OLG Frankfurt: Zur Zulässigkeit eines pauschalen Internet-Plattformverbotes im selektiven Vertrieb
OLG Frankfurt, Urteil vom 12.7.2018 – 11 U 96/14 (Kart)
ECLI: ECLI:DE:OLGHE:2018:0712.11U96.14KART.00
Volltext: BB-ONLINE BBL2018-2190-1
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Amtlicher Leitsatz
Ein im Rahmen eines qualitativen selektiven Vertriebssystem enthaltenes Verbot, bei Vertrieb der Vertragsprodukte im Internet nach außen erkennbar Dritte (Verkaufsplattformen) einzuschalten, stellt keine Kernbeschränkung im Sinne des Art. 4 Buchst. b) und c) der Verordnung Nr. 330/2010 (VertikalGVO) dar, wenn der Hersteller gleichzeitig die Nutzung von Suchmaschinen/Preisvergleichsseiten zulässt.
VertikalGVO Art. 3, VertikalGVO Art. 4, GWB § 1, GWB § 19, GWB § 20, AEUV Art. 101
Sachverhalt
I.
Die Klägerin vertreibt Markenkosmetikprodukte in Deutschland. Sie vertreibt die im Klageantrag aufgeführten Marken im selektiven Vertrieb auf der Grundlage eines so genannten Depotvertrages, den die Klägerin bzw. mit ihr verbundene Gesellschaften in Europa einheitlich verwenden und der um verschiedene Spezialverträge ergänzt wird, welche dazu bestimmt sind, den selektiven Vertrieb der Klägerin auf einer geordneten und alle Aktivitäten erfassenden Grundlage zu organisieren.
Die Beklagte vertreibt seit vielen Jahren als autorisierter Einzelhändler ("Depositär") die Produkte der Klägerin sowohl in stationären Absatzstätten als auch im Internet. Der Internetverkauf erfolgt zum Teil über einen eigenen Internet-Shop und zum Teil über die Plattform "amazon.de". Teil des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertragswerks in der letzten Fassung vom 19./23.9.2011 ist eine Zusatzvereinbarung über den Internetvertrieb, unter deren Ziff. 1 Abs. 3 es heißt:
"Die Führung eines anderen Namens oder die Einschaltung eines Drittunternehmens, für welches die Autorisierung nicht erteilt wurde, ist dem Depositär nicht gestattet."
Die Klägerin hat im März 2012 im Hinblick auf das Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission vom 20. April 2010 (im Folgenden: Vertikal-GVO) ihre Depot- und Internet-Zusatzverträge für alle Abnehmer überarbeitet. In Annex I zum Depotvertrag ist für Internetverkäufe nunmehr folgende Regelung vorgesehen:
1.1 Elektronisches Schaufenster
Als Ausnahme der Schranken in Art. 1.3 des Depotvertrages ist der Depositär dazu berechtigt, die Produkte im Internet anzubieten und zu verkaufen. Dies gilt jedoch nur unter der Bedingung, dass der Depositär sein Internet-Geschäft als "elektronisches Schaufenster" des autorisierten Ladengeschäfts führt und dass hierbei der Luxuscharakter der Produkte gewahrt bleibt.
1. ...
2. ...
3. Der Gebrauch einer anderen Geschäftsbezeichnung ist ausdrücklich untersagt. Gleiches gilt für die erkennbare Einschaltung eines Drittunternehmens, welches nicht ein autorisierter Depositär von A ist.
(Fußnote hierzu: "Entsprechend ist es dem Depositär untersagt, mit Dritten eine Kooperation einzugehen, soweit diese Kooperation sich auf den Betrieb der Website richtet und soweit diese Kooperation nach außen sichtbar wird")
Wegen des weiteren Inhalts des Vertragswerkes von 2012 wird auf die Anlage B 22, Bl. 46 ff d.A., Bezug genommen.
Die Beklagte hat das neue Vertragswerk nicht unterzeichnet.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin unter Berufung auf Ziff. 1.3 der Internet-Zusatzvereinbarung des Depotvertrages vom 19./23.9.2011 der Beklagten zu untersagen, die im Klageantrag genannten Markenprodukte über die Plattform "amazon.de" zu vertreiben.
Wegen des Sachverhaltes im Einzelnen und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, die vertragliche Regelung, die den Internetvertrieb unter anderem Namen oder unter Einschaltung eines Drittunternehmens verbietet, verstoße gegen § 1 GWB bzw. Art. 101 Abs. 1 AEUV. Das Ziel der Aufrechterhaltung eines prestigeträchtigen Markenimages rechtfertige nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "Pierre Fabre" nicht die Einführung eines solchen - grundsätzlich wettbewerbsbeschränkenden - selektiven Vertriebssystems. Die entsprechende Regelung stelle auch eine unzulässige Kernbeschränkung gem. Art. 4 lit. c Vertikal-GVO dar. Zwar scheine nach Rdnr. 54 der Leitlinien zur Vertikal-GVO ein Verbot des Vertriebs über Drittplattformen zulässig. Dies müsse jedoch mit dem Urteil des EuGH in "Pierre Fabre" als überholt gelten.
Die Voraussetzungen einer Einzelfreistellung lägen ebenfalls nicht vor, weil nicht dargetan sei, dass der pauschale Ausschluss des Internetvertriebs über Drittplattformen mit Effizienzvorteilen verbunden sei, welche die mit der Vertriebsbeschränkung verbundenen Nachteile für den Wettbewerb überwögen. Jedenfalls sei ein pauschales Verbot nicht unerlässlich, weil es ebenso geeignete, aber weniger wettbewerbsbeschränkende Mittel gebe, wie z.B. spezifische Qualitätskriterien für Drittplattformen.
Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge in geringfügig modifiziertem Umfang weiter.
Dabei hat sie klargestellt, dass sie hinsichtlich des genannten Verbotes auch gegenüber der Beklagten lediglich auf den Anforderungen besteht, die nach dem Vertragswerk von 2012 gegenüber ihren anderen Abnehmern gelten. Die Klausel zu 1.1.3. ihrer entsprechenden Internet-Zusatzvereinbarung richte sich nur gegen solche nach außen sichtbare Kooperationen mit Dritten, die sich auf den Betrieb der Website beziehen. Ohne weiteres zulässig seien Kooperationen mit rein technischen Dienstleistern, die nach der E-Commerce-Richtlinie haftungsprivilegiert seien, sowie wie z.B. mit Bezahlsystemen; zulässig sei auch - bei Erfüllung bestimmter qualitativer Voraussetzungen – die Bewerbung der Produkte unter Einschaltung Dritter sowie die Nutzung von (Preis-)Suchmaschinen.
Die gegenständlichen Marken seien dem Bereich der Prestige- und Luxuskosmetik zuzuordnen. Käufer von Luxusprodukten erwarteten eine den Produkten entsprechende hochwertige Präsentation und Verkaufsumgebung. Durch den Selektivvertrieb werde eine gleichartige Markenwahrnehmung sichergestellt, welche zur Stärkung der Marke beitrage.
Die Klägerin lasse zulässigerweise nur diejenigen Handelspartner zum Internethandel zu, die bereits mit einem stationären Ladengeschäft die vorgegebenen stationären Qualitätskriterien erfüllen. Für den Internethandel verlange sie ein "elektronisches Schaufenster", das an die zugelassene Niederlassung als Qualitätsort angebunden sei. Mit diesem Konzept des "elektronischen Schaufensters" bestimme sie die Website des Händlers als Pendant zur "zugelassene Niederlassung" im stationären Handel. Das streitgegenständliche Verbot sei unmittelbar qualitätsorientiert und qualitätsfördernd, weil es für den Außenauftritt an diejenige Kennzeichnung anknüpfe, unter welcher der Händler seine stationäre Fachhandelskompetenz nachgewiesen habe. Eine auf den Betrieb der Website gerichtete Kooperation mit einem Dritten habe zur Folge, dass die Klägerin zur Vermeidung einer Diskriminierung auch die Einhaltung ihrer Qualitätskriterien auf dessen Website zu kontrollieren habe. Bei den marktführenden Plattformen wie "amazon" oder "ebay" sei auch dann, wenn diese sich lediglich als "Marktplatz" verstünden, die Wahrnehmung breiter Verkehrskreise so, dass diese "bei Amazon" oder "bei ebay" einkaufen. Die Duldung eines Verkaufs auf derartigen Plattformen käme daher einem Vertrieb durch nicht zugelassene Händler gleich.
Im Übrigen stehe der Klägerin auch als Markeninhaberin ein Recht zur Beschränkung des Weitervertriebs und zum Ausschluss qualitätsmindernder Vertriebsformen zu. Hinsichtlich der Marken "G" und "I" sei sie Rechteinhaberin und als solche berechtigt, ihren Depositären als Lizenznehmern Qualitätsvorgaben zu machen. Das Erstvertriebsrecht des Markeninhabers setzte dem Kartellverbot Schranken.
