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Wirtschaftsrecht
21.10.2010
Wirtschaftsrecht
BGH: Zur Vollstreckbarkeit eines ausländischen Schiedsspruchs

BGH, Beschluss vom 30.9.2010 - III ZB 69/09

Leitsatz

Nach Maßgabe des Meistbegünstigungsgrundsatzes in Art. VII Abs. 1 des UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ) ist ein ausländischer Schiedsspruch (auch) dann für voll-streckbar zu erklären, wenn er der für innerstaatliche Schiedssprüche geltenden Formvorschrift des § 1031 ZPO genügt.

ZPO § 1061 Abs. 1 Satz 1; UNÜ Art. VII Abs. 1

Sachverhalt

I. Die Antragstellerin hat die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs der in L. ansässigen I. C. A. Ltd. begehrt, durch den die Antragsgegnerin zur Zahlung von Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Kaufvertrags über die Lieferung von Baumwolle verurteilt worden ist.

Das Oberlandesgericht hat dem Antrag stattgegeben, da eine wirksame Schiedsvereinbarung vorliege und Versagungsgründe im Sinne von Art. V Abs. 1 und 2 des UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstre-ckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ) vom 10. Juni 1958 (BGBl. 1961 II S. 121) nicht hinreichend dargetan seien. Zwar sei die schiedsrichterliche Ent-scheidung nicht schon durch eine schriftliche Parteivereinbarung im Sinne von Art. II Abs. 2 UNÜ legitimiert. Jedoch könne hier in Ansehung der Meistbegüns-tigungsklausel (Art. VII Abs. 1 UNÜ) auf das Erfordernis einer beiderseits unter-zeichneten Schiedsabrede oder eines gegenseitigen Schriftwechsels verzichtet werden. Die Antragstellerin könne sich nämlich auf die in § 1031 Abs. 2 und 3 ZPO normierten geringeren Anforderungen an das Zustandekommen einer Schiedsvereinbarung berufen. Insoweit sei die streitgegenständliche Schiedsab-rede nach den Grundsätzen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens wirk-sam zustande gekommen.

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.

Aus den Gründen

4          II. Die von Gesetzes wegen statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2, § 1025 Abs. 4 ZPO) und auch im Übrigen wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) zuläs-sige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

5          1. Das Oberlandesgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Meistbegünstigungsgrundsatz des Art. VII Abs. 1 UNÜ die Anwendung des im Verhältnis zu Art. II Abs. 2 UNÜ hinsichtlich der Formerfordernisse weniger strengen § 1031 Abs. 2, 3 ZPO erlaubt. Dem steht nicht entgegen, dass das nationale Recht hinsichtlich der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche - abgesehen von vereinzelten eigenständigen Regelungen, wie etwa bezüglich der Vorlagepflicht in § 1064 Abs. 1, Abs. 3 ZPO (vgl. hierzu auch Senat, Beschluss vom 25. September 2003 - III ZB 68/02, NJW-RR 2004, 1504 f) - in § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO pauschal auf das UNÜ verweist.

6          a) Nach § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach dem UNÜ. Dieses enthält in Art. VII Abs. 1 die Regelung, dass die Bestimmungen des Abkommens - und damit auch die Vorgaben über die Form einer Schiedsvereinbarung in Art. II - keiner beteiligten Partei das Recht nehmen, sich auf einen Schiedsspruch nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts oder der Verträge des Landes, in dem er geltend gemacht wird, zu berufen. Das UNÜ lässt mithin die Anwendung natio-nalen Rechts zu, soweit es für die Anerkennung und Vollstreckung ausländi-scher Schiedssprüche günstiger ist (sogenannter Meistbegünstigungsgrund-satz). Da § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO aber allein auf das UNÜ Bezug nimmt, stellt sich die Frage, ob der Verweis in Art. VII Abs. 1 UNÜ bezüglich des inner-staatlichen Rechts insoweit ins Leere geht (in diesem Sinn etwa Musielak/Voit, ZPO, 7. Aufl., § 1031 Rn. 18 und § 1061 Rn. 14; Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 1031 Rn. 25, nicht eindeutig aber § 1061 Rn. 22a; MünchKommZPO/Münch, 3. Aufl., § 1061 Rn. 19, unklar § 1031 Rn. 22 f; Mallmann, SchiedsVZ 2004, 152, 156; Moller, NZG 1999, 143, 145) oder ob der Meistbegünstigungsgrund-satz dahin zu verstehen ist, dass er - unter Durchbrechung der Rückverweisung des nationalen Rechts auf das UNÜ - die Anwendung einer im Vergleich zu Art. II Abs. 2 UNÜ weniger formstrengen nationalen Vorschrift, wie der an sich nach § 1025 Abs. 1 ZPO für innerstaatliche Schiedssprüche geltenden Rege-lung in § 1031 ZPO, erlaubt (in diesem Sinn Prütting/Gehrlein/Raeschke-Kessler, ZPO, 2. Aufl., § 1061 Rn. 14 f; MünchKommZPO/Adolphsen, 3. Aufl., § 1061 Anh. 1 UNÜ, Art. II Rn. 18; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 22. Aufl., Anh. § 1061 Rn. 50, 76, 159; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspra-xis, 3. Aufl., Kap. 27 Rn. 2564; Kröll ZZP 2004, 453, 469 ff, 477 f). In der ober-gerichtlichen Rechtsprechung überwiegt letztere Auffassung (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 14. Dezember 2006 - 8 Sch 14/05, S. 10 f, nicht veröffentlicht; siehe auch - im jeweils konkreten Fall die Erfüllung der Formerfordernisse des § 1031 ZPO aber verneinend - OLG Rostock, IPRax 2002, 401, 404; BayObLG, NJW-RR 2003, 719, 720; OLG Oldenburg, Beschluss vom 1. Februar 2005 - 9 Sch 3/04, S. 5, nicht veröffentlicht; offen gelassen vom OLG Brandenburg, IPRax 2003, 349, 351; zweifelnd OLG Frankfurt am Main, IPRax 2008, 517, 518). Der Senat hat diese Streitfrage bisher nicht entschieden, allerdings in sei-nem Beschluss vom 21. September 2005 - III ZB 18/05, NJW 2005, 3499, 3500 bereits angemerkt, dass für ein solches anerkennungsfreundlicheres Verständ-nis des Meistbegünstigungsgrundsatzes viel spricht.

