OLG Frankfurt a. M.: Zur Zulässigkeit von auf den Vertrieb von Luxus- und Prestigewaren gerichteten selektiven Vertriebssystemen – Vorlagebeschluss
OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 19.4.2016 – 11 U 96/14 (Kart)
Volltext: BB-Online BBL2016-1154-3
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Tenor
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gem. Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Auslegung des Unionsrechts vorgelegt:
1. Können selektive Vertriebssysteme, die auf den Vertrieb von Luxus- und Prestigewaren gerichtet sind und primär der Sicherstellung eines "Luxusimages" der Waren dienen, einen mit Art. 101 Abs. 1 AEUV vereinbaren Bestandteil des Wettbewerbs darstellen?
2. Falls die Frage zu 1) bejaht wird:
Kann es einen mit Art. 101 Abs. 1 AEUV vereinbaren Bestandteil des Wettbewerbs darstellen, wenn den auf der Einzelhandelsstufe tätigen Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems pauschal verboten wird, bei Internetverkäufen nach außen erkennbar Drittunternehmen einzuschalten, ohne dass es darauf ankommt, ob im konkreten Fall die legitimen Qualitätsanforderungen des Herstellers verfehlt werden?
3. Ist Art. 4 lit b der Verordnung (EU) Nr. 330/2010 dahingehend auszulegen, dass ein den auf der Einzelhandelsstufe tätigen Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems auferlegtes Verbot, bei Internetverkäufen nach außen erkennbar Drittunternehmen einzuschalten, eine bezweckte Beschränkung der Kundengruppe des Einzelhändlers darstellt?
4. Ist Art. 4 lit c der Verordnung (EU) Nr. 330/2010 dahingehend auszulegen, dass ein den auf der Einzelhandelsstufe tätigen Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems auferlegtes Verbot, bei Internetverkäufen nach außen erkennbar Drittunternehmen einzuschalten, eine bezweckte Beschränkung des passiven Verkaufs an Endverbraucher darstellt?
Aus den Gründen
I. Sachverhalt:
1) Die Klägerin ist einer der führenden Anbieter von Luxuskosmetik, so genannter "Depot-Kosmetik", in Deutschland. Sie vertreibt die im Klageantrag aufgeführten Marken im selektiven Vertrieb auf der Grundlage eines so genannten Depotvertrages, den die Klägerin bzw. mit ihr verbundene Gesellschaften in Europa einheitlich verwenden und der um verschiedene Spezialverträge ergänzt wird, welche dazu bestimmt sind, den selektiven Vertrieb der Klägerin auf einer geordneten und alle Aktivitäten erfassenden Grundlage zu organisieren.
Die Beklagte vertreibt seit vielen Jahren als autorisierter Einzelhändler ("Depositär") die Produkte der Klägerin sowohl in stationären Absatzstätten als auch im Internet. Der Internetverkauf erfolgt zum Teil über einen eigenen Internet-Shop und zum Teil über die Plattform "amazon.de". Teil des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertragswerks ist eine Zusatzvereinbarung über den Internetvertrieb, unter deren Ziff. 1 Abs. 3 es heißt:
"Die Führung eines anderen Namens oder die Einschaltung eines Drittunternehmens, für welches die Autorisierung nicht erteilt wurde, ist dem Depositär nicht gestattet."
Die Klägerin hat im März 2012 im Hinblick auf das Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 330/2010 (im Folgenden: Vertikal-GVO) ihre Depot- und Internet-Zusatzverträge für alle Abnehmer überarbeitet (zum genauen Wortlaut s. Bl. 46 ff d.A.). In dem Annex I zum Depotvertrag ist für Internetverkäufe folgende Regelung vorgesehen:
1.1. Elektronisches Schaufenster
Als Ausnahme der Schranken in Art. 1.3 des Depotvertrages ist der Depositär dazu berechtigt, die Produkte im Internet anzubieten und zu verkaufen. Dies gilt jedoch nur unter der Bedingung, dass der Depositär sein Internet-Geschäft als "elektronisches Schaufenster" des autorisierten Ladengeschäfts führt und dass hierbei der Luxuscharakter der Produkte gewahrt bleibt.
1. ...
2. ...
3. Der Gebrauch einer anderen Geschäftsbezeichnung ist ausdrücklich untersagt. Gleiches gilt für die erkennbare Einschaltung eines Drittunternehmens, welches nicht ein autorisierter Depositär von A ist.
(Fußnote hierzu : "Entsprechend ist es dem Depositär untersagt, mit Dritten eine Kooperation einzugehen, soweit diese Kooperation sich auf den Betrieb der Website richtet und soweit diese Kooperation nach außen sichtbar wird")
Die Beklagte hat das neue Vertragswerk nicht unterzeichnet.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin unter Berufung auf Ziff. 1.3 der Internet-Zusatzvereinbarung, der Beklagten zu untersagen, die im Klageantrag genannten Markenprodukte über die Plattform "amazon.de" zu vertreiben.
