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Wirtschaftsrecht
20.08.2008
Wirtschaftsrecht
LG Hamburg: Zur Wirksamkeit einer formularmäßigen Vollstreckungsunterwerfung bei gleichzeitiger Abtretbarkeit der gesicherten Darlehensforderung

LG Hamburg, Beschluss vom 9.7.2008 - 318 T 183/07

Sachverhalt

I. Der Schuldner wendet sich gegen die Erteilung einer Vollstreckungsklausel, aus der die Gläubigerin aus übertragenem Recht die Zwangsvollstreckung betreibt.

Zur Sicherung einer Darlehensschuld bestellte der Schuldner unter dem ... zu Gunsten der ... Bank AG als Darlehensgeberin eine Sicherungsgrundschuld über ... an seinem mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstück, ....

Gleichzeitig unterwarf er sich in der Grundschuldbestellungsurkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung in den belasteten Grundbesitz und wegen der damit zusammenhängenden Darlehensforderung der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. Als Gläubigerbezeichnung ist in der Bestellungsurkunde das Wort „Bank" eingetragen. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird Bezug genommen auf die als Anlage K1 zur Akte gereichte Grundschuldbestellungsurkunde von ... (Bl. 6 d.A.).

Die ... Bank AG trat die Darlehensforderung sowie die Grundschuld später an die ... Bank ab. Diese fusionierte in die ... Bank ... AG und firmierte sodann unter dem Namen ... AG. Letztere trat die gesicherte Darlehensforderung und die Buchgrundschuld mit Abtretungserklärung vom 14.2.2005 unter Bewilligung der Eintragung der Abtretung im Grundbuch an die Gläubigerin ab. Diese ist als Treuhänderin eines amerikanischen Finanzinvestors eingesetzt und seit dem 22.2.2005 als Gläubigerin im Grundbuch eingetragen. Mit abgetreten wurden die Ansprüche aus der persönlichen Haftungsübernahme und Zwangsvollstreckungsunterwerfung der der jeweiligen Grundschuldeintragung zu Grunde liegenden Bestellungserklärung (Abtretungserklärung vom 14.2.2005, Bl. 11 d.A.).

Die Gläubigerin beantragte beim zuständigen Notar die Erteilung einer auf sie laufenden Rechtsnachfolgevollstreckungsklausel, die ihr vom Notar ... am 7.6.2005 erteilt wurde. Auf Betreiben der Gläubigerin ordnete das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek mit Beschluss vom 4.4.2006 (Anlage K3, Bl. 13 d.A.) die Zwangsversteigerung der in dem Beschluss näher bezeichneten Wohnungseigentumsrechte an. Die Zwangsversteigerung erfolgt u.a. aufgrund des der Gläubigerin aus der vollstreckbaren Urkunde des Notars ... zustehenden Anspruchs auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus der im Grundbuch eingetragenen Gesamtgrundschuld.

Der Schuldner hat im Wesentlichen vorgetragen, dass die Gläubigerin nicht aus der Grundschuldbestellungsurkunde vollstrecken dürfe. Sie sei nicht Gläubigerin der Grundschuld geworden, da sie keine „Bank" i.S.d. § 39 KWG sei. Die Grundschuld habe nicht wirksam an die Gläubigerin abgetreten werden können.

Der Schuldner hat beantragt,

festzustellen, dass die Erteilung einer Vollstreckungsklausel aufgrund der ... des Notars ... (Nominalbetrag: ... 100.000,-) mit abstraktem Schuldanerkenntnis in Höhe des Grundschuldbetrages für die Erinnerungsgegnerin unzulässig ist.

Die Gläubigerin hat beantragt,

den Antrag/die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen.

Das Amtsgericht hat die Erinnerung des Schuldners mit Beschluss vom 26.8.2007 (Bl. 39ff. d.A.) als unbegründet zurückgewiesen. Es hat hierzu im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Rechtsnachfolgeklausel durch den zuständigen Notar vorgelegen hätten. Gründe, die einer Erteilung der Klausel entgegenstehen, habe der Schuldner nicht substantiiert dargetan. Grundschulden könnten wie grundsätzlich alle anderen Forderungen frei und ohne Mitwirkung des Schuldners übertragen werden. Jedem Gläubiger stehe es frei, mit seinen Grundschulden nach Belieben zu verfahren. Das in der Grundschuldbestellungsurkunde verwendete Wort „Bank" könne nur als klarstellende Bezeichnung der Vertragsparteien angesehen werden, nicht aber als Einschränkung der Übertragbarkeit der Grundschuld. Im Übrigen sei der Schuldner durch die §§ 404, 1191, 1157 BGB ausreichend vor der Verletzung seiner Rechte geschützt.

