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Wirtschaftsrecht
09.08.2023
Wirtschaftsrecht
BGH: Zur Verjährungshemmung eines Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung der Pflichten aus Anlageberatungsvertrag

BGH, Urteil vom 13.6.2023 – XI ZR 464/21

ECLI:DE:BGH:2023:130623UXIZR464.21.0

Volltext: BB-Online BBL2023-1858-5

unter www.betriebs-berater.de

Amtlicher Leitsatz

Die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung der Pflichten aus einem Anlageberatungsvertrag wird durch die Klageerhebung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB auch bezüglich solcher Pflichtverletzungen gehemmt, die in der Klageschrift nicht geltend gemacht sind.

BGB § 204 Abs. 1

Sachverhalt

Die Klägerin begehrt von der beklagten Bank Schadensersatz wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit dem Abschluss von vier inzwischen beendeten Zinscollar- und Zinssatzswap-Verträgen.

Ab dem Jahr 2008 hatte die Unternehmensgruppe, der die Klägerin angehört, einen Finanzierungsbedarf für anstehende Investitionen und zur Vorfinanzierung von Aufträgen. Zum Zwecke der Zinssicherung sowie Zinsbegrenzung bzw. zum Schutz gegen das Risiko ansteigender Zinsen schloss die Klägerin im Zeitraum von Februar 2008 bis Oktober 2011 vier aneinander anschließende Verträge mit der Beklagten ab.

Am 13. Februar 2008 schlossen die Parteien einen Zinscollar-Vertrag mit einem Bezugsbetrag von 2.000.000 €, einer Laufzeit von fünf Jahren und dem Recht der Beklagten, den Collar in einen Zinssatzswap zu wandeln. Dieser Vertrag wurde mit Auflösungsvereinbarung vom 26. September 2008 an diesem Tag beendet und in den folgenden Vertrag "restrukturiert".

Am 24. September 2008 schlossen die Parteien einen neuen Zinscollar-Vertrag mit einem Bezugsbetrag von 3.000.000 €, einer Laufzeit von sechs Jahren und dem Recht der Beklagten zur Wandlung in einen Zinssatzswap. Dieser zweite Vertrag wurde im Oktober 2009 durch Auflösungsvereinbarung mit einem negativen Marktwert in Höhe von 312.000 € beendet.

Unter Einbeziehung des vorstehenden Betrages schlossen die Parteien am 20. Oktober 2009 einen Zinssatzswap-Vertrag mit einem Bezugsbetrag von 3.000.000 € und einer Laufzeit von sechs Jahren. Dieser Vertrag wurde im Oktober 2011 durch Auflösungsvereinbarung mit einem negativen Marktwert in Höhe von 571.400 € beendet.

Unter Einbeziehung des vorstehenden Betrages schlossen die Parteien zuletzt am 20. Oktober 2011 einen Zinssatzswap-Vertrag mit einem Bezugsbetrag von 3.000.000 €, der bis zum vereinbarten Enddatum, dem 21. Oktober 2020, durchgeführt wurde.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin unter Berufung auf eine in mehrfacher Hinsicht unzulängliche Beratung über die vier Zinscollar- und Zinssatzswap-Verträge unter anderem die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von (zuletzt) 1.449.090,79 € begehrt.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der Senat hat die Revision der Klägerin gegen das Berufungsurteil nur zugelassen, soweit das Berufungsgericht betreffend den Zahlungsantrag unter dem Gesichtspunkt einer unzureichenden Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert zum Nachteil der Klägerin erkannt hat. In diesem Umfang verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Aus den Gründen

9          Die Revision hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Insoweit führt sie zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.    I.

 

10        Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:

 

11        Zwischen den Parteien sei bei Anbahnung der vier Verträge jeweils stillschweigend ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Allerdings seien die von der Klägerin geltend gemachten Pflichtverletzungen nicht gegeben bzw. sei nicht mit ausreichender Sicherheit feststellbar, dass der geltend gemachte Schaden auf einer Beratungspflichtverletzung beruhe.

