OLG Frankfurt: Zur Zulässigkeit der Nebenintervention eines D&O-Versicherers
OLG Frankfurt, Urteil vom 12.5.2015 — 11 W 28/13 (Kart)
Amtliche Leitsätze
Eine im Versicherungsvertrag vorge-sehene Prozessführungsbefugnis schließt ein rechtliches Interesse des D&O-Versicherers, nach einer ent-sprechenden Streitverkündung dem Rechtsstreit auf Seiten der (vermeint-lich) versicherten Person beizutreten, jedenfalls dann nicht aus, wenn der Versicherer geltend macht, dass insoweit kein Versicherungsverhältnis bestehe.
Sachverhalt
I.
Die klagende GmbH macht gegen die Beklagten, ihre früheren Geschäftsführer, Schadensersatzansprüche nach § 43 GmbHG geltend.
Die Beklagten waren bis zum 27.3.2006 über die A Holding GmbH Inhaber aller Geschäftsanteile der Klägerin. Am 27.3.2006 wurde ein umfangreiches Vertragswerk protokolliert, mit dem im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung 75 % der Geschäftsanteile der Klägerin an die B Trust …gesellschaft GmbH (im Folgenden: B Trust) übertragen werden sollten. Die B Trust sollte diese Geschäftsanteile treuhänderisch für die … GmbH halten; diese wiederum war eine Tochtergesellschaft der ... Holding SE. Die Beklagten wurden zu Geschäftsführern der Klägerin bestellt.
Mit Beschluss vom 16.7.2009 (Anlage K 25) hat die Gesellschafterversammlung der Klägerin beschlossen, Ansprüche gem. § 43 Abs. 2 GmbHG gegen die Beklagten geltend zu machen.
Die Beklagten halten die Klage bereits für unzulässig. Sie meinen, die B Trust sei aus verschiedenen Gründen nie wirksam Gesellschafterin der Klägerin geworden und haben eine diesbezügliche Zwischenfeststellungsklage erhoben.
Die Nebenintervenientin ist eine D&O-Versicherung, die mit der ... Holding SE in Vertragsbeziehungen stand. Nach dem hier maßgeblichen Versicherungsvertrag (Anl. K 27) sollte die Nebenintervenientin Schäden versichern, die u.a. durch Geschäftsführer während ihrer Tätigkeit verursacht wurden. Dabei waren auch Tochterunternehmen versichert. Die Nebenintervenientin ist nach entsprechender Streitverkündung dem Rechtsstreit auf Beklagtenseite beigetreten. Die Klägerin bestreitet die Zulässigkeit der Nebenintervention.
Wegen der Einzelheiten und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das Landgericht hat mit Zwischenurteil vom 11.6.2013 die Nebenintervention zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen des § 66 ZPO seien erfüllt.
Ein rechtliches Interesse eines Dritten sei zu bejahen, wenn die Entscheidung des Hauptprozesses durch Inhalt oder Vollstreckung mittelbar oder unmittelbar auf seine privatrechtlichen Verhältnisse einwirkt. Die Nebenintervenientin habe als D&O-Versicherer ein Interesse am Obsiegen der Beklagten, weil diesen andernfalls möglicherweise im Deckungsprozess ein Anspruch gegen die Nebenintervenientin auf Schadloshaltung zustehe.
Dass der Nebenintervenientin bereits aufgrund des Versicherungsvertrages eine Prozessführungsbefugnis zustehe, schränke ein bestehendes Nebeninterventionsrecht nicht ein.
Gegen diese ihr am 20.06.2013 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am 02.07.2013 sofortige Beschwerde eingelegt.
Sie meint, die Nebenintervenientin habe aufgrund der ihr vertraglich eingeräumte Prozessführungsbefugnis ausreichende Möglichkeiten, auf den Haftpflichtprozess einzuwirken. Es bestehe daher kein rechtliches Interesse an einer Nebenintervention. Durch diese werde der Prozess unnötig aufgebläht und würden insbesondere zusätzliche Kosten verursacht. Auch werde die Versicherungssumme zu Lasten der Beklagten geschmälert.
Die Nebenintervenientin und die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung. Die Nebenintervenientin sei schon deshalb nicht zur Prozessführung befugt, weil sie eine Deckung ausdrücklich versagt habe.
Aus den Gründen
II.
Die sofortige Beschwerde ist nach den §§ 71 II, 567 Abs. I Nr. 2, 569 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Ein rechtliches Interesse der Nebenintervenientin am Ausgang des Prozesses ergibt sich zunächst aus der Interventionswirkung der Streitverkündung. Würde ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten bejaht, könne sich die Nebenintervenientin nach § 68 ZPO in einem nachfolgenden Deckungsprozess weder darauf berufen, die B Trust sei nicht wirksam Gesellschafterin geworden, noch darauf, dass die sonstigen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nicht erfüllt seien.
Dieses rechtliche Interesse entfällt auch nicht dadurch, dass die Nebenintervenientin aufgrund der Ziff. 2.5. der Vertragsbedingungen des Versicherungsvertrages („HPDO 2010“, Anl. K 27) unmittelbar für die Beklagten prozessführungsbefugt ist.
Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass die Nebenintervenientin ihre Einstandspflicht primär deshalb leugnet, weil sie meint, dass ein entsprechendes Versicherungsverhältnis hinsichtlich der Parteien überhaupt nicht bestehe. Wäre nämlich die B Trust, wie seitens der Beklagten und der Nebenintervenientin geltend gemacht, nicht Gesellschafterin der Klägerin geworden, so bestünde zu Gunsten der Beklagten als ehemalige Geschäftsführer der Klägerin auch kein Versicherungsschutz bei der Nebenintervenientin, weil es sich dann bei der Klägerin gerade nicht um eine mitversicherte Tochtergesellschaft der Versicherungsnehmerin (der ... Holding SE) handeln würde und die Beklagten somit auch nicht „versicherte Person“ wären. Die Nebenintervenientin würde sich daher mit der Ausübung eines auf Ziffer 2.5 HPDO 2010 gestützten Prozessführungsrechts in Widerspruch zu ihrem eigenen Vorbringen setzen, wonach ihr eben gerade kein Prozessführungsrecht zusteht.
Die Nebenintervenientin hätte demnach ohne die Zulassung gerade keine zumutbare Möglichkeit, unter Aufrechterhaltung ihres tatsächlichen und für sie günstigen Rechtsstandpunktes eine - sie infolge der Streitverkündung treffende - Interventionswirkung einer Entscheidung des Inhalts zu verhindern, dass die B Trust Mehrheitsgesellschafterin der Klägerin geworden ist und sie selbst damit dem Grunde nach für etwaige Schadensersatzforderungen gegen die Beklagten einstandspflichtig ist.
Die Auffassung der Klägerin, der prozessführungsbefugte Haftpflichtversicherer sei nur bei vermutetem kollusivem Zusammenwirken von Geschädigtem und Versicherungsnehmer, wie beispielsweise Unfallmanipulationen, als Nebenintervenient zuzulassen, findet in der Rechtsprechung keine Stütze. Zwar handelt es sich bei den klägerseits zitierten Fällen, in denen eine Versicherung neben dem Versicherungsnehmer bzw. der versicherten Person als Nebenintervenientin zugelassen wurde, um Fälle eines mutmaßlich gestellten Unfalls (so BGH VersR 1993, 625; OLG Frankfurt, VersR 1996, 212) - eine Beschränkung auf solche Fälle lässt sich diesen Entscheidungen jedoch nicht entnehmen.
Die sofortige Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht.