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Wirtschaftsrecht
13.09.2012
Wirtschaftsrecht
OLG Frankfurt: Zur Wirksamkeit der Beschlüsse der Hauptversammlung der Deutschen Bank 2008 - Auskunftsrecht der Aktionäre

OLG Frankfurt, Urteil vom 26.6.2012 - 5 U 144/09

Leitsätze (der Redaktion)

1. Die gemäß § 130 Abs. 1 AktG erforderliche Beurkundung durch eine „über die Verhandlung notariell aufgenommene Niederschrift" setzt nicht deren endgültige Fertigstellung in der Hauptversammlung voraus. Der Notar darf seine Wahrnehmungen auch noch danach im Einzelnen ausarbeiten und unterzeichnen.

2. Bis zu der rechtskräftigen Feststellung, dass seine Wahl zum Aufsichtsratsvorsitzenden unwirksam ist, bekleidet der Aufsichtsratsvorsitzende dieses Amt und hat die hiermit verbundenen Aufgaben wahrzunehmen.

3. Gemäß § 131 Abs. 2 S. 2 AktG kann die Satzung den Versammlungsleiter ermächtigen, das Frage- und Rederecht der Aktionäre zeitlich angemessen zu beschränken. Bei der Entscheidung über mögliche Redezeitverkürzungen kommt dem Versammlungsleiter ein Ermessen zu.

4. Bei der Entlastungsentscheidung können nur ausnahmsweise auch außerhalb des betreffenden Geschäftsjahres liegende Vorgänge von dem Informationsinteresse des Aktionärs umfasst sein.

5. Ein spekulatives Auskunftsbegehren ist für einen durchschnittlichen Aktionär ohne Relevanz und muss daher nicht beantwortet werden.

AktG §§ 53a, 130, 131, 132, 161, 241, 243

Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit mehrerer Beschlussfassungen der Hauptversammlung der Beklagten vom 29.05.2008. Die Kläger sind Aktionäre der Beklagten. Auf der Hauptversammlung am 29.5.2008 wurden u. a. Beschlüsse gefasst über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat 2007, über die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder, über die Schaffung neuen genehmigten Kapitals sowie über die Schaffung neuen genehmigten Kapitals sowie die Ermächtigung zur Ausgabe von Options- bzw. Wandelgenussscheinen. Mit Urteil vom 27.8.2009 hat das LG Frankfurt a. M. die Nichtigkeit der aufgeführten Beschlüsse festgestellt. Mit Urteil vom 15.6.2010, berichtigt durch Beschluss vom 19.7.2010, hat der Senat das landgerichtliche Urteil mit einer Maßgabe hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Streithelfers der Kläger zu 7) bestätigt. Auf die Revision der Beklagten hat der BGH mit Teilversäumnisurteil und Urteil vom 19.7.2011 das Senatsurteil vom 15.6.2010 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an den Senat zurück verwiesen. Die Berufung hatte in der Sache Erfolg.

Aus den Gründen

II. ... Die streitgegenständlichen Beschlussfassungen der Hauptversammlung der Beklagten vom 29.5.2008 sind weder nichtig noch anfechtbar ...

  • Es liegen keine zur Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der Beschlüsse führende relevante Verfahrensfehler vor

Verfahrensfehler, die zu einer Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit aller gefassten Beschlüsse führen könnten, sind nicht gegeben.

  • Notarielle Niederschrift der Beschlüsse

So hat der Kläger zu 1. in seinem Schriftsatz vom 24.6.2008 geltend gemacht, dass die auf der streitgegenständlichen Hauptversammlung gefassten Beschlüsse nichtig seien, da der beurkundende Notar Dr. L die Niederschrift über die Hauptversammlung vom 29.5.2008 erst am 9.6.2008 fertig gestellt und datiert habe. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 16.2.2009 - II ZR 185/07, "Kirch/Deutsche Bank", BGHZ 180, S. 9 bis 36, BB 2009, 796 m. BB-Komm. Marhewka, zitiert nach Juris, Leitsatz 1 und Rdn. 9 ff) stellt dieses Vorgehen keinen Beurkundungsmangel dar. Denn die gemäß § 130 Abs. 1 AktG erforderliche Beurkundung durch eine "über die Verhandlung notariell aufgenommene Niederschrift" setzt nicht deren endgültige Fertigstellung in der Hauptversammlung voraus. Der Notar darf seine Wahrnehmungen auch noch danach im Einzelnen ausarbeiten und unterzeichnen (ebenso Urteil des Senats vom 5.7.2011 - 5 U 104/10, AG 2011, S. 713 ff., zitiert nach Juris, Rn. 107- Hauptversammlung der Beklagten 2009; OLG Frankfurt/M., Urteil vom 20.10.2010 - 23 U 121/08, WM 2011, S. 221 ff., zitiert nach Juris, Rn. 105 - Hauptversammlung der Beklagten 2007; Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 130 Rn. 11).

  • Überwachung der Stimmauszählung und Organisation des „Backoffice"

Weiter vertritt der Kläger zu 1. in seiner Klageschrift vom 16.6.2008  die Auffassung, dass die gefassten Beschlüsse nichtig seien, da die abgegebenen Stimmkarten durch Mitarbeiter der Beklagten eingesammelt und im "Backoffice" hinter verschlossenen Türen mittels eines EDV-Programms ausgezählt wurden. Lediglich das Ergebnis der Auszählung wurde dem Leiter der Hauptversammlung übermittelt und von diesem bekannt gegeben. Einen Antrag des Klägers zu 1. auf Zugang zum "Backoffice" hat die Hauptversammlung abgelehnt.

Nach der Rechtsprechung des BGH (a. a. O., Leitsatz 2 und Rdn. 16) fällt die Überwachung und Protokollierung der Stimmauszählung nicht unter die zwingenden, mit der Nichtigkeitssanktion des § 241 Nr. 2 AktG bewehrten Protokollierungserfordernisse gemäß § 130 Abs. 1, 2 und 4 AktG. Vielmehr genügt es, wenn das von dem Versammlungsleiter bekannt gegebene Abstimmungsergebnis protokolliert wird.

Was die Organisation des "Backoffice" betrifft, so hatte zudem der beurkundende Notar in seinem Protokoll, S. 40/41 d. A. angegeben, dass er sich "vor der Hauptversammlung ... über die örtlichen Gegebenheiten sowie die Ausgestaltung der Stimmzählung mittels EDV-Anlage und der mit einem maschinell lesbaren Code versehenen Stimmkarten, u. a. auch durch Gespräche mit den dazu beauftragten Mitarbeitern, überzeugt" (habe). Irgendwelche Unregelmäßigkeiten hat der Kläger zu 1. nicht vorgetragen.

  • Rechtmäßigkeit der Versammlungsleitung durch den gewählten Aufsichtsratsvorsitzenden

Die Kläger zu 1. bis 4. beanstanden, dass Herr Dr. C die streitgegenständliche Hauptversammlung geleitet hat, obgleich seine Wahl zum Aufsichtsratsvorsitzenden in der Hauptversammlung 2006 sowie auch der Bestätigungsbeschluss in der Hauptversammlung 2007 jeweils angefochten wurde und die entsprechenden Verfahren zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Hauptversammlung am 29.05.2008 noch nicht rechtskräftig entschieden waren.