 

12        Soweit die Klägerin erstmals in der Berufungsinstanz geltend mache, dass sie bei Abschluss der vier Verträge nicht auf deren anfänglichen negativen Marktwert hingewiesen worden sei, sei dieses Vorbringen zwar zuzulassen, weil die Beklagte nicht bestreite, dass die Verträge einen anfänglichen negativen Marktwert aufgewiesen hätten, sondern dies sogar einräume, und ebenfalls unstreitig sei, dass bei den ersten drei Verträgen nicht auf diesen Umstand hingewiesen worden sei. Allerdings seien etwaige Schadensersatzansprüche wegen unterlassener Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert der vier Verträge verjährt.

 

13        Insoweit könne dahinstehen, ob bezüglich des ersten Vertrags vom 13. Februar 2008 die Regelung des § 37a WpHG in der bis zum 4. August 2009 geltenden Fassung (künftig: aF) Anwendung finde oder ob dies nicht der Fall sei, weil die Beklagte ihre Pflicht zur Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert vorsätzlich verletzt habe. Denn auch nach der allgemeinen Regelung der §§ 195, 199 BGB sei ein etwaiger Schadensersatzanspruch aus den gleichen Gründen verjährt wie ein solcher Anspruch bezüglich des zweiten und dritten Vertrags vom 24. September 2008 und vom 20. Oktober 2009.

 

14        Es könne auch nicht festgestellt werden, ob bezüglich des zweiten und dritten Vertrags die Frist von drei Jahren aus §§ 195, 199 Abs. 1 BGB bei Einreichung der Klage bereits abgelaufen gewesen sei. Denn die hierfür darlegungspflichtige Beklagte trage nicht vor, wann die Klägerin Kenntnis vom anfänglichen negativen Marktwert dieser beiden Verträge und der Verpflichtung zur Aufklärung darüber erlangt habe oder haben könnte. Allerdings sei die Verjährung gemäß § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB zehn Jahre nach Abschluss des jeweiligen Vertrags und damit im September 2018 und Oktober 2019 eingetreten. Ein Schadensersatzanspruch wegen der unterlassenen Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert sei jedoch erst mit der am 18. Dezember 2020 eingegangenen Berufungsbegründung geltend gemacht worden. Die Klageerhebung im Jahr 2018 habe die Verjährungsfrist wegen dieses Anspruchs nicht gehemmt, weil die wegen einer bestimmten Pflichtverletzung erhobene Klage nicht auch die Verjährung wegen einer anderen Pflichtverletzung hemme, wenn sie verschiedene Streitgegenstände bildeten. Dies sei hier der Fall, weil die Verletzung der Pflicht zur Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert selbständig neben den zuvor geltend gemachten Pflichtverletzungen geeignet wäre, denselben Klageantrag zu rechtfertigen, die Rechtskraft einer vorangegangenen rechtskräftigen Klageabweisung einer neuen Klage auf Rückgewähr der erbrachten Zahlungen gestützt auf die unterlassene Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert nicht entgegengehalten werden könnte und diese Aufklärungspflicht ihren Ursprung in einem Interessenkonflikt der beratenden Bank habe und nicht den Grundsätzen über anleger- und anlagegerechte Beratung entspringe.

 

15        Der Verjährungsablauf sei in Bezug auf die ersten drei Verträge auch nicht deshalb hinausgeschoben gewesen, weil die Beklagte bei Abschluss des vierten Vertrags im Oktober 2011 die Pflicht getroffen hätte, die Klägerin auf den anfänglichen negativen Marktwert der drei zuvor abgeschlossenen Verträge hinzuweisen. Ein stillschweigender Beratungsvertrag sei immer auf eine konkrete Anlageentscheidung und den Abschluss eines konkreten beabsichtigten Geschäfts bezogen. Fortdauernde Überwachungs- und Beratungspflichten folgten aus einem solchen Beratungsvertrag nicht.

