BGH: Zur Zuständigkeit des BGH zur Entscheidung über einen negativem Kompetenzkonflikt
BGH, Beschluss vom 11.3.2014 - X ARZ 664/13
Amtlicher Leitsatz
Der Bundesgerichtshof ist bei einem negativen Kompetenzkonflikt zwischen dem Kartellsenat und einem Zivilsenat des Oberlandesgerichts nicht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen.
§ 36 Abs 2 ZPO
Sachverhalt
I. Die Parteien sind Gesellschafter einer GmbH & Co. KG und deren persönlich haftender Gesellschafterin und streiten um den Ausschluss der Beklagten aus diesen Gesellschaften. Durch Teilurteil vom 15. Oktober 2012 hat das Landgericht München I die Beklagte als Kommanditistin und unter bestimmten Maßgaben als Gesellschafterin der Komplementär-GmbH ausgeschlossen. Beide Parteien haben Berufung eingelegt. Der mit der Sache zunächst befasste Kartellsenat des Oberlandesgerichts München hat die Parteien darauf hingewiesen, er beabsichtige, die Sache an den 7. Zivilsenat abzugeben, weil es sich nicht um eine Kartellstreitsache handele. Er hat die Akten sodann dem 7. Zivilsenat mit der Bitte um Übernahme zugeleitet. Der Vorsitzende des 7. Zivilsenats hat die Übernahme abgelehnt. Es werde zwar nicht in Abrede gestellt, dass der Rechtsstreit als Handelssache anzusehen sei, doch sei die Zuständigkeit des Kartellsenats durch die Zuständigkeit für ein vorangegangenes Berufungsverfahren über ein erstes Teilurteil begründet worden. Diese Zuständigkeit setze sich nach den Regelungen im Geschäftsverteilungsplan des Oberlandesgerichts auch in dem Berufungsverfahren gegen das zweite Teilurteil fort. Der Kartellsenat hat daraufhin am 22. Februar 2013 einen Beschluss gefasst, wonach der 7. Zivilsenat für die Sache zuständig sei. Das sodann vom 7. Zivilsenat angerufene Präsidium des Oberlandesgerichts München hat beschlossen, dass die Sache in die Zuständigkeit des Kartellsenats falle.
Mit Beschluss vom 16. Dezember 2013 hat der Kartellsenat die Sache dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Senats vorgelegt.
Aus den Gründen
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II. Die Vorlage ist unzulässig. Eine Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt ist nicht gegeben.
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1. Seit der Ergänzung von § 36 ZPO um die Absätze 2 und 3 durch das Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I, S. 3224) ist der Bundesgerichtshof nur noch sehr eingeschränkt für die Bestimmung des Gerichtsstands zuständig. Der Bundesgerichtshof hat nach § 36 Abs. 3 ZPO auf Vorlage zu entscheiden, wenn das vorlegende Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will. Eine Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs kommt nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ferner in Betracht, wenn das an sich zur Bestimmung zuständige Gericht verhindert ist. Schließlich ist der Bundesgerichtshof in entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO für die Bestimmung des Gerichtsstands zuständig, wenn zwei Gerichte unterschiedlicher Rechtswege ihre Zuständigkeit verneint haben und der Bundesgerichtshof als erster der in Betracht kommenden obersten Gerichtshöfe des Bundes darum angegangen wird (BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - X ARZ 167/13, MDR 2013, 1242 Rn. 4 mwN). Keiner dieser Fälle liegt hier vor.
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2. Vor der erwähnten Gesetzesänderung hat sich der Bundesgerichtshof in entsprechender Anwendung von § 36 Nr. 6 ZPO in der bis zum 31. März 1998 geltenden Fassung auch dann als zuständig angesehen, wenn ein negativer Kompetenzkonflikt zwischen zwei Senaten eines Oberlandesgerichts bestand und dem Präsidium des betroffenen Oberlandesgerichts eine Entscheidung verwehrt war. Dies wurde in den Fällen angenommen, in denen der negative Kompetenzkonflikt nur durch Auslegung einer gesetzlichen Zuständigkeitsregelung gelöst werden konnte. Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof darauf verwiesen, dass es in solchen Fällen dem Präsidium des Gerichts, das als richterliches Selbstverwaltungsorgan gemäß § 21e GVG bei einer den Geschäftsverteilungsplan betreffenden Meinungsverschiedenheit mehrerer Spruchkörper grundsätzlich eingreifen kann, verwehrt ist, den Konflikt durch Anwendung einer gesetzlichen Zuständigkeitsnorm verbindlich zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 3. Mai 1978 - IV ARZ 26/78, BGHZ 71, 264, 270; Beschluss vom 14. Juli 1993 - XII ARZ 16/93, NJW-RR 1993, 1282).