Jedenfalls sei der Depotvertrag der Klägerin nach der Vertikal-GVO freigestellt.
Der Marktanteil der Klägerin auf dem Angebotsmarkt der Depotkosmetik betrage 20,3 %; der Anteil der Beklagten auf dem Nachfragemarkt liege ebenfalls unter der 30%-Schwelle des Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO.
Es liege auch kein Verstoß gegen Art. 4 lit. c Vertikal-GVO vor. Potentielle Umsatzverluste durch das streitgegenständliche Verbot im Internet-Vertrieb seien den potentiellen Verlusten vergleichbar, die der Händler im stationären Vertrieb durch die Bindung an die autorisierte Absatzstätte erleide.
Auch Art. 4 lit. b der VertikalGVO sei nicht einschlägig. Diese Vorschrift betreffe das Thema der Marktaufteilung als einem Verhalten, das neben der Preisabsprache zum Kernbereich des Kartellverbotes zähle. Im Falle von Beschränkungen des Internet-Vertriebes liege jedoch keine Marktaufteilung vor mit dem Effekt, dass die "frei" werdenden Kunden für einen der Beteiligten an der Vereinbarung zugänglich werden. Im Übrigen schließe die Klägerin durch ihre Verträge weder die Internet-Kunden noch die Plattform-Kunden generell aus. Ihre Verträge zielten nicht auf eine bestimmte Kundengruppe, sondern auf bestimmte Vertriebskanäle.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 31. Juli 2014, Az. 2-03 O 128/13 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen,
von der Klägerin an die Beklagte gelieferte kosmetische Produkte der Marken "C", "D", "B", "E", "F", "G", "H", "I", "K", "J" und "L" im Internet in Angebotsseiten unter www.amazon.de zu bewerben und/oder zum Verkauf anzubieten und/oder bewerben zu lassen und/oder zum Verkauf anbieten zu lassen;
hilfsweise:
von der Klägerin an die Beklagte gelieferte kosmetische Produkte der Marken "G" und "I" im Internet auf den Angebotsseiten unter www.amazon.de zu bewerben und/oder zum Verkauf anzubieten und/oder bewerben zu lassen und/oder zum Verkauf anbieten zu lassen;
höchst hilfsweise:
festzustellen, dass die Beklagten nicht berechtigt ist, ihr von der Klägerin gelieferte kosmetische Produkte unter den Marken "C", D", "B", "E", "F", "G", "H", "I", "K", "J" und "L" im Internet auf der Verkaufsplattform unter www.amazon.de zu bewerben und/oder zum Verkauf anzubieten und/oder bewerben zu lassen und/oder zum Verkauf anbieten zu lassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die Ausführungen des landgerichtlichen Urteils.
Die dem Händler im Rahmen des selektiven Vertriebssystems auferlegten Beschränkungen seien nicht mit Rücksicht auf die Eigenschaften der Produkte, die Wahrung ihrer Qualität und die Gewährleistung ihres richtigen Gebrauchs erforderlich.
Die Produkte der Klägerin wiesen keinen Luxuscharakter auf; Entsprechendes habe die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen. Der selektive Vertrieb diene allein preis-/vertriebspolitischen Erwägungen. Parfüms und Kosmetikprodukte würden vom Verbraucher generell als bloße Alltagsprodukte wahrgenommen. Die unter den streitgegenständlichen Marken angebotenen Produkte höben sich preislich nicht in einer Weise von den Produkten der Konkurrenz ab, die einen Erwerb aus Sicht des Verbrauchers zu einer Luxusanschaffung werden ließen. Der Verbraucher nehme die Produkte der Klägerin als alltägliche Massenware wahr.
Im Übrigen begründe der Vertrieb über die Internethandelsplattformen Dritter keine Beeinträchtigung eines etwaigen Luxuscharakters. Gerade Käufer im Internet seien erfahrungsgemäß deutlich weniger an einer prestigerichtigen Präsentation von Markenprodukten interessiert als an einer bequemen und preisgünstigen Einkaufsmöglichkeit; sie müssten schon aus technischen Gründen auf eine "mit allen Sinnen" erlebbare luxuriöse Kaufumgebung wie auf eine persönliche Beratung verzichten. Im Übrigen böten die Angebote der Handelsplattformen von Amazon und eBay diverse Gestaltungsmöglichkeiten (z.B. so genannte Markenshops), um prestigeträchtige Markenprodukte mit der corporate identity des jeweiligen Markenherstellers zu versehen.
Jedenfalls gehe das hier verfahrensgegenständliche Plattformvertriebsverbot über das zur Wahrung eines vermeintlichen Luxuscharakters erforderliche Maß hinaus.
Bei der Prüfung komme es auf den zwischen den Parteien gültigen Depotvertrag an, nicht auf eine neuere Fassung, welche die Beklagte nicht unterzeichnet habe. Drittplattformen seien denknotwendig immer "nach außen erkennbar". Der Plattformvertrieb habe auch eine enorme Bedeutung insbesondere für kleine und mittlere Händler.
Auch eine fehlende Rechtsmacht der Klägerin gegenüber dem Dritten (Plattformbetreiber) könne nicht als Argument für die Zulässigkeit eines Plattformvertriebsverbotes angeführt werden, da auch im stationären Betrieb keine Durchsetzungsmöglichkeiten gegenüber einem vom Vertriebspartner beauftragten Dritten bestünden; es sei vielmehr Sache der Händler sicherzustellen, dass die Leistungen des Dritten im Einklang mit den qualitativen Anforderungen des Vertriebssystems stünden. Bereits die bloße Auffindbarkeit des auf der Drittplattform vorgehaltenen Shops gewährleiste eine Überprüfbarkeit der Einhaltung der Kriterien, die auch gegenüber dem Vertriebspartner durchgesetzt werden könne.
Im Übrigen würden die streitgegenständlichen Vertriebskriterien nicht diskriminierungsfrei angewendet. Im stationären Handel gestatte und fördere die Klägerin den Verkauf ihrer Markenprodukte auch in großen Shoppingcentern, obwohl auch hier ein mit Internethandelsplattform vergleichbarer, nach außen erkennbarer Auftritt eines dritten Marktplatzbetreibers stattfinde. Die Klägerin gestatte des Weiteren den Vertrieb ihrer Produkte durch diverse deutsche Fluglinien sowie in Flughäfen, ohne dass diese bestimmte geforderte Qualitätskriterien einhalten müssten.
Auch eine Gruppenfreistellung nach der VertikalGVO komme nicht in Betracht, weil die gegenständliche Klausel tatsächlich auch die Nutzung von Preissuchmaschinen betreffe.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Z1 und Z2. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.2.2016, Bl. 1546 ff d.A., Bezug genommen.
Er hat sodann mit Beschluss vom 19.4.2016 das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH gem. Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Auslegung des Unionsrechts vorgelegt:
1) Können selektive Vertriebssysteme, die auf den Vertrieb von Luxus- und Prestigewaren gerichtet sind und primär der Sicherstellung eines "Luxusimages" der Waren dienen, einen mit Art. 101 Abs. 1 AEUV vereinbaren Bestandteil des Wettbewerbs darstellen?
2) Falls die Frage zu 1) bejaht wird:
Kann es einen mit Art. 101 Abs. 1 AEUV vereinbaren Bestandteil des Wettbewerbs darstellen, wenn den auf der Einzelhandelsstufe tätigen Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems pauschal verboten wird, bei Internetverkäufen nach außen erkennbar Drittunternehmen einzuschalten, ohne dass es darauf ankommt, ob im konkreten Fall die legitimen Qualitätsanforderungen des Herstellers verfehlt werden?
3) Ist Art. 4 lit b der Verordnung (EU) Nr. 330/2010 dahingehend auszulegen, dass ein den auf der Einzelhandelsstufe tätigen Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems auferlegtes Verbot, bei Internetverkäufen nach außen erkennbar Drittunternehmen einzuschalten, eine bezweckte Beschränkung der Kundengruppe des Einzelhändlers darstellt?
4) Ist Art. 4 lit c der Verordnung (EU) Nr. 330/2010 dahingehend auszulegen, dass ein den auf der Einzelhandelsstufe tätigen Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems auferlegtes Verbot, bei Internetverkäufen nach außen erkennbar Drittunternehmen einzuschalten, eine bezweckte Beschränkung des passiven Verkaufs an Endverbraucher darstellt?
Der EuGH hat hierüber mit Urteil vom 6.12.2017 (Rechtssache C-230/16 [BB 2017, 3025 m. BB-Komm. Abel, EWS 2018, 96]) wie folgt entschieden:
1. Art. 101 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass ein selektives Vertriebssystem für Luxuswaren, das primär der Sicherstellung des Luxusimages dieser Waren dient, mit der genannten Bestimmung vereinbar ist, sofern die Auswahl der Wiederverkäufer anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgt, die einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden, und die festgelegten Kriterien nicht über das erforderliche Maß hinausgehen.
