LG Tübingen: Zur Wirksamkeit von AGB einer Bank zur Einführung von Negativzinsen gegenüber Verbrauchern
LG Tübingen, Urteil vom 26.1.2018 – 4 O 187/17
Volltext: BB-ONLINE BBL2018-258-6
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Amtlicher Leitsatz
Allgemeine Geschäftsbedingungen einer Bank, mit denen bei Sicht-, Termin- und Festgeldeinlagen im Verhältnis zu Verbrauchern Negativzinsen eingeführt werden, sind dann nach § 307 BGB unwirksam, wenn davon auch Altverträge erfasst werden, die ohne eine Entgeltpflicht des Kunden geschlossen wurden.
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Der Kläger ist ein in der Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG geführter gemeinnütziger Verbraucherschutzverein. Er verlangt von der beklagten Bank im Rechtsverkehr mit Verbrauchern für unterschiedliche Einlagengeschäfte die Unterlassung der Verwendung eines Preisaushangs mit Negativverzinsung.
Die Beklagte verwendete im Zeitraum zwischen dem 17.05.2017 und dem 26.06.2017 einen Preisaushang, in dem es zur Verzinsung bei Einlagengeschäften u.a. heißt (vgl. Anlage K 2):
Die Beklagte wurde vom Kläger mit Schreiben vom 12.06.2017 (Anlage K 3) abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Sie teilte daraufhin mit Schreiben vom 26.06.2017 (Anlage K 4) mit, dass die Klauseln zwischenzeitlich wieder geändert seien. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung hat die Beklagte auch nicht innerhalb der mit Schreiben vom 27.06.2017 (Anlage K 5) gesetzten Nachfrist abgegeben.
Beim VR-FlexGeld handelt es sich um das Tagesgeldprodukt der Beklagten, das für Verbraucher als online-Variante („VR-FlexOnline“) und in der Grundform „VR-FlexPrivat“ angeboten wird (vgl. dazu das Produktinformationsblatt gemäß der Anlage B 2). Über die Einlage kann täglich verfügt werden, die Laufzeit ist unbefristet. Im Produktinformationsblatt zum VR-FlexPrivat Stand 16.01.2017 heißt es unter „4. Risiken“ u.a.:
„Die Verzinsung ist variabel und nach der Höhe der Einlagen gestaffelt. Der variable Vertragszinssatz ist an den des jeweiligen Neugeschäfts für Einlagen dieser Art gebunden. Dadurch erhält der Kunde eine an der Marktentwicklung orientierte Verzinsung seines Guthabens, die zur Berechnung von negativen Zinsen führen kann.“
Unter „6. Verzinsung“ ist zu lesen:
„Die Bank wird die Zinssätze an die des jeweiligen Neugeschäfts für Einlagen dieser Art anpassen, die sich an den Marktverhältnissen orientieren. Dadurch kann es zur Berechnung negativer Zinsen kommen. Die Zinsen werden jeweils zum Halbjahresende gutgeschrieben; im Falle der Berechnung negativer Zinsen werden sie belastet. Die Verzinsung ist variabel und nach der Höhe der Einlage gestaffelt. Derzeit gilt folgende Zinsstaffel:
ab 0,01 EUR 0,00 % pro Jahr
ab 10.000,00 EUR 0,00 % pro Jahr.“
Für das VR-KündigungsGeld gilt nach dem Produktinformationsblatt Stand 16.01.2017 (Anlage B 5) eine fest vereinbarte Kündigungsfrist von 90 Tagen für Kunde und Bank. Dem Kündigungserfordernis entsprechend besteht keine feste Laufzeit, sondern nur eine Mindestlaufzeit von 90 Tagen. Der Mindestanlagebetrag beträgt 25.000,00 EUR. Unter „6. Verzinsung“ enthält das Produktinformationsblatt folgende Hinweise:
„Die Verzinsung ist variabel und beträgt derzeit 0,00 % pro Jahr.
Die Bank wird die Zinssätze an die des jeweiligen Neugeschäfts für Einlagen dieser Art anpassen, die sich an den Marktverhältnissen orientieren. Dadurch kann es zur Berechnung negativer Zinsen kommen. Bei Zinssatzänderungen wird der neue Zinssatz mit der Bekanntgabe (Aushang in den Geschäftsräumen) wirksam. Zinsen werden jährlich zum 31.12. gutgeschrieben; im Falle der Berechnung negativer Zinsen werden sie belastet.“
Beim VR-TerminGeld wird laut dem Produktinformationsblatt Stand 16.01.2017 (Anlage B 3) für die gesamte Laufzeit die Verzinsung fest vereinbart. Eine Verfügungsmöglichkeit während der Laufzeit besteht nicht. Die Laufzeit beträgt mindestens 180 Tage, der Anlagebetrag mindestens 25.000,00 EUR. Beim VR-AnlageGeld beträgt die Laufzeit mindestens ein Jahr. Unter „3. Produktdaten“ heißt es im Produktinformationsblatt u.a.:
„Prolongation
Bei einer Laufzeit bis zu einem Jahr wird die Anlage bei Fälligkeit zu dem dann geltenden Zinssatz (positiv oder negativ) um die gleiche Laufzeit verlängert, sofern der Kunde der Bank keine andere Weisung erteilt.“
Weiter ist unter „6. Verzinsung“ zu lesen:
„Die Zinsen werden jeweils zum Ende der Laufzeit gutgeschrieben oder im Falle der Berechnung negativer Zinsen belastet. Ist die Laufzeit länger als ein Jahr, erfolgt die Zinsberechnung darüber hinaus jeweils nach Ablauf eines Anlagejahres. Die Verzinsung ist fest vereinbart und beträgt derzeit:
Anlagebetrag 25.000,00 EUR
Laufzeit 180 Tage
0,00 %.“
Für die streitgegenständlichen Einlagengeschäfte verlangt die Beklagte keine Kontoführungsgebühr. Die vor dem 16.01.2017 von der Beklagten verwendeten Produktinformationsblätter enthielten unter der Rubrik „Verzinsung“ keinen Hinweis darauf, dass es auch zur Berechnung negativer Zinsen kommen kann.