2) Das erstinstanzliche Gericht hat mit Urteil vom 31.07.2014 die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, die vertragliche Regelung, die den Internetvertrieb unter anderem Namen oder unter Einschaltung eines Drittunternehmens verbietet, verstoße gegen § 1 GWB bzw. Art. 101 Abs. 1 AEUV. Das Ziel der Aufrechterhaltung eines prestigeträchtigen Markenimages rechtfertige nach der Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache "Pierre Fabre" nicht die Einführung eines solchen - grundsätzlich wettbewerbsbeschränkenden - selektiven Vertriebssystems. Die entsprechende Regelung stelle auch eine unzulässige Kernbeschränkung gem. Art. 4 lit. c Vertikal-GVO dar. Zwar scheine nach Rdnr. 54 der Leitlinien zur Vertikal-GVO ein Verbot des Vertriebs über Drittplattformen zulässig. Dies müsse jedoch mit dem Urteil des Gerichtshofs in "Pierre Fabre" als überholt gelten.
Die Voraussetzungen einer Einzelfreistellung lägen ebenfalls nicht vor, weil nicht dargetan sei, dass der pauschale Ausschluss des Internetvertriebs über Drittplattformen mit Effizienzvorteilen verbunden sei, welche die mit der Vertriebsbeschränkung verbundenen Nachteile für den Wettbewerb überwögen. Jedenfalls sei ein pauschales Verbot nicht unerlässlich, weil es ebenso geeignete, aber weniger wettbewerbsbeschränkende Mittel gebe, wie z.B. spezifische Qualitätskriterien für Drittplattformen.
Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge in geringfügig modifiziertem Umfang weiter.
II. Zum Vorbringen der Parteien (soweit für die Vorlagefragen relevant)
1) Die Klägerin hat klargestellt, dass sie hinsichtlich des genannten Verbotes auch gegenüber der Beklagten lediglich auf den Anforderungen besteht, die nach dem Vertragswerk von 2012 gegenüber ihren anderen Abnehmern gelten.
Sie hat ferner klargestellt, dass sich die Klausel zu 1.3. ihrer Internet-Zusatzvereinbarung nur gegen solche nach außen sichtbare Kooperationen mit Dritten richte, die sich auf den Betrieb der Website beziehen. Ohne weiteres zulässig seien Kooperationen mit rein technischen Dienstleistern, die nach der E-Commerce-Richtlinie haftungsprivilegiert seien, sowie wie z.B. mit Bezahlsystemen; zulässig sei auch - bei Erfüllung bestimmter qualitativer Voraussetzungen - die Bewerbung der Produkte unter Einschaltung Dritter sowie die Nutzung von (Preis-)Suchmaschinen.
Die gegenständlichen Marken seien dem Bereich der Prestige- und Luxuskosmetik zuzuordnen. Käufer von Luxusprodukten erwarteten eine den Produkten entsprechende hochwertige Präsentation und Verkaufsumgebung.
Durch den Selektivvertrieb werde eine gleichartige Markenwahrnehmung sichergestellt, welche zur Stärkung der Marke beitrage.
Die Klägerin lasse zulässigerweise nur diejenigen Handelspartner zum Internethandel zu, die bereits mit einem stationären Ladengeschäft die vorgegebenen stationären Qualitätskriterien erfüllen. Für den Internethandel verlange sie ein "elektronisches Schaufenster", das an die zugelassene Niederlassung als Qualitätsort angebunden sei. Mit diesem Konzept des "elektronischen Schaufensters" bestimme sie die Website des Händlers als Pendant zur "zugelassene Niederlassung" im stationären Handel. Das streitgegenständliche Verbot sei unmittelbar qualitätsorientiert und qualitätsfördernd, weil es für den Außenauftritt an diejenige Kennzeichnung anknüpfe, unter welcher der Händler seine stationäre Fachhandelskompetenz nachgewiesen habe. Eine auf den Betrieb der Website gerichtete Kooperation mit einem Dritten habe zur Folge, dass die Klägerin zur Vermeidung einer Diskriminierung auch die Einhaltung ihrer Qualitätskriterien auf dessen Website zu kontrollieren habe. Bei den marktführenden Plattformen wie "amazon" oder "ebay" sei auch dann, wenn diese sich lediglich als "Marktplatz" verstünden, die Wahrnehmung breiter Verkehrskreise so, dass diese "bei Amazon" oder "bei ebay" einkaufen. Die Duldung eines Verkaufs auf derartigen Plattformen käme daher einem Vertrieb durch nicht zugelassene Händler gleich.
Im Übrigen stehe der Klägerin auch als Markeninhaberin ein Recht zur Beschränkung des Weitervertriebs und zum Ausschluss qualitätsmindernder Vertriebsformen zu. Hinsichtlich der Marken "X" und "Y" sei sie Rechteinhaberin und als solche berechtigt, ihren Depositären als Lizenznehmern Qualitätsvorgaben zu machen.
Jedenfalls sei der Depotvertrag der Klägerin nach der Vertikal-GVO freigestellt.
Der Marktanteil der Klägerin auf dem Angebotsmarkt der Depotkosmetik betrage 20,3 %; der Anteil der Beklagten auf dem Nachfragemarkt liege ebenfalls unter der 30%-Schwelle des Art. 2 Abs. 1 Vertikal-GVO.
