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Wirtschaftsrecht
11.08.2011
Wirtschaftsrecht
OLG München: Zur Wirkung der Einziehung von Geschäftsanteilen eines Gesellschafters

OLG München, Urteil vom 28.7.2011 - 23 U 750/11

sachverhalt

I.

Die Parteien streiten über die Frage, ob der Kläger noch Gesellschafter der Beklagten zu 1) ist. Hilfsweise macht der Kläger im Wege der Stufenklage seinen Abfindungsanspruch geltend.

Der Kläger übernahm bei Gründung der Beklagten zu 1), deren jetziger Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, eine Stammeinlage in Höhe von DM 13.750,00. Die Gesellschafterliste vom 07.02.2002 (Anlage K 2) weist ihn als Gesellschafter mit zwei Geschäftsanteilen im Nennwert von DM 13.500,00 und DM 6.900,00 aus. Der Kläger war außerdem als Angestellter für die Beklagte zu 1) tätig. Nach § 4 der Satzung der Beklagten zu 1) (Anlage K 1) kann die auf unbestimmte Zeit errichtete Gesellschaft von jedem Gesellschafter mit einer Frist von einem Jahr zum Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden. Nachdem es zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien gekommen war, erklärte der Beklagte zu 2) mit Schreiben vom 19.10.2006 (Anlage B 9) gegenüber dem Kläger dessen Tätigkeit als Vertriebs- und Projektleiter mit sofortiger Wirkung für beendet. Daraufhin kündigte der Kläger mit Schreiben vom 20.10.2006 (Anlage K 5 bzw. B 10) unter dem Betreff „fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses und des Gesellschaftsvertrages" u.a. das Gesellschaftsverhältnis mit der Beklagten zu 1) aus wichtigem Grund und mit sofortiger Wirkung. Mit Schreiben seines damaligen Anwalts vom 12.12.2006 (Anlage B 11) forderte er u.a. einen Abfindungsbetrag in Höhe von € 114.000,00, da er den Gesellschaftsvertrag mit Schreiben vom 20.11.2006 fristlos gekündigt habe, er aber bis zur Zahlung seiner Abfindung Gesellschafter bleibe. Daraufhin entgegnete die Beklagte zu 1) durch ihre damaligen Anwälte mit Schreiben vom 22.12.2006 (Anlage B 12), die außerordentliche fristlose Kündigung des Gesellschaftsvertrages durch den Kläger mit Schreiben vom 20.11.2006 sei ohne wichtigem Grund erfolgt; sollte aus anderen Gründen eine unüberwindbare Zerrüttung des Gesellschaftsverhältnisses vorliegen, nehme sie die darauf gestützte Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses zur Kenntnis. Bei der Gesellschafterversammlung vom 08.02.2007 wurde die Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers beschlossen. Das Protokoll dieser Gesellschafterversammlung (Anlage K 7) wurde dem Kläger mit Schreiben vom 13.02.2007 (Anlage K 8) übersandt. Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 10.02.2010 (Anlage K 9) den Beklagten zu 2) aufforderte, eine Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1) einzuberufen, reichte der Beklagte zu 2) eine Gesellschafterliste (Anlage K 11) ein, die den Kläger nicht als Gesellschafter ausweist. Dort heißt es u.a., dass durch die Einziehung der Geschäftsanteile vom 09.02.2007 die vormaligen Geschäftsanteile des Klägers erloschen seien. Am 09.02.2007 hatte keine Gesellschafterversammlung stattgefunden.

Der Kläger vertritt die Ansicht, er sei nach wie vor Gesellschafter der Beklagten zu 1). Der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 08.02.2007 sei aufgrund erheblicher formeller materieller Mängel nichtig und unwirksam. Er habe jedenfalls seine Wirkung verloren. Die dem Handelsregister des Amtsgerichts Traunstein am 10.05.2007 vorgelegte Gesellschafterliste sei falsch. Er habe jedenfalls einen Abfindungsanspruch, den er mit seinen Hilfsanträgen geltend mache.