Der Kläger ist der Ansicht, die im Preisaushang enthaltenen Klauseln zu VR-FlexGeld, VR-Termingeld/VR-AnlageGeld und VR-KündigungsGeld seien rechtswidrig. Sie enthielten dem Wortlaut nach keine Einschränkungen und umfassten damit auch laufende Verträge.
Die Klausel zu VR-FlexGeld verstoße gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB. Die unangemessene Benachteiligung von Verbrauchern beruhe auf einem Verstoß gegen einen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung. Dabei sei insoweit bei der Beurteilung der Klausel der gesamte Vertragsinhalt mit zu berücksichtigen, insbesondere auch der Inhalt anderer Regelungen und Klauseln. Die Beklagte habe gemäß der Anlagen K 6 und K 8 noch am 09.06.2017 VR-FlexGeld zielgerichtet zur „Geldanlage“ und nicht zur Verwahrung beworben. Die Beklagte hebe zusätzlich hervor, dass das Konto zum Ansparen diene, wobei der Verbraucher jederzeit über sein „Erspartes“ verfügen könne (Anlage K 9).
Unter diesen Umständen handele es sich bei der Klausel, nach der der Verbraucher für seine Geldanlage einen Negativzins - somit ein in der Höhe variierendes Entgelt - zu entrichten habe, um eine überraschende Klausel im Sinne des § 305c BGB, die insbesondere bei bereits abgeschlossenen laufenden Verträgen unwirksam sei.
In rechtlicher Hinsicht sei ein Vertrag zum VR-FlexGeld als Darlehensvertrag zu qualifizieren, bei dem die Beklagte als Darlehensnehmerin gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet sei, einen Zins zu zahlen. Im Ergebnis sei die von der Beklagten verwendete Klausel, die auch laufende Verträge betreffe, darauf angelegt, das Vertragsverhältnis vollständig zu ändern und die Hauptpflicht quasi „auf den Kopf zu stellen“. Die beanstandete Klausel führe zur vollständigen Typusänderung, die nicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen herbeigeführt werden dürfe, da diese lediglich einen Vertragstyp im rechtlich zulässigen Rahmen ausgestalten könnten. Der abgeschlossene Vertragstypus und die hierfür vereinbarten essentialia dürften durch nachfolgend eingeführte Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht nachträglich einseitig zum Vertragsinhalt gemacht werden. Unter Zugrundelegung eines Darlehensvertrages sei die hier verwendete Klausel bei abstrakter Betrachtungsweise geeignet, den hierin enthaltenen Grundsatz des Vorrangs der getroffenen Abrede zu verdrängen bzw. auszuhöhlen. In dieser Zielrichtung sei die angegriffene Klausel ebenfalls generell geeignet, die Vertragspartner der Beklagten wider Treu und Glauben unangemessen zu benachteiligen i.S.v. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.
Der Kläger verweist ferner auf den Rechtsgedanken des § 308 Nr. 4 BGB. Die Zumutbarkeit von Änderungs- und Abweichungsvorbehalten sei von vornherein davon abhängig, dass diese nicht zu einer wesentlichen Störung des Gleichgewichts von Leistung und Gegenleistung zu Lasten des anderen Vertragsteils führten. Die vollständige Änderung des Vertragstypus und die Änderung von Leistung und Gegenleistung dahingehend, dass der Verbraucher nun, statt Zinsen zu erhalten, zahlen müsse, sei insoweit über eine Allgemeine Geschäftsbedingung rechtlich nicht darstellbar.
Unerheblich sei, ob die Beklagte mit dem Verbraucher ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Hinblick auf den abgeschlossenen Vertrag vereinbart habe. Ein Leistungsbestimmungsrecht in einem Vertragstyp erlaube nicht die Schaffung einseitiger neuer Gegenleistungspflichten, durch die der Vertragstyp vollständig geändert werde.