11 Gegen den ihm am 30.8.2007 zugegangenen Beschluss hat der Schuldner am 13.7.2007 sofortige Beschwerde erhoben.

Aus den Gründen

II. Die nach § 567 I ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Schuldners ist begründet.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts haben die Voraussetzungen für die Erteilung der Rechtsnachfolgeklausel nach §§ 727 I, 724, 794 I Nr. 5, 795, 797 ZPO nicht vorgelegen. Denn die Unterwerfung des Schuldners unter die sofortige Zwangsvollstreckung in der Grundschuldbestellungsurkunde vom 28.9.1987 (Anlage K1, Bl. 6 d.A.) ist nach § 307 I 1 BGB unwirksam. Folglich ging die Abtretung der Zwangsvollstreckungsunterwerfung an die Gläubigerin mit Abtretungserklärung vom 14.2.2005 (Bl. 11 d.A.) von vorneherein ins Leere.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Einwendung, die gemäß § 794 I Nr. 5 ZPO abgegebene Unterwerfungserklärung verstoße gegen § 307 I 1 BGB (früher: § 9 AGBG), im Klauselerinnerungsverfahren zu berücksichtigen ist. Denn sie betrifft die Frage, ob ein ordnungsgemäßer Titel geschaffen worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16.7.2004, NJW-RR 2004, 1718).

Dem Amtsgericht ist im Ausgangspunkt darin beizupflichten, dass die Abtretung der Grundschuld an die Gläubigerin wirksam ist. Der Wirksamkeit der Abtretung steht insoweit weder ein vertragliches noch ein gesetzliches Abtretungsverbot entgegen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 27.2.2007, XI ZR 195/05, zit. nach juris).

Die Abtretung ist nicht gemäß § 399 Alt. 2 BGB ausgeschlossen, weil eine hierfür erforderliche „Vereinbarung mit dem Schuldner" weder ausdrücklich noch stillschweigend geschlossen wurde. Dies folgt insbesondere daraus, dass laut Grundschuldbestellungsurkunde der jeweilige Gläubiger berechtigt ist, eine vollstreckbare Ausfertigung zu verlangen. Damit aber wird deutlich, dass die Möglichkeit der Abtretung eben nicht ausgeschlossen sein sollte. Die zitierte Vereinbarung würde ansonsten keinen Sinn machen. Des Weiteren ist die im Vertragstext gewählte Bezeichnung „Bank" lediglich ein Kürzel für die Vertragsparteienbezeichnung. Eine Vereinbarung dahingehen, dass der jeweilige Grundschuldgläubiger eine „Bank" i.S.d. KWG sein muss, lässt sich dem nicht entnehmen. Auch darin ist dem Amtsgericht zuzustimmen.

Allerdings geht die Abtretung der gemäß § 794 I Nr. 5 ZPO abgegebenen Unterwerfungserklärung ins Leere. Denn die in der Grundschuldbestellungsurkunde vom 28.9.1987 enthaltene vorformulierte Unterwerfungserklärung stellt eine unangemessene Benachteiligung des Schuldners i.S.d. § 307 I 1 BGB (früher: § 9 AGBG) dar und ist somit unwirksam. Dies hat zur Folge, dass die Klausel mangels ordnungsgemäßen Titels nicht hätte erteilt werden dürfen.

