R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Wirtschaftsrecht
27.03.2025
Wirtschaftsrecht
OLG Schleswig: Zur faktischen Geschäftsführung

OLG Schleswig, Urteil vom 27.11.2024 – 9 U 22/24

ECLI:DE:OLGSH:2024:1127.9U22.24.00

Volltext: BB-Online BBL2025-781-1

unter www.betriebs-berater.de


Sachverhalt

I.

    Der Kläger nimmt in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der F. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) den Beklagten wegen Geschäftsführerhaftung in Anspruch.

Die Schuldnerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 28. August 2002 gegründet. Seit 2004 hat sie ihren Sitz in N. Zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Insolvenzeröffnung hatte sie ein Stammkapital in Höhe von 5,3 Millionen €. Ihr Unternehmensgegenstand betraf im Wesentlichen die Anlagenentwicklung im Bereich der erneuerbaren Energien, insbesondere Abwasserbehandlung, thermische Energiespeicher und Behältersysteme aus Stahl für Biogasanlagen.

Der Beklagte ist Diplom-Kaufmann mit einer Professur für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule K. Seit 2015 ist er zudem öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Insolvenzuntersuchungen. Daneben verfügt er über verschiedeneGeschäftsführungs-, Vorstands- und Aufsichtsratspositionen und ist Gesellschafter und Geschäftsführer einer Unternehmensberatung, die G. GmbH (im Folgenden: G.) firmiert. Diese Gesellschaft befasst sich im Schwerpunkt mit der Restrukturierung und Sanierung von Unternehmen.

Am 7. April 2015 schloss die Schuldnerin als Generalunternehmerin einen Vertrag über den Bau einer Biogasanlage in Dänemark mit einem Auftragsvolumen von 14,8 Millionen €.

Die Schuldnerin vereinbarte mit der G. am 14. November 2016 einen Beratervertrag, in dem es unter § 1 (1) unter anderem heißt: „Die Position eines externen CRO´s wird durch Prof. Dr. G. (im folgenden Berater oder CRO) übernommen und kümmert sich im Rahmen der betrieblichen Optimierung und Restrukturierung um folgende Kernaufgaben:

    - Begleitung und Steuerung der Erstellung eines IDW S 6-Gutachtens bis zum 10.12.2016.

    - Verhandlung mit der ttp AG wegen des Jahresabschlusses 2015, ggf. auch Erlangung einer Kompensation.

    - Gemeinsam mit Herrn J. um die insolvenzrechtlich korrekte Regelung aller Kreditoren, Ordnung der Lieferantenbeziehungen, Aufstellung eines Ifd. Status der Zahlungsverpflichtungen.

    - Begleitung der betrieblichen Reorganisation.

    - Begleitung von Gesprächen mit Finanzierern und Partnern.

    - Begleitung der Abschlusserstellung 2016.

    - Laufende Überwachung der Zahlungsfähigkeit (10-tägig), dabei fällige Ermittlung der Rate Kreditoren x 0,9 zu verfügbarer Liquidität und Kreditlinien.

    - Inventur der teilfertigen Arbeiten und laufender Statusbericht zu allen nicht abgeschlossenen Projekten > 250 T€.

    - Sicherstellung einer laufenden Liquiditätsplanung mit 3-Monats-Vorschau.

    - Deutliche Reduzierung der betrieblichen Fixkosten mit dem Ziel von < rd. 3,6 Mio. € p.a. bei gegebener Größe.“

§ 2 (2) des Beratervertrages lautet:

    „Der Berater darf auch für andere Auftraggeber tätig sein, mit der Ausnahme unmittelbarer Konkurrenzunternehmen.“

§ 3 (1) Satz 1 des Beratervertrages lautet:

    „Als Vergütung für den Einsatz von Herrn Prof. G. erhält die G. ein Honorar in Höhe von 8.000 € pro Monat.“

§ 6 des Beratervertrages lautet:

    „Der Vertrag ist bis zum 28.02.2017 befristet; er verlängert sich jeweils um einen Monat, wenn er nicht 14 Tage vor Ablauf gekündigt wurde.“

§ 7 Satz 1 und Satz 4 des Beratervertrages lauten:

    „Von der Möglichkeit des Abschlusses eines Anstellungsvertrages ist in Anwendung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit bewusst kein Gebrauch gemacht worden…. Eine über den Umfang dieser Vereinbarung hinausgehende persönliche, wirtschaftliche oder soziale Abhängigkeit wird nicht begründet.“

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beratervertrages wird auf die Anlage K27 verwiesen.

Dieser Beratervertrag wurde mit „Aufhebungsvereinbarung“ vom 26. September 2017 „mit Wirkung zum 26.09.2016“ (gemeint wohl 2017) aufgehoben, aufschiebend bedingt auf den Eingang der Zahlung restlicher Beratervergütung bei der G. bis zum 27. Oktober 2017. In der Vereinbarung heißt es unter Ziffer 4.: „Herr Prof. Dr. G. wird mit dem heutigen Tage, die ihm erteilte Generalvollmacht niederlegen.“ Wegen der Einzelheiten der Aufhebungsvereinbarung wird auf die Anlage K2 verwiesen.

Am 25. November 2016, 5. Dezember 2016, 27. Dezember 2016 und 4. Januar 2017 erfolgten Zahlungen durch die Schuldnerin an Dritte mit streitigem Verwendungszweck in Höhe von insgesamt 283.996,80 € (Anlagen K31.1 bis K31.4).

Am 23. November 2016 und 21. März 2017 erfolgten Zahlungen auf ein debitorisch geführtes Geschäftskonto der Schuldnerin bei der Sydbank AS in Höhe von insgesamt 170.000 € (Anlagen K32.1 und K32.2).

Ausweislich des Handelsregisterauszuges des Amtsgerichts Kiel, HRB 6583 vom 24. November 2023 (Anlage K82) war unter anderen der Beklagte eingetragener Geschäftsführer der Schuldnerin vom 14. Oktober 2010 bis zum 31. Oktober 2011.

Herr B. war eingetragener Geschäftsführer der Schuldnerin vom 14. Oktober 2010 bis zum 2. Juni 2017. Zum 1. Januar 2017 wurde Herr Dr. F. ebenfalls zum Geschäftsführer der Schuldnerin berufen und am 2. Juni 2017 in das Handelsregister eingetragen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Handelsregisterauszuges wird auf die Anlage K82 verwiesen. Zur Geschäftsleitung zählte zudem der kaufmännische Leiter der Schuldnerin, Herr Christian J. (vgl. Anlagen K35 und K39).

Ausweislich einer Mitarbeiterinformation vom 31. Januar 2017 wurde unter der Überschrift „Geschäftsleitung“ Folgendes ausgeführt: „Geschäftsführung: Dr.-Ing. Hans F., Vertrieb: Dr. Ing. Ge. (ab 15.2.2017), Abwicklung: B., kaufmännische Dienste: J., Organisation: Professor Dr. G..“

Unter „Aufgaben Prof. G.“ findet sich folgende Niederlegung: „Personalwesen, Recht und Vertragswesen, strategische Unternehmensfinanzierung, besondere Aufgaben/Risikomanagement, Unterstützung der Geschäftsführung bei der Betreuung der Gesellschafter und des Beirates“.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Informationsschreibens wird auf die Anlage K29 verwiesen.

Mit außergerichtlichem, als „Vollmacht“ überschriebenen, Schreiben vom 28. August 2017 bestätigte der Geschäftsführer der Schuldnerin, Herr Dr. F., gegenüber dem Beklagten: „…dass Ihre von den Gesellschaftern erteilte Vollmacht sich auch auf die Unterzeichnung von Kreditverträgen bezieht.“ Wegen der Einzelheiten der Vollmacht wird auf die Anlage K28 verwiesen.

Der Beklagte verfügte über keine Kontovollmacht oder Zeichnungsberechtigung für Geschäftskonten der Schuldnerin, insbesondere nicht für die beiden Geschäftskonten, über welche die durch den Kläger geltend gemachten Zahlungen erfolgten.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Neumünster vom 1. Januar 2018 wurde auf Eigenantrag der Schuldnerin vom 5. Oktober 2017 (Anlage K30) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, vertreten durch ihren Geschäftsführer Herrn Dr. F., eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt (Anlage K1).

Zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung hielt der Beklagte keinen Geschäftsanteil an der Schuldnerin.