Die von der Beklagten zu VR-TerminGeld/VR-AnlageGeld verwendete Klausel verstoße ebenfalls gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB. Insoweit sei die Situation nicht anders zu beurteilen als beim VR-FlexGeld. Es komme hinzu, dass aufgrund der vorgegebenen Anlagelaufzeit befristete Einlagen (Termineinlagen) und damit echte Gelddarlehensverträge gemäß § 488 BGB begründet würden. Hier sei die Beklagte Darlehensnehmerin, der Verbraucher Darlehensgeber. Ein Darlehensvertrag beinhalte aber die Verpflichtung, dass der Darlehensnehmer einen Zins zu zahlen und seinerseits kein Entgelt zu vereinnahmen habe. Auch hier könne und dürfe durch eine Klausel kein vollständiger Vertragstypenwechsel von einem zeitlich befristeten Darlehen zu einem regelmäßigen entgeltlichen Verwahrungsvertrag erfolgen - erst recht nicht in laufenden Verträgen.
Die Klausel zu VR-KündigungsGeld verstoße aus den gleichen Erwägungen heraus gleichfalls gegen § 307 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2, Abs. 2 Nr. 2 BGB.
Der Kläger beantragt:
I.
Der Beklagten wird untersagt, gegenüber Verbrauchern gemäß § 13 BGB die nachfolgenden oder inhaltsgleiche Klauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Geldanlageverträgen mit Verbrauchern zu verwenden oder sich auf diese Klauseln zu berufen:
1. VR-FlexGeld ab 10.000 Euro minus 0,500%
2. VR-TerminGeld/VR-AnlageGeld ab 25.000 Euro,
Laufzeit 180 Tage
minus 0,250%
360 Tage
minus 0,150%
720 Tage
minus 0,100%
3. VR-KündigungsGeld ab 25.000 Euro,
Kündigungsfrist 90 Tage
minus 0,350%
II.
Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000,00 (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen) oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
Die Beklagte stellt den Antrag,
die Klage abzuweisen.
Sie macht im Wesentlichen geltend, der Klageantrag Ziff. I. sei zu unbestimmt und daher unzulässig. Der Kläger begehre auch die Unterlassung der Verwendung von „inhaltsgleichen“ Klauseln und damit, dass die Beklagte im Einlagengeschäft für alle Zeiten auf negative Zinsen verzichten solle. Für welche künftigen Verträge das begehrte Verbot von „Negativzinsen“ darüber hinaus gelten soll, bleibe unklar.
Das Produktinformationsblatt zum Tagesgeldangebot für Verbraucher VR-FlexPrivat (Anlage B 2) informiere über die maßgeblichen Produkteigenschaften. Wenn ein Verbraucher ein Tagesgeldkonto eröffnen wolle, werde ihm mit der Bestätigung seines Auftrages zur Kontoeröffnung von der Beklagten unter anderem mitgeteilt (vgl. dazu die anonymisierte Kontoanlagebestätigung vom 15.05.2017 als Anlage B 1):
„Durch Orientierung des Vertragszinssatzes an den Marktverhältnissen kann es zur Berechnung negativer Zinsen kommen. Hierdurch kann es zu einer Verringerung des eingezahlten Kapitals kommen. Soweit nichts anderes vereinbart, ergeben sich die Zinsen und Entgelte aus dem Preisaushang bzw. dem Preis- und Leistungsverzeichnis.“
Das VR-TerminGeld/VR-AnlageGeld stelle eine Termineinlage mit fest vereinbarter Verzinsung (,‚Festgeld“) dar. Die Laufzeit könne 180, 360 und 720 Tage betragen. Der für die Laufzeit unveränderliche Zins ergebe sich aus dem bei Vertragsschluss gültigen Preishaushang. Bei der Eröffnung eines Festgeldkontos durch einen Verbraucher teile die Beklagte diesem mit der Bestätigung seines Auftrages zur Kontoeröffnung u.a. mit (vgl. anonymisierte Bestätigung Kontoeröffnung VR-TerminGeld vom 23.01.2017 als Anlage B 4):
„Durch Orientierung des Vertragszinssatzes an den Marktverhältnissen kann es zur Berechnung negativer Zinsen kommen. Hierdurch kann es zu einer Verringerung des eingezahlten Kapitals kommen. Soweit nichts anderes vereinbart, ergeben sich die Zinsen und Entgelte aus dem Preisaushang bzw. dem Preis- und Leistungsverzeichnis.“
Beim VR-KündigungsGeld handele es sich ebenfalls um eine variabel verzinste Termineinlage. Sowohl im Produktinformationsblatt (Anlage B 5) als auch bei der Kontoeröffnung werde - auch während der Geltung des Preisaushanges vom 17.05.2017 (Anlage K 2) - stets auf die Möglichkeit von negativen Zinsen und der damit einhergehenden, möglichen Verringerung des Kapitals hingewiesen (vgl. dazu das anonymisierte Bestätigungsschreiben Kontoeröffnung VR-KündigungsGeld als Anlage B 6).