Der Kläger hat beantragt:

Es wird gegenüber der Beklagten zu 1) festgestellt, dass der in der Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1) vom 08.02.2007 gefasste Gesellschafterbeschluss, wonach der Geschäftsanteil des Klägers eingezogen worden ist, nichtig ist, hilfsweise, dass der in der Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1) vom 08.02.2007 gefasste Gesellschafterbeschluss, wonach der Geschäftsanteil des Klägers eingezogen worden ist, seine Wirkung verloren hat.

Es wird gegenüber der Beklagten zu 1) festgestellt, dass der in einer Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1) vom 09.02.2007 gefasste Gesellschafterbeschluss, wonach die Geschäftsanteile des Klägers eingezogen worden sind, nichtig ist.

Die Beklagten werden verurteilt, dem Handelsregistergericht des AG ... zu der HRB .... der Beklagten eine Gesellschafterliste vorzulegen, die den Kläger als Gesellschafter der Beklagten mit zwei Geschäftsanteilen im Nennwert von zu DM 13.500,00 und DM 6.900,00 ausweist.

Hilfsweise hat der Kläger beantragt, die Beklagten im Wege der Stufenklage zu verurteilen,

dem Kläger Auskunft über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten zu 1) in dem Zeitraum zwischen dem 01.01.2004 und dem 31.12.2009, durch Vorlage der in diesem Zeitraum erstellten Bilanzen und der hierzu gefertigten Prüf- und Erläuterungsberichte, der Gewinn- und Verlustrechnungen sowie der in diesem Zeitraum gegenüber der Beklagten zu 1) ergangenen Steuerbescheide und der Abschlussberichte etwaiger Steuerprüfungen, zu erteilen,

ihre Auskunft auf Nachfragen des Gerichts schriftlich zu erläutern,

die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft der Beklagten durch Versicherung an Eides Statt des Beklagten zu 2) zu erklären,

an den Kläger eine Abfindung nebst Zinsen in Höhe des sich nach der Auskunft ergebenden Verkehrswertes seiner eingezogenen Geschäftsanteilen an der Beklagten zu 1) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.02.2007 zu zahlen.


Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie entgegnen, der Einziehungsbeschluss sei wirksam, Auskunfts- und Abfindungsansprüche des Klägers seien jedenfalls verjährt. Die Beklagte zu 1) erklärt hilfsweise mit Schadensersatzansprüchen aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 17, 18 UWG die Aufrechnung gegenüber etwaigen Abfindungsansprüchen des Klägers.

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage insgesamt abgewiesen. Die beiden Feststellungsanträge seien unbegründet, da der Gesellschafterbeschluss vom 08.02.2007 wirksam sei. Ob in dem Verhalten der Beklagten vor der Kündigung des Klägers ein wichtiger Grund zu sehen sei, könne dahinstehen, weil die Zustimmung der Gesellschafterversammlung zum Austritt vorlag. Der Kläger könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Einziehungsbeschluss deshalb unwirksam sei, weil die Einziehung ohne gleichzeitige ausdrückliche Anerkennung des von ihm geltend gemachten Abfindungsanspruchs erfolgt sei. Die Beklagte zu 1) habe einen Abfindungsanspruch des Klägers dem Grunde nach anerkannt, jedoch dargelegt, dass kein auszuzahlendes Abfindungsguthaben vorhanden sei. Der Kläger behaupte primär die Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses mache jedoch keinen Nichtigkeitsgrund geltend. Ein Anfechtungsrecht stehe dem Kläger dagegen analog § 246 AktG nicht mehr zu. Da der Kläger als Gesellschafter aus der Beklagten zu 1) ausgeschieden sei, sei die am 10.05.2010 zum Handelsregister eingereichte Gesellschafterliste, abgesehen vom Schreibfehler hinsichtlich der Verwechslung des Datums inhaltlich zutreffend, weshalb ein Anspruch des Klägers auf Einreichung einer Gesellschafterliste, die ihn als Gesellschafter ausweist, nicht bestehe. Auch die im Wege der Stufenklage formulierten Hilfsanträge seien unbegründet, da der Auskunftsanspruch jedenfalls verjährt sei.