Der Kläger hat behauptet, der Beklagte habe im Zeitraum der inkriminierten Zahlungen als faktischer Geschäftsführer der Schuldnerin fungiert. Auf Weisung der Gesellschafter der Schuldnerin habe er seit Abschluss des Beratervertrages am 14. November 2016 die Steuerung des Unternehmens faktisch übernommen. Er habe mit Generalhandlungsvollmacht gehandelt und die Unternehmenspolitik maßgeblich mitbestimmt. Er habe Verhandlungen mit Kreditgebern geführt. In diesem Rahmen sei er kraft seiner Generalvollmacht auch nach außen gegenüber Kreditoren der Schuldnerin und Kunden aufgetreten. Er habe für die Schuldnerin auch Verhandlungen mit der Sydbank geführt. Er sei in die internen Vorgänge der Debitorenbuchhaltung eingebunden gewesen und habe mitbestimmt, welche Zahlungen durch die Schuldnerin geleistet wurden. Er habe eigenständig mit dem späteren Geschäftsführer der Schuldnerin, Dr. F., hinsichtlich dessen Einstellung und seines Gehalts Verhandlungen geführt. Es sei vereinbart worden, dass die Geschäftsführung zwischen Dr. F. und dem Beklagten faktisch aufgeteilt werde und der Beklagte sich um die betriebswirtschaftliche Situation der Schuldnerin habe kümmern sollen. Die Höhe der Vergütung aus dem Beratervertrag spreche bereits für eine einem Geschäftsführer gleichgestellte Position. Die Schuldnerin sei spätestens seit Oktober 2016 zahlungsunfähig gewesen, denn sie habe ihre Zahlungen eingestellt gehabt. Am 1. Februar 2016 habe die Schuldnerin über liquide Mittel in Höhe von 704.536,12 € verfügt. Diesen hätten Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung aus dem Zeitraum 2011 bis 2016 in Höhe von 2.631.260,00 € gegenübergestanden. Zum 30. November 2016 habe sich eine Unterdeckung in Höhe von insgesamt 2,3 Million € ergeben (Anlage K22).

Die Zahlungen der Schuldnerin vom 25. November 2016, 5. Dezember 2016, 27. Dezember 2016 und vom 4. Januar 2017, sowie das Gewähren der Einzahlungen auf das debitorisch geführte Konto der Schuldnerin vom 23. November 2016 und vom 21. März 2017 seien durch den Beklagten nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes erfolgt. Jedenfalls habe der Beklagte fahrlässig das Vorliegen eines Insolvenzgrundes zum damaligen Zeitpunkt nicht erkannt und es unterlassen, rechtzeitig einen Insolvenzantrag für die Schuldnerin zu stellen. Erfolglos habe der Kläger mit außergerichtlichem Schreiben vom 10. März 2020 den Beklagten zu einer Zahlung in Höhe von 453.996,80 € aufgefordert.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 453.996,80 € nebst

Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.07.2020

zu zahlen;

2. dem Beklagten vorzubehalten, nach Erstattung des Verurteilungsbetrags in Höhe von 283.996,80 € an die Insolvenzmasse seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, welche die durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen;

3. den Beklagten zu verurteilen, ihn gegenüber den Rechtsanwälten von der Verbindlichkeit aus der Kostenrechnung vom 16.06.2021, Rechnungsnummer K 2/21, in Höhe von 4.040,90 € freizustellen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Kiel gerügt sowie wegen eines Teilbetrages in Höhe von 70.000 € (Gutschrift vom 21. März 2017 auf dem Konto bei der Sydbank AS) die anderweitige Rechtshängigkeit der Klage gegen den in das Handelsregister eingetragenen Geschäftsführer der Schuldnerin, Dr. F., eingewendet. Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass er nicht passivlegitimiert sei, da der Beratervertrag nicht mit ihm persönlich, sondern mit der G. geschlossen worden sei. Er sei zudem nicht faktischer Geschäftsführer der Schuldnerin zum Zeitpunkt der geltend gemachten Zahlungen gewesen und die Schuldnerin sei im Oktober 2016 nicht zahlungsunfähig gewesen. Zumindest sei eine Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin ggf. durch umfangreich durchgeführte Kapitalmaßnahmen wiederhergestellt worden. So habe die Schuldnerin ihre Zahlungen insgesamt spätestens Anfang 2017 wieder aufgenommen. Es habe außerdem ein tragfähiges Sanierungskonzept der Revisions- und Treuhandgesellschaft vom 22. Dezember 2016 vorgelegen. Die geltend gemachten Zahlungen seien nicht masseschmälernd gewesen. Zudem greife zugunsten des Beklagten ein Haftungsausschluss in der Aufhebungsvereinbarung vom 26. September 2017. Eine Generalhandlungsvollmacht für die Schuldnerin sei dem Beklagten tatsächlich nie erteilt worden. In die Aufhebungsvereinbarung vom 26. September 2017 sei eine Regelung zu einer Generalshandlungsvollmacht unter Ziffer 4. lediglich zur Klarstellung aufgenommen worden, weil zwischen den Beteiligten Unklarheit bestanden habe, ob dem Beklagten zuvor eine Generalvollmacht erteilt worden sei, was nicht der Fall gewesen sei.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 31. Dezember 2021 der G., vertreten durch den Beklagten, den Streit verkündet (Bl. 116 der Akte LG).

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug wird ergänzend auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zwar sei das Landgericht Kiel örtlich zuständig, weil der Gerichtsstand am Sitz der insolventen Gesellschaft nach § 29 ZPO gegeben sei. Auch eine doppelte Rechtshängigkeit liege nicht vor, weil die streitgegenständliche Zahlung lediglich gegen einen anderen eingetragenen Geschäftsführer parallel geltend gemacht werde. Der Beklagte sei auch passivlegitimiert, weil er persönlich für die Schuldnerin tätig geworden sei. Er habe jedoch nicht in der Rolle eines faktischen Geschäftsführers der Schuldnerin gehandelt im streitgegenständlichen Zeitraum von der ersten geltend gemachten Gutschrift am 23. November 2016 bis zur letzten am 21. März 2017. Außerhalb dieses Zeitraumes könne dahingestellt bleiben, ob der Beklagte als faktischer Geschäftsführer der Schuldnerin gehandelt habe. Zur Begründung hat insoweit das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass die Schuldnerin ab dem 1. Januar 2017 zwei formal eingetragene Geschäftsführer gehabt habe, die ihre Aufgaben für die Geschäftsführung der Schuldnerin auch tatsächlich wahrgenommen und nach außen für diese gehandelt hätten. Von daher habe der Beklagte keine eigenen Entscheidungen für die Schuldnerin getroffen, sich ausweislich der vorgelegten E-Mail-Kommunikation jeweils auf die Geschäftsführung der Schuldnerin bezogen und Entscheidungen jedenfalls nicht alleine getroffen. Zudem habe der Beklagte keine Vollmacht für die Konten der Schuldnerin gehabt. Die Behauptung des Klägers, der Beklagte habe vor dem 21. März 2017 über eine Generalhandlungsvollmacht für die Schuldnerin verfügt, bleibe bestritten. Ausweislich der persönlichen Anhörung des Beklagten vor dem Landgericht sei ihm zudem klar gewesen, welches Haftungsrisiko mit einer faktischen Geschäftsführung verbunden gewesen wäre. Diese Kenntnis des Beklagten sei im Hinblick darauf, dass er als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Insolvenzuntersuchungen tätig sei, auch plausibel. Von daher habe der Beklagte entsprechend seiner Erklärungen bewusst darauf geachtet, nicht in die Stellung als faktischer Geschäftsführer zu geraten, also insbesondere nicht im Außenverhältnis die Geschicke der Schuldnerin selbst in die Hand zu nehmen. Der Beklagte habe sich lediglich in seiner Rolle als Sanierungsberater bemüht, die wirtschaftliche Krise der Schuldnerin abzuwenden. Zu den weiteren Einzelheiten der Begründung des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Der Kläger wendet sich mit der Berufung gegen die erstinstanzliche Klageabweisung, die er im Wesentlichen wie folgt begründet: Zwar sei zutreffend, dass der Beklagte im maßgeblichen Zeitraum nicht mehr ordentlich bestellter Geschäftsführer der Schuldnerin gewesen sei. Nach Auffassung des Klägers finde § 64 GmbHG a.F. vorliegend jedoch analog Anwendung auf den Beklagten als faktischen Geschäftsführer der Schuldnerin. Eine Kontovollmacht sei keine rechtliche Voraussetzung für die Haftung als faktischer Geschäftsführer. Das Landgericht habe rechtsirrig die Auffassung vertreten, ein faktischer Geschäftsführer müsse die ordentlich bestellten Geschäftsführer vollständig aus ihrer Geschäftsführerrolle hinausdrängen; dies sei jedoch nicht Voraussetzung einer faktischen Geschäftsführung. Es müsse genügen, dass der Beklagte im maßgeblichen Umfang tatsächlich Geschäftsführerfunktionen übernommen habe, wie sie nach Gesetz und Gesellschaftsvertrag für den Geschäftsführer kennzeichnend seien. So habe der Beklagte hier im Wesentlichen durch nach außen hervortretendes, üblicherweise der Geschäftsführung zuzurechnendes Handeln wie folgt gehandelt:

- Der Beklagte habe bereits im Herbst 2016 maßgeblich die Unternehmenspolitik der Schuldnerin mitbestimmt, indem er an der Beiratssitzung vom 15. Dezember 2016 teilgenommen habe. Aus dem Sitzungsprotokoll (Anlage K36) ergebe sich, dass der Beklagte auch für die Einstellung und Vertragsgestaltung mit dem späteren Geschäftsführer Dr. F. verantwortlich gewesen sei und die Schuldnerin nach außen gegenüber diesem späteren Geschäftsführer vertreten habe. Zudem habe der Beklagte einen Gesellschafterbeschluss ins Umlaufverfahren gegeben. Daneben habe er ausweislich Punkt 8. des Sitzungsprotokolls eigenständige Verhandlungen mit den Auftraggebern des Projekts S. geführt. Mit den dänischen Steuerbehörden habe er über mögliche Steuerrisiken in diesem Projekt verhandelt. Die eigenständige Verhandlung in diesem Projekt sei nicht von seinem Beratervertrag umfasst gewesen. Aus dem Protokoll unter 8.2 ergebe sich, dass der Beklagte die gesamte kaufmännische und rechtliche Bearbeitung des Projektes S. übernommen gehabt habe.