Es liege auch kein Verstoß gegen Art. 4 lit. c Vertikal-GVO vor. Potentielle Umsatzverluste durch das streitgegenständliche Verbot im Internet-Vertrieb seien den potentiellen Verlusten vergleichbar, die der Händler im stationären Vertrieb durch die Bindung an die autorisierte Absatzstätte erleide.
Auch Art. 4 lit. b der VertikalGVO sei nicht einschlägig. Diese Vorschrift betreffe das Thema der Marktaufteilung als einem Verhalten, das neben der Preisabsprache zum Kernbereich des Kartellverbotes zähle. Im Falle von Beschränkungen des Internet-Vertriebes liege jedoch keine Marktaufteilung vor mit dem Effekt, dass die "frei" werdenden Kunden für einen der Beteiligten an der Vereinbarung zugänglich werden. Im Übrigen schließe die Klägerin durch ihre Verträge weder die Internet-Kunden noch die Plattform-Kunden generell aus. Ihre Verträge zielten nicht auf eine bestimmte Kundengruppe, sondern auf bestimmte Vertriebskanäle.
2) Die Beklagte verteidigt die Ausführungen des landgerichtlichen Urteils.
Die dem Händler im Rahmen des selektiven Vertriebssystems auferlegten Beschränkungen seien nicht mit Rücksicht auf die Eigenschaften der Produkte, die Wahrung ihrer Qualität und die Gewährleistung ihres richtigen Gebrauchs erforderlich.
Sie bestreitet, dass der Verbraucher auch im Internet eine entsprechend hochwertige Verkaufsumgebung erwarte. Der Verbraucher habe sich daran gewöhnt, dass eine solche im Internet nicht gegeben sei. Er sei dort auch weniger an der prestigeträchtigen Präsentation interessiert als an der bequemen und preisgünstigen Einkaufsmöglichkeit.
Die Klägerin wende ihr Vertriebssystem im Übrigen auch nicht diskriminierungsfrei an.
III. Zum rechtlichen Rahmen
Der streitgegenständliche Anspruch ist nach dem Wortlaut von Ziff. 1 Abs 3 der zwischen den Parteien abgeschlossenen Internet-Zusatzvereinbarung begründet. Allerdings könnte die Klägerin aus dieser Vereinbarung keine Rechte herleiten, wenn diese gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen würde (Vorlagefragen zu 1) und 2)) und nicht nach Art. 101 Abs. 2 AUEV (Vorlagefragen zu 3) und 4)) oder Art. 101 Abs. 3 AEUV frei gestellt wäre.
Das hier in Rede stehende Vertragssystem ist Teil eines europaweit bestehenden qualitativen selektiven Vertriebssystems des Konzerns der Klägerin, durch das der wettbewerblichen Handlungsfreiheit der teilnehmenden Händler deutliche Restriktionen auferlegt werden.
Dabei ist zu beachten, dass eine Beeinflussung des Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt nur (noch) von dem aktuellen Vertragssystem ausgehen kann, das die Klägerin mit der überwiegenden Mehrzahl ihrer Händler abgeschlossen hat, und nicht von dem nur im Verhältnis zur Beklagten noch gültigen alten Vertrag. Bei der Prüfung der Frage, ob das Vertriebssystem der Klägerin wettbewerbswidrig ist, ist daher auf das neue Vertragssystem abzustellen, auf das sich die Klägerin hinsichtlich der vorliegend streitgegenständlichen Klauseln auch beruft.
Maßgeblich ist daher die Zulässigkeit der oben unter I wiedergegebenen Klausel I.1.3 des Annexes zum Depotvertrag 2012.
IV. Zu den Vorlagefragen 1) und 2)
Die ersten beiden Vorlagefragen betreffen die Auslegung von Art. 101 Abs. 1 AEUV.
1) Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, dass es legitime Bedürfnisse geben kann, die eine Einschränkung des Preiswettbewerbes zu Gunsten anderer Wettbewerbsfaktoren rechtfertigen und dass deshalb die Organisation eines Vertriebsnetzes der Art, wie es von der Klägerin betrieben wird, dann nicht unter das Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV fällt, wenn die Auswahl der Wiederverkäufer anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgt, die einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden, sofern die Eigenschaften des fraglichen Erzeugnisses zur Wahrung seiner Qualität und zur Gewährleistung seines richtigen Gebrauchs ein solches Vertriebsnetz erfordern und sofern die festgelegten Kriterien nicht über das erforderliche Maß hinausgehen (EuGH, Urteil vom 13.10.2011, C-439/09 - Pierre Fabre, GRUR 2012, 844 - Rdnr. 41; Urteil vom 15.10.1977, Rechtssache 26/76 - Metro I, WRP 1978, 234, Rdnr. 20; Urteil vom 11.12.1980, Rechtssache 31/80 - l...Oréal, GRUR-Int 1981, 315 -Rdnr. 15, 16)
2) Im vorliegenden Fall bestehen klärungsbedürftige Zweifel daran, ob die Eigenschaften der von der Klägerin vertriebenen Produkte die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen des von der Klägerin eingerichteten qualitativen selektiven Vertriebssystems rechtfertigen. Diese begründet ihr Vertriebssystem in der Präambel des Depotvertrages wie folgt: "Der Charakter der A-Marken verlangt nach einem selektiven Vertrieb zur Unterstützung des Luxus-Images dieser Marken".
