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Wirtschaftsrecht
25.08.2011
Wirtschaftsrecht
KG Berlin: Zur Zulässigkeit des Antrags einer GmbH auf Freigabe der Eintragung von Beschlüssen

KG , Beschluss  vom 23.06.2011 - Aktenzeichen 23 AktG 1/11
 
 
Gründe: 
I. Die Gesellschafterversammlung der antragstellenden GmbH hat am 21.01.2011 gegen die Stimmen der Antragsgegnerin beschlossen, das Stammkapital der Gesellschaft zur Deckung eingetretener Verluste auf Null herabzusetzen und gegen Bareinlagen um 1.353.000 EUR zu erhöhen. Die Antragsgegner hat gegen diese Beschlüsse Anfechtungsklage erhoben. Das Registergericht hat das Eintragungsverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Anfechtungsprozesses ausgesetzt. 
Die Antragstellerin und die Nebenintervenientin beantragen festzustellen, dass die Erhebung der Anfechtungsklage der Eintragung der Beschlüsse im Handelsregister nicht entgegensteht und Mängel dieser Beschlüsse die Wirkung der Eintragung unberührt lassen. 
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen. 
II. Der Antrag ist unzulässig. 
Das geltende Recht sieht ein Freigabeverfahren für Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH nicht vor. § 246a AktG ist auf Beschlüsse von Gesellschafterversammlungen einer GmbH nicht entsprechend anwendbar. 
Gemäß § 246a I AktG kann das Gericht auf Antrag der Gesellschaft durch Beschluss feststellen, dass die Erhebung der Klage der Eintragung nicht entgegensteht und Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen, wenn gegen einen Hauptversammlungsbeschluss über eine Maßnahme der Kapitalbeschaffung oder Kapitalherabsetzung (§§ 182 bis 240 AktG) Klage erhoben wird. 
Eine analoge Anwendung dieser aktienrechtlichen Bestimmung auf entsprechende Beschlüsse von Gesellschaften mit beschränkter Haftung kommt nicht in Betracht. 
Eine Analogie ist nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (vgl. BGH, Urt. v. 13. März 2003 - I ZR 290/00). Ob eine Gesetzeslücke vorhanden ist, die etwa im Wege der Analogie ausgefüllt werden kann, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrundeliegenden Regelungsabsicht zu beurteilen. Das Gesetz muss also, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, unvollständig sein (vgl. BGH, Urt. vom 13. November 2001 - X ZR 134/00). Das ist in Ansehung von § 246a AktG nicht der Fall. 
§ 246a AktG ist durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22. September 2005 (BGBl. I, S. 2802) in das Aktiengesetz eingefügt worden. Die Einführung des Freigabeverfahrens entsprach dem Grundanliegen der Regierungskommission Corporate Governance und des 63. Deutschen Juristentages, missbräuchliche Ausübungen des Anfechtungsrechtes zu Lasten der Gesellschaft zu beschränken (vgl. BT-Dr. 15/5092, S. 29. f.). Beide Organisationen hatten sich auf ein Gutachten gestützt, in dem Missbräuche des Anfechtungsrechts durch einzelne, namentlich benannte Aktionäre festgestellt worden waren (vgl. Baums/Vogel/Tacheva, Rechtstatsachen zur Beschlußkontrolle im Aktienrecht, ZIP 2000, S. 1649 ff; zusammengefaßt bei Baums, Gutachten F zum 63. DJT, Leipzig 2000, S. F 51 - F 58). Missbräuchliche Anfechtungsklagen von GmbH-Gesellschaftern waren weder Gegenstand des Gutachtens noch der Empfehlungen der Regierungskommission Corporate Governance oder des Deutschen Juristentages (vgl. Bericht der Regierungskommission "Corporate Governance", BT-Drucks. 14/7515 S. 76 ff; Verhandlungen des 63. DJT Leipzig 2000, Bd. II/2, Sitzungsberichte, 2001, S. O 220 - O 225). 
Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung erklärte ausdrückliche Bezugnahme auf die Grundanliegen der Regierungskommission Corporate Governance und des 63. Deutschen Juristentages macht deutlich, dass die Regelungsabsicht des Gesetzgebers sich in der Behebung gutachtlich festgestellter Missbräuche des Anfechtungsrechts durch Aktionäre erschöpfte. Daher ist § 246a AktG gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht nicht unvollständig. 
Im übrigen könnte ein Gesetzeslücke, wenn sie vorläge, nicht als planwidrig angesehen werden. Die Antragsgegnerin weist insoweit zu Recht darauf hin, dass der Gesetzgeber, dem die Missbrauchsproblematik als solche bekannt war, die Novellierung des GmbHG durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 nicht zum Anlass genommen hat, das wenige Jahre vorher für Aktiengesellschaften geschaffene Freigabeverfahren auf GmbHs zu übertragen. Daraus kann nur geschlossen werden, dass die Einführung eines Freigabeverfahrens für Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen einer GmbH nicht gewollt war. 
Die Ausdehnung des Freigabeverfahren auf (Publikums-)GmbHs, wie sie von einzelnen Stimmen im Schrifttum befürwortet wird, ist rechtspolitisch diskutabel. Sie ist aber nicht im Gerichts-, sondern nur im Gesetzgebungsverfahren durchsetzbar. Da die Freigabe der Eintragung die Rechte der Gesellschafter empfindlich verkürzt, ist sie als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums verfassungsrechtlich nur zulässig ist, wenn sie sachlich geboten und verhältnismäßig ist (vgl. BVerfG, NJW 2007, 3268 zu §§ 327a ff. AktG). Dies war bei Aktiengesellschaften wegen des dort zu Tage getretenen, gutachtlich belegten Phänomens zunehmenden Missbrauchs der Fall. Ob im Bereich der GmbH ein gleichstarkes Bedürfnis für eine solche Regelung besteht, ist eine Frage, die auf der Grundlage entsprechender Rechtstatsachenforschung nur vom Gesetzgeber, nicht aber von den Gerichten beantwortet werden kann. 
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 91 I 1, 101 I ZPO. 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO. Da § 246a AktG nicht analog anwendbar ist, kommt auch die Wertbestimmung des § 247 I 1 AktG nicht zur Anwendung. 
 
 

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