Dagegen wendet sich die Berufung des Klägers, der vor allem seine Argumentation in erster Instanz wiederholt und vertieft. Die vom Kläger nach § 4 der Satzung der Beklagten zu 1) erklärte Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses könne nicht in eine Zustimmung zur Einziehung umgedeutet werden. Der Einziehungsbeschluss vom 08.02.2007 sei bereits deshalb nichtig, da die Einziehung nach § 34 GmbHG eine entsprechende Satzungsklausel voraussetze, die die Satzung der Beklagten zu 1) nicht enthalte. Der Kläger sei Gesellschafter der Beklagten zu 1) geblieben, da der Beschluss vom 08.02.2007 jedenfalls seine Wirkung verloren habe, da die aufschiebende gesetzliche Bedingung, dass die Zahlung des Einziehungsentgelts ohne Beeinträchtigung des Stammkapitals in angemessener Zeit erfolge, ausgefallen sei. Dem Kläger stehe jedenfalls hilfsweise ein Abfindungsanspruch zu, der sich nach dem Verkehrswert seiner Geschäftsanteile zum Zeitpunkt des Einziehungsbeschlusses bemesse, und erst mit Zugang des Einziehungsbeschlusses im Februar des Jahres 2007 habe entstehen können. Räumt der Gesellschaftsvertrag den Gesellschaftern ein Kündigungsrecht ein, so führe die Ausübung dieses Rechts, wenn der Gesellschaftsvertrag wie im vorliegenden Fall keine andere Regelung enthalte, nach § 60 GmbHG zur Auflösung der Gesellschaft und nicht zum Ausscheiden des kündigenden Gesellschafters. Jeder GmbH-Gesellschafter könne jedenfalls bei Vorliegen eines wichtigen Grundes aus der Gesellschaft austreten und eine Abfindung verlangen. Dieses Recht gehöre als Grundprinzip des Verbandsrechts zu den zwingenden unverzichtbaren Mitgliedschaftsrechten und könne daher auch nicht in der Satzung ausgeschlossen oder unzumutbar erschwert werden.

Der Kläger verfolgt seine erstinstanzlichen Anträge weiter und erweitert seine Klage gegenüber der Beklagten zu 1) dahingehend, dass er äußerst hilfsweise beantragt, die Beklagte zu 1) verurteilten,

an den Kläger eine Abfindung in Höhe von € 114.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.02.2007 zu zahlen.

Er beantragt ferner vorsorglich die Zulassung der Revision.

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen sowie Abweisung des Antrags vom 24.06.2011.

Auf das Protokoll der Sitzung vom 30.06.2011 (Bl. 213/215) sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.

aus den gründen

II.

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

Der Klageantrag zu 1) ist unbegründet, da der auf der Gesellschafterversammlung vom 08.02.2007 gefasste Beschluss, den Geschäftsanteil des Klägers einzuziehen weder nichtig ist noch seine Wirkung verloren hat.

Den Beschluss vom 08.02.2007 hat der Kläger nicht innerhalb der als Leitbild heranzuziehenden Monatsfrist des § 246 AktG angefochten. Nichtigkeitsgründe hat der Kläger nicht vorgetragen. Da das GmbHG keinen Katalog von Nichtigkeitsgründen enthält, hat die Rechtsprechung in Übereinstimmung mit dem Schrifttum in Anlehnung an das Aktienrecht einen solchen entwickelt (RGZ 166, 129, 132 f; BGHZ 11, 231, 235), der sich am heutigen § 241 AktG orientiert (Scholz - K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl., § 45 Rn. 62 ff).

Es kann offenblieben, ob der anwaltliche Vertreter des Klägers bei der Gesellschafterversammlung vom 08.02.2007 zu Recht von der Abstimmung ausgeschlossen worden ist. Die Nichtberücksichtigung von Stimmen, die nur vermeintlich vom Stimmrecht ausgeschlossen sind, ist nur ein Anfechtungsgrund (Scholz - K. Schmidt, GmbHG, a.a.O., § 45 Rn. 98).