Dies Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil l...Oréal sind überwiegend dahingehend verstanden worden, dass der Begriff der "Eigenschaften" im Sinne dieses Urteils gerade bei Luxuskosmetika nicht auf die materiellen Eigenschaften beschränkt werden kann, sondern auch die besondere Vorstellung, die die Verbraucher mit ihnen verbinden, namentlich ihre "Aura von Luxus" umfasst. Denn wie das Gericht der Europäischen Union in der Entscheidung vom 12.12.1996, T-88/92 - Leclerc ./. Givenchy näher ausgeführt hat: "Bei Luxuskosmetika und insbesondere Luxusparfums, den hauptsächlichen Produkten dieser Gruppe, handelt es sich erstens um verfeinerte und hochwertige Erzeugnisse, die Ergebnis besonderer Forschung sind und bei denen hochwertige Materialien, insbesondere für ihre Verpackung, verwendet werden; zweitens haben diese Produkte ein "Luxusimage", das sie von anderen ähnlichen Produkten, die kein solches Image haben, unterscheiden soll; drittens ist dieses Luxusimage in den Augen der Verbraucher wichtig, die es schätzen, Luxuskosmetika und insbesondere Luxusparfüms kaufen zu können. In den Augen der Verbraucher sind nämlich Luxuskosmetika kaum durch ähnliche Produkte aus anderen Marktsegmenten zu ersetzen" (EuG aaO.Rdnr. 108). Daher liege es auch im Interesse der Verbraucher, dass das Luxusimage solcher Produkte nicht beeinträchtigt werde (aaO Rdnr. 113). Dem hat sich die deutsche Rechtsprechung angeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 12.5.1998, KZR 23/96 - Depotkosmetik; Urteil vom 4.11.2003, KZR 2/02 - Depotkosmetik im Internet; OLG Karlsruhe, Urteil vom 21.11.2009, 6 U 47/08 (Kart)). Auch der Gerichtshof selbst hat in seiner Entscheidung vom 23.4.2009, C 59/08 - Copad ./. Dior bestätigt, dass die Qualität von Prestigewaren nicht allein auf ihren materiellen Eigenschaften, sondern auch auf ihrem Prestigecharakter beruhe, der ihnen eine luxuriöse Ausstrahlung verleihe. Die Schädigung dieser luxuriösen Ausstrahlung sei daher geeignet, die Qualität der Waren selbst zu beeinträchtigen (Rdnr. 24-26). Die Errichtung eines selektiven Vertriebssystems sei daher geeignet, zum Ansehen der fraglichen Waren und somit zur Wahrung ihrer luxuriösen Ausstrahlung beizutragen (Rdnr. 29).
In der Entscheidung vom 13.10.2011 in der Rechtssache C-439/09 - Pierre Fabre hat der Gerichtshof demgegenüber ausgeführt: "Das Ziel, den Prestigecharakter zu schützen, kann kein legitimes Ziel zur Beschränkung des Wettbewerbs sein und kann es daher nicht rechtfertigen, dass eine Vertragsklausel, mit der ein solches Ziel verfolgt wird, nicht unter Art. 101 Abs. 1 AEUV fällt" (GRUR 2012, 844, Rdnr. 46)
Diese Entscheidung ist in Deutschland teilweise (u.a. durch das erstinstanzliche Gericht im vorliegenden Fall) dahingehend verstanden worden, dass der Schutz eines "Luxusimages" überhaupt nicht mehr zur Rechtfertigung eines selektiven Vertriebssystems geeignet sein solle (Bundeskartellamt, Beschluss vom 26.8.2015 - B2-98/11 - Asics - Rdnr. 262).
Von anderer Seite wird die Auffassung vertreten, dass der Gerichtshof in der Rechtssache Pierre Fabre lediglich zum Ausdruck gebracht habe, dass der Schutz des Prestigecharakters der Marke nicht das im konkreten Fall gegenständliche Totalverbot jeglichen Online-Vertriebs rechtfertigen könne, wie dies auch der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen vom 3.3.2011 vorgeschlagen hatte (dort Rdnr. 54 ff). Der Gerichtshof habe aber damit nicht die bisherige europäische Rechtsprechung aufgeben wollen (Peeperkorn/Heimann, GRUR 2014, 1175, 1177; Lubberger, WRP 2015, 14, 18; zweifelnd auch Dethof, ZWeR 2012, 503, 512; Pfeffer, MarkenR 2012, 365, 368; KG Berlin, Urteil vom 19.9.2013, 2 U 8/09 (Kart).
Aus diesem Grunde wird der Gerichtshof gebeten, klarzustellen, ob ein wettbewerbsbeschränkendes selektives Vertriebssystem wie dasjenige der Klägerin, das vorwiegend der Wahrung der luxuriösen Ausstrahlung der vertriebenen Luxus- und Prestigewaren dient, in keinem Fall mehr als mit Art. 101 AEUV vereinbar angesehen werden kann, sondern insgesamt nur noch unter den Voraussetzungen der VertikalGVO - also insbesondere bei Nichtüberschreiten der Marktanteilsschwelle des Art. 2 - gruppenfreigestellt sein könnte oder nach Art. 101 Abs. 3 AEUV einer Einzelfreistellung bedürfte.