- Das Landgericht habe dem Umstand, dass in der E-Mail Signatur des Beklagten über den E-Mail Server der Schuldnerin die jeweils ordentlich bestellten Geschäftsführer benannt sind, zu Unrecht eine wesentliche Bedeutung zugemessen. Der Kläger bestreite, dass der Beklagte sämtliche E-Mails bei der Schuldnerin mit dieser Signatur versendet habe. Zudem spiele dies keine Rolle, weil es kein Geheimnis gewesen sei, dass ein bis zwei formale Geschäftsführer der Schuldnerin ordentlich bestellt gewesen sei.

- Aus dem Protokoll der Beiratssitzung vom 15. Dezember 2016 ergebe sich, dass der Beklagte bereits im November 2016 eigenverantwortlich und allein an einem Termin mit dem dänischen Steuerberater der Schuldnerin teilgenommen habe. Hierdurch sei er selbstständig nach außen als Vertreter der Gesellschaft aufgetreten.

- Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht ausgeführt, dass der Beklagte zur Erfüllung von Aufgaben auf eine Abstimmung mit den beiden formalen Geschäftsführern angewiesen gewesen sei. Vielmehr sei der Beklagte als Teil der Geschäftsleitung in alle internen Vorgänge eingebunden gewesen. Aus dem E-Mail Verlauf der Geschäftsführung im Februar 2017 und aus der Anlage K39 ergebe sich, dass der kaufmännische Leiter, Herr J., sich an den Beklagten gewendet habe mit der Bitte, 126 Rechnungen bis zu einer Höhe von 300 € bezahlen zu dürfen. Die Freigabe dieser Zahlungen sei nicht Teil der Beratertätigkeit des Beklagten gewesen. Hierin offenbare sich vielmehr die Anmaßung und Übernahme von Geschäftsführertätigkeiten durch den Beklagten. Er sei auch nicht auf das Einverständnis der Geschäftsführer angewiesen gewesen. Dies ergebe sich auch nicht aus den anderen E-Mails.

- Die fehlende Kontovollmacht des Beklagten habe ihn nicht daran gehindert, tatsächlich Anweisungen zu erteilen. Dies ergebe sich aus den E-Mails vom 22. September 2017 (Anlage K75) und vom 1. Dezember 2016 (Anlage K39). Es komme für eine faktische Geschäftsführung nur darauf an, ob dem Beklagten Zahlungen der Schuldnerin zugerechnet werden können. Dies sei vorliegend der Fall.

- Aus der Anlage K75, E-Mail des Buchhalters Bo. vom 22. September 2017, ergebe sich, dass der Beklagte die Kommunikation mit der dänischen Finanzverwaltung übernommen gehabt habe und eine Stundung sowie Zahlungsvereinbarung habe verhandeln und abschließen sollen. Die E-Mail vom 14. Februar 2017, das Protokoll der Beiratssitzung vom 16. Dezember 2016 und diese E-Mail des Herrn Bo. vom 22. September 2017 ließen allein den Rückschluss zu, dass der Beklagte in Steuerangelegenheiten für die Schuldnerin eigene Entscheidungen habe treffen können.

- Der Beklagte habe federführend und verbindlich die Kommunikation mit diversen Vertragspartnern für die Schuldnerin geführt. Dies belegten die Anlagen K35 bis K37 sowie die Anlagen K42 bis K74. Dies habe das Landgericht nicht gewürdigt. Die Sendung der E-Mails an den ordentlich bestellten Geschäftsführer „in cc“ habe keine Auswirkungen auf die Entscheidungskompetenz des Beklagten.

- Die Höhe des Gehalts des Beklagten mit einer monatlichen Vergütung von 8.000 € netto entspreche eher dem Gehalt eines Geschäftsführers als dem eines externen Beraters. Der ordentliche Geschäftsführer Dr. F. habe ein geringeres Gehalt erhalten als der Beklagte.

- Die Ausführungen des Landgerichts, dass der Beklagte ausweislich seiner Anhörung bei Gericht im Bewusstsein um das Haftungsrisiko eines faktischen Geschäftsführers gehandelt habe, weil er als Sachverständiger von Insolvenzuntersuchungen fachkundig gewesen sei, lasse allein den Rückschluss auf eine Sympathie zwischen dem Gericht und dem Beklagten zu. Die Tatsache, dass der Beklagte sich offensichtlich mit dieser Materie beschäftige, hindere nicht die Qualifikation seiner Tätigkeit als faktischer Geschäftsführer der Schuldnerin.

- Zu Unrecht habe das Landgericht die Beweisantritte des Klägers übergangen. Dies verletze den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör. Das Landgericht hätte den Zeugen Dr. F. hören müssen zu der Behauptung des Klägers, dass die Geschäftsführung der Schuldnerin zwischen Dr. F. und dem Beklagten in einer Weise aufgeteilt gewesen sei, dass Dr. F. sich ausschließlich um die Fertigstellung der Projekte kümmern sollte und der Beklagte sich um die betriebswirtschaftliche Seite der Schuldnerin und alles Weitere. Hier handele es sich nicht um einen Ausforschungsbeweis. Gleiches gelte für den Beweisantritt in der ersten Instanz bezüglich der Vernehmung des ehemaligen Geschäftsführers der Schuldnerin B. als Zeugen. Das Landgericht hätte den Zeugen B. dazu hören müssen, dass der Beklagte ihn faktisch aus seiner Position als Geschäftsführer verdrängt habe. Der Beklagte habe Geschäftsführerangelegenheiten für die Schuldnerin wahrgenommen, die eigentlich Herr B. hätte erbringen müssen.

Wegen des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründung vom 3. Juli 2024 (Bl. 32 ff. eA).

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Landgerichts Kiel (15 HKO 122/21) vom 28.03.2024, zugestellt am 03.04.2024, wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, an den Kläger 453.996,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2020 zu zahlen;

2. dem Beklagten bleibt vorbehalten nach Erstattung des Verurteilungsbetrages in Höhe von 283.996,80 € an die Insolvenzmasse sowie Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, welche durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen;

3. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger gegenüber den Rechtsanwälten  von der Verbindlichkeit aus der Kostenrechnung vom 16.06.2021, Rechnungsnummer K 2/21 in Höhe von 4.040,90 € freizustellen;

4. die Revision wird zugelassen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein erstinstanzliches Vorbringen. Wegen der Einzelheiten des Vortrags wird auf die Berufungserwiderung vom 28. August 2024 (Bl. 65 ff. eA) verwiesen.

Aus den Gründen

    II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

 

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zu Grunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung.

 

1. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Erstattungsanspruch gemäß § 64 Satz 1 GmbHG a.F. in Höhe von 453.996,80 € aufgrund von Zahlungen der Schuldnerin und Zahlungseingängen bei ihr auf ein debitorisch geführtes Geschäftskonto, die nach behaupteter Insolvenzreife der Schuldnerin im Zeitraum vom 23. November 2016 bis zum 21. März 2017 erfolgten.

 

a.) § 64 GmbHG a.F. istgemäß Art. 103m Satz 3 EGInsO anwendbar, wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist. Nach der Überleitungsvorschrift des Art. 103m EGInsO ist § 15b InsO erstmals auf Zahlungen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2020 vorgenommen wurden; auf Zahlungen, die vor dem 1. Januar 2021 vorgenommen wurden, finden die bis zum 31. Dezember 2020 geltenden gesetzlichen Vorschriften weiterhin Anwendung (vgl. Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz Kommentar, 21. Auflage 2023, § 15b InsO, Rn. 2), mithin auch § 64 GmbHG a.F.

 

Nach § 64 Satz 1 GmbHG a.F. sind die Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden.

 

b.) Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Beklagte passivlegitimiert sein kann.

 

Zur Erstattung verbotswidriger Zahlungen verpflichtet sind die Geschäftsführer. Unstreitig war der Beklagte im fraglichen Zeitraum vom 23. November 2016 bis zum 21. März 2017 nicht formell bestellter Geschäftsführer der Schuldnerin. Ausweislich des Handelsregisterauszuges des Amtsgerichts Kiel, HRB 6583 vom 24. November 2023 (Anlage K82) war der Beklagte einer der Geschäftsführer der Schuldnerin vom 14. Oktober 2010 bis zum 31. Oktober 2011, also über fünf Jahre vor dem maßgeblichen Zeitraum vom 23. November 2016 bis zum 21. März 2017.

 

Formelle Geschäftsführer der Schuldnerin im Zeitraum vom 23. November 2016 bis zum 21. März 2017 waren seit 2010 Herr B. und ab Januar 2017 auch Herr Dr. F.. Dies ist unstreitig.