 

16        Soweit die Klägerin bei Abschluss des vierten Vertrags im Oktober 2011 nicht über die Höhe des anfänglichen negativen Marktwerts aufgeklärt worden sei, sei ein etwaiger Schadensersatzanspruch nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjährt, weil die Klägerin diese Pflichtverletzung nicht binnen drei Jahren ab Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen zum Gegenstand des Prozesses gemacht habe. Bei den Vertragsverhandlungen für den vierten Vertrag sei sie in dem übergebenen Produktinformationsblatt darauf hingewiesen worden, dass ein negativer Marktwert zu Beginn einstrukturiert worden sei. Zwar habe die Beklagte damit nicht über die genaue Höhe der eingepreisten Marge aufgeklärt. Mit der Kenntnis vom grundsätzlichen Vorhandensein eines anfänglichen negativen Marktwerts habe die Klägerin aber zugleich gewusst, dass ihr die Beklagte die Höhe dieses negativen Marktwerts vor Abschluss des Swapvertrags nicht offenbart habe.    II.

 

17        Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

 

18        1. Das Berufungsgericht ist allerdings rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, zwischen den Parteien seien im Zusammenhang mit dem Abschluss der vier Zinscollar- und Zinssatzswap-Verträge jeweils Beratungsverträge zustande gekommen, aufgrund deren die Beklagte verpflichtet gewesen sei, die Klägerin über den anfänglichen negativen Marktwert der Verträge aufzuklären.

 

19        Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass es sich bei den vier Beratungsverträgen und den daraufhin abgeschlossenen Zinscollar- und Zinssatzswap-Verträgen jeweils um einen selbständigen Geschehensablauf und damit um einen neuen Lebenssachverhalt handelt, so dass die auf eine fehlerhafte Beratung gestützten Schadensersatzansprüche jeweils einer eigenständigen Verjährung unterliegen (vgl. Senatsurteile vom 24. März 2015 - XI ZR 278/14, WM 2015, 1181 Rn. 26 und vom 28. April 2015 - XI ZR 378/13, BGHZ 205, 117 Rn. 52). Ferner hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht aus einem Anlageberatungsvertrag mit dem Zustandekommen des Vertrags, auf den sich die Beratung bezog, im Sinne von § 37a WpHG aF und § 199 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB entsteht (Senatsurteile vom 26. Februar 2013 - XI ZR 498/11, BGHZ 196, 233 Rn. 25, vom 28. April 2015, aaO Rn. 73 und vom 19. November 2019 - XI ZR 575/16, juris Rn. 26; Senatsbeschluss vom 26. März 2019 - XI ZR 372/18, WM 2019, 721 Rn. 13 ff.).

 

20        2. Das Berufungsgericht hat aber mit seiner Annahme, die Schadensersatzansprüche wegen unterbliebener Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert im Rahmen der Beratung vor Abschluss der ersten drei Verträge seien gemäß § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB verjährt, weil diese Pflichtverletzung nicht in der Klageschrift, sondern erstmals in der Berufungsbegründung geltend gemacht worden sei, die Reichweite der Hemmungswirkung der Klageerhebung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB verkannt.

 

21        Die Reichweite der Hemmungswirkung von Rechtsverfolgungsmaßnahmen gemäß § 204 Abs. 1 BGB beurteilt sich - ebenso wie die materielle Rechtskraft nach § 322 Abs. 1 ZPO - nicht nach dem einzelnen materiell-rechtlichen Anspruch, sondern nach dem den Streitgegenstand bildenden prozessualen Anspruch. Dieser erfasst alle materiell-rechtlichen Ansprüche, die sich im Rahmen des Rechtsschutzbegehrens aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen, in Anlageberatungsfällen folglich sämtliche Pflichtverletzungen eines zu einer Anlageentscheidung führenden Beratungsvorgangs, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob diese Pflichtverletzungen vorgetragen worden sind oder vorgetragen hätten werden können (BGH, Urteile vom 22. Oktober 2013 - XI ZR 42/12, BGHZ 198, 294 Rn. 15 ff., vom 18. Juni 2015 - III ZR 198/14, BGHZ 206, 41 Rn. 15, vom 18. Juni 2015 - III ZR 303/14, WM 2015, 1322 Rn. 10 f., vom 16. Juli 2015 - III ZR 238/14, WM 2015, 1559 Rn. 15 und vom 15. Oktober 2015 - III ZR 170/14, WM 2015, 2181 Rn. 15). Denn die einer Anlageentscheidung vorausgegangene Beratung stellt bei natürlicher Betrachtungsweise einen einheitlichen Lebensvorgang dar, der nicht in einzelne Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen, die der Anleger der Bank vorwirft, aufgespalten werden kann (BGH, Urteile vom 22. Oktober 2013, aaO Rn. 17 und vom 18. Juni 2015 - III ZR 303/14, aaO Rn. 11). Dementsprechend wird die Verjährung der Ansprüche für jeden einer Anlageentscheidung zugrunde liegenden Beratungsfehler gehemmt, wenn in unverjährter Zeit wegen eines oder mehrerer Beratungsfehler Klage erhoben oder ein Mahn- oder Güteverfahren eingeleitet wird (BGH, Urteile vom 18. Juni 2015 - III ZR 198/14, aaO Rn. 15, vom 18. Juni 2015 - III ZR 303/14, aaO Rn. 11 f., vom 16. Juli 2015, aaO Rn. 15 und vom 15. Oktober 2015, aaO Rn. 15), und steht die Rechtskraft einer Entscheidung über einen Schadensersatzanspruch gegen eine Bank wegen eines Fehlers bei der Kapitalanlageberatung einer Klage auf Ersatz desselben Schadens wegen eines anderen Beratungsfehlers in demselben Beratungsgespräch entgegen (BGH, Urteil vom 22. Oktober 2013, aaO Rn. 14 ff.).