Der Beschluss ist auch nicht deswegen unwirksam, weil die Satzung der Beklagten zu 1) die Einziehung von Geschäftsanteilen nicht zulässt. Beim außerordentlichen Austritt eines Gesellschafters muss die Einziehung nämlich in Abweichung von § 34 GmbHG nicht im Gesellschaftsvertrag zugelassen sein; ebenso wenig muss der Austretende ihr zustimmen (Scholz - H. Winter/Seibt, GmbHG, 10. Aufl., Anhang § 34, Rn. 16).

In der vom Kläger mit Schreiben vom 20.10.2006 (Anlage K 5) erklärten Kündigung liegt ein außerordentlicher Austritt des Klägers. Die vom Kläger vor allem in der Sitzung vom 30.06.2011 und im Schriftsatz vom 25.07.2011 vertretene Ansicht, der Kläger habe nicht das Gesellschaftsverhältnis, sondern die Gesellschaft gekündigt überzeugt nicht. Der Kläger hat sich in seinem Kündigungsschreiben weder auf § 4 der Satzung der Beklagten zu 1) berufen, noch ist der Kläger von einer Kündigungsfrist bis zum 31.12.2007 ausgegangen. Auch wenn das Schreiben als Betreff „Kündigung des Gesellschaftsvertrags" angibt, ergibt sich aus dem folgenden Text eindeutig, dass der Kläger das Gesellschaftsverhältnis „aus wichtigem Grund und mit sofortiger Wirkung" gekündigt hat. Die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung ist eine Austrittserklärung (Lutter/Hommelhoff - Lutter, GmHG, 17. Aufl., § 34 Rn. 75). Der Kläger ist auch im nachfolgenden Schreiben vom 12.12.2006 (Anlage B 11) davon ausgegangen, dass ihm aufgrund dieses Austritts ein Abfindungsanspruch zusteht. Die jetzt vom Berufungsführer vertretene Ansicht, die Kündigung des Klägers habe zur Auflösung der Gesellschaft zum 31.12.2007 geführt, ist damit nicht in Einklang zu bringen. § 4 der Satzung gibt den Gesellschaftern nur das Recht zur ordentlichen Kündigung der Gesellschaft mit der Frist von einem Jahr zum Ende des Kalenderjahres, nicht aber ein Recht zur außerordentlichen Kündigung, das unter dem Grundsatz der Subsidiarität stände (Scholz - K. Schmidt/Bitter, GmbHG, 10. Aufl., § 60 Rn. 77). Danach ist vom Vorrang des Austritts auszugehen und die Auflösung der Gesellschaft der GmbH das äußerste Mittel, das der Minderheit nur ausnahmsweise zugestanden werden kann (Scholz - K. Schmidt/Bitter, a.a.O., § 61 Rn. 3). Aus dem Kündigungsschreiben des Klägers ergibt sich eindeutig, dass er seinen Austritt mit sofortiger Wirkung begehrte.

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass dahinstehen kann, ob in dem Verhalten der Beklagten zu 1) ein den Kläger zur außerordentlichen Kündigung berechtigender wichtiger Grund lag. Die Beklagte zu 1) hat die Kündigung akzeptiert und zum Anlass genommen, die Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers zu beschließen. Selbst wenn die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung nicht vorgelegen haben sollten, war der in der Gesellschafterversammlung vom 08.02.2007 gefasste Beschluss nicht nichtig, sondern allenfalls anfechtbar (Goette zu BGH, Beschluss vom 28.04.1997, II ZR 162/96, DStR 1997, 1336).

Auch der Umstand, dass durch den Beschluss „der Geschäftsanteil" des Klägers eingezogen wurde, steht der Wirksamkeit nicht entgegen. Zwar bleibt auch bei Vereinigung mehrerer Geschäftsanteile in einer Hand jeder Geschäftsanteil selbständig (Lutter/Hommelhoff - Bayer, GmbHG, 17. Aufl., § 15 Rn. 22), da jedoch sowohl in der Ladung zur Gesellschafterversammlung vom 08.02.2007 (Anlage K 6) als auch in der Niederschrift (Anlage K 7) auf die vorausgegangene Kündigung des Klägers Bezug genommen wird, ist der Beschluss eindeutig dahingehend zu verstehen, dass beide Geschäftsanteile des Klägers eingezogen werden.