2. Art. 101 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Vertragsklausel wie der im Ausgangsverfahren streitigen nicht entgegensteht, die autorisierten Händlern eines selektiven Vertriebssystems für Luxuswaren, das im Wesentlichen darauf gerichtet ist, das Luxusimage dieser Waren sicherzustellen, verbietet, beim Verkauf der Vertragswaren im Internet nach außen erkennbar Drittplattformen einzuschalten, wenn diese Klausel das Luxusimage dieser Waren sicherstellen soll, einheitlich festgelegt und ohne Diskriminierung angewandt wird sowie in angemessenem Verhältnis zum angestrebten Ziel steht, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.
3. Art. 4 der Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission vom 20. April 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen ist dahin auszulegen, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ein den auf der Einzelhandelsstufe tätigen Mitgliedern eines selektiven Vertriebssystems für Luxuswaren auferlegtes Verbot, bei Internetverkäufen nach außen erkennbar Drittunternehmen einzuschalten, weder eine Beschränkung der Kundengruppe im Sinne von Art. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 330/2010 noch eine Beschränkung des passiven Verkaufs an Endverbraucher im Sinne von Art. 4 Buchst. c der Verordnung darstellt.
Aus den Gründen
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Die Klägerin kann nach Ziff. 1 Abs. 3 der Internet-Zusatzvereinbarung des mit der Beklagten bestehenden Depotvertrages vom 19./23.9.2011 verlangen, dass diese die genannten Produkte nicht über die Verkaufsplattform www.amazon.de vertreibt und bewirbt, wobei der Senat entsprechend dem Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 6.3.2015 den zugesprochenen Klageantrag dahingehend auslegt, dass auch unter "Bewerben" lediglich Aktivitäten auf der Verkaufsplattform von Amazon zu verstehen sind, nicht hingegen reine Werbekooperationen mit Amazon, bei denen der Kunde auf den Internetshop der Beklagten geleitet wird, wie dies auf S. 12 dieses Schriftsatzes (Bl. 1142 d.A.) dargestellt wird.
Die entsprechende Vereinbarung ist nicht nach § 134 BGB i.V.m. Art. 101 AEUV unwirksam (unten 1). Dabei kann im Ergebnis offen bleiben, ob das von der Klägerin etablierte selektive Vertriebssystem auf der Grundlage des im Jahre 2012 eingeführten Vertragswerkes (dazu unten 1 a) bereits tatbestandsmäßig nicht unter Art. 101 Abs. 1 AEUV fällt (dazu unten 1 b ), denn jedenfalls ist es gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV in Verbindung mit der VertikalGVO freigestellt (dazu unten 1 c). Ob das im Verhältnis mit der Beklagten noch gültige Vertragswerk von 2011 gegen § 1 GWB verstößt, kann offenbleiben, da es der Beklagten jedenfalls nach § 242 BGB verwehrt ist, sich auf einen solchen Verstoß zu berufen (unten 2). Ein Verstoß gegen §§ 19, 20 GWB liegt nicht vor (unten 3).
1) a) Hinsichtlich des konkret zwischen den beiden Parteien dieses Rechtsstreits geltenden Vertrages vom 19./23.11.2011 ist bereits der Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV nicht eröffnet, da die darin enthaltenen Vereinbarungen nicht (mehr) geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen.
Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin gilt dieses Vertragswerk lediglich noch im Verhältnis zu der Beklagten, da alle anderen Depositäre das Vertragswerk von 2012 unterzeichnet haben. Etwaige wettbewerbsbeeinträchtigende Wirkungen des Vertragswerkes von 2011 beschränken sich daher darauf, dass gerade die Beklagte in ihrem Weitervertrieb der vertragsgegenständlichen Produkte Restriktionen unterworfen wird. Eine Binnenmarktrelevanz dieser Restriktionen ergibt sich lediglich insoweit, als die Vereinbarung mit der Beklagten Teil des von der Klägerin unterhaltenen umfassenden selektiven Vertriebssystems ist. Für die Frage, ob die Vereinbarung geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarktes bezweckt oder bewirkt, kommt es daher allein auf die Bestimmungen des aktuellen Vertragswerkes an, zumal die Klägerin klargestellt hat, dass sie sich - soweit es um die Bedingungen des Internet-Vertriebes geht - auch im Verhältnis zur Beklagten lediglich auf dessen Regelungen beruft.
b) Maßgeblich ist daher, ob das Vertragswerk 2012, das zwischen der Klägerin im Verhältnis zu ihren anderen in Deutschland tätigen Händlern Geltung hat und das faktisch auch im Verhältnis zur Beklagten angewandt wird, gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstößt.
Die auf der Grundlage dieses Vertragswerkes von allen Händlern der Klägerin einheitlich eingegangenen Verpflichtungen, die Waren der Klägerin nur unter bestimmten festgelegten Bedingungen weiter zu vertreiben, führen zwangsläufig zu einer Beeinflussung des Wettbewerbs im Binnenmarkt. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass es legitime Bedürfnisse geben kann, die eine Einschränkung des Preiswettbewerbs zu Gunsten anderer Wettbewerbsfaktoren rechtfertigen. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH, die dieser auch im Vorlageverfahren bekräftigt hat, stellen deshalb selektive Vertriebsvereinbarungen dann einen mit Art. 101 Abs. 1 AEUV vereinbaren Bestandteil des Wettbewerbs dar, wenn die Auswahl der Wiederverkäufer anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgt, die einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden, sofern die Eigenschaften des fraglichen Erzeugnisses zur Wahrung seiner Qualität und zur Gewährleistung seines richtigen Gebrauchs ein solches Vertriebsnetz erfordern und sofern die festgelegten Kriterien schließlich nicht über das erforderliche Maß hinausgehen (Vorlageverfahren Rdnr. 22; Urteil vom 13.10.2011, C-439/09 - Pierre Fabre, Rdnr. 41 [BB 2011, 2956 m. BB-Komm. Wegner, RIW 2011, 786]; Urteil vom 11.12.1980, Rechtssache 31/80 - l'Oréal, Rdnr. 15, 16; Urteil vom 25.10.1977, Rechtssache 26/76 - Metro I, Rdnr. 20).
Von der Beklagten wird nicht in Zweifel gezogen, dass die Klägerin ihre Wiederverkäufer (Depositäre) anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art auswählt, die einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt werden.
Es spricht viel dafür, dass auch die übrigen Voraussetzungen eines zulässigen selektiven Vertriebssystems im vorliegenden Fall erfüllt sind:
aa) Ausgangspunkt der zunächst anzustellenden Prüfung, ob die Eigenschaften des fraglichen Produktes ein selektives Vertriebsnetz erfordern, ist der Vortrag der Klägerin, die das von ihr errichtete selektive Vertriebssystem und insbesondere auch die gegenständlichen Einschränkungen des Internetvertriebes ausschließlich mit der Notwendigkeit des Schutzes des Luxusimages der gegenständlichen "A-Marken" begründet (vgl. Präambel des Depotvertrages 2012).
(1) Der EuGH hat mit der Antwort zur Vorlagefrage zu 1) in Anlehnung an seine frühere Rechtsprechung und in Abgrenzung zu seiner scheinbar abweichenden Entscheidung in der Rechtssache "Pierre Fabre" klargestellt, dass auch die Sicherstellung des Luxusimages von Waren, deren Qualität nicht allein auf ihren materiellen Eigenschaften beruht, sondern auch auf ihrem Prestigecharakter, der ihnen eine luxuriöse Ausstrahlung verleiht, die Einrichtung eines selektiven Vertriebssystems rechtfertigen kann. Er hat insoweit seine Ausführungen in dem Urteil vom 23.4.2009, C-59/08 - Copad/Dior bestätigt, dass die Qualität solcher Waren nicht allein auf ihren materiellen Eigenschaften beruht, sondern auch auf ihrem Prestigecharakter, der ihnen eine luxuriöse Ausstrahlung verleiht, dass diese Ausstrahlung ein wesentliches Element dafür ist, dass die Verbraucher sie von anderen ähnlichen Produkten unterscheiden können, und dass daher eine Schädigung dieser Ausstrahlung geeignet ist, die Qualität der Waren selbst zu beeinträchtige. Deshalb könne die Errichtung eines selektiven Vertriebssystems, das eine bestimmte Art der Darbietung sicherstellen soll, erforderlich sein, um in Anbetracht ihrer Eigenschaften und ihres Wesens die Qualität von Luxuswaren zu wahren. (Rdnr. 25-28).