Mit negativen Zinsen würden lediglich die von der Europäischen Zentralbank verlangten Kosten für die Verwahrung von Liquidität an die Verursacher weitergegeben. Inflation und Zinsniveau seien eng verwobene volkswirtschaftliche Phänomene außerhalb des Einflussbereiches der Beklagten. Verbraucher stünden nicht außerhalb des aktuellen Zinsumfeldes. Die typischen Interessen der Vertragsparteien eines Einlagengeschäfts hätten sich durch die anhaltende und beispiellose Niedrigzinsphase fundamental verändert. Insbesondere müssten Banken momentan 0,4 % an die Zentralbanken im Rahmen der Einlagenfazilität bezahlen. Das Interesse der Kunden an einer sicheren Verwahrung bei kurz- oder mittelfristiger Fälligkeit bestehe unverändert fort. Unter diesen Umständen gehe das Interesse der Banken dahin, die Entstehung der 0,4% „Strafzinsen“ zu vermeiden oder diese an den verursachenden Kunden weiterzugeben. Die Umlage auf alle Kunden sei vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BGH problematisch. Dass bei einer Negativverzinsung das Geld der Verbraucher auf einem an sich „sicheren“ Einlagenkonto an Wert verliere, stelle ein Risiko dar, welches nicht die Kreditwirtschaft zu verantworten habe oder steuern könne. Zinsniveau und Inflation könnten nicht isoliert betrachtet werden. Wer Negativzinsen im Einlagengeschäft für unzulässig halte, verkenne z.B. auch, dass bei einer Deflation (Verteuerung des Geldes, steigender Realwert, kein Anreiz für Konsum) nur Negativzinsen noch den Anreiz setzen können, weiter Geld auszugeben und damit die Wirtschaft „in Schwung“ zu halten, anstatt das Geld dem Kreislauf zu entziehen.
Soweit der Kläger darauf abhebe, VR-FlexGeld diene dem „Ansparen“, könne dies der Klage nicht zum Erfolg verhelfen, weil Sparen kein Wachstum durch Zinsen voraussetze. Bei keinem der Produkte, die durch die drei streitgegenständlichen Klauseln ausgestaltet werden könnten, handele es sich um Sparprodukte. Als Spareinlagen könnten nur unbefristete Gelder ausgewiesen werden, für die nach § 21 Abs. 4 Nr. 1 RechKredV eine Urkunde auszufertigen sei. Dies sei bei den hier in Rede stehenden Produkten nicht der Fall.
Eine sichere Zinsprognose könnten allein die Festgeldprodukte VR-TerminGeld und VR-AnlageGeld bieten, weil der Preisaushang im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses einen konstanten Zins für die gewünschte Laufzeit ausweise. Eine Änderung des Preisaushanges könne nicht in Verträge mit bereits vereinbarter Festverzinsung eingreifen, sondern ausschließlich Neuverträge betreffen.
Die streitgegenständlichen Klauseln seien auch im Übrigen nicht zur Änderung bestehender laufender Verträge verwendet worden.
Die Produkte VR-FlexGeld und VR-KündigungsGeld seien mit einer variablen Verzinsung ausgestaltet, weshalb der Preisaushang grundsätzlich Einfluss auf die Verzinsung laufender Verträge habe, weil aus ihm der jeweils aktuelle Zinssatz ersichtlich sei. Aus dem Produktinformationsblatt und den Bestätigungsschreiben für Kontoeröffnungen gehe insoweit ohne weiteres hervor, dass Negativzinsen nicht ausgeschlossen, sondern grundsätzlich möglich seien und zu einer Verringerung des eingelegten Kapitals führen könnten. Der Preisaushang fülle daher nur in den Verträgen angelegte Möglichkeiten aus.
Die Beklagte geht von der Wirksamkeit der angegriffenen Klauseln aus. Die drei streitgegenständlichen Klauseln unterlägen nicht der Inhaltskontrolle nach §§ 307 Abs. 2, 308 und 309 BGB, da sie nur den Preis einer vertraglichen Hauptleistung regelten. In allen Verträgen sei die Möglichkeit von negativen Zinsen angelegt gewesen. Der Preisaushang vom 17.05.2017 setze diese Möglichkeit nur um. Eine Abweichung oder Ergänzung zwingenden Rechts liege nicht vor. Das Gesetz enthalte keine wesentlichen Grundgedanken zur Negativverzinsung. Das Einlagengeschäft sei nicht gesondert zivilrechtlich geregelt. Da das Bürgerliche Gesetzbuch zinspolitisch neutral sei, finde sich kein Rechtssatz, der negativen Zinsen entgegenstehe. Vielmehr lasse die privatrechtliche Privatautonomie die Vereinbarung von negativen Zinsen zu.
Zu einer unangemessenen Benachteiligung von Verbrauchern führten die angegriffenen Klauseln nicht. Für eine Verwahrdienstleistung ein Entgelt zu verlangen, sei wegen § 689 BGB unbedenklich. Dies sei auch nicht überraschend in Anbetracht der vorvertraglichen Informationen und der erteilten Bestätigungsschreiben. Es werde weder nachträglich eine essentiala verändert noch in die vertraglichen Pflichten im Nachhinein eingegriffen. Die Zinsanpassungsklausel entspreche den Vorgaben der Rechtsprechung. Insbesondere sei die Orientierung des Zinssatzes an sich ändernde Marktverhältnisse unbedenklich. Nichts anderes könne dann gelten, wenn der variable Zinssatz zu einer negativen Verzinsung führe. Das Darlehensrecht lasse eine Negativverzinsung zu. Die Zulässigkeit einer Negativverzinsung sei zu bejahen, egal ob die Regelungen über den Darlehensvertrag oder die Bestimmungen über den Verwahrungsvertrag anzuwenden seien.