Der Einziehungsbeschluss hat nicht mangels einer Abfindungszahlung der Beklagten zu 1) an den Kläger „seine Wirkung verloren". Denn nach Ansicht des Senats stand der Einziehungsbeschluss vom 08.02.2007 wegen der vorausgegangenen Kündigung des Klägers nicht unter der aufschiebenden Bedingung der Abfindung ohne Verstoß gegen § 30 GmbHG, die ausgefallen sein könnte; jedenfalls müsste sich der Kläger so behandeln lassen als wäre die Bedingung eingetreten.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann die Satzung einer GmbH für den Fall des Ausschlusses eines Gesellschafters durch Gesellschafterbeschluss anordnen, dass der betroffene Gesellschafter seine Gesellschafterstellung mit sofortiger Wirkung - also auch schon vor Zahlung seiner Abfindung verliert (BGHZ 32, 17, 23; Beschluss vom 08.12.2008, II ZR 263/07, ZIP 2009, 314). Für einen Austritt durch Kündigung gilt nichts anderes (BGH, Urteil vom 30.06.2003, II ZR 326/01, ZIP 2003, 1544 ff.). In der Entscheidung vom 25.01.1960 (BGHZ 32, 17, 23) führte der BGH aus, ein rechtmäßiger Ausschließungsbeschluss habe zur Folge, dass der betroffene Gesellschafter seine Gesellschafterstellung verliere, der Geschäftsanteil dagegen bestehen bleibe. Auch wenn die Gesellschaft nicht in angemessener Frist die Einziehung des Geschäftsanteils beschließe oder seine Abtretung verlange und nichts dazu tue, dass der Ausgeschlossene den Gegenwert seines Geschäftsanteils erlangt, lebe doch die Gesellschafterstellung des Betroffenen nicht wieder auf.

Ob ein Einziehungsbeschluss mangels einer entsprechenden Satzungsregelung schon mit seiner Bekanntgabe an den Gesellschafter zur Vernichtung des Geschäftsanteils führt oder ob diese Wirkung, erst mit der Zahlung der Abfindung eintritt, hat der BGH im Urteil vom 30.06.2003 (juris Tz. 14) ausdrücklich offen gelassen. Das OLG Hamm (Urteil vom 12.03.2008, 8 U 205/07, juris Tz. 22, m.w.N.) interpretiert dies als Lösung von dem Gedanken eines strikten Junktims zwischen Zahlung der Einziehungsabfindung und Verlust der Gesellschafterstellung (in diesem Sinn auch Baumbach/Hueck - Hueck/Fastrich, GmbHG, 19. Aufl. § 34, Rn. 42). Nach Ansicht Goettes (Die GmbH, 2. Aufl., 2002, § 6 Rn. 53) kann die Judikatur des II. Zivilsenats ohnehin nicht im Sinne eines solchen Junktims verstanden werden. Lediglich eine vereinzelt gebliebene, nicht tragende Nebenbemerkung in BGHZ 101, 113, 121, nach der der Betroffene Gesellschaftsrechte wahrnehmen könne jedenfalls solange die Einziehung, insbesondere infolge Nichtzahlung der geschuldeten Abfindung nicht vollzogen ist, könnte die Deutung zulassen, dass der II. Zivilsenat auch über den Fall der Ausschließung durch gestaltendes Urteil hinaus die Wirksamkeit dieser Maßnahme stets von der Zahlung der Abfindung bzw. des Abtretungsentgelts abhängig machen will. Anderen Entscheidungen, wie der bereits zitierten vom 25.01.1960 (BGHZ 32, 17, 23) lasse sich entnehmen, dass bei der Ausschließung durch Beschluss eine derartige Koppelung nicht gelte.