Entgegen der Meinung der Kläger durfte Herr Dr. C die Hauptversammlung leiten. Denn bis zu der rechtskräftigen Feststellung, dass seine Wahl zum Aufsichtsratsvorsitzenden unwirksam ist, bekleidet er dieses Amt und hat die hiermit verbundenen Aufgaben wahrzunehmen. Sowohl nach der Rechtsprechung des Senats (z. B. Urteil vom 5.7.2011 - 5 U 104/10, AG 2011, S. 713 ff., zitiert nach Juris, Rn. 112 ff., Beschluss vom 23.2.2010 - 5 Sch 2/09, AG 2010, S. 596 ff., zitiert nach Juris, Rn. 62 ff.; ebenso OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 20.10.2010 - 23 U 121/08, AG 2011, S. 36 ff., zitiert nach Juris, Rn. 107; Beschluss vom 13.12.2011 - 5 AktG 2/11, S. 9) wie auch des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts (a. a. O., Rdn. 18) ist die Versammlungsleitung durch den gewählten Aufsichtsratsvorsitzenden bis zur Rechtskraft eines kassatorischen Urteils rechtmäßig. Hinzu kommt, dass die Anfechtbarkeit eines Beschlusses, welcher unter der Leitung eines unzuständigen Versammlungsleiters zustande gekommen ist, nur möglich ist, wenn konkrete Maßnahmen des an sich unzuständigen Versammlungsleiters sich im Sinne der Relevanz auf den angefochtenen Beschluss inhaltlich ausgewirkt haben (vgl. Beschluss des Senats vom 18.3.2008 - 5 U 171/06, ZIP 2008, 738, zitiert nach Juris Rdn. 28; Beschluss vom 23.2.2010 - 5 Sch 2/09, a. a. O., Hüffer, AktG, 10. Aufl. § 243 Rdn. 16). Auf den Umstand als solchen, dass die Wahl von Herrn Dr. C angefochten wurde, kann eine Anfechtung der gefassten Beschlüsse daher nicht gestützt werden.

  • Beschränkung der Redezeit und Schließung der Rednerliste

Kein Anfechtungsgrund folgt weiter daraus, dass von dem Leiter der Hauptversammlung die Redezeit für die einzelnen Aktionäre zu Beginn der Versammlung auf jeweils 10 Minuten beschränkt und um 16.40 Uhr nochmals für 5 Minuten verkürzt wurde. Um 20.23 Uhr wurde die allgemeine Aussprache geschlossen und um 21.25 Uhr die Hauptversammlung beendet.

Gemäß § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG kann die Satzung den Versammlungsleiter ermächtigen, das Frage- und Rederecht der Aktionäre zeitlich angemessen zu beschränken. Dies ist in § 19 Abs. 2 Satz 2 der Satzung der Beklagten geschehen, wo es heißt:

"Der Vorsitzende leitet die Verhandlungen und bestimmt die Reihenfolge der Redner und die Behandlung der Gegenstände der Tagesordnung. Er kann im Laufe der Hauptversammlung angemessene Beschränkungen der Redezeit, der Fragezeit bzw. der Gesamtzeit für Redebeiträge und Fragen generell oder für einzelne Redner festlegen. ..."

Bei der Entscheidung über mögliche Redezeitverkürzungen kommt dem Versammlungsleiter ein Ermessen zu (z.B. Senat, Beschluss vom 23.2.2010 - 5 Sch 2/09, AG 2010, S. 596 ff., zitiert nach Juris, Rn. 62 ff.; MünchKomm/Kubis, AktG, 2. Aufl., § 119, Rdn. 154). Weiter hat der Senat in seinem Freigabebeschluss hinsichtlich der Hauptversammlung der Beklagten 2011 vom 13.12.2011 - 5 AktG 2/11, S. 11/12) Folgendes ausgeführt:

„Wie der Senat in seinem Beschluss vom 23.2. 2010 (5 Sch 2/09, a. a. O. [AG 2010, S. 596 ff., zitiert nach Juris, Rn. 62 ff.]) sowie bekräftigend in seinem Urteil vom 05.07.2011 (5 U 104/10, a. a. O. [AG 2011, S. 713 ff., zitiert nach Juris, Rn. 112 ff.]) ausgeführt hat, muss ein Versammlungsleiter auch eine übermäßige, unangemessene Begrenzung der Redezeit der zunächst aufgerufenen Redner vermeiden. Es ist ihm daher bei der Entscheidung darüber, ob er zunächst eine großzügigere Redezeit vergeben und diese dann ggf. im Laufe der Versammlung kürzen will oder ob er sogleich eine kürzere Zeit vorgeben will, ein Ermessen einzuräumen. Dieses wäre nur überschritten, wenn das gewählte Vorgehen gezielt dazu missbraucht worden wäre, z. B. zunächst der Unternehmensführung „genehme" Aktionäre aufzurufen und befürchtete „Querulanten" in ihrer Redezeit durch einen späteren Aufruf zu benachteiligen. Ein solches Vorgehen wird von der Antragsgegnerin zu 2.) nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich. Die Verfahrensweise des Versammlungsleiters, welche die Antragstellerin damit begründet, dass sich zunächst noch nicht habe absehen lassen, ob die gewährte Redezeit von allen Rednern ausgeschöpft und wie lange die Diskussion dauern würde, hielt sich daher innerhalb des dem Versammlungsleiter zustehenden Ermessens."

An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Ein Ermessensfehlgebrauch ist danach nicht ersichtlich.

Letzteres gilt auch für die Schließung der Rednerliste um 15.35 Uhr. Denn der Versammlungsleiter hatte dafür Sorge zu tragen, dass die zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Redebeiträge ordnungsgemäß abgearbeitet werden konnten. Dementsprechend dauerte die Versammlung dann auch noch fast weitere sechs Stunden.

Entgegen der Auffassung des Klägers zu 5. stellt es keinen Verstoß gegen § 53a AktG dar, wenn einige Redner ganz geringfügig (im Sekundenbereich) länger sprechen durften als andere. Die Beklagte hat dies überzeugend mit dem gebotenen Anstand und respektvollen Umgang begründet, welche es geboten hätten, die jeweiligen Aktionäre ihre bereits begonnen Sätze beenden zu lassen.

Ebenfalls keinen Verstoß gegen § 53a AktG stellt es dar, dass dem Aktionär Prof. Dr. N über die generell gewährten fünf Minuten zwei Minuten an Redezeit gewährt wurden, wobei dahinstehen kann, ob er daraufhin - unter Überziehung der ihm gewährten Redezeit - insgesamt sieben Minuten länger sprach als die anderen Aktionäre (so der - bestrittene - Vortrag des Klägers zu 4.). Denn für eine Verlängerung der Redezeit gab es eine sachliche Begründung. Prof. Dr. N hatte einen Antrag, die Tagesordnung um sieben Punkte zu erweitern, im Einzelnen zu begründen.

Hinzu kommt, dass eine Anfechtung von Beschlüssen wegen eines Verstoßes gegen § 53a AktG ohnehin nur möglich ist, wenn entweder die gefassten Beschlüsse selbst gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen oder die ungleiche Zumessung von Redezeit durch den Versammlungsleiter dazu führt, dass rechtzeitige Wortmeldungen wegen Debattenschlusses nicht mehr berücksichtigt werden können (vgl. Hüffer, AktG,10. Aufl., § 243 AktG, Rdn. 16 m. N.). Beides ist vorliegend nicht dargetan.

  • Es liegen auch keine zur Anfechtbarkeit der gefassten Beschlüsse führenden Verletzungen von Informationspflichten vor

Ebenso wenig wie relevante Verfahrensfehler liegen Verletzungen von Informationspflichten vor, die gemäß § 243 Abs. 4 AktG zu einer Anfechtbarkeit der gefassten Beschlüsse führen.

Die Kläger haben auf der streitgegenständlichen Hauptversammlung eine große Anzahl von Fragen gestellt. Teilweise wurden diese jeweils zu „Fragenkomplexen" zusammengefasst ...

Hinsichtlich des Fragekomplexes zu 1) meinen die Kläger zu 2. und 3., dass dieser „schon deshalb offenkundig nicht entsprechend § 131 Abs. 2 AktG beantwortet sei, weil entscheidende Informationen gänzlich fehlten ...

Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Die Beklagte hat auf die gestellten Fragen ausführlich geantwortet und auch Größenordnungen hinsichtlich der Geschäfte, Erlöse und Verluste bzw. gegen sie erhobener Forderungen angegeben. Die Mitteilung weiterer Einzelheiten war weder aus der Sicht eines objektiv urteilenden Aktionärs für seine Entscheidung über die Entlastung des Vorstands erforderlich, noch war - jedenfalls angesichts der von der Klägern zu 2. und 3. gestellten Fülle von Fragen - der Beklagten eine noch detailliertere Beantwortung zumutbar.

Im Ergebnis das Gleiche gilt hinsichtlich des Fragenkomplexes zu 2). Hierzu vertreten die Kläger zu 2. und 3. ebenfalls die Auffassung, dass „diese Frage nicht im Ansatz beantwortet" worden sei.

Zwar hat hier die Beklagte - unter Hinweis darauf, dass „eine Antwort in dem ... geforderten Detaillierungsgrad ... in der zur Verfügung stehenden Zeit" nicht hätte zusammengestellt werden können - auf der Hauptversammlung keine Antwort erteilt, sondern stattdessen auf ihre Ausführungen im Finanzbericht verwiesen. Hiermit genügte sie jedoch ihrer Informationsverpflichtung gemäß § 243 Abs. 4 AktG. Denn die erbetenen detaillierten Informationen zu in der Bilanz der Beklagten nicht konsolidierten Zweckgesellschaften waren aus der Sicht eines objektiv urteilenden Aktionärs weder für die Entlastung des Vorstands erforderlich, noch war - jedenfalls angesichts der von der Klägern zu 2. und 3. gestellten Fülle von Fragen - der Beklagten eine detailliertere Auskunft als im Finanzbericht geschehen zumutbar ...

Die von dem Kläger zu 4. auf der streitgegenständlichen Hauptversammlung gestellten Fragenkomplexe 1. bis 24. waren bereits Gegenstand eines Auskunftsverfahrens gemäß § 132 AktG. In diesem hat der Senat, im Ergebnis dem Landgericht (Beschluss vom 20.1.2009, 3-5 O 108/08) folgend, den Auskunftsantrag mit Beschluss vom 11.10.2010 (5 W 56/09) in vollem Umfang abgewiesen.

Hinsichtlich der gestellten Fragen(komplexe) zu 1 bis 10 hat der Senat insoweit Folgendes ausgeführt (Beschlusses vom 11.10.2010, S. 7 ff.):

„Die gestellten Fragen sind von der Antragsgegnerin in dem erforderlichen Umfang beantwortet worden."

  • Erfordernis von Auskünften über zurückliegende Vorgänge im Zusammenhang mit Entlastungsentscheidungen und ...

aaa) ... α) Weil sich alle vorgenannten Fragen auf Geschäftsvorfälle aus den Jahren 2002 und 2003 beziehen, sind sie zur Beurteilung der Tagesordnungspunkte Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat jeweils nicht erforderlich. Grundsätzlich geht es bei der Entlastungsentscheidung um die Beurteilung der zu entlastenden Organe in dem abgelaufenen Geschäftsjahr, hier als des Geschäftsjahres 2007. Deswegen können nur ausnahmsweise auch außerhalb des betreffenden Geschäftsjahres liegende Vorgänge von dem Informationsinteresse des Aktionärs umfasst sein (vgl. BayObLG, AG 2001, 424, 425; Decher, in Großkomm z AktG, Stand 1.3.2001, § 131 Rdn. 150; MünchKommAktG/Kubis, 2. Aufl., § 131 Rdn. 53). Voraussetzung ist aber, dass die zeitlich früher liegenden Vorfälle sich erstmals ausgewirkt haben oder bekannt geworden sind, oder es um neue Gesichtspunkte geht, die einen zurückliegenden Vorgang in einem neuen Licht erscheinen lassen (vgl. BGH, NJW 2005, 828, 829). Keine der genannten Voraussetzungen für einen solchen Ausnahmefall ist vorliegend erfüllt oder wird auch nur vom Antragsteller geltend gemacht.

  • ... in Bezug auf die Aufsichtsratswahl

ß) ... γ) Einzig mit Blick auf die Entscheidung über die Aufsichtsratswahl und hierbei insbesondere die Wiederwahl von Dr. C kommt eine Erforderlichkeit der Auskünfte betreffend die geschilderten Vorgänge aus den Jahren 2002 und 2003 in Betracht. Allerdings ist mit Blick auf die zurückliegenden Vorgänge nur in eingeschränktem Maße eine Erforderlichkeit zu bejahen (1)). Unter Berücksichtigung ihrer nur begrenzten Erforderlichkeit sind die Fragen hinreichend beantwortet (2)).

1) Maßgeblich für die Erforderlichkeit ... ist, dass es bei der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern um die Person der zu wählenden Kandidaten und deren Eignung für das angestrebte Mandat geht. Diese allgemeine Beurteilung der zur Wahl stehenden Person bedingt es, dass im Gegensatz zur Entlastungsentscheidung nicht nur Vorfälle des vorangegangenen Geschäftsjahres, sondern auch deutlich zurückliegende Vorgänge von Relevanz sein können. Hinzu kommt, dass der Aktionär über die persönliche und fachliche Eignung eines Kandidaten zu entscheiden hat, der für eine regelmäßige Dauer von fünf Jahren den Vorstand überwachen und kontrollieren soll (vgl. MünchKommAktG/Kubis, 2. Aufl., § 131 Rdn. 55).

Vorliegend kommt eine Beurteilungserheblichkeit der eingeforderten Informationen aufgrund der Tatsache in Betracht, dass das zur Wahl stehende Aufsichtsratsmitglied Dr. C zum damaligen Zeitpunkt Finanzvorstand der Antragsgegnerin war. Denkbar ist insoweit, dass etwaige Pflichtverletzungen während dieser Zeit dessen Eignung als Mitglied des Aufsichtsrates in Frage stellen könnten und daher eine Klärung der dabei für eine Pflichtverletzung in Betracht kommenden Vorgänge erfordern. Denkbar ist ferner, dass für die Entscheidung über die Wahl ein etwaiger Interessenkonflikt aufgedeckt werden sollte. Dieser könnte daraus resultieren, dass Dr. C in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsmitglied denkbare, auch gegen ihn selbst gerichtete Schadensersatzansprüche nach § 93 AktG eventuell zu prüfen und über die Anspruchsverfolgung zu befinden haben müsste (vgl. Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 111 Rdn. 4a).

Soweit es das Bestehen eines etwaigen Interessenkonflikts anbelangt, ist zu berücksichtigen, dass für eine Entscheidung des Durchschnittsaktionärs nur erkennbar sein muss, ob im Fall der Wahl ein Interessenkonflikt gegeben sein kann. Steht die Möglichkeit eines Konfliktes außer Zweifel, bedarf es insoweit keiner abschließenden Beurteilung, ob die im Raume stehende Pflichtverletzung tatsächlich gegeben ist.

Soweit es die etwaig fehlende Eignung aufgrund einer damaligen Pflichtverletzung betrifft, ist die Erforderlichkeit von damit in Zusammenhang stehenden Informationen nicht anders zu beurteilen als andere Vorgänge des zu wählenden Aufsichtsratsmitgliedes aus dessen weiter zurückliegenden Vergangenheit. Damit zugleich ergibt sich ebenfalls, dass die Erforderlichkeit nur mit Blick auf die konkrete damalige Beteiligung und Verantwortung des zu wählenden Aufsichtsratsmitgliedes an den vergangenen Vorgängen von Interesse ist. Eine über dessen konkrete Verantwortung hinausgehende, allgemeine Aufklärung von damals in der Zeit dessen Vorstandsmitgliedschaft fallenden Vorgängen ist von dem Informationsinteresse eines durchschnittlichen Aktionärs im Regelfall nicht gedeckt.