(2) Es kommt daher in tatsächlicher Hinsicht darauf an, ob den vertragsgegenständlichen Produkten tatsächlich das von der Klägerin in Anspruch genommene Luxusimage zukommt, zu dessen Aufrechterhaltung eine selektives Vertriebssystem gerechtfertigt wäre. Dies ist zu bejahen.
Im Ansatz zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass es für die Frage eines Luxusimages auf die Sicht des Verbrauchers ankommt. Nur wenn dieser die "luxuriöse Ausstrahlung" überhaupt als solche wahrnimmt und wertschätzt, ist es in seinem Interesse, dass diese geschützt wird; nur dann überwiegen für den Verbraucher die Vorteile eines zum Schutze eines Luxusimages eingerichteten selektiven Vertriebssystems die damit einhergehenden Wettbewerbsbeschränkungen, insbesondere hinsichtlich des Preiswettbewerbs (vgl. EuG, Urteil vom 12.12.1996, T-88/92 - Givenchy, Rdnr. 113, 114).
Allerdings bedürfte es für die Feststellung eines Luxusimages entgegen der Auffassung der Beklagten gleichwohl keiner Beweiserhebung über die tatsächliche Wahrnehmung der Verbraucher.
Denn ein "Luxusimage" entsteht im Wesentlichen nicht von selbst, sondern beruht in weiten Teilen auf entsprechenden Marketingaktivitäten des Herstellers. Der Hersteller kann ein Produkt durch Marketingmaßnahmen mit einer von den Nachfragern geschätzten Konnotation "aufladen", die über die rein funktionale Bedeutung des Produktes hinausgeht, und so eine Produktdifferenzierung durchführen (Franck, WuW 2010, 772, 778). Daher sind die produktbezogenen Marketingaktivitäten des Herstellers ebenso wie die Platzierung der Produkte in einem hochwertigen Marktsegment eine wesentliche Grundlage für die Etablierung eines "Luxuscharakters" (vgl. Franck aaO S. 779; EuG aaO - Givenchy, Rndr. 114). Insoweit liegt es zunächst in der Entscheidungskompetenz des Markeninhabers, ob er für bestimmte Marken einen Luxusanspruch formuliert und diesen durch entsprechende Maßnahmen weiter aufbaut (vgl. Brömmelmeyer, NZKart 2018, 62, 64; OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.11.2009, 6 U 47/08 (Kart) - Schulrucksäcke, juris Rdnr. 54).
Dass die Klägerin die hier streitgegenständlichen Marken gezielt als "Luxuskosmetika" im Markt positioniert und vertreibt, ergibt sich bereits daraus, dass sie einen eigenen Vertriebskanal für diese Waren betreibt, der - wie der Zeuge Z2 im Rahmen der Beweisaufnahme näher erläutert hat - sich von dem von der Klägerin als "Beauty" bezeichneten Vertriebskanal für Massenware unterscheidet. Eine solche Unterscheidung zwischen Prestige-/Selektivkosmetik einerseits und Massenkosmetik andererseits entspricht auch den Gepflogenheiten von Mitbewerbern der Klägerin, wie sich aus den Erklärungen des Geschäftsführers des VKE-Kosmetikverbandes vom 27.8.2015 (Anl. K 57, Bl. 1370 d.A.) und der Presseerklärung dieses Verbandes vom 23.3.2014 (Anl. K 54, Bl. 1247 d.A.) ergibt, die sich ausdrücklich (nur) mit den Besonderheiten des Selektivvertriebes beschäftigen. Dementsprechend ist auch allgemein anerkannt, dass im Bereich der hier gegenständlichen Kosmetik-, Parfümerie- und Körperpflegeprodukten Luxus- und Prestigeprodukte einen eigenständigen Teilmarkt bilden, wobei der von den Herstellern diesbezüglich gewählte selektive Vertrieb ein die Luxus- und Prestigeeigenschaft prägendes Element bildet (BKartA, Beschluss vom 8.3.2007, B9-520/06 - Douglas/Hela, S. 9).
Dies bedeutet nicht, dass es für die Zulässigkeit eines selektiven Vertriebssystems generell ausreichen würde, dass der Hersteller selbst ein solches zur Etablierung/Aufrechterhaltung eines von ihm intendierten Luxusimages für erforderlich hält (vgl. EuG aaO - Givenchy, Rdnr. 111). Allerdings ergibt sich aus dem vom Bundeskartellamt festgestellten Umstand, dass Produkte aus dem von Herstellern der Selektivkosmetik zugeordneten Bereich vom Verbraucher trotz gleicher Funktionalität hinsichtlich ihres allgemeinen Verwendungszweckes (Reinigung/Körperpflege/Körperdüfte) nicht als austauschbar mit anderen Kosmetik-, Parfürmerie- und Körperpflegeprodukten angesehen werden, dass für seine Kaufentscheidung der mit der Exklusivität und Hochpreisigkeit einhergehende Prestigewert der Selektivprodukte maßgeblich ist (vgl. BKartA aaO S. 10 ff).
Vor diesem Hintergrund wäre nach Auffassung des Senats - für den Fall einer nach den Ausführungen zu unten c) tatsächlich nicht vorhandenen Entscheidungserheblichkeit - eine Beweisaufnahme über die tatsächliche Wahrnehmung der gegenständlichen Produkte durch die Verbraucher allenfalls dann veranlasst, wenn die Beklagte konkrete Anhaltspunkte dafür vorgetragen hätte, dass entgegen dieser allgemeinen Verkehrsanschauung, die zu der Annahme eines eigenständigen Marktes für Luxuskosmetik führt, der Verbraucher mit den Produkten der Klägerin tatsächlich keine Vorstellung einer "Aura von Luxus" (vgl. EuG aaO - Givenchy, Rdnr. 108) verbindet. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Soweit die Beklagte geltend macht, dass nicht alle im Rahmen des Depotvertrages vertriebenen Produkte im Vergleich zu funktionsgleichen Produkten des Massenmarktes "hochpreisig" seien, stellt dies die generelle Qualifizierung der gegenständlichen Produkte als "Luxuskosmetik" nicht in Frage. Die Klägerin vertreibt unter den im Klageantrag genannten Marken nicht jeweils ein einzelnes Produkt, sondern ganze Produktlinien. Selbst wenn einzelne Produkte aus einer solchen Produktlinie nicht das Kriterium der "Hochpreisigkeit" erfüllen, beeinträchtigt dies noch nicht ein insgesamt mit dieser Produktlinie verbundenes "Luxusimage".
bb) Die von der Klägerin für den Vertrieb der gegenständlichen Produkte aufgestellten Qualitätskriterien werden zur Überzeugung des Senats einheitlich und diskrimierungsfrei angewandt.
(1) Zwar ist nach den beklagtenseits vorgelegten Unterlagen davon auszugehen, dass faktisch die streitgegenständlichen Markenprodukte der Klägerin in nicht unerheblichem Umfang auch auf der Plattform "amazon.de" zum Kauf angeboten werden, und dass solche Produkte immer wieder bei Discountern verfügbar sind, welche unzweifelhaft nicht die von der Klägerin aufgestellten Qualitätskriterien erfüllen.
Allerdings hängt nach der Rechtsprechung des EuGH die Rechtswirksamkeit eines selektiven Vertriebssystems nicht davon ab, dass der Hersteller imstande ist, dessen Lückenlosigkeit zu gewährleisten (Urteil vom 13.1.1994, C-376/92 – Cartier [EWS 1994, 93 m. Anm. Hootz, RIW 1994, 234]; Urteil vom 05. Juni 1997 - C-41/96 - VAG Händlerbeirat [EWS 1997, 243]). Der Senat ist deshalb in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung in der deutschen Rechtsprechung und Literatur der Auffassung, dass die Lückenhaftigkeit eines selektiven Vertriebssystems einer diskriminierungsfreien Anwendung nicht entgegensteht, sofern den Lücken im Vertriebsnetz eine nachvollziehbare und willkürfreie Vertriebspolitik zu Grunde liegt (KG, Urteil vom 19.9.2013, 2 U 8/09 - Schulranzen und -rucksäcke, WRP 2013, 1517, Rdnr. 57; OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.11.2009, 6 U 47/08 Kart; s.a. BGH NJW 1999, 3043 - Entfernung der Herstellernummer; Zimmer in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., § 1 GWB Rdnr. 327).
Dies ist nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme vorliegend der Fall.