Nach Ansicht des Senats ist die Einziehung des Geschäftsanteils nach der Austrittserklärung eines Gesellschafters, also letztlich die Einigung über dessen Austritt einem in der Satzung zugelassenen Ausschluss mit sofortiger Wirkung vergleichbar. Für den letztgenannten Fall ist jedoch höchstrichterlich entschieden, dass auch dann, wenn die Gesellschaft nichts dazu tut, dass der Ausgeschlossene den Gegenwert seines Geschäftsanteils erlangt, die Gesellschafterstellung des Betroffenen nicht wieder auflebt (BGHZ 32, 17, 23; BGH, Beschluss vom 08.12.2008, II ZR 263/07, ZIP 2009, 314). Anderes als in dem vom BGH mit Urteil vom 17.10.1983 (II ZR 80/83, WM 1983, 1354) entschiedenen Fall stand hier nach dem Einziehungsbeschluss vom 08.02.2007 die Umsetzung der Austrittserklärung des Klägers nicht mehr aus.

Auch wenn man mit dem OLG Köln (Urteil vom 26.03.1999, 19 U 108/96, NZG 1999, 1222 ff.) der Ansicht des Klägers folgt, dass ein nach einer Kündigung des Gesellschafters ergangener Einziehungsbeschluss unter der aufschiebenden Bedingung der Zahlung der Abfindung steht, kann nicht festgestellt werden, dass der Gesellschafterbeschluss vom 08.02.2007 seine Wirkung verloren hat.

Ausgefallen ist eine Bedingung, wenn feststeht, dass sie nicht mehr eintreten kann (Palandt - Ellenberg, BGB, 70. Aufl., § 158, Rn. 3). Der Kläger muss sich jedoch so behandeln lassen, als wäre die aufschiebende Bedingung eingetreten. Der Kläger wäre aufgrund seiner gesellschaftlichen Treuepflicht gehalten gewesen, seine Abfindungsansprüche nach Erhalt des ablehnenden Schreibens der Beklagten zu 1) vom 22.12.2006 (Anlage B 12) und des Beschlusses vom 08.02.2007 - u.U. gerichtlich - weiter zu verfolgen, um die „schwierige Schwebelage" (BGH, Urteil vom 30.06.2003, II ZR 326/01, Tz. 14) zu beenden. § 162 Abs. 1 BGB ist zwar nicht auf Rechtsbedingungen anwendbar, wohl aber der in der Vorschrift zum Ausdruck kommende allgemeine Rechtsgedanke, dass niemand aus seinem treuwidrigen Verhalten Vorteile ziehen darf. Der Kläger hat nicht während der dreijährigen Verjährungsfrist Stufenklage erhoben, um seinen Abfindungsanspruch durchzusetzen (s.u. 4.), er muss sich daher so stellen lassen, als sei die Bedingung eingetreten.

Der Klageantrag zu 2) hat keinen Erfolg, da am 09.02.2007 unstreitig überhaupt kein Gesellschafterbeschluss gefasst wurde, denn die Beklagten haben mit Schriftsatz vom 06.08.2010 (S. 29 = Bl. 65 d.A.) eingeräumt, dass das Schreiben 10.05.2010 an das Handelsregister (Anlage K 11) einen Schreibfehler enthält.

Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) aus den unter Ziffer 1.1. dargelegten Gründen keinen Anspruch auf Einreichung einer Gesellschafterliste, die ihn Gesellschafter ausweist.

Folgt man der Ansicht, die Einziehung sei aufschiebend bedingt durch die Zahlung der Abfindung, ergibt sich dies auch aus der Überlegung, dass der Kläger nach Bekanntgabe des Einziehungsbeschlusses allenfalls noch formal Gesellschafter war. Geht es nach dem Austritt eines Gesellschafters nur noch darum, die ihm zustehende Abfindung für seinen Geschäftsanteil zu erhalten, darf er seine Mitspracherechte in der Gesellschaft nur noch insoweit ausüben, als sein wirtschaftliches Interesse an der Durchsetzung seines Abfindungsanspruchs betroffen ist (BGH 30.11.2009, II ZR 208/08. Tz. 17). Hier kann der Kläger einen Abfindungsanspruch jedoch nicht mehr durchsetzen.