Wegen § 275 Abs. 3 BGB erscheine das Verlangen des Klägers auf Unterlassung unzumutbar. Eine derart weitreichende Verpflichtung stehe in ihrer sachlichen und zeitlichen Reichweite vollkommen außer Verhältnis zum Anlass der Klage.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.
Aus den Gründen
A.
Die zulässige Klage ist begründet. Die von der Beklagten in der Vergangenheit im Wege eines Preisaushangs verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind im Rechtsverkehr mit Verbrauchern unwirksam, woraus sich ein Unterlassungsanspruch des Klägers ergibt (§ 1 UKlaG).
I.
Die Klage ist zulässig.
1.
Das Landgericht Tübingen ist nach § 5 UKlaG, § 1 ZPO, §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus dem ausschließlichen Gerichtsstand des § 6 Abs. 1 S. 1 UKlaG. Die gewerbliche Niederlassung der Beklagten liegt im Bezirk des Landgerichts Tübingen.
2.
Der Kläger ist nach §§ 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 4 UKlaG klagebefugt. Der Kläger ist eine qualifizierte Einrichtung im Sinne des § 4 UKlaG (vgl. BGH NJW-RR 2014, 476; BGH WRP 2014, 319; BGH NJW 2013, 593; BGH NJW 2008, 2495).
3.
Der Einwand der Beklagten, der Antrag sei in Bezug auf die begehrte Versagung der Verwendung inhaltsgleicher Klauseln zu unbestimmt, geht fehl. Der Antrag orientiert sich an § 9 Nr. 3 UKlaG, wonach die Urteilsformel bei begründeten Klagen auch das Gebot zu enthalten hat, die Verwendung oder Empfehlung inhaltsgleicher Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu unterlassen. Zulässiger Streitgegenstand einer Verbandsklage ist jede inhaltlich selbständige Klausel in der vom Anspruchsgegner konkret verwendeten Fassung zusammen mit dem dazugehörigen Lebenssachverhalt (BGH NJW 1993, 2052), sodass der Antrag zulässig ist (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
II.
Zum Antrag Ziff. I:
Unwirksam ist der zwischen dem 17.05.2017 und 26.06.2017 verwendete Preisaushang der Beklagten mit Negativverzinsung zum VR-FlexGeld (1.), zum VR-KündigungsGeld (2.) und zum VR-TerminGeld bzw. VR-AnlageGeld (3.). Bei diesen Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist ein Verstoß gegen § 307 Abs. 3 S.1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 S. 1 BGB zu bejahen, weil sie in Bezug auf Verträge, die bereits vor Änderung der Produktinformationen zum 16.01.2017 geschlossen wurden (Altverträge), von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Vorschriften abweichen und zudem als überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB anzusehen sind.
1.
VR-FlexGeld
Der Preisaushang zum VR-FlexGeld, der im Zusammenwirken mit der von der Beklagten verwendeten Zinsanpassungsklausel zu betrachten ist, ist unwirksam.
a)
Bei der Einlageform VR-FlexGeld handelt es sich um ein unbefristetes Tagesgeldkonto mit täglicher Verfügungsmöglichkeit ohne Kündigungsfrist mit einer variablen Staffelverzinsung, welches nicht für den direkten Zahlungsverkehr geeignet ist (vgl. Anlage B 2). Sie ist eine Sichteinlage, welche üblicherweise als unregelmäßiger Verwahrungsvertrag gemäß § 700 Abs. 1 BGB klassifiziert wird (Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl., § 700 Rn.1; Peterek in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 8. Teil, E. Spargeschäft, Anm. 8.21). Dies gilt jedenfalls für Altverträge, die vor dem 16.01.2017 geschlossen wurden und bei denen sich die Beklagte keine Negativverzinsung vorbehalten hat. Danach finden bei Geld die Vorschriften über den Darlehensvertrag gemäß § 488 BGB Anwendung.
b)
Der am 17.05.2017 durch die Beklagte veröffentlichte Preisaushang (Anlage K 2) enthält Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Preisaushang ist für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert und wird vom Verwender, der Beklagten, gestellt. Im Verhältnis eines Unternehmers zu einem Verbraucher genügt die Verwendungsabsicht, wenn also diese Vertragsbedingungen nur zur einmaligen Verwendung gedacht sind. Hier sollte der Preisaushang sogar auf eine Vielzahl von Verträgen Anwendung finden. Unerheblich ist, dass die Beklagte zu keinem Zeitpunkt Negativzinsen verlangt hat (vgl. BGH WM 2014, 1325 zum Preisaushang). Die Beklagte hat das Vorliegen von AGB nicht streitig gestellt.
c)
Als Preisabrede ist die Vereinbarung einer negativen Verzinsung für Neuverträge der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB grundsätzlich entzogen.