 

Neben den Fällen einer fehlerhaften Organbestellung können nach ganz überwiegender Auffassung auch bloß faktische Geschäftsführer den Haftungsfolgen nach § 64 Satz 1 und 2 GmbHG a.F. in entsprechender Anwendung unterliegen (BGH, Urteil vom 11. Juli 2005 - II ZR 235/03, ZIP 2005, 1550 Rn. 8 ff.;Urteil vom 25. Februar 2002 - II ZR 196/00, BGHZ 150, 61-70, Rn. 25; Urteil vom 21. März 1988 - II ZR 194/87, BGHZ 104, 44-50, Rn. 5; Urteil vom 27. Juni 2005 - II ZR 113/03, juris Rn. 8; Bitter in: Scholz, GmbHG, Band III, 12. Auflage 2021, § 64 Rn. 67 ff.; Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz Kommentar, 21. Auflage 2023, § 15b InsO Rn. 22; Haas in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, § 64 Rn. 22; Gehrlein, GmbHR 2022, 1124, 1128).

 

Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt er als passivlegitimierter Haftungsadressat aus § 64 GmbHG a.F. in Betracht als Geschäftsführer der GmbH, mit welcher die Schuldnerin einen Vertrag über eine Unternehmensberatung abgeschlossen hatte – der G. –. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 GmbHG kann Geschäftsführer nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. Was nach dem Gesetz für das rechtlich dem geschäftsführenden Organ angehörige Mitglied gilt, ist auch für die Beurteilung maßgebend, ob jemand faktisch als Mitglied des geschäftsführenden Organs in Betracht kommt (BGH, Urteil vom 25. Februar 2002 - II ZR 196/00, BGHZ 150, 61-70, Rn. 24).

 

Soweit diese Rechtsprechung zum Teil dahingehend kritisiert wird, dass nicht nur natürliche Personen, sondern auch juristische Personen als faktische Geschäftsführer und daher als Haftungsadressat in Betracht kommen müssten (vgl. Fleischer, GmbHR 2011, 337, 343, juris), muss eine Haftungserweiterung im hier gegebenen Fall nicht entschieden werden, weil jedenfalls auch die gesetzlichen Vertreter der juristischen Person nach dieser Ansicht passivlegitimiert bleiben, soweit sie als faktische Geschäftsführer fungierten, wie es beim Beklagten als Geschäftsführer der G. der Fall ist.

 

c.) Das Landgericht hat zu Recht entschieden, dass der Kläger nicht schlüssig dargelegt hat, dass der Beklagte im Zeitraum vom 23. November 2016 bis zum 21. März 2017 als faktischer Geschäftsführer der Schuldnerin handelte.

 

aa.) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kommt es für die Beurteilung der Frage, ob jemand faktisch wie ein Organmitglied gehandelt und als Konsequenz seines Verhaltens sich wie ein nach dem Gesetz bestelltes Organmitglied zu verantworten hat, auf das Gesamterscheinungsbild seines Auftretens an. Danach ist es allerdings nicht erforderlich, dass der Handelnde die gesetzliche Geschäftsführung völlig verdrängt. Entscheidend ist aber, dass der Betreffende die Geschicke der Gesellschaft im Außenverhältnis maßgeblich in die Hand genommen hat und tatsächlich wie ein geschäftsführendes Organ tätig wird. Dazu reicht eine interne Einwirkung auf die satzungsmäßigen Geschäftsführer nicht aus, sondern es muss auch ein eigenes, nach außen hervortretendes, üblicherweise der Geschäftsführung zuzurechnendes Handeln gegeben sein (BGH, Urteil vom 25. Februar 2002 - II ZR 196/00, BGHZ 150, 61-70, Rn. 25; Urteil vom 21. März 1988 - II ZR 194/87, BGHZ 104, 44-50, Rn. 5; Urteil vom 11. Juli 2005 - II ZR 235/03, a.a.O. Rn. 8; Urteil vom 27. Juni 2005 - II ZR 113/03, juris Rn. 8). Er muss die Geschäftsführung mit Einverständnis der Gesellschafter ohne förmliche Bestellung faktisch übernommen, tatsächlich ausgeübt und gegenüber dem formellen Geschäftsführer eine überragende Stellung eingenommen oder zumindest das deutliche Übergewicht gehabt haben (BGH, Urteil vom 11. Juni 2013 - II ZR 389/12, ZInsO 2013, 1736 Rn. 23; BGH, Urteil vom 22. September 1982 - 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118-123 Rn. 3).

 

Nach diesen Anforderungen ist faktischer Geschäftsführer insbesondere, wer sowohl betriebsintern als auch

- durch ein Auftreten im Außenverhältnis anstelle der formellen Geschäftsführer

- mit Einverständnis der Gesellschafter tatsächlich das Sagen hat und

- eine gegenüber den formellen Geschäftsführern überragende Stellung einnimmt

(Bitter in: Scholz, GmbHG, Band III, 12. Auflage 2021, § 64 Rn. 70, 266; Bitter/Baschnagel, ZInsO 2018, 557, 565; Haas in: Noack/Servatius/Haas/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, § 64 Rn. 22).

 

Für die (Insolvenz-)Praxis bedeutsam ist die Erstreckung der Haftungsvorschrift auf solche Personen, die - vergleichbar dem „shadow director“ des englischen Rechts - ohne förmliche Bestellung zum Organ der Gesellschaft tatsächlich Geschäftsführerkompetenzen wahrnehmen. In der Praxis sind die hohen Voraussetzungen an eine faktische Geschäftsführung nur in seltenen Fällen erfüllt (Bitter in: Scholz, GmbHG, Band III, 13. Auflage 2025, § 15b InsO Rn. 104).

 

Die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen trifft nach allgemeinen Grundsätzen die Gesellschaft bzw. hier den Kläger als Insolvenzverwalter (vgl.BGH, Urteil vom 11. Juni 2013 - II ZR 389/12, Rn. 23; Schnorbus in: Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl. 2022, § 43 Rn. 84). Tatsächliche Indizien für eine faktische Geschäftsführung werden insbesondere in folgenden darzulegenden Umständen erblickt: Die Gründung der Gesellschaft und die Eröffnung des Geschäftsbetriebes durch den Anspruchsgegner, die Erteilung einer umfassenden Vollmacht an ihn, für die Gesellschaft zu handeln und Kontoverfügungen für Geschäftskonten der Gesellschaft zu tätigen, das Führen von Kreditverhandlungen und der eigenverantwortliche Abschluss von Zahlungsvereinbarungen mit Geschäftspartnern, der Abschluss wichtiger Verträge für die Gesellschaft und das Treffen der maßgeblichen Entscheidungen für die Gesellschaft im operativen Geschäft, der nach außen kundgemachte Einsatz von anderen als „Strohgeschäftsführer“ oder das Gerieren als „Chef“ gegenüber anderen, die Einstellung von Personal für die Gesellschaft und die Entscheidung über die Gehaltshöhe von Mitarbeitern sowie über deren Arbeitseinsatz; die eigenverantwortliche Erteilung von Beratungsmandaten für die Gesellschaft (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 1982 - 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118-123, Rn. 3; Urteil vom 11. Juli 2005 - II ZR 235/03, a.a.O. Rn. 3; Urteil vom 11. Juni 2013 - II ZR 389/12, juris Rn. 24 ff.; FG Hamburg, Urteil vom 22. April 2008 - 3 K 222/06, juris Rn. 650 ff.), wobei entscheidend auf die durch das Auftreten und Handeln gegenüber Dritten geschaffenen "Fakten" im Gesamterscheinungsbild abgestellt wird (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 1. April 2005 - 1 U 35/04, juris Rn. 42).

 

bb.) Gemessen daran hat der Kläger keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine faktische Geschäftsführung durch den Beklagten im Zeitraum vom 23. November 2016 bis zum 21. März 2017 dargelegt.

 

Auf die Ausführungen hierzu im angegriffenen Urteil wird zunächst verwiesen. Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte oder berücksichtigungsfähige neue Tatsachen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Landgerichts gemäß § 529 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 546 ZPO begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten, sind mit der Berufung nicht vorgebracht worden.

 

Der Senat erkennt aus dem Vortrag des Klägers zwar gewisse Anhaltspunkte für eine Mitarbeit des Beklagten im Unternehmen der Schuldnerin, die zum Teil die Qualität einer Geschäftsführung gehabt haben mag. Nach dem Gesamterscheinungsbild seines Auftretens ist jedoch nicht dargelegt oder erkennbar, dass er maßgeblich die Geschicke der Gesellschaft im Außenverhältnis in die Hand genommen hätte und mit dem Einverständnis der formellen Geschäftsführer, B. und Dr. F., tatsächlich das Sagen im Unternehmen der Schuldnerin gehabt hätte. Zwar mag er mit seiner Expertise als „Sanierungsberater“ zum Teil maßgeblich intern auf die satzungsmäßigen Geschäftsführer der Schuldnerin eingewirkt haben. Dass er anstelle der formellen Geschäftsführer für die Schuldnerin mit Wirkung im Außenverhältnis federführend Entscheidungen im operativen Geschäft getroffen hätte, ist jedoch weder dargelegt noch ersichtlich.

 

Entscheidungen des Beklagten, die er alleine für die Schuldnerin getroffen und die im Sinne von „geschaffenen Fakten“ nach außen wirksam geworden wären und ersichtlich im Einverständnis der Gesellschafter ohne Absprache mit der Geschäftsführung erfolgt wären, sind weder dargelegt noch erkennbar. Indizien für eine überragende Position des Beklagten oder ein deutliches Übergewicht seiner Stellung im Unternehmen der Schuldnerin fehlen gänzlich.