Der Zeuge Z2, dessen Abteilung bei der Klägerin für die Belieferung von Kunden u.a. in Deutschland zuständig ist, hat dargelegt, dass bei der Klägerin zwischen den Vertriebskanälen "Selektiv" und "Beauty" unterschieden werde, wobei letzterer den Massenmarkt betreffe. Die selektive Ware werde nur an die Kunden geliefert, die durch die Vertriebsorganisation des jeweiligen Landes entsprechend autorisiert seien, wobei die Einhaltung der Qualifizierungsmerkmale ebenfalls durch die jeweilige Vertriebsorganisation überprüft werde. Eine direkte Lieferung an nicht autorisierte Kunden schloss der Zeuge aus. Die Firmen W und X seien überhaupt keine Kunden der Klägerin; an Y, Amazon und Z werde nur aus dem Bereich "Beauty", aber keine Selektivware geliefert. Dies wurde auch durch den Zeugen Z1 bestätigt. Dessen mit sechs Personen besetzte Abteilung "M" ist nach den Angaben des Zeugen weltweit für die Einhaltung der "Spielregeln" zuständig, d.h. insbesondere die Unterbindung des Vertriebs von gefälschter Ware, aber auch von Original-Produkten über den Graumarkt. Anhand dessen, dass jedes einzelne Produkt eine fortlaufende Nummer enthalte, könne nachvollzogen werden, über welchen Händler ein Produkt auf den grauen Markt komme. Wenn es öfters vorkomme, dass ein Produkt über einen bestimmten Händler in den grauen Markt komme, könnten entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. In welcher Weise gegen den Händler vorgegangen werde, sei Sache der jeweiligen General Manager der Länder, wobei die Abteilung des Zeugen sich über ihre Gespräche und Maßnahmen mit den Händlern berichten lasse. Die General Manager würden regelmäßig durch Schreiben wie das zur Protokoll gereichte (Bl. 1582, 1584 d.A.) daran erinnert, dass die Einhaltung der Grundsätze des Selektivvertriebes sicherzustellen sei. Es seien auch schon Händler wegen Vertriebs über den Graumarkt gekündigt worden; allerdings sei dies schwierig, wenn es sich nicht um einen Dauerverstoß handele oder in Ländern, in denen sehr viele Händler verstießen. Als Alternativen zur Kündigung komme etwa die Aussetzung der Belieferung oder die Kürzung des Jahresbonus in Betracht.
Danach steht zur Überzeugung des Senats zum einen fest, dass die Klägerin selbst weder "amazon" noch "ebay", noch Discounter oder sonst nicht durch die zuständige Vertriebsorganisation qualifizierte Händler direkt mit den vorliegend gegenständlichen Markenwaren beliefert. Nach der glaubwürdigen Einlassung des Zeugen Z2, der als Leiter der für die Belieferung zuständigen Abteilung Kenntnis davon hat, an welche Personen die Waren der Klägerin ausgeliefert werden, können derartige Direktlieferungen praktisch ausgeschlossen werden. Konkrete Umstände, die Zweifel an der Richtigkeit der Aussage des Zeugen begründen, hat die Beklagte nicht aufgezeigt. Allein dass die theoretische Möglichkeit besteht, dass in der Datenbank für die Belieferung freigegebene Händler tatsächlich keinen ordnungsgemäßen Qualifizierungsprozess durchlaufen, oder diesen nur durch Falschangaben (ggf. auch zu ihrer Identität) bestanden haben könnten, hindert diese Gewissheit des Senates nicht. Dass der Zeuge aus eigener Wahrnehmung lediglich zu den Verhältnissen ab September 2014 Aussagen treffen konnte, ist ebenfalls ohne Bedeutung, da für den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch der Klägerin die Verhältnisse zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich sind.
Zum anderen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin ein System eingerichtet hat, dass grundsätzlich geeignet ist sicherzustellen, dass die Anforderungen des Depotvertrages eingehalten werden und dass die Klägerin die erforderlichen Anstrengungen unternimmt, vertragswidriges Verhalten, insbesondere den Weiterverkauf an nicht autorisierte Händler zu unterbinden. Der Senat verkennt dabei nicht, dass nach der Aussage des Zeugen Z1 der Schwerpunkt der Abteilung "M" offensichtlich in der Unterbindung des Vertriebs gefälschter Ware liegt. Allerdings ergibt sich aus der glaubhaften Aussage des Zeugen ebenfalls, dass auch Verstöße gegen die Anforderungen des Depotvertrages grundsätzlich verfolgt werden und damit die Vertriebsbindung auch durchgesetzt wird (vgl. EuGH Urteil vom 13.1.1994, C-376/92 - Cartier [EWS 1994, 93 m. Anm. Hootz, RIW 1994, 234], Rdnr. 21). Dass in der Praxis möglicherweise nicht jeder einzelne Verstoß tatsächlich geahndet werden kann, und es im Übrigen auch - abhängig von dem jeweiligen General Manager - Unterschiede in den einzelnen Ländern gibt, führt nach Auffassung des Senats (noch) nicht dazu, dass hier nicht mehr von einer grundsätzlich diskriminierungsfreien Handhabung des selektiven Vertriebssystems ausgegangen werden könnte.
(2) Auch der Umstand, dass die Klägerin den Verkauf ihrer Produkte in Flugzeugen und an Flughäfen in einem Umfeld zulässt, in dem auch "Billigprodukte" verkauft werden, stellt aus Sicht des Senats die diskriminierungsfreie Anwendung ihres selektiven Vertriebssystems nicht in Frage. Die Klägerin begründet dies überzeugend mit einer branchenüblichen Fortsetzung des früheren Duty-Free-Verkaufs. Auch wenn heute eine Flugreise nicht mehr per se als etwas "Besonderes" wahrgenommen wird, hält der zwingend an den Kauf eines Flugtickets gekoppelten Airline- und Flughafenvertrieb doch genügend Abstand von dem allgemeinen Verkauf in einem außerhalb von Flughäfen gelegenen Laden oder einem jedermann zugänglichen Internetangebot, so dass eine Gefährdung des Luxusimages hierdurch fernliegend erscheint. Soweit in Flugzeugen auch (Billig-)Getränke und Essbares zum Verkauf angeboten wird, dient dies dem Zweck eines aktuellen Bedarfs der Reisenden, der in einem Flugzeug zwangsläufig nicht anderweit gedeckt werden kann, während das frühere Duty-Free-Angebot (darunter die Produkte der Klägerin) hiervon klar unterscheidbar ist. Die von der Beklagten weiterhin angeführten Flughafen-Verkaufsstätten der Firma N legen nach eigenem Eindruck des Senats erkennbar Wert auf ein "glanzvolles" Erscheinungsbild, das Hochwertigkeit und ein luxuriöses Flair vermitteln soll. Dieser Eindruck wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass dort neben einer Vielzahl hochwertiger Markenprodukte auch einzelne "Allerweltsprodukte" zu finden sind.
Selbst wenn es in diesem Umfeld auch vorkommen sollte, dass die gegenständlichen Produkte tatsächlich in einem "Ramsch-Ambiente" angeboten werden - wie die Beklagte in ihrem unmittelbar vor dem Verkündungstermin und damit nach § 296a ZPO nicht mehr berücksichtigungsfähigen Schriftsatz vom 11.7.2018 vorgetragen hat - ist nicht ersichtlich, dass es sich hierbei um mehr als bloße Einzelfälle handelt, die die ansonsten nachvollziehbare und willkürfreie Vertriebspolitik der Klägerin in Frage stellen.
(4) Das Angebot in stationären Shopping-Malls ist entgegen der Auffassung der Beklagten mit dem Angebot auf einer Internetplattform nicht vergleichbar. Soweit auch hier die Produkte der Klägerin zum einen "unter einem Dach" mit Waren aller Art angeboten werden und zum anderen in einem Umfeld, das einen anderen Namen als den des Depositärs trägt, ändert dies nichts daran, dass schon aufgrund der räumlichen Ausdehnung aus Sicht des Verbrauchers ein gewisser Abstand zwischen den verschiedenen Verkaufstellen besteht und diese als eigenständig wahrgenommen werden. Die von der Klägerin für stationäre Absatzstätten aufgestellten Qualitätskriterien sind hier ohne Weiteres einhaltbar.
(5) Auch die Zulassung des Angebots der gegenständlichen Produkte über die Webseite "Google-Shopping" stellt entgegen der Auffassung der Beklagten keine Diskriminierung von Händlern dar, denen der Vertrieb der Produkte über die Verkaufsplattform Amazon untersagt wird. Die Klägerin hat bereits mit Schriftsatz vom 6.3.2015 (dort Bl. 1142 d.A.) klargestellt, dass sie die Nutzung dieser Webseite nicht als von Ziff. 1.1. Abs. 3 des Annexes I zum Depotvertrag (2012) umfasst sieht, sondern dass es sich hierbei um eine Kooperationsvereinbarung i. S. d. Ziff. 1.2 des Annexes I zu Werbezwecken handelt, wobei der entscheidende Unterschied darin besteht, dass die Kunden dort bei Kaufabsicht auf den eigenen – den Qualitätsanforderungen der Klägerin unterliegenden – Internetshop des Händlers weitergeleitet werden. Darauf, ob google-shopping bei objektiver Betrachtung den in Ziff. 1.2. für solche Werbekooperationen aufgestellten Qualitätsanforderungen der Klägerin tatsächlich entspricht (was von der Beklagten in Abrede gestellt wird), kommt es nicht an, da die Klägerin, wie sie mit Schriftsatz vom 6.3.2015 klar gestellt hat, ausdrücklich (nur) den Marktplatzvertrieb auf der Verkaufsplattform unterbinden möchte. Eine etwaige diskriminierende Anwendung der Ziff. 1.2. im Sinne eines Verbotes anderer Werbekooperationen ist nicht vorgetragen und auch nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits.
cc) Fraglich ist allerdings, ob die Bestimmung in Ziff. 1.1 Abs. 3 des Annexes I zum Depotvertrag (2012), wonach jegliche Verkaufskooperation mit einer nach außen erkennbaren Drittplattform ohne Rücksicht auf deren konkrete Ausgestaltung untersagt ist, in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel steht.