Zu der Beurteilung der Erforderlichkeit gestellter Fragen ist des Weiteren in Betracht zu ziehen, dass bei der Aufsichtsratswahl zwar keine Begrenzung auf einen bestimmten Zeitraum in Betracht kommt. Dies führt aber entgegen einer in der Literatur geäußerten Auffassung auch mit Blick auf diesen Tagesordnungspunkt nicht zu einer nahezu unbeschränkten Auskunftspflicht (so aber MünchKommAktG/Kubis, 2. Aufl., § 131 Rdn. 55). Denn der Umfang potentiell in Betracht kommender Themen bedingt zugleich das Erfordernis der größeren Erheblichkeit der Information. Je weiter das Feld der Informationen von potentiellem Interesse, umso gewichtiger muss der einzelne Vorgang sein. Dabei ist gleichzeitig zu konstatieren, dass weiter zurückliegende Vorgänge tendenziell ein geringeres Informationsinteresse befriedigen als Geschehen aus der nahen Vergangenheit, weswegen regelmäßig auch mit Blick auf die Aufsichtsratswahl das Informationsbedürfnis mit zunehmendem Zeitablauf sinkt.

Ferner ist schließlich zu berücksichtigen, dass im Fall der Wiederwahl ein geändertes Informationsinteresse als im Fall der erstmaligen Wahl besteht. Denn bei einer Wiederwahl gerät die bisherige Amtsführung in den Focus eines durchschnittlichen Aktionärs, wohingegen bei der erstmaligen Wahl die bis zur Amtsübernahme reichende Vita den Kern des Informationsinteresses ausmacht. Bereits daher ist eine Übertragung der Erforderlichkeit der Information bei der erstmaligen Wahl von Dr. C im Jahr 2006 (vgl. dazu OLG Frankfurt, Urteil vom 28.10.2008 - 17 U 176/07 -, Juris) auf die hier in Rede stehende Wiederwahl zwei Jahre später nicht bzw. nur eingeschränkt möglich ...

ccc) Ohne Erfolg bleibt ebenfalls das Auskunftsverlangen, soweit es die Fragen zu den Konsequenzen einer erfolgreichen Anfechtung der Aufsichtsratswahl anbelangt.

  • Spekulatives Auskunftsbegehren muss nicht beantwortet werden

In Bezug auf Frage 14 - Bitte erläutern Sie die Konsequenzen auf sämtliche seit der Hauptversammlung 2003 gefassten Aufsichtsratsbeschlüsse für den Fall, dass der Bundesgerichtshof im Verfahren II ZR 185/08 der Anfechtungsklage gegen die Aufsichtsratswahlen in der Hauptversammlung 2003 stattgibt. Bitte legen Sie insbesondere die Folgen für die zustimmungspflichtigen Rechtsgeschäfte und die Jahresabschlüsse 2003 bis 2007, die Vergütung des Vorstands und den Aufhebungsvertrag mit Herrn Dr. C dar - ist jedenfalls eine Erforderlichkeit der erbetenen Auskunft über die erteilte Antwort hinaus von dem insoweit darlegungspflichtigen Antragsteller nicht dargetan. Die Antragsgegnerin hat auf die Frage hin mitgeteilt, dass überwiegend eine erfolgreiche Klage keine Auswirkungen habe und allenfalls einige Aufsichtsratsbeschlüsse nachgeholt werden müssten. Eine detailliertere Auskunft war auf die zum damaligen Zeitpunkt rein spekulative Frage, die auch aus heutiger Sicht lediglich hypothetischen Charakter hatte (vgl. BGH, Urteil vom 16.2.2009 - II ZR 185/07 -, Juris Rdn. 29 ff.) aus der maßgeblichen Perspektive eines durchschnittlichen Aktionärs weder für die zu treffenden Entlastungsentscheidungen noch für die anstehende Aufsichtsratswahl erforderlich.

In Bezug auf Frage 15 - Bitte beantworten Sie diese Frage auch für den Fall, dass das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, Aktenzeichen 3-5 O 80/06 rechtskräftig und/oder der Anfechtungsklage gegen den Bestätigungsbeschluss der Hauptversammlung stattgegeben wird - gilt, soweit es die Konsequenzen, die von einer erfolgreichen Anfechtungsklage gegen den Bestätigungsbeschluss ausgehen, betrifft, das zu Frage 14 Gesagte entsprechend.

Die Antragsgegnerin war nicht gehalten, in dem vom Antragsteller geforderten Umfang Spekulationen darüber anzustellen, welche Auswirkungen eine erfolgreiche Anfechtungsklage gegen den Bestätigungsbeschluss haben könnte. Vielmehr genügte der Hinweis darauf, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig sei und der damals bestellte Aufsichtsrat (faktisch) bis zum Abschluss der Hauptversammlung im Amt sei. Dass dies rechtlich aufgrund der ex tunc-Wirkung einer erfolgreichen Anfechtungsklage nach Abschluss des Verfahrens anders zu beurteilen sein könnte, wurde von der Antragsgegnerin entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht in Abrede gestellt. Aus der erteilten Antwort konnte der durchschnittliche Aktionär mithin ein bestehendes Risiko für die Gesellschaft erkennen. Mehr war aus seiner Sicht für die zu treffenden Entscheidungen und dabei insbesondere die Entlastungen sowie die Aufsichtsratswahl nicht von Nöten. ..."

An dieser Einschätzung hält der Senat auch im vorliegenden Verfahren fest ...

  • Auch mit dem Verweis auf schriftliche Unterlagen kann dem Auskunftsgebehren genügt werden

„Frage 17 lautet: Bitte nennen Sie den jeweils aktuellen Bestand der Commercial Paper, insbesondere der CDOs, im Anlage- beziehungsweise Handelsbestand zum 31.12.2006, 31.3.2007, 30.6.2007, 30.9.2007 sowie zum 31.12.2007, und geben Sie kurz den Grund für diese Veränderungen an.

Nach der seitens des Antragstellers bestrittenen Auskunft der Antragsgegnerin lagen der Verwaltung die erbetenen Bestandszahlen zu den genannten Zeitpunkten nicht vor. Stattdessen hat die Antragsgegnerin lediglich auf ihren Finanzbericht 2007 sowie den ersten Zwischenbericht 2008 verwiesen.

Auf die Frage, ob der Antragsgegnerin die Angaben vorlagen und ob sie sich gegebenenfalls weitere Informationen hätte beschaffen müssen, kommt es letztlich nicht an, weil der insoweit darlegungspflichtige Antragsteller es versäumt hat, näher auszuführen, wieso die detaillierten Bestandszahlen sowie die mit ihnen verbundenen Änderungen im Bestand aus Sicht eines durchschnittlichen Aktionärs von Bedeutung gewesen sein sollen. Soweit der Antragsteller hierzu anführt, nur so habe man sich ein genaues Bild über die tatsächlichen Risiken im Zusammenhang mit Commercial Papers machen können, was wiederum unter anderem für die zu treffenden Entlastungsentscheidungen von Bedeutung gewesen sei, ist diese Sichtweise angesichts der den Aktionären bekannten, in dem vorgelegten Finanzbericht 2007 und in dem ebenso vorgelegten Zwischenbericht 2008 erteilten ausführlichen Auskünfte zu den aus den Commercial Papers für die Antragsgegnerin resultierenden Risiken nicht nachvollziehbar. Dabei steht dem Verweis auf die schriftlichen Ausführungen im Finanz- und im Zwischenbericht auch der Grundsatz der Mündlichkeit der Auskunftserteilung nicht entgegen (vgl. dazu etwa Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 131 Rdn. 67 mwNachw.) Denn zum einen können Auskünfte im hier maßgeblichen Auskunftserzwingungsverfahren auch schriftlich erteilt werden (vgl. Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 132 Rdn. 24). Zum anderen kann auch in der Hauptversammlung mit dem Verweis auf schriftliche Unterlagen dem Auskunftsbegehren genügt werden, sofern dies - wie hier - zu einer schnelleren und zuverlässigeren Information als eine mündliche Erläuterung führt und zusätzlich - wie ebenfalls hier - allen Aktionären ein Zugang zu den in Bezug genommenen Unterlagen offen stand (vgl. BGH, NJW 1987, 3186, 3190; MünchKommAktG/Kubis, 2. Aufl., § 131 Rdn. 80) ...