7          b) Die Annahme, dass das in Art. VII Abs. 1 UNÜ verankerte Meistbe-günstigungsprinzip aufgrund der Verweisung in § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf das UNÜ bedeutungslos sei, würde dazu führen, dass in Deutschland ausländi-sche Schiedssprüche bezüglich ihrer Vollstreckbarkeit schlechter behandelt werden als inländische. Die Anforderungen an die Form einer Schiedsvereinba-rung würden dann davon abhängen, ob der Ort des Schiedsverfahrens, den im Rahmen des § 1043 Abs. 1 ZPO die Parteien, hilfsweise das Schiedsgericht festlegt, in Deutschland oder im Ausland liegt (§ 1025 Abs. 1 ZPO). Dies steht in Widerspruch zu Sinn und Zweck sowohl des Art. VII Abs. 1 UNÜ als auch des § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

8          aa) Durch das UNÜ sollte die Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen international erleichtert werden. Bezweckt war dagegen nicht die Aufstellung strengerer Vorschriften als im nationalen Recht (vgl. nur MünchKommZPO/ Adolphsen, aaO; Mallmann aaO S. 155). Art. II enthielt dabei Formerfordernis-se, die zu dem damaligen Zeitpunkt (im Jahr 1958) vergleichsweise liberal wa-ren und in ihrer Strenge deutlich hinter denen vieler nationaler Rechte zurück-blieben (vgl. Kröll, aaO S. 475; derselbe in SchiedsVZ 2009, 40, 41, 45). Seither haben im Rahmen einer schiedsfreundlicherer Grundhaltung viele Rechtsord-nungen ihre Formerfordernisse dahingehend gelockert, dass sie nun geringere Anforderungen stellen als Art. II UNÜ (vgl. Kröll, jeweils aaO). Dieser Historie widerspricht eine Auslegung, durch die Art. II UNÜ entgegen seiner ursprüngli-chen Intention zu einem Anerkennungshindernis wird.

9            Ergänzend ist insoweit auf die Auslegungsempfehlung der Kommission der Vereinten Nationen für Internationales Handelsrecht (UNCITRAL) für die nationalen Gerichte aus dem Jahr 2006 hinzuweisen, die auf den Zweck der Meistbegünstigungsregelung im Sinne einer möglichst weitgehenden Durchset-zung von ausländischen Schiedssprüchen hinweist, die zulässigen Formmög-lichkeiten in Art. II Abs. 2 UNÜ als nicht abschließend beschreibt und empfiehlt, die Meistbegünstigungsklausel über die Schiedssprüche hinaus auch auf die Schiedsvereinbarungen anzuwenden (General Assembly Resolution 61/33 vom 4. Dezember 2006, Official Records, Sixty-first session, Supplement No. 17, A/61/17, Annex II; abzurufen über www.uncitral.org; vgl. auch Kröll, SchiedsVZ 2009, 40, 46). Zugleich hat die UNCITRAL eine Änderung von Art. 7 des UNCITRAL-Modellgesetzes über die Internationale Handelsschiedsgerichtsbar-keit (Official Records of the General Assembly, Fortieth Session, Supplement No. 17, A/40/17, Annex I) beschlossen, die zu einer Aufweichung der bisherigen Formerfordernisse in diesem von der Vollversammlung der Vereinten Nationen bereits 1985 den Mitgliedsstaaten zur Annahme empfohlenen Mustergesetz für das Schiedsverfahrensrecht der Länder führt. Im Modellgesetz werden nunmehr zwei Alternativen vorgeschlagen, von denen eine auf jedes Schriftformerforder-nis verzichtet, die andere Erleichterungen der Schriftform vorsieht (General As-sembly Resolution 61/33 aaO, Annex I; vgl. auch Kröll, aaO m.w.N.).