 

Im Einzelnen:

(1) Der seitens des Klägers vorgelegte Beratervertrag zwischen der G., dessen Geschäftsführer der Beklagte war, und der Schuldnerin vom 14. November 2016 legt seinem Wortlaut nach eine faktische Geschäftsführung durch den Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum nicht nahe.

Der Beklagte war mit der Schuldnerin durch den Beratervertrag vom 14. November 2016 verbunden, kraft dessen er ausweislich § 1 des Beratervertrages die Position eines externen CRO´s übernahm und sich „im Rahmen der betrieblichen Optimierung und Restrukturierung um folgende Kernaufgaben“ zu kümmern hatte. Der Umstand, dass der Beklagte in seiner beruflichen Eigenschaft als Unternehmensberater die Rolle eine CRO´s kraft des Beratervertrages für die Schuldnerin übernahm, indiziert von der Struktur der Zusammenarbeit her nicht, dass er in der Rolle eines faktischen Geschäftsführers handelte, sondern in der Rolle eines externen Beraters. Entsprechend wurde in § 1 des Beratervertrages im Rahmen der Aufgabenbeschreibung vertraglich angelegt, dass die G. im Rahmen ihrer Unternehmensberatung ausschließlich Beratungsleistungen für die Schuldnerin erbringen sollte. Bei den vereinbarten Tätigkeiten handelte es sich um einen begrenzten Tätigkeitsbereich ausweislich § 1 des Beratervertrages. Gleich bei mehreren Punkten im Rahmen dieser Aufgabenbeschreibung wird das Wort „Begleitung“ verwendet, was den Rückschluss zulässt, dass die Aufgabe der G. in einer beratenden und insoweit begleitenden Funktion bestand, nicht aber darin, eigenverantwortlich Entscheidungen im operativen Geschäft der Schuldnerin für diese zu treffen. Der Begriff des Begleitens schließt die alleinige Entscheidung des Beklagten für die Schuldnerin bereits sprachlich aus. Dass der Beklagte im Einverständnis der Gesellschafter „tatsächlich das Sagen“ bei der Schuldnerin haben sollte, ist vertraglich nicht angelegt.

 

Hierzu stimmig wurde der Beklagte ausweislich des Beratervertrages als Chief Revenue Officer (CRO) bezeichnet, welcher typischerweise diejenigen Belange eines Unternehmens betreut, die für den Umsatz (englisch revenue) und dessen Steigerung relevant sind. Mangels Übernahme einer Organstellung sind Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte nicht erfasst von der Haftung aus § 64 GmbHG a.F.; dies gilt auch dann, wenn sie ohne Organstellung als Chief Restructuring Officer (CRO) fungieren (Bitter in: Scholz, GmbHG, Band III, 13. Auflage 2025, § 15b InsO Rn. 94).

 

Eine faktische Geschäftsführung des Beklagten für die Schuldnerin legen auch die § 2 und § 7 Satz 1 des Beratervertrages nicht nahe. Unabhängig von einer ausdrücklichen Regelung darf ein Geschäftsführer bereits ex lege seine Organstellung nicht für sich zum Nachteil der Gesellschaft ausnutzen und deshalb auch keine Geschäftschancen der Gesellschaft an sich ziehen oder gar ein konkurrierendes Handelsgewerbe betreiben. Sein auf der Organstellung beruhendes Wettbewerbsverbot während der Dauer seines Amtes gründet in seinen genauen Kenntnissen der Gesellschaftsinterna und der Geschäftsbeziehungen und in der für die Gesellschaft besonders gefährlichen Ausnutzung dieser Kenntnisse (Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz Kommentar, 21. Auflage 2023, Anhang zu § 6, Rn. 20; BGH, Urteil vom 9. November 1967 - II ZR 64/67, BGHZ 49, 30-33 Rn. 9). Der Beklagte hingegen durfte nach dem ausdrücklichen Hinweis in § 2 des Beratervertrages grundsätzlich auch für andere Auftraggeber tätig sein. Nach dem Wortlaut des § 7 Satz 1 des Beratervertrages sollte eine über den Umfang des Beratervertrages hinausgehende Abhängigkeit des Beklagten (bzw. der G.) persönlicher, wirtschaftlicher oder sozialer Art nicht begründet werden. Diese Niederlegung in dem Beratervertrag indiziert eher die Funktion des Beklagten als externen und unabhängigen Berater, nicht eines organschaftlichen Mitglieds der Geschäftsleitung, der wie ein Geschäftsführer die Geschicke des Unternehmens führt.

 

Die Gesellschaft verfügte zudem über formell eingetragene Geschäftsführer. Im Zeitraum der inkriminierten Zahlungen war zunächst der als Zeuge benannte Herr B. formeller Geschäftsführer der Schuldnerin und ab 1. Januar 2017 durch Beschluss der Gesellschafter (§§ 6 Abs. 3, 46 Nr. 5 GmbHG) der ebenfalls als Zeuge benannte Dr. F.. Dass beide nur als vorgeschobene „Strohgeschäftsführer“ (zu diesem Kriterium auch Gehrlein, GmbHR 2022, 1124, 1124) eingesetzt worden wären, ist weder dargelegt noch erkennbar.

 

(2) Es ist nicht hinreichend dargelegt, dass der Beklagte im Außenverhältnis zu Dritten wie ein Geschäftsführer aufgetreten wäre. Entscheidungen oder Maßnahmen der Geschäftsführung, die durch den Beklagten allein ergriffen worden sein könnten, sind durch den Kläger nicht hinreichend dargelegt worden. Es ist auch nicht erkennbar oder vorgetragen, dass der Beklagte leitend in die Geschäftsabläufe des Unternehmens eingegriffen hätte. Es erscheint bereits offen, ob der Beklagte überhaupt im Außenverhältnis für die Schuldnerin verbindlich ohne Rücksprache mit dem Geschäftsführer hätte agieren können. Denn der Beklagte verfügte unstreitig über keine Kontovollmacht für die Schuldnerin und keine Zeichnungsbefugnis – auch eine Prokura war für den Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum nicht in das Handelsregister eingetragen. Die Erteilung einer Generalhandlungsvollmacht zugunsten des Beklagten bleibt bestritten durch den Beklagten. Zwar substantiieren einzelne durch den Kläger eingereichte Anlagen den Begriff der Generalhandlungsvollmacht des Beklagten (Anlage B4 dort Seite 12, Anlage K2, Ziffer 4.). Diese setzen jedoch deren Erteilung an den Beklagten voraus, welche durch den Beklagten bestritten bleibt. Ein Dokument über die Erteilung einer Generalhandlungsvollmacht zugunsten des Beklagten hat der Kläger nicht eingereicht. Zu Recht hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass der Kläger keinen Beweis für die Erteilung einer Generalhandlungsvollmacht an den Beklagten angetreten ist. Ohne (alleinige) Vollmacht für die Geschäftskonten der Schuldnerin, welcher als Kriterium für eine faktische Geschäftsführung zwar keine notwendige, aber indiziell eine maßgebliche Rolle eingeräumt wird (BGH, Urteil vom 11. Juli 2005 - II ZR 235/03, juris Rn. 11; Gehrlein, GmbHR, 2022, 1124, 1127) und ohne Generalhandlungsvollmacht bleibt jedoch nicht hinreichend dargelegt, dass der Beklagte wie ein Geschäftsführer die Geschicke der Gesellschaft im Außenverhältnis maßgeblich in die Hand nehmen und tatsächlich wie ein geschäftsführendes Organ tätig werden konnte.

 

Eine behauptete Zurechnung von maßgeblichen Zahlungen der Schuldnerin durch den Beklagten ist nicht schlüssig dargelegt. Soweit der Kläger auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg verweist (Beschluss vom 10. März 2004 - 1 W 2/04, juris), verwendete der Beklagte in jenem Verfahren nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin für Rechnungen an Kunden ein Rechnungsformular mit der Angabe eines debitorisch geführten Kontos der Schuldnerin jenes Verfahrens. Vorliegend ist nicht schlüssig dargelegt, dass der Beklagte Rechnungen für die Schuldnerin ausstellte und die Zahlungen auf ein debitorisch geführtes Konto veranlasste. Im Übrigen erscheint die – unterstellte – Veranlassung von jeweils nicht hohen Zahlungen für die Schuldnerin nicht als ausreichendes Kennzeichen für eine Geschäftsführung durch den Beklagten, da auch kaufmännische Angestellte eines Unternehmens Rechnungen in moderatem Rahmen ausstellen und entsprechende Zahlungen auf Konten eines Unternehmens veranlassen.

 

Der mit der E-Mail aus der Anlage K39 in der Berufungsbegründung unter Rz. 27 angesprochene Sachverhalt, ausweislich dessen der kaufmännische Leiter der Schuldnerin J. den Geschäftsführer B. und den Beklagten um Freigabe von 126 Rechnungen mit Beträgen in Höhe von jeweils bis zu 300 € bat, auf welche der Beklagte mit der Antwort: „Okay“ reagierte, wobei im Verteiler wiederum der Geschäftsführer B. der Schuldnerin und Herr J. waren, stellt keinen hierzu vergleichbaren Sachverhalt dar. Zunächst handelt es sich um jeweils geringe Beträge, die freigegeben wurden. Zudem lässt die Erklärung „Okay“ des Beklagten bereits nach ihrer Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB nicht den Rückschluss auf eine eigenmächtige Anweisung des Beklagten zu, sondern lediglich auf dessen Zustimmung. Zudem bleibt offen, über welche Geschäftskonten die Rechnungen beglichen werden sollten. Letztlich ist keine eigenmächtige oder alleinige Zustimmung des Beklagten insoweit dargelegt, denn er band die Geschäftsführung mit ein, indem er bei seiner Antwort den Geschäftsführer der Schuldnerin mit in den Verteiler der E-Mail nahm, an den sich die Anfrage gleichfalls gerichtet hatte.