(1) Der EuGH hat diese Frage bejaht und dabei zunächst festgestellt, dass die Klausel zu dem angestrebten Zweck geeignet sei. Zum einen gewährleiste sie, dass die Waren im elektronischen Handel tatsächlich ausschließlich an die autorisierten Händler gebunden seien; damit sei sie - entsprechend der generellen Rechtfertigung des selektiven Vertriebssystems - geeignet, die Qualität und das Luxusimage der Waren sicher zu stellen (Rdnr. 44-46). Zweitens erlaube das Verbot dem Anbieter eine leichtere Überprüfung und Durchsetzung der für den Internetverkauf vereinbarten Qualitätsanforderungen, während ein Verkauf über nicht zum selektiven Vertriebssystem gehörende Plattformen die Gefahr einer Verschlechterung der Präsentation der Waren im Internet und damit einer Beeinträchtigung des zu ihrem Wesen gehörenden Luxusimages berge (Rdnr. 47-50). Drittens trage der Verkauf ausschließlich in Online-Shops der autorisierten Händler und nicht in Plattformen, die einen Verkaufskanal für Waren aller Art darstellten, zum Luxusimage bei den Verbrauchern und damit zur Aufrechterhaltung eines der von den Verbrauchern geschätzten Hauptmerkmale bei (Rdnr. 50).
Bei der Prüfung der Frage, ob die Klausel auch nicht über das zur Erreichung des angestrebten Zwecks Erforderliche hinausgehe, hat der EuGH zunächst betont, dass im vorliegenden Fall anders als bei der Entscheidung in der Rechtssache "Pierre Fabre" der Verkauf von Vertragswaren über das Internet nicht pauschal verboten, sondern der Verkauf über eigene Webseiten und nicht für den Verbraucher als solche erkennbare Drittplattformen zulässig ist (Rdnr. 52, 53). Des Weiteren ging er davon aus, dass nach den vorläufigen Ergebnissen der Sektoruntersuchung der Kommission zum elektronischen Handel von mehr als 90 % der befragten Einzelhändler eigene Online-Shops genützt würden, die damit ungeachtet der zunehmenden Bedeutung von Drittplattformen den wichtigsten Vertriebskanal im Rahmen des Internetvertriebes darstellten (Rdnr. 54). Mangels einer Vertragsbeziehung zwischen dem Anbieter und den Drittplattformen, die es dem Anbieter erlauben würde, von den Plattformen die Einhaltung der den autorisierten Händlern auferlegten Qualitätsanforderungen zu verlangen, könne eine Gestattung der Einschaltung von Plattformen unter der Voraussetzung, dass diese vordefinierte Qualitätsanforderungen erfüllten, nicht als ebenso wirksam angesehen werden (Rdnr. 56).
(2) Gegen diese Schlussfolgerungen lässt sich einwenden, dass durchaus Vertragsgestaltungen vorstellbar sind, die in geringerem Umfang in die Wettbewerbsfreiheit des Händlers eingreifen, ohne die berechtigten Interessen der Klägerin unverhältnismäßig zu beeinträchtigen (vgl. dazu etwa Janal, EuZW 2017, 844, 848; Brömmelmeyer, NZKart 2018, 62, 66). Die Klägerin räumt selbst ein, dass Plattformen denkbar sind, die geeignet sind, das Luxusimage der gegenständlichen Produkte ausreichend zu wahren; ebenso sind Plattformgestaltungen möglich, die gegenüber dem Endverbraucher keinen Zweifel daran lassen, dass der Verkauf durch den autorisierten Händler und nicht durch den Plattformbetreiber erfolgt. Es obläge dann den Depositären dafür zu sorgen, dass ihr Auftritt auf einer solchen Drittplattform ebenso wie ihr eigener Online-Shop den vertraglich geschuldeten Qualitätsanforderungen entspricht. Selbst wenn man der Klägerin dahingehend folgt, dass der Aufwand für die Kontrolle der Einhaltung der Qualitätsanforderungen auf Drittplattformen und deren Durchsetzung ungleich höher sei als derjenige für die Kontrolle der Einhaltung der Qualitätsanforderungen beim eigenen online-Shop bzw. dem stationärem Geschäft des Händlers, so ließe sich ein solcher Kontrollaufwand etwa dadurch reduzieren, dass der Händler verpflichtet wird, die von ihm konkret genutzten Plattformen der Klägerin anzuzeigen.
Auch scheint bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung durch den EuGH nicht berücksichtigt zu sein, dass nach der Sektoruntersuchung der Kommission zum elektronischen Handel gerade in Deutschland dem Plattformvertrieb eine weitaus höhere Bedeutung zukommt als in anderen Mitgliedsstaaten und als im EU-Durchschnitt. (vgl. Abschlussbericht vom 10.5.2017, Rdnr. 39, wonach in Deutschland 62 % der befragten Einzelhändler Marktplätze nutzen).
Soweit die Beklagte weiterhin die Feststellung des EuGH in Zweifel zieht, dass das Luxusimage der gegenständlichen Produkte durch einen Verkauf über nicht zum selektiven Vertriebssystem gehörende Plattformen beeinträchtigt werden könnte, entspricht es der Eigenwahrnehmung des Senats, dass auch im Internet die Art der Präsentation Einfluss auf die Wahrnehmung des Produktimages haben kann. Die Zweifel der Beklagten erscheinen nur insoweit berechtigt, als, wie oben dargelegt, Plattformgestaltungen möglich erscheinen, durch die dieses Image gewahrt wird.
(3) Es ist jedoch fraglich, ob der Senat im Hinblick auf die detaillierten Erwägungen des EuGH noch zu einer eigenständigen Beurteilung des Verhältnismäßigkeitskriteriums unter Berücksichtigung weiterer Argumente und /oder unter anderer Gewichtung der vom EuGH bereits berücksichtigten Gesichtspunkte befugt ist. Denn ein Urteil des Gerichtshofs im Vorabentscheidungsverfahren ist für das vorlegende nationale Gericht hinsichtlich der Auslegung des Unionsrechts bindend. Zwar fällt die Beurteilung des Sachverhalts in die Zuständigkeit des nationalen Gerichts; der EuGH äußert sich auf der Grundlage des ihm vom nationalen Gericht unterbreiteten Sachverhalts zur Auslegung des Unionsrechts (EuGH, Urteil vom 16.6.2015, C-62/14 [EWS 2015, 159, RIW 2015, 505] Rdnr. 15, 16). Diese Abgrenzung erscheint im vorliegenden Fall jedoch nicht zweifelfrei. Denn im vorliegenden Fall beruht die vom EuGH getroffene Auslegung von Art.101 Abs. 1 AEUV auf einer Abwägung auf der Grundlage des ihm in dem Vorlageverfahren unterbreiteten Sachverhalts, einschließlich der konkret gegenständlichen Klausel. Dieser Sachverhalt erweist sich auch unter Berücksichtigung des nach Erlass des Vorlagebeschlusses noch gehaltenen Sachvortrages der Parteien als (weiterhin) zutreffend. Deshalb spricht viel dafür, dass die Überprüfung des Abwägungsprozesses und - ergebnisses, die zu der festgestellten Auslegung des Unionsrechts durch den EuGH geführt haben, nicht der Prüfungskompetenz des nationalen Gerichts unterliegt.
c) Diese Frage kann im Ergebnis jedoch offen bleiben, da die Vereinbarung für den Fall, dass sie gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen sollte, jedenfalls nach Art. 101 Abs. 3 AEUV i.V.m. Art. 2 Abs. 1 VertikalGVO freigestellt ist.
aa) Art. 3 Abs. 1 VertikalGVO steht einer Freistellung nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kommt eine Freistellung nur dann in Betracht, wenn die Marktanteile der an einer Vertikalabsprache beteiligten Vertragspartner jeweils nicht mehr als 30 % betragen.
