die Monatsabrechnungen der Beklagten für den Zeitraum vom 1. Juni 2002 bis 31. Mai 2003 ausgewertet worden sind. Darin werden aus den monatlichen Abrechnungen für den Analysezeitraum die Umsätze der Tankstelle ermittelt. Diese werden einerseits aufgeteilt nach Kraftstoffumsätzen und sonstigen Umsätzen, andererseits nach den Umsätzen der Kartenzahler, der Barzahler und der Stationskreditkunden. Ferner wird in der Analyse eine Liste (tabellarische Aufstellung der Abstimmreports) aller im Analysezeitraum erfolgten Kartenzahlungen (EC-Karten, Kreditkarten, Tankkarten) ausgewertet. In dieser Liste sind jeweils unter anderem das Buchungsdatum, die Kartennummer und der Abrechnungsbetrag der einzelnen Zahlungsvorgänge ausgewiesen; mit Hilfe dieser Daten wird festgestellt, welche - durch die Kartennummer identifizierten - Kartenkunden im Analysezeitraum die Tankstelle mehrfach aufgesucht haben. Aus den so ermittelten Mehrfachkundenanteilen an den Umsätzen der Kartenkunden hat das Berufungsgericht sodann die Mehrfachkundenanteile an den Kraftstoffumsätzen der Barzahler hochgerechnet.
Das Berufungsgericht hat dazu zwar ausgeführt, es rechne mit den Daten der Stammkunden, die mindestens vier Mal die Tankstelle des Klägers aufgesucht hätten. Damit kann jedoch nur die Tankfrequenz im letzten Vertragsjahr gemeint sein, weil in der Mehrfachkunden-Analyse lediglich die Tankvorgänge der Kartenkunden und der Gesamtumsatz aller Kunden in der Zeit zwischen dem 1. Juni 2002 und dem 31. Mai 2003 ausgewertet worden sind. Die vom Berufungsgericht seiner Berechnung des Ausgleichsanspruchs zugrunde gelegten Mehrfachumsätze müssen demnach innerhalb dieses Jahres erfolgt sein. Im Übrigen hat das Berufungsgericht selbst an anderer Stelle ausgeführt, dass der maßgebliche Zeitraum das letzte Jahr sei.
Anders als die Revision meint, setzt die Stammkundeneigenschaft nicht voraus, dass der Mehrfachkunde tatsächlich mindestens einmal im Quartal an der Station getankt hat. Beim vierten Tanken innerhalb eines Jahres ist - unabhängig davon, ob dies in gleichmäßigen Zeitabständen geschieht oder vier Tankvorgänge in engem zeitlichen Zusammenhang zu verzeichnen sind - in der Regel die Annahme berechtigt, dass der Kunde die Tankstelle nicht nur zufällig, sondern gezielt zum wiederholten Mal aufgesucht hat und dementsprechend eine Bindung des Kunden an die Tankstelle besteht. Es genügt deshalb, dass der Kunde "durchschnittlich" ein Mal pro Quartal an der Station getankt hat (Senatsurteil vom 12. September 2007, aaO, Tz. 42).
BGHR: | ja |
Nachschlagewerk: | ja |
Verfahrensgang: | KG Berlin, 23 U 87/05 vom 21.05.2007 LG Berlin, 101 O 20/04 vom 30.03.2005 |