  • Bei einem über sein Mandant hinausgehendes Auskunftsersuchen steht dem Aufsichtsrat ein Auskunftsverweigerungsrecht zu

Soweit es die Frage 21 betrifft - Hat Herr Dr. LA den Aufsichtsrat der Y AG, namentlich Herrn Dr. NO als Mitglied des Prüfungsausschusses, bereits im November 2003 oder zu einem späteren Zeitpunkt über systematische und planmäßige Zahlungen an MA in Land1 informiert? -, hat sich die Antragsgegnerin zu Recht auf ein bestehendes Auskunftsverweigerungsrecht berufen.

Aufsichtsratsmitglieder sind gemäß § 116 Satz 3 AktG iVm § 93 Abs 1 Satz 3 AktG zur Verschwiegenheit verpflichtet (vgl. dazu etwa BGH, NJW 1975, 1412; Hüffer, AktG, 9. Aufl., § 116 Rdn. 6). Dies gilt gerade mit Blick auf die hier erfragten Informationen, die in der Funktion als konzernfremdes Aufsichtsratsmitglied erlangt werden. Die Einhaltung dieser Pflicht ist strafbewehrt, wie sich aus § 404 Abs. 1 AktG ergibt, so dass das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 131 Abs. 3 Nr. 5 AktG einschlägig ist. Zudem ist davon auszugehen, dass ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitsverpflichtung seitens des Vorstandsvorsitzenden der Antragsgegnerin ebenfalls mit einem nicht unerheblichen Nachteil für die Gesellschaft verbunden wäre, so dass zusätzlich das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG einschlägig ist.

Dass dabei die Hauptversammlung einen Auskunftsanspruch über die Innehabung konzernfremder Aufsichtsratsmandate hat, steht der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen (vgl. dazu KG ZIP 1995, 1592, 1594; BayObLG, AG 1996, 180, 181; Mutter, Auskunftsansprüche des Aktionärs in der Hauptversammlung, 2002, S. 18), weil die erbetene Auskunft den Kern der konzernfremden Aufsichtsratstätigkeit erfasst und insoweit weit über die bloße Information vorhandener Aufsichtsratsmandate hinausgeht. Keiner der für die bloße Mitteilung der Mandate angegebenen Gründe vermag das hier in Rede stehende, deutlich weitergehende Auskunftsersuchen zu rechtfertigen. Weder steht eine etwaige Überlastung des Vorstandsmitgliedes im Raume, noch besteht die Gefahr einer Interessenkollision oder gilt es, der abstrakten Gefahrenquelle der Verletzungen von Verschwiegenheitspflichten gegenüber der eigenen Gesellschaft Rechnung zu tragen (vgl. dazu MünchKommAktG/Kubis, 2. Aufl., § 131 Rdn. 171).

Ob dabei im Rahmen der Aufsichtsratswahl ausnahmsweise weitergehende, über die bloße Angaben des Bestehens der Mandate hinausgehende Fragen zu den konzernfremden Aufsichtsratsmandaten noch als Angelegenheit der Gesellschaft angesehen werden können (so etwa MünchKommAktG/Kubis, 2. Aufl., § 131 Rdn. 171), kann vorliegend offen bleiben, da es nur um Kenntnisse des Vorstandsvorsitzenden der Antragsgegnerin und damit um dessen Entlastung für das vorangegangene Geschäftsjahr ging ...

  • Gleiches gilt für ein Auskunftsverlangen in Bezug auf Bildung und Höhe von Rückstellungen im Jahresabschluss

Fragen 16 bis 26 (in der Zählung der Anlage B 5, Nr. 10 bis 20 in der Zählung des Beschlusses vom 9.9.2010):

In seinem Beschluss vom 9.9.2010 (S. 10 ff.) hat der Senat zu diesen Fragen Folgendes ausgeführt:

„ii) Soweit es die Frage 10 nach den gesonderten Rückstellungen betreffend die im Geschäftsbericht auf Seite 178 ff. näher beschriebenen einzelnen Rechtsstreitigkeiten anbelangt, konnte sich die Antragsgegnerin auf ein ihr zustehendes Auskunftsverweigerungsrecht nach § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG berufen. Insoweit wäre eine Auskunft nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet gewesen, der Gesellschaft einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen. Denn Angaben zur Bildung und Höhe der Rückstellung mit Blick auf einzelne Rechtsstreitigkeiten würden Rückschlüsse auf die Erfolgsaussichten der Verfahren aus Sicht der beklagten Bank zulassen und könnten damit - insbesondere bei etwaigen Vergleichsverhandlungen - vom Prozessgegner zu Ungunsten der Bank verwendet werden (a.A. - allerdings für Gewährleistungsrückstellungen - LG Heidelberg, AG 1996, 523, 524; Decher, in: Großkomm zum AktG, § 131 Rdn. 305). Derartige Rückschlüsse wären möglich, weil die konkrete Rückstellung vom Bilanzierenden regelmäßig nur dann gebildet wird, wenn mehr Gründe für als gegen das Bestehen der Verbindlichkeit sprechen (vgl. BFHE 142, 226; MünchKommHGB/Ballwieser, 2. Aufl., § 249 Rdn. 22; einschränkend ADS § 249 HGB, Rdn. 74 f.).

Daran würde sich selbst dann nichts ändern, wenn man im Gegensatz dazu - wie das LG  Heidelberg ausgeführt hat (AG 1996, 523, 524) - bei Gewährleistungsansprüchen der Ansicht ist, es entspreche kaufmännischer Übung, Rückstellungen stets zumindest in Höhe des geforderten Betrages zu bilden, weswegen es sich bei der Höhe der Rückstellung um keine sensible Information handele. Denn selbst nach dieser Auffassung beinhaltet die Höhe der Rückstellungen vertrauliche Informationen, sofern die in Rede stehenden Ansprüche - etwa im Fall der Feststellungsklage - noch nicht beziffert worden oder erst im Wege der Teilklage nur teilweise eingefordert sind. Jedenfalls in diesen Fällen ist die Offenlegung der jeweils für den einzelnen Anspruch gebildeten Rückstellung mit der Preisgabe einer Einschätzung der Gesellschaft verbunden, die ihr zum Nachteil gereichen kann.

Dass darüber hinaus die in der Hauptversammlung erteilten Auskünfte zu den Rückstellungen einer Vielzahl von Personen und damit vermutlich auch den betroffenen Prozessgegnern bekannt geworden wären, ergibt sich bereits aufgrund des breit gestreuten Aktionärskreises der Antragsgegnerin ...

  • Keine Anfechtbarkeit der Entlastungsbeschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat wegen mangelnder Offenlegung eines Interessenkonflikts und damit eines Verstoßes gegen § 161 AktG

Ebenso wenig sind die Entlastungsbeschlüsse zu TOP 3. (Vorstand) und TOP 4. (Aufsichtsrat) anfechtbar.

Nach Auffassung der Kläger sind die Entlastungsbeschlüsse des Vorstands und des Aufsichtsrats für das Jahr 2007 anfechtbar, da der Aufsichtsrat Interessenkonflikte seiner Mitglieder Dr. C und IA nicht offen gelegt habe.