 

Soweit der Beklagte entsprechend der Berufungsbegründung (Rz. 42) darüber hinaus zum Teil Rechnungen für die Schuldnerin freigegeben haben mag, tat er dies, soweit ersichtlich und wie aus der Anlage K38 deutlich wird, nur nach expliziter Rücksprache – vorliegend mit C., welcher auch die Beiratssitzung vom 15. Dezember 2016 leitete (Anlage K35). Selbst wenn der Beklagte über die Freigabe von Zahlungsvorgängen (mit-)entscheiden durfte, was z.B. die Anlage K41 nahelegt, ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass er hierbei gegenüber dem formellen Geschäftsführer eine überragende Stellung eingenommen hätte oder zumindest das deutliche Übergewicht gehabt hätte. Eine Kontrollfunktion des Beklagten gegenüber der Geschäftsführung bleibt bestritten durch den Beklagten (Seite 13 der Berufungserwiderung), wenn er vorträgt, dass eine Kontrollfunktion ausschließlich und allenfalls der Beirat ausgeübt habe.

 

(3) Soweit mit der Berufungsbegründung (Rz. 28) vorgetragen wird, dass aus keiner Anlage hervorginge, dass der Beklagte auf die Zustimmung des Geschäftsführers bei Entscheidungen angewiesen gewesen wäre, ist dieses Vorbringen unerheblich. Der Kläger ist darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass der Beklagte eigenmächtig und alleine Entscheidungen für die Schuldnerin mit Wirksamkeit im Außenverhältnis getroffen hätte. Letzteres ist gerade nicht dargelegt, da in den als Anlagen zur Akte gereichten E-Mails stets auf die Geschäftsführung der Gesellschaft hingewiesen wird und im Verteiler E-Mails des Beklagten regelmäßig auch an den Geschäftsführer der Gesellschaft im Zuge einer Antwort weitergeleitet wurden. Die regelmäßige Einbindung des jeweiligen Geschäftsführers in Aktivitäten des Beklagten indiziert nicht, dass der Beklagte mit Einverständnis der Gesellschafter tatsächlich das Sagen bei der Schuldnerin hatte.

 

Entsprechend stellt sich, worauf die Berufungsbegründung anspricht, die Beauftragung des Beklagten, einen Gesellschafterbeschluss im Umlaufverfahren herbeizuführen (Punkt 5. der Anlage K35) als rein interne Maßnahme ohne Außenwirksamkeit dar. Zudem schlug der Beklagte ausweislich desselben Punktes des Protokolls der Beiratssitzung insoweit vor „die Geschäftsleitung zu ermächtigen“, eine vertragliche Regelung zu entwerfen und umzusetzen. Es ist nicht dargelegt oder erkennbar, dass er selbst eine vertragliche Regelung mit Außenwirkung umgesetzt hätte oder umsetzen sollte.

 

Ausweislich der Mitarbeiterinformation vom 31. Januar 2017 wurde unter der Überschrift „Geschäftsleitung“ der Beklagte eindeutig nicht als Geschäftsführer bezeichnet, sondern als für die Organisation zuständige Person niedergelegt. Unter „Aufgaben Prof. Karl G.“ findet sich folgende Niederlegung: „Personalwesen, Recht und Vertragswesen, strategische Unternehmensfinanzierung, besondere Aufgaben/Risikomanagement, Unterstützung der Geschäftsführung bei der Betreuung der Gesellschafter und des Beirates“ (Anlage K29). Diese lässt eher den Rückschluss zu, dass der Beklagte zur Unterstützung der Geschäftsführung im Bereich der Organisation der Schuldnerin hinzugezogen wurde, aber gerade nicht selber mit der Geschäftsführung der Schuldnerin betraut war.

 

(4) Die mit der Berufungsbegründung vorgetragene Teilnahme des Beklagten an der Beiratssitzung vom 15. Dezember 2016 (Anlage K35 (nicht entsprechend der Berufungsbegründung K36)) substantiiert keine faktische Geschäftsführung durch den Beklagten.

 

Der Beirat eines Unternehmens hat gerade die Funktion, die Geschäftsführung zu beraten, nicht diese zu ersetzen. Als Unternehmensberater der Schuldnerin erscheint es selbstverständlich, dass der Beklagte an Beiratssitzungen teilnahm. Der Bericht des Beklagten über den Stand des IDW S6 Gutachtens unter Ziffer 3. des Protokolls erscheint stimmig mit seiner Aufgabenbeschreibung ausweislich des Beratervertrages, weil er über das IDW S6 Gutachten die Sanierungsfähigkeit der Schuldnerin und die Fortführungsprognose einzuschätzen suchte. Auf jeder einzelnen Seite des Protokolls der Beiratssitzung vom 15. Dezember 2016 ist in der Fußzeile das Impressum der Schuldnerin aufgeführt, welches die Firmierung, den Sitz und die wesentlichen Daten der Schuldnerin enthielt, wobei explizit als Geschäftsführer Herr B. ausgewiesen wurde.

 

Soweit die Berufungsbegründung darauf abstellt, dass ausweislich des Protokolls der Beiratssitzung der Beklagte „offensichtlich für die Einstellung bzw. Vertragsgestaltung mit dem späteren Geschäftsführer Dr. F. verantwortlich“ gezeichnet habe (Rz. 19 der Berufungsbegründung), geht aus dem Protokoll unter Ziffer 4. lediglich hervor, dass der Beklagte gegenüber dem Beirat berichtet habe, dass Dr. F. zu folgenden Eckdaten ab dem 1. Januar 2017 zur Verfügung stünde. Aus dem Protokoll ist nicht erkennbar, dass der Beklagte für die Einstellung bzw. Vertragsgestaltung mit Dr. F. verantwortlich oder in irgendeiner Hinsicht allein entscheidungsbefugt gewesen wäre.

 

Soweit der Kläger im Rahmen der Berufungsbegründung (Rz. 34) behauptet, dass der Beklagte hauptverantwortlich vielfältige Geschäftsbeziehungen der Schuldnerin zu diversen Vertragspartnern wie Lieferanten, Rechtsberatern, Steuerberatern und Finanzbehörden gestaltet habe, ist der Vortrag zu pauschal. Die mit den Schriftsätzen eingereichten Anlagen sprechen nicht dafür, dass der Beklagte eigenverantwortlich im Außenverhältnis für die Schuldnerin Entscheidungen treffen konnte oder Geschäftsbeziehungen eigenmächtig gestaltete.

 

Soweit die Berufungsbegründung auf das Projekt S. abhebt, welches in dem Protokoll der Beiratssitzung unter Ziffer 8 angesprochen ist, geht aus der Niederlegung des Protokolls hervor, dass der Beklagte zu Ziffer 8.1 mit Unterstützung von Dr. F. hat Verhandlungen führen sollen, unter Ziffer 8.2, dass der Beklagte von der Einschätzung eines dänischen Rechtsanwalts zu der Rechtslage berichtet habe und unter Ziffer 8.3, dass der Beklagte mit den dänischen Steuerbehörden verhandelte. Durch diese Niederlegungen in einem rein betriebsinternen Protokoll geht kein eigenes, nach außen hervortretendes, üblicherweise der Geschäftsführung zuzurechnendes Handeln des Beklagten hervor. Dass dem Beklagten insoweit irgendwelche Entscheidungsbefugnisse zugekommen wären, ist weder vorgetragen noch belegt durch dieses Protokoll. Die Verhandlungen in dem angesprochenen Projekt sollten nach dem unmissverständlichen Wortlaut unter Ziffer 8.1 des Protokolls mit der Unterstützung von Dr. F. erfolgen, nicht – wie in der Berufungsbegründung vorgetragen – eigenständig durch den Beklagten. Soweit der Beklagte ausweislich Ziffer 8.3 des Protokolls mit den dänischen Steuerbehörden über mögliche Steuerrisiken im Januar 2017 verhandelt haben mag, geht aus dieser Niederlegung nicht hervor, ob der Beklagte insoweit auch zu irgendwelchen Entscheidungen befugt gewesen wäre bzw. dazu, die Schuldnerin im Rahmen dieser Verhandlungen alleine - und falls ja inwieweit - nach außen hin zu vertreten. Die Behauptung des Klägers, dass der Beklagte eigenverantwortlich und alleine die Termine geführt habe (Rz. 25 der Berufungsbegründung) geht insoweit aus dem Protokoll nicht hervor. Aus der Sicht eines unvoreingenommenen Dritten geht aus der Niederlegung in dem Protokoll nicht hervor, dass der Beklagte maßgeblich die Unternehmenspolitik der Schuldnerin im Außenverhältnis wirksam bestimmt hätte durch Verhandlungen mit Steuerbehörden in Dänemark. Hier kann es sich auch schlicht um den jeweiligen Entscheidungen vorgelagerte Gespräche gehandelt haben. Näheres geht aus dem Protokoll nicht substantiiert hervor.