3) Sofern der Gerichtshof diese Frage positiv beantwortet, kommt es darauf an, ob die konkrete Klausel zur Wahrung des Luxuscharakters der klägerischen Produkte auch unter Berücksichtigung der Verbraucherinteressen erforderlich ist.
Für den herkömmlichen Vertrieb von hochwertigen Produkten, bei denen die Verbraucher das Luxusimage schätzen, ist anerkannt, dass Kriterien, die lediglich eine anspruchsvolle Präsentation sicherstellen sollen, auf ein Ergebnis zielen, das durch Bewahrung dieses Images den Wettbewerb verbessern und damit einen Ausgleich für die Wettbewerbsbeschränkung schaffen kann, die mit allen selektiven Vertriebssystemen einhergeht (EuG, Urteil vom 12.12.1996, T-88/92 - Leclerc ./. Givenchy Rdnr. 113). Eine solche anspruchsvolle Präsentation liefert einen Beitrag zu diesem Luxusimage und dient damit zur Aufrechterhaltung einer der Haupteigenschaften der von den Verbrauchern nachgefragten Produkte. Ein allgemeiner Verkauf der betreffenden Produkte würde im Ergebnis die Gefahr einer Verschlechterung der Präsentation der Produkte in den Verkaufsstellen mit sich bringen, die das "Luxusimage" und damit den eigentlichen Charakter dieser Produkte beeinträchtigen könnte. (EuG aaO. Rdnr. 114).
Zur Sicherstellung einer solchen anspruchsvollen Präsentation ist im Depotvertrag der Klägerin für den stationären Handel vorgesehen, dass jede konkrete Absatzstätte des Händlers von der Klägerin autorisiert werden muss, wobei jede Absatzstätte bestimmten, in Art. 2 des Vertrages näher aufgeführten Anforderungen hinsichtlich Umgebung, Ausstattung und Einrichtung genügen muss. So heißt es etwa unter Art. 2.1.3.des Depotvertrages 2012:
"Die Ausstattung und Einrichtung der Absatzstätte, das Warenangebot, die Werbung und die Verkaufspräsentation müssen den Luxus-Charakter der A-Marken herausstellen und unterstützen. Bei der Beurteilung dieses Kriteriums werden insbesondere die Fassade sowie die Innenausstattung, die Bodenbeläge, Art der Mauern, Decken, das Mobiliar sowie die Verkaufsfläche, ferner die Beleuchtung sowie ein sauberer und ordentlicher Gesamteindruck berücksichtigt".
Art. 2.1.6 bestimmt: "Die Kennzeichnung der Absatzstätte, sei es durch den Namen des Unternehmens, sei es durch Zusätze oder Firmenslogans, darf nicht den Eindruck einer eingeschränkten Warenauswahl, minderwertigen Ausstattung oder mangelhaften Beratung erwecken und muss im Übrigen so angebracht sein, dass Dekorationen und Schauflächen des Depositärs nicht verdeckt sind."
Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, dass dieselben Kriterien auch im Internethandel Anwendung finden können. Soweit die Beklagte in Zweifel zieht, dass die Präsentation im Internet tatsächlich Einfluss auf die Wertschätzung des Produktes haben könnte, mag zwar zutreffen, dass der Verbraucher zunächst primär an einer günstigen Bezugsmöglichkeit interessiert ist. Sein Interesse an einem "Luxusprodukt" wird jedoch umso geringer werden, umso weniger es aufgrund massenhafter und günstiger Verfügbarkeit noch das von ihm geschätzte Luxusimage aufweist.
Das vorlegende Gericht teilt insoweit die Auffassung der Kommission, die unter Tz. 54 der Leitlinien für vertikale Beschränkungen (2010/C 130/01) (im Folgenden: Leitlinien) für den Anwendungsbereich der VertikalGVO ausgeführt hat, dass ein Anbieter Qualitätsanforderungen an die Verwendung des Internets zum Weiterverkauf seiner Waren stellen dürfe, genauso wie er Qualitätsanforderungen an Geschäfte, den Versandhandel oder Werbe- und Verkaufsförderungsmaßnahmen im Allgemeinen stellen könne. Dabei dürfe ein Anbieter auch verlangen, dass seine Händler für den Online-Vertrieb der Vertragsprodukte nur im Einklang mit den Normen und Voraussetzungen, die zwischen dem Anbieter und seinen Händlern für deren Nutzung des Internets vereinbart wurden, Plattformen Dritter nutzen.
Danach darf die Klägerin auch für den Vertrieb ihrer Waren im Internet Vorgaben machen, die eine zur Wahrung des Luxusimages entsprechende Präsentation und "Verkaufsumgebung" gewährleisten.
Zweifelhaft erscheint allerdings, ob es dazu auch erforderlich sein kann, dem Händler generell zu verbieten, nach außen erkennbar Drittunternehmen einzuschalten.
Insoweit könnte ein generelles Drittplattform- bzw. Drittkennzeichnungsverbot in der vorliegenden Form unverhältnismäßig sein, weil es unabhängig davon gelten soll, ob im konkreten Fall tatsächlich die legitimen Qualitätsanforderungen des Herstellers verfehlt werden. Damit geht es möglicherweise über das hinaus, was der Hersteller im stationären Handel zulässigerweise fordern dürfte.