Gemäß § 161 AktG haben Vorstand und Aufsichtsrat von börsennotierten Gesellschaften zu erklären, dass den Empfehlungen der „Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex" entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden. Ziff. 5.5.3 des DCGK lautet (zitiert nach Hüffer, a. a. O., § 161 Rdn. 9):

 „Der Aufsichtsrat soll in seinem Bericht an die Hauptversammlung über aufgetretene Interessenkonflikte und deren Behandlung informieren. Wesentliche und nicht nur vorübergehende Interessenkonflikte in der Person eines Aufsichtsratsmitglieds sollen zur Beendigung des Mandats führen."

Entsprechende Interessenkonflikte sind darüber hinaus in dem Bericht des Aufsichtsrats gemäß § 171 Abs. 2 AktG zu behandeln (BGH, Urteil v. 16.2.2009 - II ZR 185/07, BGHZ 180, S. 9 ff., BB 2009, 796 m. BB-Komm. Marhewka, zitiert nach Juris, Rdn. 21).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte die Entsprechenserklärung gemäß § 161 Satz 1 AktG abgegeben, ohne einen Vorbehalt oder eine Änderung vorzunehmen. In ihrem Geschäftsbericht/Finanzbericht für das Jahr 2007 teilt sie mit:

 „Herr Dr. C hat erklärt, in seiner Funktion als Mitglied des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse bei allen Fragen, die seine frühere Mitgliedschaft im Vorstand betreffen und einen Interessenkonflikt begründen könnten, an den diesbezüglichen Erörterungen und Abstimmungen nicht teilzunehmen."

Nach Auffassung der Kläger zu 1. und 4. könnte sich Herr Dr. C während seiner Zeit als Finanzvorstand der Beklagten anlässlich der Veräußerung eines Aktienpakets des Z1-Verlages in den Jahren 2002/2003 schadensersatzpflichtig gemacht haben. Nach Auffassung der Kläger zu 4. und 5. wurden die Aktien zu einem zu geringen Preis an Frau Z verkauft, wodurch der Beklagten ein erheblicher Schaden entstanden sei.

Hinsichtlich des Aufsichtsratsmitglieds IA vertritt der Kläger zu 5. die Auffassung, dass dieser sich im Zusammenhang mit einer der B-Bank gewährten Kreditlinie im Jahr 2007 nicht ordnungsgemäß verhalten habe, weswegen ggf. Schadensersatzansprüche bestünden. Zu beiden Komplexen haben die Kläger zahlreiche Fragen gestellt, die ihrer Auffassung nach nicht hinreichend beantwortet wurden. Insoweit wird auf die Ausführungen oben S. 18 - 27 und 40 - 42 Bezug genommen.

Grundsätzlich begründen Verstöße gegen die Pflichten aus §§ 161 und 171 Abs. 2 AktG die Anfechtbarkeit u. a. von auf Grundlage der entsprechenden Erklärungen bzw. Berichte gefasster Entlastungsbeschlüsse (vgl. BGH, a. a. O.).

Voraussetzung ist - im vorliegenden Fall - das Vorliegen eines Interessenkonfliktes. Einen solchen hat der BGH (a. a. O.) bereits dann als gegeben angenommen, wenn die Gesellschaft wegen des behaupteten Fehlverhaltens eines Vorstandsmitglieds auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird und deshalb ein Regress gemäß § 93 Abs. 2 AktG gegen das (ehemalige) Vorstandsmitglied in Betracht kommt (in dem vom BGH entschiedenen Fall: Interview des ehemaligen Vorstandssprechers der A-Bank Dr. V hinsichtlich der Zahlungsfähigkeit des Klägers zu 2. im Jahr 2002).

Im Gegensatz zu dem vom BGH entschiedenen Fall ist vorliegend ein Interessenkonflikt des ehemaligen Vorstands und jetzigen Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. C nicht dargetan. Anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall ist hinsichtlich der behaupteten Verfehlungen im Zusammenhang mit der Veräußerung des Z-Aktien-Pakets keine Klage anhängig. Allerdings wäre es ggf. die Aufgabe des Aufsichtsrats, das Vorliegen von Pflichtverletzungen des ehemaligen Vorstands und jetzigen Aufsichtsrats Dr. C zu prüfen.

In diesem Fall genügt es, dass - wie er dies angekündigt hat - Herr Dr. C sich an entsprechenden Beratungen und Abstimmungen im Aufsichtsrat nicht beteiligt. Dass im Jahr 2007 entsprechende Erörterungen im Aufsichtsrat stattgefunden haben, über welche hätte berichtet werden müssen, haben die Kläger nicht dargetan.

Entsprechendes gilt hinsichtlich eines möglichen Interessenkonflikts von Herrn IA. Insofern sehen die Kläger einen - nicht offen gelegten - Interessenkonflikt, da dieser sowohl Aufsichtsratsmitglied der Beklagten als auch Aufsichtsratsvorsitzender der B-Bank war, mit welcher die Beklagte in Geschäftsbeziehung stand. Dass es insofern zu einem konkreten Interessenkonflikt gekommen wäre, dessen Auftreten und Behandlung die Beklagte hätte offenbaren müssen, haben die Kläger jedoch nicht dargetan. Denn selbst wenn man den oben im Zusammenhang mit der Behandlung der Fragen 12 und 27 des Klägers zu 4. geschilderten Vortrag der Kläger zu deren Gunsten als zutreffend zu Grunde legt, ergibt sich hieraus - wie ausgeführt - kein Anhaltspunkt dafür, dass Herr IA in Entscheidungen im Zusammenhang mit der B-Bank eingebunden war. Den Umstand als solchen, dass Herr IA Aufsichtsratsvorsitzender der B war, hatte die Beklagte zudem in ihrem Finanzbericht 2007 mitgeteilt.

Keinen Verstoß gegen § 161 AktG stellt es dar, dass die Beklagte - ohne Vorbehalt oder Änderung - die Entsprechenserklärung abgegeben hat, obgleich entgegen Ziff. 5.1.2 S. 4 Herr RA erstmalig für 5 Jahre in den Vorstand der Beklagten berufen wurde. Ziff. 5.1.2 DCGK lautet (Hüffer, a.a.O):

 „Bei Erstbestellungen (in den Vorstand) sollte die maximal mögliche Bestellung von 5 Jahren nicht die Regel sein."

Bei dieser Bestimmung („sollte") handelt es sich lediglich um eine Anregung, nicht jedoch um eine Empfehlung, welche die Erklärungspflicht nach § 161 S. 1 AktG auslöst (vgl. Hüffer, a. a. O., § 161 Rdn. 8). Ein Gesetzesverstoß ist deshalb nicht gegeben.

  • Die Beschlussfassung über die Wahl des Aufsichtsrats ist ebenso wirksam ...

Auch die Beschlussfassung zu TOP 9 (Wahl des Aufsichtsrats) ist wirksam.

Der Kläger zu 1. moniert, dass durch Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger am 23. Mai 2008 (also 6 Tage vor der Hauptversammlung) statt des ursprünglich vorgeschlagenen Aufsichtsrats Prof. Dr. SA Herr Dr. H nachnominiert wurde.

Zwar sind die Organe der AG an ihre Wahlvorschläge grundsätzlich gebunden (vgl. z. B. Spindler/Stilz/Willamowski, AktG, 2. Aufl., § 124, Rdn. 14). Dies gilt jedoch nach herrschender Meinung nicht, wenn zwischenzeitlich neue Tatsachen entstanden oder bekannt geworden sind, die eine Änderung des Beschlussvorschlages gebieten (z. B. Willamowski, a. a. O.; Hüffer, a. a. O. § 124, Rdn. 12; Schmidt/Lutter/Ziemons, a. a. O. § 124, Rdn. 52, jeweils m. w. N.). Wie die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat (Schriftsatz v. 02.09.2008, S. 144 ff. (Bl. 679 ff. d. A.), hat der ursprünglich vorgeschlagene Kandidat Prof. Dr. SA seine Kandidatur zurückgezogen, weswegen die Nachnominierung von Herrn Dr. H notwendig wurde.