 

(5) Soweit die Berufungsbegründung unter Rz. 26 darauf abstellt, dass sich aus der Anlage K75 ergebe, dass dem neuen kaufmännischen Leiter der Schuldnerin im September 2017 aufgefallen sei, dass der Beklagte sogar die Kommunikation mit der dänischen Finanzverwaltung übernommen und Stundungs- und Zahlungsvereinbarungen habe verhandeln und abschließen sollen, geht dies nicht in der Eindeutigkeit aus der in Bezug genommenen E-Mail hervor. Die E-Mail ist von Herrn Bo. an den Geschäftsführer der Schuldnerin, Dr. F., gerichtet. Herr Bo. nimmt Bezug auf ein Telefonat mit dem Beklagten. Er schreibt unter anderem:

 

„In dem Telefonat erklärte Herr Prof. G. unter anderem, dass ausschließlich der in Dänemark beauftragte Steuerberater … und seine Mitarbeiter mit der dänischen Finanzverwaltung in Kontakt stehen. Diese Aussage steht im Widerspruch zu der Darstellung von Frau …, wonach Herr Professor G. erklärt habe, die Kommunikation mit der dänischen Finanzverwaltung zu übernehmen und eine Stundungs-/Zahlungsvereinbarung o.ä. zu verhandeln und abzuschließen. Eine derartige Vereinbarung liegt mir hier nicht vor…“ (Anlage K75).

 

Herr Bo. berichtet mithin von einer Bekundung einer dritten Person dem Hörensagen nach, wonach Herr Prof. G. dieser Person Umstände zu seinem Vorgehen mit der dänischen Finanzverwaltung erklärt habe. Die Darstellung des Herrn Bo. ist richtigerweise, da er nur Umstände dem Hörensagen nach berichtet, im Konjunktiv gehalten und gibt keine verbindlichen eigenen Erklärungen des Autors dieser E-Mail wieder. Entsprechend hat auch der Beklagte vortragen lassen, dass insoweit nur Vermutungen Dritter wiedergegeben werden und den Inhalt der E-Mail bestritten (Seite 10 der Berufungserwiderung). Der E-Mail kann dem Inhalt nach gemäß nicht entnommen werden, dass der Beklagte eigenmächtig Stundungsvereinbarungen oder Zahlungsvereinbarungen für die Schuldnerin abgeschlossen hätte. Vielmehr legt die E-Mail nahe, dass derartige Vereinbarungen nicht abgeschlossen wurden, denn sie lagen Herrn Bo. nach eigenem Bekunden in dieser E-Mail gerade nicht vor. Eine Kontaktaufnahme des Beklagten mit der dänischen Finanzverwaltung und das Führen von Gesprächen mit dieser für die Schuldnerin steht nicht in Konflikt zu dem Beratervertrag der G. mit der Schuldnerin und indiziert keine faktische Geschäftsführung durch den Beklagten für die Schuldnerin.

 

(6) Eine auch nur teilweise Verdrängung der formal bestellten Geschäftsführer der Schuldnerin aus ihrer Position durch den Beklagten ist nicht schlüssig vorgetragen. Auf das Kriterium der Verdrängung der gesetzlichen Geschäftsführung verzichtet auch der in der Berufungsbegründung mehrfach zitierte Prof. G. nicht, der in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darauf abstellen möchte, ob ein faktischer Geschäftsführer „in maßgeblichem Umfang die Geschäftsführung übernommen hat“ und sich die ordentlichen Geschäftsführer „völlig unterordneten“ (Gehrlein, GmbHR 2022, 1124, 1126). Dass der Beklagte alleine Entscheidungen für die Schuldnerin in einem für das operative Geschäft maßgeblichen Umfang getroffen hätte, legt der Kläger nicht dar, und, dass der Beklagte sich im Außenverhältnis als Geschäftsführer der Schuldnerin geriert hätte, ebenso wenig.

 

Zu Recht hat das Landgericht darauf abgestellt, dass in einer Vielzahl von E-Mails durch den Beklagten in der Signaturzeile der jeweiligen E-Mail auf das Unternehmen der Schuldnerin und den eingetragenen Geschäftsführer verwiesen wird. Aus der objektiven Empfängersicht eines unvoreingenommenen Dritten gemäß §§ 133,157 BGB geht insbesondere aus den E-Mails des Beklagten ausweislich der Anlagen K41, K42, K43, K44, K45, K47, K48, K52, K54, K55, K56, K57.1 und 57.2, K58, K59, K60, K61.1, K61.2, K62, K63, K64, K65, K66, K69, K71.2, K72, K73.1, K73.2, K73.3, K74 unmissverständlich hervor, dass Herr Robert B. eingetragener Geschäftsführer der Schuldnerin war und nicht der Beklagte. Geschäftspartnern, mit denen Korrespondenz geführt wurde unter Verwendung dieser Signatur, war aus der objektiven Empfängersicht ersichtlich, dass sie nicht mit dem Geschäftsführer der Schuldnerin verhandelten.

 

Soweit der Kläger mit seiner Berufungsbegründung (Rz. 24) bestreitet, dass der Beklagte sämtliche E-Mails unter seiner E-Mail-Adresse bei der Schuldnerin mit dieser Signatur versandt habe, ist der Vortrag unerheblich, weil der Kläger insoweit selbst darlegungs- und beweisbelastet ist.

 

(7) Die monatliche Vergütung des Beklagten, welche ausweislich des Beratervertrages mit monatlich 8.000 € festgelegt worden war, indiziert nicht, dass der Beklagte als faktischer Geschäftsführer der Schuldnerin im streitgegenständlichen Zeitraum tätig war. Der Beklagte verweist in seiner Berufungsbegründung darauf, dass nicht er persönlich dieses monatliche Entgelt bezog – insofern unstreitig – sondern die G.. Zudem habe Herr Dr. F. für einen Tagessatz in Höhe von 1.800,00 € für die Insolvenzschuldnerin gearbeitet (Seite 11 der Berufungserwiderung). Eine monatliche Vergütung an die G. in Höhe von 8.000 € ist auch nicht so hoch, dass diese bereits eine Tätigkeit des Beklagten als Geschäftsführer indizieren würde. Dies gilt schon vor dem Hintergrund, dass die Schuldnerin kein ganz kleines Unternehmen war. Es verfügte zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung über ein Stammkapital in Höhe von 5,3 Millionen € und über 54 Mitarbeiter. Ausweislich des Insolvenzeröffnungsantrags vom 5. Oktober 2017 hatte der Beklagte zu diesem Zeitpunkt auch keine Beteiligung an der Schuldnerin mehr (Anlage K30).

 

Soweit der Kläger mit seiner Berufungsbegründung eine faktische Geschäftsführung durch den Beklagten damit zu begründen sucht, dass die Arbeit des Beklagten für die Schuldnerin auf eine längerfristig angelegte Tätigkeit ausgerichtet gewesen sei (Rz. 38 der Berufungsbegründung), ist diese Behauptung nicht schlüssig. Nach § 6 des Beratervertrages vom 14. November 2016 (Anlage K27) war der Vertrag mit der G. befristet bis zum 28. Februar 2017 und konnte nach diesem Zeitpunkt monatsweise gekündigt werden. Nach der persönlichen Anhörung des Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 30. Januar 2024 hat er erklärt, dass er mit seiner Tätigkeit für die Schuldnerin erst im Dezember 2016 begonnen habe, auch wenn der Vertrag vom 14. November 2016 stammte (Bl. 522 der Akte). Insgesamt war der Beklagte mit seiner Unternehmensberatung demzufolge weniger als ein Jahr für die Schuldnerin tätig, nämlich nach der eigenen Darstellung des Klägers bis zum 26. September 2017 (Anlage K2). Insoweit ist ein längerfristiges Engagement des Beklagten nicht hinreichend dargelegt.

 

Zudem war der Beklagte nicht in Vollzeit für die Schuldnerin tätig, wie es für eine Geschäftsführertätigkeit typisch wäre, sondern nur „ca. 3 Tage die Woche“ (Anlage B4, Seite 6) bzw. „mindestens 2,5 TW bzw. 10 TW pro Monat“ gemäß § 3 des Beratervertrages (Anlage K27).

 

(8) Die Anhörung des Beklagten persönlich in der mündlichen Verhandlung vom 30. Januar 2024 vor dem Landgericht (Bl. 521 ff. der Akte LG) legt eine faktische Geschäftsführung durch den Beklagten nicht nahe. Soweit der Kläger mit seiner Berufungsbegründung die Bewertungen des Landgerichts in Bezug auf die persönlichen Erklärungen des Beklagten in dieser mündlichen Verhandlung als tendenziös kritisiert (Rz. 44 ff. der Berufungsbegründung), kann dies dahinstehen. Der Beklagte hat persönlich angehört zu Protokoll erklärt, dass er sich in seiner beruflichen Eigenschaft als Sachverständiger in dem Bereich Insolvenzuntersuchungen auskenne – was unbestritten blieb – und weiter wörtlich: „Deswegen habe ich auch peinlich darauf geachtet, mit meiner Tätigkeit nicht in die Nähe eines faktischen Geschäftsführers zu kommen. Ich hätte dementsprechend auch keine Bankvollmacht. Ich habe die Sachen vorbereitet und kannte auch die Gesellschaftermeinung. Ich habe aber nie etwas entschieden.“ (Bl. 522 der Akte LG).