In sachlicher Hinsicht ist dabei von einem Markt für Luxuskosmetik auszugehen. Da das Luxusimage für den Verbraucher gerade ein wichtiges Abgrenzungskriterium ist, um die Produkte von ähnlichen Produkten zu unterscheiden, sind sie auch nicht durch andere Produkte aus ähnlichen Marktsegmenten ersetzbar (EuG, Urteil vom 12.12.1996, T-88/92 Leclerc./.Givenchy - Rdnr. 108; BGH, Urteil vom 12.5.1998, KZR 23/96 – Depotkosmetik [BB 1998, 2332]; Urteil vom 4.11.2003, KZR 2/02 - Depotkosmetik im Internet [WRP 2004, 374]; BKartA, Beschluss vom 8.3.2007, B 9-520/06).
In räumlicher Hinsicht geht der Senat entsprechend dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien von der Maßgeblichkeit eines deutschen (Teil-) Marktes aus.
Nach den von den Parteien vorgelegten Unterlagen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass nicht nur die Beklagte, bei der ein geringerer Marktanteil außer Streit steht, sondern auch die Klägerin auf dem relevanten Markt über einen Marktanteil von weniger als 30 % verfügt.
Der diesbezüglich von der Klägerin im Berufungsverfahren gehaltene Vortrag ist nach den §§ 529, 531 Abs. 2 ZPO vom Berufungsgericht in vollem Umfang zu berücksichtigen, da es sich insoweit lediglich um eine Konkretisierung des erstinstanzlichen Vorbringens handelt, zu der aus Sicht der Klägerin erst im Berufungsverfahren Veranlassung bestand.
Die Klägerin hat bereits erstinstanzlich eine Aufstellung der Information Ressources Inc. (IRI) vorgelegt, ausweislich derer der Marktanteil von "A" im Jahre 2013 20,3 % beträgt (Bl. 789 d.A.). Sie hat dazu im Laufe des Berufungsverfahrens weiter erläutert, dass es sich hierbei um den Markt für Selektivkosmetik handele. Die Zahlen beruhten auf den Meldungen teilnehmender Unternehmen, wobei die Klägerin allerdings nicht auszuschließen vermochte, dass die Marktabgrenzung der IRI in vollem Umfang mit der unternehmensinternen Abgrenzung zwischen Prestige- und Massenmarkt übereinstimmt. Dabei hat sie - unter Berufung auf eine entsprechende Erklärung des Geschäftsführers des VKE-Kosmetikverbandes (Bl. 1370 d.A.) - weiter vorgetragen, dass andere Zahlen zum Markt der Selektivkosmetik nicht vorlägen. Alternativ hat die Klägerin sich darauf berufen, dass ausweislich einer Pressemitteilung des VKE der Gesamtumsatz der Unternehmen der Prestige- und Luxuskosmetik-Branche im Geschäftsjahr 2013/14 bei 2,010 Mrd. Euro gelegen habe, der Bruttoumsatz der Klägerin ausweislich eines Auszuges aus ihrer Gewinn- und Verlustrechnung (Bl. 1248 d.A.) bei 260.882.114 Euro. Daraus ergebe sich ein Marktanteil von 12,98 %.
Auch wenn diese Darlegungen zum Marktanteil im Einzelnen mit einer Reihe von Unsicherheitsfaktoren belastet sind, ergibt sich hieraus jedenfalls mit hinreichender Sicherheit, dass der Marktanteil der Klägerin unter der maßgeblichen Schwelle von 30 % liegt. Die Beklagte hat die Richtigkeit der diesbezüglich seitens der Klägerin vorgetragenen Zahlen zwar im Verlaufe des Verfahrens mehrfach pauschal bestritten - zuletzt im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 5.7.2018. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte jedoch selbst branchenkundig ist (nach unbestrittenem Klägervortrag ist sie auch Mitglied eines Verbandes, der seinerseits mit den IRI-Zahlen arbeitet), ist ein Bestreiten mit Nichtwissen insoweit jedoch nicht ausreichend. Es hätte der Beklagte vielmehr oblegen, zumindest konkrete Umstände aufzuzeigen, die einen deutlich höheren Marktanteil der Klägerin nahelegten.
bb) Die Freistellung ist auch nicht nach Art. 4 VertikalGVO ausgeschlossen, weil die vorliegend gegenständliche Klausel Ziff. 1.1 (3) des Annexes I zum Depotvertrag 2012 entgegen der Auffassung der Beklagten keine Kernbeschränkung i.S.d. Art. 4 Buchst. b) oder c) der Verordnung beinhaltet.
Der EuGH hat in dem Vorlageverfahren entschieden, dass "unter den Umständen des Ausgangsverfahrens" das Verbot, bei Internetverkäufen nach außen erkennbar Drittunternehmen einzuschalten, weder eine Beschränkung der Kundengruppe i.S.d. Art. 4 Buchst. b) noch eine Beschränkung des passiven Verkaufs an Endverbraucher i.S.d. Art. 4 Buchst. c) der Verordnung darstellt.
Die Sachverhaltsprämissen, unter die der EuGH diese Entscheidung gestellt hat (Rdnrn. 65-67), sind nach Überzeugung des Senats vorliegend erfüllt:
(1) Zum Ersten wird die Nutzung des Internets als Form der Vermarktung der Vertragswaren nicht vollständig ausgeschlossen.
(2) Zum Zweiten sind innerhalb der Gruppe der Online-Käufer die Kunden von Drittplattformen nicht abgrenzbar. Dabei kann offen bleiben, ob dem Senat im Hinblick auf die Formulierung des EuGH, wonach diese Kunden nicht abgrenzbar "sein dürften" (Rdnr. 66) insoweit noch ein eigener Wertungsspielraum verbleibt (vgl. dazu oben b) cc) (3)).
Denn weder aus dem Vortrag der Beklagten noch sonst aus den Verfahrensakten ergibt sich, dass entgegen dieser Annahme des EuGH (Rdnr. 66) innerhalb der Gruppe der Online-Käufer die Kunden von Drittplattformen als separate Gruppe abgrenzbar sein könnten. Dabei spielt es keine Rolle, dass sich der Begriff der Kundengruppe lediglich im deutschen Text der VertikalVO findet, während etwa im englischen, spanischen oder französischen Text in Art. 4 Buchst. b) an dieser Stelle nur von Kunden (customers, clientes, clientèle) die Rede ist (so aber OLG Schleswig, Urteil vom 5.6.2014, 16 U Kart 154/13 - juris [K&R 2014, 672] Rdnr. 83; Kumkar, ZWeR 2018, 119, 133). Auch in den im Original auf Französisch verfassten Schlussanträgen des Generalanwaltes in Rdnr. 150 ist ausdrücklich von einer "clientèle délimitable" die Rede ist, deren Existenz nicht belegt sei. Maßgeblich für die Auslegung ist der Zweck des Art. 4 Buchst. b): Durch diese Vorschrift sollen Maßnahmen der Markt- oder Kundenaufteilung erfasst werden, die zu einer Fragmentierung der Märkte führen können (Leitlinien der Kommission für vertikale Beschränkungen 2010/C 130/01, Rdnr. 50; Schlussanträge des Generalanwalts im Vorlageverfahren, Rdnr. 141). Eine solche Markt- oder Kundenaufteilung findet durch das Plattformverbot nicht statt. Es schränkt die Depositäre weder territorial noch hinsichtlich ihres Kundenkreises ein (vgl. Brömmelmeyer, NZKart 2018, 62, 67). Die potentiellen Kunden der Beklagten, die die gegenständlichen Produkte über das Internet erwerben wollen, können dies über den Online-Shop der Beklagten tun, der - ebenso wie die Online-Shops der anderen Depositäre - über Suchmaschinen auffindbar ist. Daran ändert sich nach Auffassung des Senats auch nichts dadurch, dass es zahlreiche potentielle Kunden geben mag, die üblicherweise mobil vor allem über "Shopping Apps" insbesondere von amazon oder ebay einkaufen (vgl. Janal, EuZW 2017, 844, 848f). Die Einschränkung, dass diese Kunden, um die gegenständlichen Produkte der Klägerin bei der Beklagten oder einem anderen Depositär online erwerben zu können, einige weitere Angaben in ihr Endgerät eingeben müssen, als sie dies üblicherweise tun, rechtfertigt nicht die Annahme einer separaten Kundengruppe. Durch das Plattformverbot wird nicht geregelt, an wen die Beklagte verkaufen darf, sondern lediglich in welcher Form sie das tun darf.
(3) Zum Dritten wird den Vertragshändlern tatsächlich gestattet, unter bestimmten Bedingungen über das Internet und mittels Online-Suchmaschinen Werbung zu betreiben. Die Klägerin weist insoweit zutreffend darauf hin, dass in Ziff. 1.2. und 1.9. des Annexes I zum Depotvertrag 2012 Werbekooperationen im Internet - bei Einhaltung bestimmter Anforderungen - ausdrücklich zulässig sind.