Für die Zulässigkeit könnte hingegen sprechen, dass die Einhaltung der legitimen Qualitätsstandards des Herstellers nur gesichert werden kann, wenn die Internet-"Verkaufsumgebung" durch den Depositär selbst gestaltet wird, der sich gegenüber dem Hersteller vertraglich zur Einhaltung dieser Standards verpflichtet hat, und nicht durch einen dritten Plattformbetreiber, auf dessen Außenauftritt und Geschäftsgebaren der Hersteller keinen Einfluss hat. Dies würde auch der "Logo-Klausel" in Tz 54 a.E. der Leitlinien zur Vertikal-GVO entsprechen, wo es heißt: "Befindet sich die Website des Händlers zum Beispiel auf der Plattform eines Dritten, könnte der Anbieter verlangen, dass Kunden die Website des Händlers nicht über eine Website aufrufen, die den Namen oder das Logo dieser Plattform tragen".
4) Die Vorlagefragen zu 1) und 2) sind entscheidungserheblich. Für den Fall, dass beide Fragen bejaht werden, würden die gegenständliche Vereinbarung nicht gegen Art. 101 AEUV verstoßen, da auch die weiteren Voraussetzungen eines nicht wettbewerbsbeschränkenden selektiven Vertriebssystems vorliegen. Die von der Klägerin festgelegten Bedingungen werden einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und werden nach dem aktuellen Sach- und Streitstand von der Klägerin auch diskriminierungsfrei angewendet.
a) Zwar ist nach den beklagtenseits vorgelegten Unterlagen davon auszugehen, dass faktisch die streitgegenständlichen Markenprodukte der Klägerin in nicht unerheblichem Umfang auch auf der Plattform "amazon.de" zum Kauf angeboten werden, und dass solche Produkte immer wieder bei Discountern verfügbar sind, welche unzweifelhaft nicht die von der Klägerin aufgestellten Qualitätskriterien erfüllen.
Allerdings hängt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Rechtswirksamkeit eines selektiven Vertriebssystems nicht davon ab, dass der Hersteller imstande ist, dessen Lückenlosigkeit zu gewährleisten (Urteil vom 13.1.1994, C-376/92 - Cartier; Urteil vom 05. Juni 1997 - C-41/96 - VAG Händlerbeirat).
Deshalb geht das vorlegende Gericht in Übereinstimmung mit der deutschen Literatur und Rechtsprechung davon aus, dass die Lückenhaftigkeit eines selektiven Vertriebssystems einer diskriminierungsfreien Anwendung nicht entgegensteht, sofern den Lücken im Vertriebsnetz eine nachvollziehbare und willkürfreie Vertriebspolitik zu Grunde liegt (KG, Urteil vom 19.9.2013, 2 U 8/09, Schulranzen und -rucksäcke, WRP 2013, 1517, Rdnr. 57; OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.11.2009, 6 U 47/08 Kart; Zimmer in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., § 1 GWB Rdnr. 327).
Dies ist nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme vorliegend der Fall. Danach steht zur Überzeugung des vorlegenden Gerichts zum einen fest, dass die Klägerin selbst weder "amazon" noch "ebay" noch Discounter direkt beliefert. Es steht zum anderen fest, dass die Klägerin ein System eingerichtet hat, das grundsätzlich geeignet ist sicherzustellen, dass nur solche Händler beliefert werden, die die Anforderungen des Depotvertrages einhalten. Zwar kommt es faktisch immer wieder zu Verstößen, indem Vertragshändler ihrerseits die Waren vertragswidrig an Dritthändler weiterverkaufen oder durch Grauimporte von außerhalb des Binnenmarktes. Allerdings ist nicht ersichtlich, dass derartige Verstöße von der Klägerin systematisch geduldet werden.
(2) Auch der Umstand, dass die Klägerin den Verkauf ihrer Produkte in Flugzeugen und an Flughäfen in einem Umfeld zulässt, in dem auch "Billigprodukte" verkauft werden, stellt aus Sicht des vorlegenden Gerichts die diskriminierungsfreie Anwendung ihres selektiven Vertriebssystems nicht in Frage. Die Klägerin begründet dies überzeugend mit einer branchenüblichen Fortsetzung des früheren Duty-Free-Verkaufs. Auch wenn heute eine Flugreise nicht mehr per se als etwas "Besonderes" wahrgenommen wird, erscheint der zwingend an den Kauf eines Flugtickets gekoppelten Airline- und Flughafenvertrieb doch genügend Abstand von dem allgemeinen Verkauf in einem außerhalb von Flughäfen gelegenen Laden oder einem jedermann zugänglichen Internetangebot zu haben, so dass eine Gefährdung des Luxusimages hierdurch nicht zu befürchten ist.
V. Zu den Vorlagefrage 3) und 4):
Die 3. und 4. Vorlagefrage betreffen die Frage, ob für den Fall, dass dem selektiven Vertriebssystems der Klägerin eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung i.S.d.Art 101 Abs. 1 AEUV zukommt, dieses gleichwohl nach Art. 101 Abs. 2 AEUV i.V.m. der Vertikal-GVO freigestellt ist.