§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB beschränkt die Inhaltskontrolle auf solche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Hierunter fallen weder Bestimmungen über den Preis der vertraglichen Hauptleistung noch Klauseln über das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte zusätzlich angebotene Sonderleistung (BGH NJW 2010, 150; BGH NJW-RR 2015, 181), da die Vertragsparteien nach dem im bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz der Vertragsfreiheit Leistung und Gegenleistung grundsätzlich frei regeln können (BGH MDR 2012, 983). Dies gilt nicht für Preisnebenabreden, die sich - wie insbesondere Preis- und Zahlungsmodifikationen - mittelbar auf den Preis auswirken, an deren Stelle aber bei Fehlen einer wirksamen vertraglichen Regelung dispositives Gesetzesrecht treten kann (BGH NJW 2009, 3570; BGH NJW 2014, 2078). Um Preisnebenabreden handelt es sich bei Klauseln, die keine echte (Gegen-)Leistung zum Gegenstand haben, sondern mit denen der Klauselverwender allgemeine Betriebskosten, Aufwand für die Erfüllung gesetzlich oder nebenvertraglich begründeter eigener Pflichten oder für sonstige Tätigkeiten auf den Kunden abwälzen will, die der Verwender im eigenen Interesse erbringt (BGH NJW 2014, 2420; BGH NJW 2013, 995).
Im vorliegenden Fall liegt keine Preisnebenabrede, sondern eine echte Preisabrede vor. So ist bei einem Sparvertrag die Zahlung von Zinsen als Preisabrede anzusehen, nämlich als Hauptleistungspflicht des Schuldners gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB (vgl. BGH NJW 2010, 1742; Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 307 Rn. 46). Nichts anderes kann bei einem unregelmäßigen Verwahrvertrag im Falle der Vereinbarung eines Entgelts des Einlegers in Form einer negativen Verzinsung gelten.
d)
Der Preisaushang zum VR-FlexGeld verstößt aber gegen § 307 Abs. 3 S. 1 BGB i.V.m. Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 S. 1 BGB, weil das Klauselwerk der Beklagten es ermöglicht, auch bei vor dem 16.01.2017 zustande gekommenen Verträgen Negativzinsen zu verlangen und damit in einer Weise von den für diese Verträge geltenden gesetzlichen Regelungen abweicht, die mit deren wesentlichen Grundgedanken nicht vereinbar ist.
Wegen des Verweises in § 700 Abs. 1 S. 1 BGB finden bei Altverträgen über Tagesgelder die Regelungen zum Darlehensvertrag Anwendung. Das Darlehensrecht kennt keine Entgeltpflicht für den Darlehensgeber. Davon abweichend hat die Beklagte durch den Preisaushang mit Negativverzinsung im Zusammenspiel mit der im Tatbestand wiedergegebenen Zinsanpassungsklausel auch bei Verträgen, die vor dem 16.01.2017 abgeschlossen wurden, eine Entgeltpflicht für Bankkunden begründet. Dadurch hat sie nachträglich in das Gefüge der Hauptleistungspflichten eingegriffen, was einseitig im Wege von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht zulässig ist.
Richtig ist zwar, dass eine gesetzliche Definition des Zinses fehlt und dass dieser nach dem Gesetz nicht auf ein positives Vorzeichen festgelegt ist. Unter dem Darlehenszins wird allgemein die „gewinn- und umsatzunabhängige, laufzeitabhängige, in Geld oder anderen vertretbaren Sachen zu entrichtende Vergütung für die Möglichkeit des Kapitalgebrauchs“ verstanden (BGH WM 2014, 1224; Canaris, NJW 1978, 1891). Eine Aussage dazu, ob die „Vergütung“ des Kapitalgebrauchs zwingend positiv zu sein hat, kann der Definition nicht klar entnommen werden.
Dennoch bewirkt der Übergang von einer positiven bzw. einer Nullverzinsung hin zu einem Negativzins bei Altverträgen über Sichteinlagen - und darauf ist entscheidend abzustellen - eine Änderung des Vertragscharakters hin zu einer Umkehr der Zahlungspflichten. Denn durch eine negative Verzinsung wird der Bankkunde entgegen § 488 BGB verpflichtet, der Bank (neben der Zurverfügungstellung der vereinbarten Summe) zusätzlich ein Entgelt zu entrichten.
Die Statuierung einer Negativverzinsung im Wege von Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf der Basis einer Zinsanpassungsklausel, die - wie hier - auch laufende Verträge erfasst, hält die Kammer bei Sichteinlagen für unwirksam (so zutreffend Tröger in ifo Schnelldienst, ifo Institut, Ausgabe 2/2015, S. 11 ff.). Sie bewegt sich nicht mehr im Rahmen des billigen Ermessens nach § 315 BGB. Das Leistungsbestimmungsrecht setzt die prinzipielle Einigung der Beteiligten über die Begründung einer konkretisierungsbedürftigen Leistungspflicht voraus. Die im Regelfall darlehensrechtliche Typologie des Einlagengeschäfts bedingt, dass die Depositen nehmende Bank die Verzinsung der Einlagen als Entgelt für die Finanzierungsleistung des Kunden schuldet. Der Einleger ist demgegenüber regelmäßig gerade nicht zu einer selbständigen Vergütung der Verwahrungsleistung der Bank verpflichtet. Mit negativen Zinsen in Altverträgen erhebt die Bank deshalb faktisch ein Entgelt für eine von ihr im Rahmen des unregelmäßigen Verwahrvertrages ohnehin geschuldete bzw. im Darlehensvertrag überhaupt nicht zu erbringende Leistung, welches im einvernehmlich festgelegten Pflichtenprogramm der Einlagebeziehung nicht vorgesehen ist und daher nicht Teil der essentialia negotii des ursprünglich geschlossenen Altvertrages war. In früheren Versionen der Informationsblätter war, wie die Beklagte im Termin vom 08.12.2017 eingeräumt hat, der Hinweis auf eine Negativverzinsung noch nicht enthalten.