Zwar hat die Rechtsprechung die bisherige Praxis, nach der sich der Darlehensnehmer üblicherweise der sofortigen Zwangsvollstreckung in das belastete Grundstück und/oder in sein gesamtes Vermögen unterwirft, gebilligt (vgl. BGH, Urteil v. 18.12.1986, 2. LS. zit. nach juris; veröffentlicht u.a. in BGHZ 99, 274, 284). Obwohl die Bank auf diese Weise die Möglichkeit gewinnt, sich einen Vollstreckungstitel ohne eine gerichtliche Überprüfung ihrer Forderung zu verschaffen, wird die damit einhergehende Benachteiligung des Darlehensnehmers als gerechtfertigt angesehen. Denn die Banken haben bei Störungen bei der Abwicklung des Kreditverhältnisses, die sich typischerweise aus einer Vermögensverschlechterung des Kunden ergeben, ein berechtigtes Interesse an einem raschen Gläubigerzugriff.

Bei dieser Abwägung wurde allerdings bislang nicht das erst in neuerer Zeit auftretende Phänomen des massenhaften Verkaufs von Krediten durch Banken an Finanzinvestoren berücksichtigt. Der Schuldner weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass er bei Abgabe der Unterwerfungserklärung nicht mit einem Verkauf des Kreditvertrages nebst Sicherheiten an eine Nichtbank habe rechnen müssen. Dieser Umstand führt dazu, dass dem bislang gültigen Abwägungsergebnis die Grundlage entzogen ist (in diesem Sinne ausdrücklich Schimansky, WM 2008, 1049, 1050). Denn die Möglichkeit des raschen Zugriffs auf das Vermögen des Schuldners dient allein dem Schutz der kreditgebenden Bank vor einem im Laufe der Abwicklung des Kreditverhältnisses drohenden Vermögensverfall des Kunden. Sie soll die Ansprüche der Bank aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung mit dem Kunden sichern (BGH, a.a.O., Rn. 23). Davon kann jedoch keine Rede mehr sein, wenn die Kreditverbindlichkeit nebst Sicherheiten frei an beliebige Dritte verkauft und abgetreten werden darf. In den Händen eines die Forderung aufkaufenden Finanzinvestors, der anders als eine Bank nicht an einer langfristigen Geschäftsbeziehung, sondern an einer raschen Verwertung der Sicherheiten interessiert ist, verwandelt sich die Möglichkeit einer Vollstreckung ohne vorherige Nachprüfung in einem Erkenntnisverfahren in ein äußerst wirksames Druckmittel, das ein erhebliches Missbrauchspotenzial birgt. Solange es nämlich dem Schuldner überlassen bleibt, die gerichtliche Prüfung im Wege einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO herbeizuführen, bleibt Raum für jede unberechtigte Ankündigung oder Einleitung einer Zwangsvollstreckung.

Vor dem Hintergrund, dass Finanzinvestoren keiner Bankerlaubnis nach § 1 III KWG bedürfen und auch keiner laufenden Aufsicht nach § 6 KWG unterliegen, kommt dem geschilderten Missbrauchspotential ein erhebliches Gewicht. zu. Denn die Durchsetzbarkeit etwaiger Schadensersatzansprüche wegen missbräuchlicher Ausnutzung der Vollstreckungsmöglichkeit durch Finanzinvestoren ist nicht in derselben Weise gesichert, wie dies bei Banken, die einer strengen staatlichen Aufsicht und Kontrolle unterliegen, der Fall ist. Aus diesem Grund verbietet sich hier eine Berücksichtigung etwaiger Schadensersatzansprüche wegen unberechtigter Vollstreckungsmaßnahmen bei der nach § 307 BGB vorzunehmenden Abwägung. Die formularmäßige Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung ist somit als unangemessene Benachteiligung des Kreditnehmers i.S.d. § 307 I 1 zu qualifizieren, wenn die Bank die Kreditforderung frei an beliebige Dritte abtreten kann (so ausdrücklich Schimansky, WM 2008, 1049, 1051).

Nach alledem ist die Gläubigerin zwar Inhaberin der Grundschuld und der Darlehensforderung geworden. Die Klausel durfte jedoch dennoch nicht erteilt werden, da die Zwangsvollstreckungsunterwerfung unwirksam ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO.

Nach § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Die Frage der Wirksamkeit einer formularmäßigen Vollstreckungsunterwerfung bei gleichzeitiger Abtretbarkeit der gesicherten Darlehensforderung bedarf wegen ihrer über den Einzelfall hinausreichenden Bedeutung einer grundsätzlichen Klärung.

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