Nach der Auffassung des vorlegenden Gerichts ist diese Frage auf der Grundlage des derzeitigen Sach- und Streitstandes zwar nur für den Fall entscheidungserheblich, dass der Gerichtshof die Vorlagefragen zu 1) und 2) verneint.
Im Hinblick darauf, dass einerseits das vorlegende Berufungsgericht nicht letztinstanzlich über den Rechtsstreit entscheidet und nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Revisionsgericht zu der Frage, ob auch die weiteren Voraussetzungen eines nicht wettbewerbsbeschränkenden selektiven Vertriebssystems erfüllt sind, eine andere Rechtsauffassung vertritt als das vorlegende Gericht, und dass andererseits sich auch die tatsächlichen Gegebenheiten bis zum Erlass des Berufungsurteils durch das vorlegende Gericht noch ändern können, wird der Gerichtshof gebeten, die Vorlagefragen zu 3) und 4) auch dann zu beantworten, wenn er die Vorlagefragen zu 1) und 2) bejaht.
1) Wären die Voraussetzungen eines zulässigen selektiven Vertriebssystems entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts vorliegend nicht erfüllt, wäre ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV zu bejahen.
Denn entgegen der Auffassung der Klägerin kann nicht davon ausgegangen werden, dass das gegenständliche Drittplattformverbot den Wettbewerb nur geringfügig beeinträchtigt und daher nicht spürbar ist. Selbst wenn die Wettbewerbsbeeinträchtigung noch nicht, wie dies bei einem totalen Internet-Verbot der Fall wäre, als "bezweckte Wettbewerbsbeschränkung" anzusehen wäre, so ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass die von der Kommission in der aktuellen De-minimis-Bekanntmachung 2014/C 291/01 unter Ziff. 8-12 definierten Marktanteilsschwellen vorliegend unterschritten werden. Soweit die Klägerin meint, eine fehlende Spürbarkeit ergebe sich daraus, dass der Internethandel bei Depotkosmetik nur 10 % des Gesamtumsatzes betrage, erscheint dies nicht überzeugend, da auf den gesamten von der Vereinbarung betroffenen Markt abzustellen ist - im Übrigen dürfte auch hier wie in anderen Bereichen von einer stetigen Zunahme des Internethandels auszugehen sein. Zum anderen teilt das vorlegende Gericht die Auffassung des Bundeskartellamtes, wonach bei einem per se-Verbot von online Marktplätzen die Chancen kleiner und mittlerer Händler deutlich sinken (Bundeskartellamt, Fallbericht vom 19.8.2014 B3-137/12 - adidas S. 4).
Es ist daher zu prüfen, ob die selektive Vertriebsvereinbarung nach Art. 2 Abs. 1 Vertikal-GVO freigestellt ist.
2) Art. 3 Abs. 1 VertikalGVO steht einer Freistellung nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kommt eine Freistellung nur dann in Betracht, wenn die Marktanteile der an einer Vertikalabsprache beteiligten Vertragspartner jeweils nicht mehr als 30 % betragen.
In sachlicher Hinsicht ist dabei von einem Markt für Luxuskosmetik auszugehen. Da das Luxusimage für den Verbraucher gerade ein wichtiges Abgrenzungskriterium ist, um die Produkte von ähnlichen Produkten zu unterscheiden, sind sie auch nicht durch andere Produkte aus ähnlichen Marktsegmenten zu ersetzen (EuG, Urteil vom 12.12.1996, T-88/92 Leclerc./.Givenchy - Rdnr. 108; ebenso BGH, Urteil vom 12.5.1998, KZR 23/96 - Depotkosmetik; Urteil vom 4.11.2003, KZR 2/02 - Depotkosmetik im Internet).
In räumlicher Hinsicht geht das vorlegende Gericht entsprechend dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien von der Maßgeblichkeit eines deutschen (Teil-)Marktes aus.
Nach den von den Parteien vorgelegten Unterlagen steht zur Überzeugung des vorlegenden Gerichts fest, dass nicht nur die Beklagte, bei der ein geringerer Marktanteil außer Streit steht, sondern auch die Klägerin auf dem relevanten Markt über einen Marktanteil von weniger als 30 % verfügt.
Es kommt daher darauf an, ob das gegenständliche Verbot eine Kernbeschränkung i.S.d Art. 4 Vertikal-GVO darstellt.
3) Nach Art. 4 lit. b Vertikal2GVO gilt die Freistellung nicht für vertikale Vereinbarungen, die mittelbar oder unmittelbar "die Beschränkung des Gebiets oder der Kundengruppe, in das oder an die ein an der Vereinbarung beteiligter Abnehmer, vorbehaltlich einer etwaigen Beschränkung in Bezug auf den Ort seiner Niederlassung, Vertragswaren oder-Dienstleistungen verkaufen darf...".