Eine andere Betrachtung ist nicht deswegen geboten, weil in den Produktinformationen der Beklagten auch schon vor dem 16.01.2017 von einer variablen Verzinsung die Rede war. Dadurch wurde der Bank nicht die Berechtigung eingeräumt, ein Entgelt für Einlagen zu verlangen (§§ 133, 157 BGB). Schon nach dem Wortlaut der Klausel verbietet sich eine solche Interpretation, weil eine Entgeltpflicht nicht mit einer Verzinsung gleichgesetzt werden kann. Aber auch vom Sinn und Zweck der Klausel ist eine solche Berechtigung abzulehnen: Bei einem unregelmäßigen Verwahrungsvertrag bezieht sich die Verzinsung immer nur auf die Pflichtenlage der Bank (§§ 700 Abs. 1 S. 1 , 688 BGB), nicht auf diejenige des Bankkunden. Jedenfalls ist die Klausel unklar i.S.v. § 305c Abs. 2 BGB. Diese Unklarheit gehen zu Lasten des Klauselverwenders (BGH NJW 2013, 291).
e)
Ferner stellt der Preisaushang mit der Zinsanpassungsmöglichkeit bei vor dem 16.01.2017 begründeten Sichteinlagen eine überraschende Klausel dar, § 305c Abs. 1 BGB.
Mit einem Übergang von positiven/neutralen Zinsen zu Negativzinsen bei schon abgeschlossenen Verträgen über Sichteinlagen rechnet der Verbraucher nicht und muss damit auch nicht rechnen. Vielmehr hat der Verbraucher den Vertrag in der Vorstellung abgeschlossen, entweder eine geringe oder im schlechtesten Fall gar keine Verzinsung seiner Einlage zur erhalten. Hingegen ist die Heranziehung zu Negativzinsen im Sichteinlagengeschäft atypisch, weil sie der Pflichtenlage bei unregelmäßigen Verwahrungsverträgen - wie bereits dargelegt worden ist - widerspricht.
f)
Bei dieser Betrachtung kann dahinstehen, ob darüber hinaus ein Verstoß gegen das Transparenzgebot (BGH NJW 2014, 1658; BGH NJW 2016, 1575) oder eine unangemessene Benachteiligung entgegen dem Gebot von Treu und Glauben gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB anzunehmen ist.
g)
Weil der Preisaushang Altverträge nicht von der Negativverzinsung ausnimmt, erstreckt sich der Unterlassungsanspruch des Klägers auf die gesamte Klausel bzgl. VR-FlexGeld. Wegen des Verbots geltungserhaltender Reduktion (BGH NJW 2005, 1774; BGH WM 2010, 1861) scheidet die Rückführung der Klausel auf einen zulässigen Inhalt aus.
h)
Mit der vorliegenden Entscheidung wird der Beklagten im Übrigen keineswegs dauerhaft die Einführung von Negativzinsen untersagt. Aus diesem Grund sind die Erwägungen der Beklagten zur Unzumutbarkeit nicht tragfähig.
2.
VR - KündigungsGeld
Die Klausel zum VR-KündigungsGeld teilt das Schicksal der Klausel zum VR-FlexGeld.
a)
Das VR-KündigungsGeld ist eine Termineinlage ab 25.000,00 EUR mit einer Kündigungsfrist von 90 Tagen. Nach dem Produktinformationsblatt (Anlage B 5) ist der Zinssatz variabel. Die Beklagte hat sich das Recht vorbehalten, den Zins während der Vertragslaufzeit anzupassen (dort § 6). Die Zinsanpassungsklausel entspricht der Regelung unter Ziff. 6. zur Verzinsung beim VR-FlexGeld (Anlage B 2).
Typischerweise dienen Einlagengeschäfte den Banken regelmäßig zur Ansammlung von Kapital als Grundlage des Aktivgeschäfts. Verträge mit positiver Verzinsung über eine Festgeldanlage werden von der Rechtsprechung als Darlehensverträge i.S.v. § 488 BGB behandelt (BGHZ 131, 60 (63); BGH NJW-RR 2009, 979).
b)
Da der Preisaushang im Zusammenspiel mit der zitierten Zinsanpassungsklausel es der Beklagten in gleicher Weise wie beim VR-FlexGeld ermöglichen, einseitig nachträglich den Vertragscharakter von Altverträgen mit positiver oder ohne Verzinsung zu ändern, indem ein Entgelt vom Bankkunden verlangt wird, welches ursprünglich nicht vereinbart war, so dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten im Ergebnis zu wesentlichen Abweichungen von Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen beim Darlehensvertrag bzw. beim unregelmäßigen Verwahrungsvertrag führen, ist auch beim VR-KündigungsGeld von einem Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB auszugehen. Außerdem liegt eine überraschende Klausel vor (§ 305c Abs. 1 BGB). Zur Begründung kann auf die vorstehenden Überlegungen zum VR-FlexGeld Bezug genommen werden.
3.