Bezüglich des Beklagten zu 2) wird auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts und das Senatsurteil vom 29.07.2010, 23 U 1997/10, Bezug genommen.

Die Hilfsanträge zu 4) bis 8) haben keinen Erfolg. Das Landgericht hat die hilfsweise erhobene Stufenklage zu Recht insgesamt wegen Verjährung abgewiesen. Ansprüche gegen den Beklagten zu 2) bestehen ohnehin nicht, Abfindungs- und Auskunftsansprüche des ausscheidenden Gesellschafters bestehen nur gegen die Gesellschaft. Die im weiteren Hilfsantrag auf Zahlung von € 114.000,00 liegende Klageerweiterung ist nach § 533 ZPO zulässig. Auch insoweit kann die Beklagte zu 1) jedoch Verjährung einwenden.

Ein Abfindungsanspruch und dementsprechend ein Auskunftsanspruch des Klägers nach §§ 810, 242 BGB ist bereits mit Zugang der Kündigung des Klägers bei der Beklagten zu 1) am 23.10.2006 entstanden. Bereits die Kündigungserklärung des Klägers bewirkte, dass die Gesellschaft berechtigt und verpflichtet war, gegen Abfindung des Gesellschafters nach ihrer Wahl entweder den Geschäftsanteil einzuziehen oder dessen Abtretung unter Wahrung der Form des § 15 Abs. 3 GmbHG zu verlangen (Ulmer - Ulmer, GmbHG, Anh. § 34, Rn. 57; Scholz - H. Winter/Seibt, GmbHG, 10. Aufl., Anhang § 34, Rn. 14 m.w.N.). Dass die Gesellschaft von ihrem Wahlrecht Gebrauch macht, ist keine Voraussetzung für den Abfindungsanspruch des Gesellschafters nach einer Kündigung (OLG Celle, Urteil vom 28.08.2002, 9 U 29/92, Tz. 29, GmbHR 2002, 1063). Dementsprechend ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung der Abfindung nach herrschender Meinung der Zugang der Austrittserklärung bei der Gesellschaft (Baumbach/Hueck - Hueck/Fastrich, GmbHG, 19. Aufl., § 34, Rn. 25. m.w.N.). Im Übrigen hat die Beklagte zu 1) die Kündigung des Klägers bereits im Jahr 2006 akzeptiert. Denn im Schreiben vom 22.12.2006 (Anlage B 12) brachte die Beklagte zu 1) lediglich zum Ausdruck, ihr Verhalten begründe keinen wichtigen Grund, eine Zerrüttung sei auf das Verhalten des Klägers zurückzuführen. Einer darauf gestützten Kündigung hat sie nicht widersprochen, sondern „zur Kenntnis" genommen.

Der Auskunftsanspruch und - mangels einer abweichenden Regelung in der Satzung - auch der Abfindungsanspruch wurden gemäß § 271 Abs. 1 BGB sofort fällig. Die dreijährige Verjährungsfrist endete am 31.12.2009. Die Klage ging am 04.06.2010 bei Gericht ein.

Tatsachen, aus denen sich eine Hemmung der Verjährung ergibt, müsste der Kläger darlegen und beweisen. Dem neuen Vortrag des Klägers in der Sitzung vom 30.06.2011, es habe Verhandlungen zwischen den Parteien gegeben, sind die Beklagten entgegengetreten, so dass er nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zugelassen werden kann. Deshalb ist - im Hinblick auf die mit Schriftsatz vom 25.07.2011 als Anlage KB 2 vorgelegte Korrespondenz - eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO nicht geboten.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711 und § 543 Abs. 2 ZPO. Auf die Frage, ob der Einziehungsbeschluss aufschiebend bedingt war, kommt es nicht entscheidend an.

Der Streitwert bemisst sich nach § 3 ZPO, wobei Klageantrag zu 1) und alle Hilfsanträge wirtschaftlich identisch sind, und mit € 114.00,00 zu bewerten sind. Für die Klageanträge zu 2) und zu 3) ist jeweils ein Streitwert von € 1.000,00 anzusetzen.

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