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Diese Zuständigkeit besteht jedoch seit der Einführung von § 36 Abs. 2 ZPO nicht mehr. Zwar handelt es sich, worauf der vorlegende Kartellsenat zutreffend hinweist, bei § 91 GWB um eine gesetzliche Zuständigkeitsregelung. Deshalb ist ein Kompetenzkonflikt zwischen einem Zivilsenat und einem an demselben Gericht bestehenden Kartellsenat nicht vom Präsidium zu entscheiden, soweit es um die Reichweite von § 91 GWB geht (KG WuW/E DE-R 2817 - Entgelt für Nutzung von Bahnhöfen; Voß in KK-KartR, § 91 GWB Rn. 19; Dicks in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, 2. Aufl., § 91 GWB Rn. 19; Bornkamm in Langen/Bunte, Kartellrecht, 11. Aufl., § 91 GWB Rn. 8). Eine Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs ist jedoch durch § 36 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen (zutreffend Voß aaO). In der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts wird darauf verwiesen, die Einführung von § 36 Abs. 2 ZPO diene der Entlastung der obersten Bundesgerichte von Routineaufgaben bei der Bestimmung des Gerichtsstands. Der Bundesgerichtshof solle zwar in den Fällen eines negativen Kompetenzkonflikts zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige zuständig bleiben, hingegen von der Entscheidung im Falle eines Zuständigkeitskonflikts zwischen einem Zivil- und einem Familiensenat eines Oberlandesgerichts entlastet werden (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 13/9124, S. 45 f.). An der fehlenden Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs hat es nichts geändert, dass die genannten Fälle nunmehr nach § 17a Abs. 6 GVG nach den Bestimmungen des § 17a Abs. 1 bis 5 GVG zu entscheiden sind; vielmehr befindet der Bundesgerichtshof nunmehr unter den Voraussetzungen des § 17a Abs. 4 GVG (nur) über eine vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde.
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3. Der Bundesgerichtshof ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt zur (deklaratorischen) Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen, dass das gesetzliche Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts, insbesondere ein Verfahren nach § 17a GVG, abgeschlossen ist, gleichwohl das danach zuständige Gericht nicht bereit ist, die Sache zu entscheiden.
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a) Der vorlegende Kartellsenat und der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München gehen noch übereinstimmend davon aus, dass keine gesetzlich nach § 91 Satz 2 in Verbindung mit § 87 GWB dem Kartellsenat zugewiesene Berufung vorliegt. Soweit die Senate hingegen darüber streiten, ob - wie vom Kartellsenat des Oberlandesgerichts angenommen - den §§ 87 ff. GWB ein gesetzlicher Ausschluss seiner Zuständigkeit für das vorliegende Berufungsverfahren zu entnehmen ist, hat der Kartellsenat des Oberlandesgerichts zu Unrecht seine Zuständigkeit für eine (vorbehaltlich einer Divergenz im Sinn des § 36 Abs. 3 ZPO, vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2012 - X ARZ 195/12, juris Rn. 5) vom Oberlandesgericht München zu treffende Zuständigkeitsbestimmung angenommen. Eine Zuständigkeit der Kartellgerichte für eine solche Zuständigkeitsbestimmung kann nicht aus den Regelungen der §§ 87, 91 GWB hergeleitet werden und folgt auch nicht aus der weder unmittelbar noch entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 17a Abs. 6 GVG. Sie dürfte sich auch nicht aus dem Geschäftsverteilungsplan des Oberlandesgerichts München ableiten lassen, dessen Regelung zu V. 2. nicht den Fall betrifft, dass zwischen dem Kartellsenat und einem anderen Senat des Oberlandesgerichts Meinungsverschiedenheiten über die Zuständigkeit bestehen; jedenfalls ist hiervon ersichtlich das zur Auslegung des Geschäftsverteilungsplans berufene Präsidium des Oberlandesgerichts ausgegangen.
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b) Eine über den gesetzlichen Umfang hinausgehende Zuweisung von Rechtssachen an den Kartellsenat durch Geschäftsverteilungsplan ist zumindest insoweit nicht ausgeschlossen, als sie in engem Zusammenhang mit dessen gesetzlicher Zuständigkeit steht und ihr ein sachlich gerechtfertigtes Bedürfnis zugrundeliegt. Danach ist insbesondere eine an Vorbefassung mit dem Rechtsstreit anknüpfende Zuweisung zum Kartellsenat nicht ausgeschlossen. Ob die Bestimmung zu II. B. 3. des Geschäftsverteilungsplans des Oberlandesgerichts eine solche Regelung gerade auch für den Kartellsenat treffen will, ist durch Auslegung zu ermitteln und im Streitfall vom Präsidium des Oberlandesgerichts zu klären (vgl. Voß in KK-KartR, § 91 GWB Rn. 19). Da der Beschluss des Präsidiums des Oberlandesgerichts vom 18. Juli 2013 keine Begründung enthält, wird der Kartellsenat gegebenenfalls das Präsidium erneut mit der Sache zu befassen haben.