Mit der Vorlagefrage zu 3) bittet das vorlegende Gericht um Auslegung dieser Bestimmung.
a) Dafür, dass ein Verbot der vorliegenden Art eine Kernbeschränkung i.S.d. Art. 4 lit.b bedeutet, lässt sich argumentieren, dass durch ein solches Verbot, das insbesondere den Verkauf über Plattformen mit einer großen Reichweite wie "amazon" oder "ebay" ausschließt, der Kreis der vom Händler zu erreichenden Internetkunden eingeschränkt werde. Denn es komme dem Hersteller gerade darauf an, den Absatz an diejenigen Internetkunden zu untersagen, die sich über die genannten Plattformen über das Warenangebot informieren und ihre Kaufentscheidung treffen wollen (so KG, Urteil vom 19.9.2013, 2 U 8/09, Schulranzen und -rucksäcke WRP 2013, 1517 Rdnr. 76; OLG Schleswig, Urteil von 5.6.2014, 16 U (Kart) 154/13).
b) Dagegen spricht, dass innerhalb der Gruppe der Internet-Käufer die Kunden von Drittplattformen nicht abgrenzbar sein dürften. Die (potentiellen) Kunden solcher Plattformen können ohne Weiteres auch über andere Internetvertriebsformen erreicht werden (vgl. OLG München, Urteil vom 2.7.2009, U (K) 4842/08).
Im Übrigen dürfte durch das Plattform verbot der von der Kommission intendierte Zweck des Art. 4 lit b Vertikal-GVO nicht tangiert werden. Diese liegt ausweislich der Leitlinien Nr. 50, 168 darin, eine Marktaufteilung zu verhindern, weil eine solche einer Preisdiskriminierung Vorschub leisten und ein kollusives Verhalten von Anbietern und/oder Abnehmern begünstigen würde.
c) Die Klägerin macht darüber hinaus geltend, jedenfalls greife insoweit die Rückausnahme des Art. 4 lit. b) i), weil es sich bei einem Verkauf über eine Drittplattform anders als bei einem Verkauf über die eigene Website des Händlers um einen aktiven Verkauf handele (ebenso Nolte in : Langen/Bunte, Kartellrecht, 12. Aufl., Bd. 2, nach Art 101 Rdnr. 847). Dies erscheint jedoch zweifelhaft, da die Kunden in der Regel aus eigenem Antrieb und nicht veranlasst durch konkrete (Werbe-)Maßnahmen des Händlers die Website einer Plattform aufrufen und dort nach den Produkten suchen werden.
4) Nach Art. 4 lit c Vertikal2GVO gilt die Freistellung weiter nicht für "die Beschränkung des aktiven oder passiven Verkaufs an Endverbraucher durch auf der Einzelhandelsstufe tätige Mitglieder eines selektiven Vertriebssystems....".
a) Unter diese Kernbeschränkung fällt nach allgemeiner Auffassung und auch der Rechtsprechung des Gerichtshofs ein vollständiges (de facto-) Verbot an den Abnehmer, die Ware über das Internet zu vertreiben (EuGH, Pierre Fabre; Leitlinien Tz.. 56; BGH GRUR 2004, 351 - Depotkosmetik im Internet; BKartA, Hintergrundpapier "Vertikale Beschränkungen in der Internetökonomie" S. 23; Ellger, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., Art. 4 Vertikal-GVO Rdnr. 91).
b) Allerdings fällt nicht jede Regulierung des online-Handels ohne Weiteres unter diese Klausel. Auch in diesem Bereich kann der Anbieter dem Abnehmer Qualitätsanforderungen auferlegen. Die Kriterien für den online-Vertrieb müssen das gleiche Ziel verfolgen und unter vergleichbare Ergebnisse erzielen wie diejenigen für den offline-Handel (Leitlinien Tz. 56, Ellger in: Immenga/Mestmäcker aaO).
c) Welche Anforderungen dabei eine noch zulässige Beschränkung darstellen, ist im Einzelnen umstritten.
Nach der "Logo-Klausel" in Tz 54 a.E. der Leitlinien würde die vorliegend streitgegenständliche Klausel noch zulässig sein.
Demgegenüber vertritt etwa das Bundeskartellamt die Auffassung, dass ein Per-Se-Verbot jeglichen Verkaufs über Online-Marktplätze - bei denen regelmäßig das Logo des Markplatzes nach außen sichtbar ist - sich gegen den Internetverkauf als solchen richte und nicht vergleichbar sei mit Qualitätskriterien, die den stationären Handel betreffen (Fallbericht adidas, B3-137/12).
Dabei ist im vorliegenden Fall freilich auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin ihren Depositären eine Bewerbung im Internet auf Drittplattformen und die Verwendung von Suchmaschinen gestattet, so dass auf diese Weise die wettbewerbsbeeinträchtigende Wirkung des streitgegenständlichen Verbotes deutlich gemildert ist. Jeder Kunde, der ein Produkt der gegenständlichen Art im Internet sucht, wird bei der üblichen Nutzung von Suchmaschinen auf die Webseiten der Depositäre der Klägerin stoßen, über die er die Produkte erwerben kann. Der Umstand, dass größere Händler durch entsprechende Zahlung in der Lage sein könnten, bessere Suchmaschinenplatzierungen zu erreichen als kleinere, kann nach Auffassung des vorlegenden Gerichts noch nicht einer Beschränkung des Verkaufs für kleinere Händler gleich gestellt werden.
Das vorlegende Gericht bittet daher auch um Auslegung der Bestimmung des Art. 4 lit c Vertikal-GVO.