Darauf, ob die Klauseln auch so ausgelegt werden könnten, dass die Nutzung von Preissuchmaschinen weitestgehend verboten ist, wie die Beklagte meint, kommt es nicht an. Es geht vorliegend nicht um eine Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach deutschem AGB-Recht, wo bereits die Möglichkeit einer Auslegung, nach welcher der Vertragspartner unangemessen benachteiligt wird, zu einer Nichtigkeit der Klausel führt. Nach dem Schutzzweck des Kartellrechts kommt es vielmehr darauf an, ob die Vereinbarung tatsächlich geeignet ist, den Wettbewerb einzuschränken. Hierfür ist nicht allein ihr Wortlaut, sondern auch das Verständnis der Parteien und die Umsetzung in der Praxis zu betrachten. (Vgl. zu dem umgekehrten Fall, in dem bei einem selektiven Vertriebssystem eine nach dem Wortlaut möglicherweise noch vertretbare Klausel (Zustimmungsvorbehalt für Suchmaschinen) so restriktiv gehandhabt wurde, dass sie einen unzulässigen Totalverbot gleichkam, Urteil des Senats vom 22.12.2016, 11 U 84/16 (Kart) - Funktionsrucksäcke).
Insoweit hat die Klägerin unwidersprochen dargelegt, dass sie Suchmaschinenwerbung ihrer deutschen Einzelhandelskunden, wie etwa auf Google.shopping.de grundsätzlich duldet. Auch die Beklagte hat nichts dazu vorgetragen, dass die Klägerin tatsächlich die Nutzung von Preisvergleichsseiten bzw. Preissuchmaschinen durch die Händler in weitem Umfang unterbindet, oder sonst die Regelungen zu Werbekooperationen im Internet besonders restriktiv handhabt.
Prüfungskompetenz insoweit unterstellt - die Schlussfolgerungen des EuGH in Zweifel zu ziehen, wonach das pauschale Verbot des Verkaufs über Drittplattformen in der vorliegenden Ausgestaltung des Vertragswerkes 2012 weder gegen Art. 4 Buchst. b) noch Art. 4 Buchst. c) der VertikalGVO verstößt.
2) Darauf, ob die allein noch im Verhältnis zur Beklagten geltenden Bestimmungen des Vertragswerks 2011, auf die der Klageanspruch gestützt wird, gegen § 1 GWB verstoßen, kommt es im Ergebnis nicht an.
a) Zwar kommt ein solcher Verstoß vorliegend in Betracht, da sich die Beklagte in diesem Vertrag gegenüber der Klägerin zu Handlungen verpflichtet hat, die ihr Wettbewerbsverhalten im Verhältnis zu anderen Einzelhändlern der Beklagten einschränken. Dabei findet nach § 2 Abs. 1, 2 GWB auch insoweit die VertikalGVO Anwendung, d.h., dass bei den hier vorliegenden Marktanteilen der Beteiligten auch wettbewerbsbeschränkende Vertikalvereinbarungen ohne grenzüberschreitende Relevanz gruppenfreigestellt sind, sofern keine Kernbeschränkung vorliegt.
Die Beklagte macht geltend, jedenfalls das Verbot der Einschaltung eines nicht autorisierten Drittunternehmers in Ziff. 1 Abs. 3 der Internet-Zusatzvereinbarung des Vertrages 2011 beinhalte ein Komplettverbot der Nutzung von Preisvergleichsseiten / Preissuchmaschinen, weil es an Regelungen wie in Ziff. 1.2. und 1.9. des Annexes I zum Depotvertrag 2012 fehle. Wenn diese Auslegung zutrifft, würde in der Tat nach der Rechtsprechung des BGH, die sich auch auf die Ausführungen des EuGH in dem Vorlageverfahren stützt, eine Kernbeschränkung i.S.d. Art. 4 Buchst. c der VertikalGVO vorliegen (Beschluss vom 12.12.2017, KVZ 41/17).
b) Ob diese Auffassung der Beklagten zutrifft, kann jedoch im Ergebnis offen bleiben, weil es der Beklagten jedenfalls unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt ist, sich auf eine daraus nach § 134 BGB resultierende Nichtigkeit der Klausel zu berufen. Denn die Klägerin hat ihr ausdrücklich den Abschluss des mit ihren anderen Depositären abgeschlossenen Vertragswerkes mit einer weniger einschneidenden und nach den obigen Darstellungen wettbewerbsrechtlich zulässigen Klausel angeboten und besteht auch in der Vertragsdurchführung mit der Beklagten lediglich auf der Einhaltung der im Vertragswerk 2012 vorgesehenen Regelungen. Es verstößt gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium), wenn die Beklagte einerseits die Kartellrechtswidrigkeit des alten Vertrages geltend macht, gleichzeitig aber den ihr angebotenen Abschluss eines kartellrechtlich zulässigen neuen Vertrages verweigert.
3) Ein Verstoß gegen die. §§ 19, 20 GWB, auf den sich die Beklagte in der letzten mündlichen Verhandlung berufen hat, liegt unter keinem Gesichtspunkt vor.
Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Klägerin Normadressatin des kartellrechtlichen Missbrauchsverbotes i.S.d. §§ 19, 20 GWB ist. Auch kann letztendlich offen bleiben, ob die Beklagte mit diesem Verteidigungsmittel nach § 296 Abs. 2 ZPO präkludiert ist. Denn selbst unter Berücksichtigung des nicht nachgelassenen Schriftsatzes vom 5.7.2018, der, soweit er neues tatsächliches Vorbringen enthält, bei der Urteilsfällung nach § 296a ZPO nicht mehr zu Grunde zu legen war, ist weder eine Diskriminierung noch eine unbillige Behinderung der Beklagten ersichtlich.
a) Wie oben unter 1) b) bb) dargestellt, wendet die Klägerin das gegenständliche Plattformverbot - in der für die Depositäre "milderen" Fassung des Vertragswerkes von 2012 - diskriminierungsfrei an. Sie verkauft weder selbst über die Plattform "amazon.de", noch lässt sie einen solchen Verkauf durch andere Depositäre zu - abgesehen davon, dass sie im Hinblick auf das erstinstanzliche Urteil gegenüber ihren Depositären (unter Einschluss der Beklagten) erklärt hatte, einen entsprechenden Plattformverkauf bis zum Abschluss des vorliegenden Verfahrens zu dulden (was sie ausweislich des - ebenfalls erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen - Schriftsatzes vom 10.7.2018 nach Erlass des EuGH-Urteils im Vorlageverfahren widerrufen hat). Umgekehrt kann die Beklagte - wie alle anderen Depositäre - die streitgegenständlichen Produkte über ihren eigenen Online-Shop verkaufen sowie Werbekooperationen derselben Art eingehen, wie sie nach ihrem eigenen Vortrag auch anderen Depositären gestattet werden.
b) Auch eine unbillige Behinderung der Beklagten ist nicht ersichtlich. Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich nicht, weshalb eine Beschränkung ihrer Absatzmöglichkeit unbillig sein soll, welche allein daraus resultiert, dass die Klägerin von ihr die Einhaltung eines Plattformverbotes einfordert, welches diskriminierungsfrei angewandt wird und eine kartellrechtlich zulässige Klausel im Rahmen eines kartellrechtlich zulässigen selektiven Vertriebssystems darstellt (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 22.3.2018, 3 U 250/16 [BB 2018, 1748 m. BB-Komm. Siegert]). Darüberhinausgehende Aspekte, die in die zu treffende Abwägung einzustellen wären (vgl. dazu BGH NJW 2012, 2110, 2112 - Werbeanzeigen; OLG Hamburg aaO; Senat, Urteil vom 22.12.2015, 11 U 84/14 (Kart) [WRP 2016, 515]), hat die Beklagte nicht aufgezeigt.
4) Die Beklagte hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, unter Einschluss der durch das Vorlageverfahren nach § 267 AEUV vor dem EuGH entstandenen Kosten. Soweit die Klägerin in der letzten mündlichen Verhandlung ihre Berufung insoweit beschränkt hat, als sie den zunächst gestellten Unterlassungsantrag hinsichtlich der Marke "G" nicht weiterverfolgt, bleibt dies nach dem Rechtsgedanken des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ohne Einfluss auf die Kostenentscheidung.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorliegen. Soweit der Sache im Hinblick auf die Auslegung europarechtlicher Vorschriften grundsätzliche Bedeutung zukam, sind die entscheidungserheblichen Rechtsfragen durch das Urteil des EuGH in dem Vorlageverfahren geklärt. Die Entscheidung beruht auf der Anwendung dieser sowie im deutschen Recht anerkannter Rechtsgrundsätze im konkreten Einzelfall.