Die Angabe zu dessen ausgeübtem Beruf und Wohnort: „Chief Operating Officer und stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der TA AG, Stadt1", erfüllt die Voraussetzungen des § 124 Abs. 3 Satz 3 AktG. Dies gilt auch, soweit hierin eine englischsprachige Bezeichnung verwendet wird. Dies ist in Wirtschaftskreisen üblich. Sie kann zwanglos mit „Leitender Geschäftsführer" übersetzt werden. Ein genau definierter Aufgabenbereich folgt aus der Angabe der Berufsbezeichnung ohnehin nicht.

Entgegen der Meinung des Klägers zu 1. begegnet es auch keinen Bedenken, dass bei der Wahl zum Aufsichtsrat keine Gegenkandidaten aufgestellt waren. Dies wird weder vom Gesetz noch der Satzung der Beklagten gefordert.

Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass der Versammlungsleiter Dr. C auch die Diskussion und Abstimmung zu TOP 9., also der Wahl des Aufsichtsrats, leitete, für welchen er selbst kandidierte. Denn weder das Gesetz noch die Satzung der Beklagten schreiben vor, dass in diesem Fall die Versammlungsleitung abgegeben werden muss. Unabhängig hiervon führte die Vornahme des Wahlvorgangs durch einen unzuständigen Versammlungsleiter als solches noch nicht zur Anfechtbarkeit der Beschlussfassung. Dass bei der Wahl irgendwelche Unregelmäßigkeiten vorgekommen wären, wird nicht behauptet.

  • ... wie diejenige über die Beschaffung neuen genehmigten Kapitals ...

Ebenso wenig bestehen Bedenken gegen die Beschlussfassung zu TOP 10.

Entgegen der Auffassung des Klägers zu 4. ist der Vorstandsbericht zu TOP 10  nicht zu beanstanden. Wie bereits der 23. Senat des OLG in seinem Beschluss vom 8.6.2009 (a. a. O., Rdn. 38) zutreffend festgestellt hat, konnte der Vorstand der Beklagten zum Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre ermächtigt werden. Ebenfalls ist eine sog. Vorratsermächtigung möglich. Da diese nicht für einen konkreten Fall gewährt wird, ist es praktisch nicht möglich, den Aktionären mehr als eine abstrakt-generelle Information als Beschlussgrundlage an die Hand zu geben. Diesen Anforderungen genügt der Bericht gemäß § 203 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 186 Abs. 4 AktG.

  • ... und diejenige über die Ermächtigung zur Ausgabe von Options- bzw. Wandelgenussscheinen

Schließlich ist auch die Beschlussfassung zu TOP 11 (Ermächtigung zur Ausgabe von Options- bzw. Wandelgenussscheinen,  Optionsschuldverschreibungen und Wandelschuldverschreibungen, Schaffung eines bedingten Kapitals und Satzungsänderung) wirksam.

Unzutreffend ist die Auffassung der Kläger zu 2. und 3., dass die Beschlussfassung deshalb anfechtbar sei, weil ihnen nicht die Möglichkeit gegeben worden sei, die Absetzung des Tagesordnungspunktes zu beantragen.

Ausweislich des notariellen Protokolls der Hauptversammlung (Anlage B 2, Anlagenordner, S. 39) übergab der Vertreter der Kläger zu 2. und 3. nach Schluss der Generaldebatte um 19.44 Uhr dem Uhr eine Antrag zur Absetzung von TOP 11., wobei er behauptete, diesen Antrag bereits zu Beginn der Versammlung an einem Wortmeldetisch eingereicht zu haben. Letztere - von der Beklagten bestrittene - Tatsache haben die Kläger zu 2. und 3. bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht unter Beweis gestellt. Soweit dies (möglicherweise) in dem insoweit nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 15.5.2012 (S. 21, Bl. 2789 d.A.) geschieht, ist dies gemäß § 296a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen.

Unstreitig wurde dem Vertreter der Kläger zu 2. und 3. auf der Versammlung zweimal das Rederecht erteilt, ohne dass er von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hätte, seinen angekündigten Antrag zu stellen und zu begründen. Die Gewährung eines dritten Redebeitrages nach Schließung der Rednerliste war deshalb nicht veranlasst. Dass er nicht gewährt wurde, ist nicht zu beanstanden. Soweit die Kläger zu 2. und 3. geltend machen, dass andere Aktionäre Anträge außerhalb ihrer Redezeit hätten stellen können, ist dieser Vortrag unsubstantiiert und damit unerheblich. Denn die Kläger zu 2. und 3. tragen weder Anzahl und Namen der Aktionäre vor, noch dass diese - wie die Kläger - erstmals nach Schluss der Debatte, nachdem sie bereits ausführlich geredet hatten, begehrt hätten, einen Antrag zur Tagesordnung zu stellen. Eine Ungleichbehandlung der Kläger zu 2. und 3. ist daher nicht dargetan.

Entgegen der Auffassung der Kläger zu 2. und 3. ist der Beschluss zu TOP 11 auch nicht wegen eines Verstoßes gegen § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG nichtig. Auch insoweit folgt der Senat der bereits vom 23. Senat des OLG vertretenen Auffassung (Beschluss v. 8.6.2009, a. a. O., Rdn. 16). Denn in dem Beschluss wird das Umtauschverhältnis im Einzelnen genau angegeben, anders als in der von den Klägern zu 2. und 3. zitierten Entscheidung des KG vom 3.8.2007 (14 U 72/06, ZIP 2008, S. 648, zitiert nach Juris Rdn. 5), bei welcher lediglich ein Mindestumtauschbetrag - 80 % des durchschnittlichen Börsenkurses - mitgeteilt wurde. Der Beschluss genügt daher den Erfordernissen des § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG.

Ebenso wenig ist erkennbar, dass die Satzungsänderung sich nicht mit den weiteren Teilen des Beschlusses deckt. Der Gesamtbetrag ist mit 150.000.000,-- Euro bzw. 58.593.750 neuen, auf den Namen lautenden Stückaktien zutreffend angegeben ...


 

Aktionär

Hauptversammlung, Auskunftsrecht, Deutsche Bank 2008  10

Auskunftsrecht

Hauptversammlung, Aktionär, Deutsche Bank 2008  10

Deutsche Bank 2008

Hauptversammlung, Aktionär, Auskunftsrecht  10

Hauptversammlung

Aktionär, Auskunftsrecht, Deutsche Bank 2008  10

BB-Kommentar

Dr. Gerald Reger, RA/FAStR, und Dr. Ulrich M. Wolf, RA, beide Noerr LLP, München/Frankfurt a. M.

„Das OLG Frankfurt zeigt die Grenzen von Auskunftsbegehren der Aktionäre auf"

Problem

Die fehlerfreie Vorbereitung und Durchführung der Hauptversammlung bleibt ein vermintes Gelände. Insbesondere das Auskunftsrecht, dessen Verletzung grundsätzlich die Anfechtbarkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse begründet, stellt eine Herausforderung für die Berater der Aktiengesellschaft dar.

Entscheidung

Der BGH hatte die Nichtigkeit der Beschlüsse der ordentlichen Hauptversammlung der Deutsche Bank AG aus dem Jahre 2008 verneint (BGH, 19.7.2011 - II ZR 124/10BB 2011, 2705 mit Komm. Willburger), konnte über die Anfechtbarkeit aber nicht abschließend entscheiden. Das OLG Frankfurt hat die mit einer Vielzahl von Gründen versehene Anfechtungsklage vollständig abgewiesen.

Praxisfolgen

Das Urteil verhält sich zu zahlreichen Fragen, die noch nicht höchstrichterlich entschieden sind, und verdient nahezu uneingeschränkte Zustimmung. Für die Praxis besonders hilfreich ist die umfassende Auseinandersetzung des Gerichts mit dem Auskunftsrecht des Aktionärs.