 

Diese Erklärungen des Beklagten stützen zumindest nicht den Vortrag des Klägers, dass der Beklagte als faktischer Geschäftsführer für die Schuldnerin im streitgegenständlichen Zeitraum tätig gewesen sei.

 

(9) Das Landgericht durfte von einer Vernehmung der Zeugen B. und Dr. F. absehen, denn der Vortrag des Klägers zu behaupteten Tatsachen, welche in das Zeugnis der benannten Zeugen gestellt worden sind, ist nicht erheblich. Auch unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung vom 6. November 2024 durch den Kläger hiergegen vorgebrachten Argumente ist von einer Zeugenbeweisaufnahme im Berufungsverfahren abzusehen.

 

Soweit der Kläger unter Zeugenbeweisantritt behauptet (Rz. 55 der Berufungsbegründung und Rz. 21 im Schriftsatz des Klägers vom 21. Januar 2022, Bl. 130 der Akte LG), Herr Dr. F. habe in dem gegen ihn gerichteten Parallelrechtsstreit vorgetragen, dass die Geschäftsführung der Schuldnerin zwischen ihm und dem Beklagten in einem internen Gespräch aufgeteilt worden sei, dass Herr Dr. F. sich ausschließlich um die Fertigstellung der Projekte, insbesondere das Projekt S., und der Beklagte sich „um die betriebswirtschaftliche Seite der Schuldnerin und alles Weitere“ habe kümmern sollen, was durch den Beklagten bestritten wird (Seite 18 der Berufungserwiderung), kann die Richtigkeit der klägerischen Behauptung unterstellt werden. Der Vortrag substantiiert keine faktische Geschäftsführung durch den Beklagten für die Schuldnerin im relevanten Zeitraum. Die behauptete Absprache substantiiert kein konkretes Ereignis, insbesondere kein Auftreten des Beklagten wie ein Geschäftsführer im Außenverhältnis im streitgegenständlichen Zeitraum anstelle der formellen Geschäftsführer. Soweit der Kläger konzediert, dass diese Aufteilung allein zwischen den Beteiligten im Innenverhältnis besprochen worden sei und es keine schriftlichen Aufzeichnungen hierzu gäbe, spricht dies eher für einen rein betriebsinternen Vorgang und gegen eine Außenwirkung dieser behaupteten Absprache.

 

Eine andere Einschätzung folgt auch nicht aus dem Vortrag des Klägers in der Berufungsbegründung unter Rz. 57, in der er auf die Anlage K42 verweist. Die Anlage K42 enthält eine E-Mail des Beklagten vom 28. November 2016. Ausdrücklich schreibt der Beklagte, dass er in Vertretung für die Schuldnerin Verhandlungen in dem Fall S. führen wird. In der Anlage übersandte er einen Vertrag mit Bedingungen, wobei unklar bleibt, ob sein Beratervertrag oder ein anderer Vertrag in der Anlage zu dieser E-Mail übersendet wurde. Aus der Sicht eines objektiven Empfängers ist durch die E-Mail eine eigene Entscheidungsbefugnis des Beklagten in wesentlichen Angelegenheiten der Geschäftsleitung nicht substantiiert dargelegt, zumal diese E-Mail zugleich „in cc“. weitergeleitet wurde an den Geschäftsführer der Schuldnerin und unter der Signatur der E-Mail als Geschäftsführer der Schuldnerin Herr B. und nicht der Beklagte aufgeführt wurde. Ein Auftreten des Beklagten als faktischer Geschäftsführer der Schuldnerin unter auch nur teilweiser Verdrängung der formellen Geschäftsführer ist dadurch nicht dargelegt oder erkennbar.

 

Soweit der Kläger mit seiner Berufungsbegründung (Rz. 60) seinen Beweisantritt einer Vernehmung des Zeugen B. als ehemaligen Geschäftsführer der Schuldnerin wiederholt, war diesem ebenfalls nicht nachzugehen.

 

Indem der Kläger beantragt, den Zeugen B. dazu zu hören, „dass der Beklagte Geschäftsführungstätigkeiten für die Schuldnerin wahrgenommen hat. Er hat die Unternehmenspolitik maßgeblich mitbestimmt, Verhandlungen mit Kreditgebern geführt sowie die Geschäftsbeziehungen zu Vertragspartnern mitgestaltet“, werden keine hinreichenden Beweistatsachen für eine faktische Geschäftsführung des Beklagten im relevanten Zeitraum vorgetragen, anhand derer der benannte Zeuge nach Ort und Zeitpunkt konkrete Maßnahmen des Beklagten dem Senat bekunden könnte, die den hinreichend sicheren Rückschluss auf eine faktische Geschäftsführung durch ihn zuließen. Vielmehr trägt der Kläger ohne tatsächliche Anknüpfungspunkte des hier gegebenen Sachverhalts die rechtlichen Voraussetzungen der Prüfung einer faktischen Geschäftsführung vor und behauptet pauschal, diese könne der Zeuge bekunden.Das geforderte Maß an Substantiierung der zu bezeichnenden Beweistatsachen ist jedoch nicht erreicht, wenn in lediglich formelhafter und pauschaler Weise Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden, ohne diese zu dem zugrundeliegenden Sachverhalt konkret in Beziehung zu setzen (BGH, Beschluss vom 10. November 2015 – VI ZB 11/15, juris Rn. 9).

 

Soweit der Kläger behauptet, der Beklagte habe den Geschäftsführer B. faktisch von seiner Position verdrängt, worüber Beweis angeboten worden sei durch Zeugnis des ehemaligen Geschäftsführers, enthält diese Behauptung nicht die von einem Zeugen wahrnehmbare Tatsache, sondern das Ergebnis einer eigenen Bewertung, welche nicht in das Zeugnis einer Person gestellt werden kann. In das Zeugnis einer Person können nur Tatsachenbehauptungen gestellt werden.

 

Der Vortrag des Klägers ist insoweit auch unerheblich, als dass die insoweit positiv ergiebige Bekundung des Zeugen B. unterstellt das geltend gemachte Recht nicht in der Person des Klägers entstanden erscheinen ließe (zu dieser Anforderung an einen schlüssigen Vortrag vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juni 2005 - XII ZR 275/02, juris Rn. 7). Denn selbst wenn der Zeuge B. bekunden würde, der Beklagte habe ihn „von seiner Position verdrängt“, ließe dies nicht den Schluss zu, dass der Beklagte im gegenständlichen Zeitraum als faktischer Geschäftsführer aufgetreten wäre, weil nicht dargelegt ist, dass er die Geschicke der Gesellschaft im Außenverhältnis maßgeblich in die Hand genommen und im Außenverhältnis wirksam wie ein geschäftsführendes Organ Entscheidungen getroffen hätte.Ohne das Kriterium eines wirksamen Handelns im Außenverhältnis wäre jedoch eine Abgrenzung zwischen internen Weisungen und Handeln als faktisches Organ kaum möglich (Bitter in: Scholz, GmbHG, Band III, 13. Auflage 2025, § 15b InsO Rn. 106); dies insbesondere bei Weisungsabhängigkeit des förmlichen Geschäftsführers gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 GmbHG (Gehrlein, GmbHR 2022, 1124, 1125).

 

2. Der Klagantrag zu 2. ist unbegründet. Zwar ist in die Entscheidung, durch die der (faktische) Geschäftsführer zum Ersatz von Zahlungen i. S. von § 64 GmbH verurteilt wird, ggf. der Vorbehalt hinsichtlich seines Verfolgungsrechts gegen den Insolvenzverwalter bezüglich seiner Gegenansprüche nach Erstattung an die Masse von Amts wegen aufzunehmen (BGH, Urteil vom 11. Juli 2005 – II ZR 235/03, a.a.O.). Vorliegend ist jedoch der Klageantrag zu 1. dem Grunde nach unbegründet, so dass der Klageantrag zu 2. ins Leere läuft.

 

3. Der Klageantrag zu 3. ist unbegründet, weil es an einer Haftung des Beklagten dem Grunde nach fehlt. Daher hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren aus §§ 280 Abs. 2, 286 BGB.

 

    III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.

 

Die Revision ist nicht zuzulassen. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht vor. Die Revision ist nicht gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO wegen Grundsatzbedeutung oder gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zur Rechtsfortbildung zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Urteil vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291). So liegt der Fall hier aber nicht. Die Entscheidung, ob der Beklagte als faktischer Geschäftsführer der Schuldnerin agierte, beruht auf einer Anwendung in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannter Rechtssätze auf den vorliegenden Einzelfall. Dementsprechend ist die Zulassung der Revision auch nicht zur Rechtsfortbildung geboten. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (BGH, Urteil vom 27. März 2003 - a.a.O.). Solche Leitsätze sind durch die höchstrichterliche Rechtsprechung für Fälle der vorliegenden Art bereits gegeben. Auf obige Ausführungen wird verwiesen. Die Entscheidung im vorliegenden Einzelfall beruht maßgeblich auf dem streitgegenständlichen Vorgang sowie dem Umfang und Inhalt des Vortrags der Parteien hierzu. Eine Zulassung der Revision ist auch nicht gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Eine Divergenz zu einer rechtskräftigen Entscheidung eines anderen gleich- oder höherrangigen Gerichts ist nicht vorgetragen oder erkennbar.

 

stats