VR-Termingeld/VR-AnlageGeld
Auch insoweit hat der Unterlassungsantrag des Klägers Erfolg.
a)
Das Produkt VR-TerminGeld/VR-AnlageGeld stellt eine zeitlich befristete Festgeldeinlage dar mit unterschiedlicher Laufzeit, für welche vor Vertragsabschluss die Zinshöhe für die gesamte Laufzeit zwischen der Bank und dem Kunden fest vereinbart wird (vgl. dazu die Anlagen B 3 und B 4). Das VR-AnlageGeld unterscheidet sich vom VR-TerminGeld mit einer Mindestlaufzeit von 180 Tagen nur dadurch, dass die Laufzeit 1 Jahr beträgt.
Bei Verträgen mit positiver oder ohne Verzinsung schuldet der Bankkunde der Beklagten kein Entgelt für die Einlage.
b)
Der Preisaushang der Beklagten zu VR-Termingeld bzw. VR-AnlageGeld, der ebenfalls allgemeine Geschäftsbedingungen enthält, ist nach der Methode der kundenfeindlichsten Auslegung (BGH NJW 2013, 291; BGH NJW 2009, 2051; BGH NJW 2008, 2172) dahin zu interpretieren, dass er nicht nur für Neuverträge gilt (§§ 133, 157 BGB).
Zwar handelt es sich bei dem Produkt VR-TerminGeld bzw. VR-AnlageGeld, wie bereits dargestellt worden ist, um eine zeitlich befristete Festgeldeinlage, die dadurch gekennzeichnet ist, dass bereits vor Vertragsabschluss die Zinshöhe für die gesamte Laufzeit zwischen der Bank und dem Kunden fest vereinbart wird.
Jedoch verlängern sich Termingelder bis zu einem Jahr nach Ziff. 3 des Produktinformationsblattes zu dem dann geltenden Zinssatz (positiv oder negativ) um die gleiche Laufzeit, sofern der Kunde der Bank keine andere Weisung erteilt. Danach kann es sein, dass Altverträge über Termingelder mit einer Laufzeit bis zu einem Jahr, die mit oder ohne Verzinsung vereinbart und - u.U. mehrfach - prolongiert worden sind, mit Negativzinsen gemäß dem Preisaushang vom 17.05.2017 belegt werden. Somit besteht die Möglichkeit, dass die Beklagte auch bei Altverträgen über Termingelder von ihren Kunden ein Entgelt für ihre Leistungen erhebt, die ohne eine derartige Entgeltpflicht geschlossen wurden. In diesem Fall würde wie beim VR-FlexGeld und beim VR-KündigungsGeld nachträglich in unzulässiger Weise durch AGB in das Gefüge der Hauptleistungspflichten eingegriffen.
Insoweit enthält der Preisaushang auch beim VR-TerminGeld bzw. VR-AnlageGeld eine von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweichende Bestimmung (§ 307 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 S. 1 BGB).
c)
Der beanstandete Preisaushang nimmt Altverträge mit einer Laufzeit bis zu einem Jahr nicht aus und ist, weil eine geltungserhaltende Reduktion gleichfalls ausscheidet, insgesamt unzulässig. Zwar gelten die obigen Überlegungen nicht für Verträge, die mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr geschlossen wurden, da es insoweit an einer Prolongationsvereinbarung fehlt. Eine solche Differenzierung lässt sich der im Preisaushang für diese Anlageform vorgesehene Zinsregelung jedoch nicht entnehmen.
Diese unterscheidet nur den für eine bestimmte Anlagezeit gültigen Zins, nicht jedoch danach, ob es sich um einen prolongierten oder einen neuen Vertrag handelt. Die Zinsregelung zum VR-TerminGeld bzw. VR-AnlageGeld ist als eine AGB zu betrachten.
d)
Die Kammer hält den Preisaushang hinsichtlich dieser Verträge überdies für überraschend gemäß § 305c Abs. 1 BGB.
4.
Die für einen Unterlassungsanspruch aus § 1 UKlaG erforderliche Wiederholungsgefahr liegt vor. Aus der vertraglichen Einbeziehung der AGB in der Vergangenheit resultiert die tatsächliche Vermutung ihrer zukünftigen Verwendung und ihrer Anwendung bei der Vertragsdurchführung (vgl. BGH NJW 1992, 1108; BGH NJW-RR 2001, 485; BGH NJW 2002, 2386). An die Widerlegung dieser Vermutung sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BGH NJW 1987, 3251). Diese sind hier nicht erfüllt. Die Beklagte hält die Klauseln im Preisaushang mit Negativverzinsung für zulässig und hat daher die für eine Widerlegung regelmäßig erforderliche Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verweigert, was die Vermutung nicht entkräften kann (BGH VersR 2012, 1149).
II.
Zum Antrag Ziff. II.:
Die Androhung von Ordnungsgeld im Falle der Zuwiderhandlung findet ihre Rechtsgrundlage in § 890 ZPO.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
Der Streitwert war auf 30.000,00 EUR festzusetzen. In Anbetracht der hohen wirtschaftlichen Bedeutung, die die Einführung von Negativzinsen im Einlagengeschäft für die betroffenen Rechtskreise hat, hält die Kammer den vom Kläger in Ansatz gebrachten Streitwert von 15.000,00 EUR für zu gering (vgl. BGH ZIP 2014, 255).