10        Das internationale Recht legt deshalb eine weite Auslegung des Meist-begünstigungsgrundsatzes nahe und spricht dafür, anerkennungsfreundlichere nationale Regelungen für inländische Schiedssprüche auch auf ausländische Schiedssprüche anzuwenden.

11        bb) Dass der deutsche Gesetzgeber durch das Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I 1997, S. 3224) auslän-dische Schiedssprüche insoweit schlechter als inländische stellen und die nach altem Recht ungeachtet Art. II UNÜ zulässige Berufung auf innerstaatliche, we-niger strenge Formvorschriften (vgl. Senat, Urteil vom 3. Dezember 1992 - III ZR 30/91, NJW 1993, 1798 zum formlos - kraft Handelsbrauch - abge-schlossenen Schiedsvertrag) abschaffen wollte, ist nicht ersichtlich. Vielmehr diente - zur Schaffung eines zeitgemäßen und den internationalen Rahmenbe-dingungen angepassten Schiedsverfahrensrechts - das UNCITRAL-Modellge-setz als Vorbild für das neue deutsche Recht (vgl. Gesetzentwurf der Bundes-regierung BT-Drucks. 13/5274 S. 1, 23 ff; Bericht des Rechtsausschusses vom 12. November 1997, BT-Drucks. 13/9124, S. 44 f). Das UNCITRAL-Modellge-setz enthält einen Gleichlauf der Formvorschriften (siehe auch Kröll, ZZP 2004, 453, 476). Denn die nach Art. 1 Abs. 2 für inländische Schiedsverfahren gelten-de Bestimmung des Art. 7 über die Form einer Schiedsvereinbarung wird im Kapital VIII über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen aus-drücklich in Bezug genommen (Art. 36 Abs. 1 a i). Art. 36 gilt aber nach Art. 1 Abs. 2, Art. 35 Abs. 1, Art. 36 Abs. 1 unabhängig davon, in welchem Land der Schiedsspruch erlassen wurde. Dass der deutsche Gesetzgeber dies durch die Bezugnahme in § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf das UNÜ anders regeln wollte, ist nicht erkennbar.

12        c) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin steht der Anerkennung des Schiedsspruchs auch nicht Art. V Abs. 1 a Fall 2 UNÜ entgegen. Danach darf die Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchs auf Antrag der Partei, gegen die er geltend gemacht wird, nur versagt werden, wenn die von den Parteien gemäß Art. II UNÜ geschlossene Schiedsvereinbarung nach dem Recht, dem die Parteien sie unterstellt haben, oder, falls die Parteien hierüber nichts bestimmt haben, nach dem Recht des Landes, in dem der Schiedsspruch ergangen ist, ungültig ist. Insoweit kann dahinstehen, ob - wie die Antragsgeg-nerin meint - die Schiedsvereinbarung nicht den Formerfordernissen des engli-schen Rechts entspricht. Denn die Meistbegünstigungsklausel aus Art. VII Abs. 1 UNÜ wirkt sich auch im Anwendungs- und Prüfungsbereich des Art. V UNÜ aus (vgl. auch MünchKommZPO/Adolphsen aaO § 1061 Anh. 1 UNÜ, Art. V Rn. 24). Art. VII Abs. 1 UNÜ sieht gerade vor, dass die Bestimmungen des Übereinkommens (und damit auch dessen Art. V) keiner Partei das Recht nehmen, sich (zugunsten der Wirksamkeit) auf einen Schiedsspruch nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts oder der Verträge des Landes, in dem er geltend gemacht wird, zu berufen. Ist danach aber die Schiedsvereinbarung nach Maßgabe des nationalen Prozessrechts des Exequaturstaats - hier § 1031 ZPO - wirksam, bedarf es keiner Prüfung im Rahmen des Art. V Abs. 1 a Fall 2 UNÜ mehr, ob dies ebenfalls der Rechtslage des Landes, in dem der Schieds-spruch ergangen ist, entspricht (siehe auch Senat, Beschluss vom 21. September 2005, aaO, S. 3500 zu der Frage, ob bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 1031 ZPO die Wirksamkeit allein nach dem Recht des Landes, in dem der Schiedsspruch ergangen ist, ausreicht).

13        2. Auch im Übrigen erweist sich der angefochtene Beschluss als rechtsfeh-lerfrei. Auf eine nähere Begründung wird nach § 577 Abs. 6 Satz 2 (i.V.m. § 564 Satz 1), Satz 3 ZPO verzichtet.

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