Das OLG Frankfurt stärkt zutreffend die Position des Versammlungsleiters und des Notars: Das Recht des Aktionärs zur Teilnahme an der Hauptversammlung umfasst nicht den Zugang zum Back-Office, sondern beschränkt sich auf den Präsenzbereich, den der Versammlungsleiter bestimmt. Auch die Ermittlung der Abstimmungsergebnisse obliegt allein dem Versammlungsleiter, der eigenverantwortlich entscheidet, welche Hilfspersonen er hierfür heranzieht. Weder ist der Aktionär berechtigt, der Stimmauszählung beizuwohnen, noch ist der protokollierende Notar verpflichtet, sie zu überwachen. Ob der Notar sich davon überzeugen muss, dass die technischen Einrichtungen zur Ermittlung der Abstimmungsergebnisse einwandfrei funktionieren (vgl. Reger, in: Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl. 2011, § 130 Rn. 26), brauchte das Gericht nicht zu entscheiden. Keinem Zweifel unterliegt, dass die Niederschrift über die Beschlüsse nicht bereits in der Hauptversammlung auszufertigen ist (BGH, 16.2.2009 - II ZR 185/07, BGHZ 180, 9, BB 2009, 796 mit Komm. Marhewka) und dass der Aufsichtsratsvorsitzende, der satzungsgemäß die Versammlung leitet, hierzu berechtigt bleibt, solange eine Klage gegen seine Wahl zum Aufsichtsratsmitglied nicht erfolgreich und rechtskräftig ist.

Der Versammlungsleiter darf die Redezeit nach pflichtgemäßem Ermessen beschränken (Reger, a. a. O., § 131 Rn. 18b). Unterschiede bei der jeweils zugestandenen Redezeit führen grundsätzlich nur dann zur Anfechtung der Beschlüsse wegen einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus § 53a AktG, wenn rechtzeitige Wortmeldungen infolge der ungleichen Zumessung nicht mehr berücksichtigt werden können. Ungeachtet dessen sollte der Versammlungsleiter darauf achten, dass eine Beschränkung der Redezeit von allen Aktionären gleichermaßen eingehalten wird.

Der Auskunftsanspruch aus § 131 Abs. 1 AktG ist kein Vehikel zur allgemeinen Informationsbefriedigung, sondern soll dem Aktionär ermöglichen, sinnvoll über die Tagesordnungspunkte zu entscheiden. Auskunft über Vorgänge, die vor dem Zeitraum liegen, für den Entlastung erteilt werden soll, kann daher grundsätzlich nur dann verlangt werden, wenn sie sich erstmals ausgewirkt haben oder bekannt geworden sind oder es um neue Gesichtspunkte geht, die einen zurückliegenden Vorgang in einem neuen Licht erscheinen lassen (BGH, 18.10.2004 - II ZR 250/02 - II ZR 250/02, BB 2005, 65). Bei Aufsichtsratswahlen kann das Informationsinteresse zwar auch für weiter zurückliegende Vorgänge bestehen, doch nimmt es mit zunehmenden Zeitablauf ab (a. A. Kubis, in: MünchKommAktG, 2. Aufl. 2004, § 131 Rn. 56). Zutreffend führt das Gericht aus, dass bei der erstmaligen Wahl die bis zur Amtsübernahme reichende Vita des Kandidaten den Kern des Informationsinteresses ausmacht, während bei einer Wiederwahl die bisherige Amtsführung im Fokus des Interesses steht.

Wie detailliert eine Auskunft sein muss, hängt davon ab, inwieweit sie erforderlich ist, um den objektiv urteilenden Aktionär in die Lage zu versetzen, den Gegenstand der Tagesordnung sachgerecht zu beurteilen, wie präzise das Auskunftsverlangen des Aktionärs gefasst ist und wie viele Fragen der Aktionär stellt (Reger, a. a. O., § 131 Rn. 11 und 17). Rein spekulative Auskunftsbegehren, denen eine Vielzahl hypothetischer Szenarien zugrunde liegt, brauchen nicht beantwortet zu werden. Nicht erforderlich ist es weiter, jede einzelne Frage ausdrücklich (und etwa verneinend unter Wiedergabe ihres Wortlauts) zu beantworten. Insbesondere wenn ein Fragenkomplex aus einer Vielzahl von einzelnen Fragen besteht, kann sich die Auskunft konkludent aus der Beantwortung einer einzelnen (Teil-)Frage ergeben. Der Vorstand kann insbesondere dann, wenn dies effizienter ist, auf die Unterlagen verweisen, die der Hauptversammlung vorliegen bzw. zugänglich sind (BGH, 9.2.1987 - II ZR 119/86, BGHZ 101, 1, BB 1987, 1777). Hält der Aktionär seine Frage nicht für hinreichend ausführlich beantwortet, muss er präzise nachfragen (Reger, a. a. O., § 131 Rn. 17).

Zuzustimmen ist auch der Auffassung des OLG Frankfurt, wonach für die Einzelheiten, die den Rückstellungen im Jahresabschluss zugrunde liegen, ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AktG besteht (Kubis, a. a. O., § 131 Rn. 201).

Soweit das Gericht unter Bezugnahme auf das parallel geführte Auskunftsverfahren ausführt, dass einzelne Auskünfte „jedenfalls" im Auskunftsverfahren erteilt worden sind, wird man hieraus nicht den Schluss ziehen können, dass die Anfechtungsklage durch die Auskunftsklage präkludiert sein soll (vgl. BGHZ 180, 9 = BB 2009, 796 mit Komm. Marhewka).

Eine Anfechtbarkeit der Entlastungsbeschlüsse wegen einer unrichtigen Entsprechenserklärung nach § 161 AktG oder eines unzureichenden Berichts nach § 171 Abs. 2 AktG hat das Gericht zutreffend verneint: Tritt kein konkreter Interessenkonflikt im Sinne von Ziff. 5.5.3 DCGK zutage, hat der Aufsichtsrat hierzu auch nichts zu berichten.

Praxisgerecht erscheint die Auffassung des Gerichts, wonach Aktionärsanträge grundsätzlich nur bis zum Ende der Generaldebatte gestellt werden können.

Beifall verdient auch, dass eine gängige englischsprachige Bezeichnung des ausgeübten Berufs den Anforderungen aus § 124 Abs. 3 AktG genügen soll. Die Aktionäre sollen beurteilen können, ob der Kandidat angesichts der von ihm ausgeübten Tätigkeit für das Mandat geeignet erscheint (Reger, a. a. O., § 124 Rn. 21). Eine über die Angabe der Berufsbezeichnung hinausgehende Definition des Aufgabenbereichs ist hierfür nicht erforderlich.

Zu eng ist es dagegen, die Verwaltungsorgane an ihre bekanntgemachten Beschlussvorschläge gebunden zu halten, sofern nicht neue Tatsachen entstanden oder bekanntgeworden sind, die eine Änderung des Beschlussvorschlags gebieten (vgl. Reger, a. a. O., § 124 Rn. 23). Eine solche Beschränkung ist nicht geboten, zumal die Aktionäre nach § 124 Abs. 4 AktG im Rahmen des bekanntgemachten Beschlussgegenstandes alternative Beschlussvorschläge unterbreiten können.

Bemerkenswert ist endlich, dass das OLG Frankfurt seine jüngere Rechtsprechung, nach der die unterbliebene Berichterstattung über die Ausnutzung eines genehmigten Kapitals die Anfechtbarkeit eines neuen genehmigten Kapitals begründen soll (Urt. v. 5.7.2011 - 5 U 104/10) nicht aufgegriffen hat. Ob der Senat stillschweigend Abstand von seiner Auffassung nimmt oder sie für nicht einschlägig hielt, weil das konkret ersetzte genehmigte Kapital nicht ausgenutzt worden war, bleibt unklar.

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