 

22        3. Dagegen fällt dem Berufungsgericht kein Rechtsfehler zur Last, soweit es den Eintritt der Verjährung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs wegen unterlassener Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert im Rahmen der Beratung über den vierten Vertrag vom 20. Oktober 2011 gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB bejaht hat.

 

23        Die Feststellung des Berufungsgerichts, bereits im Jahr 2011 habe die Klägerin insoweit Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen gehabt oder hätte diese jedenfalls ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müssen, unterliegt als Ergebnis tatrichterlicher Würdigung nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht darauf, ob der Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze gewürdigt worden ist, und ob der Tatrichter den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Grades der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat (vgl. Senatsurteile vom 26. Februar 2013 - XI ZR 498/11, BGHZ 196, 233 Rn. 32, vom 13. Januar 2015 - XI ZR 303/12, BGHZ 204, 30 Rn. 21 und vom 15. März 2016 - XI ZR 122/14, WM 2016, 780 Rn. 30).

 

24        Solche Rechtsfehler liegen hier nicht vor. So ist die Annahme des Berufungsgerichts, aus dem Hinweis im Produktinformationsblatt ergebe sich die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin von dem Vorhandensein eines anfänglichen negativen Marktwerts, der auf der Einstrukturierung einer Marge der Beklagten beruht, nicht zu beanstanden, unabhängig davon, dass in den Swap-Vertrag vom 20. Oktober 2011 auch der sich aus der Auflösung des vorhergehenden Vertrags vom 20. Oktober 2009 ergebende negative Marktwert einbezogen wurde. Denn der Hinweis im Produktinformationsblatt bezieht sich klar und deutlich auf einen negativen Marktwert des Swapvertrags, der auf einer Marge der Beklagten beruht, die neben dem Aufwand für Strukturierung, Absicherung und Vertrieb einen Ertrag der Beklagten enthält. Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Annahme, angesichts des Hinweises auf das Vorhandensein eines anfänglichen negativen Marktwerts sei für den Verjährungsbeginn nicht entscheidend, welche Vorstellung die Klägerin hinsichtlich der konkreten Höhe dieses anfänglichen negativen Marktwerts hatte (vgl. Senatsurteil vom 26. Februar 2013 - XI ZR 498/11, BGHZ 196, 233 Rn. 29 f.).     III.

 

25        Das Berufungsurteil ist mithin auf die Revision teilweise aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), da der Senat nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden kann.

 

26        1. Dies gilt zunächst für die Verjährung von Ansprüchen der Klägerin wegen einer unzureichenden Unterrichtung über das Einpreisen eines anfänglichen negativen Marktwerts in den ersten Vertrag vom 13. Februar 2008.

 

27        a) Im Hinblick auf einen Verjährungseintritt drei Jahre nach Vertragsschluss gemäß § 37a WpHG aF, der nicht für Ansprüche wegen vorsätzlicher Beratungspflichtverletzung gilt (Senatsurteile vom 24. März 2015 - XI ZR 278/14, WM 2015, 1181 Rn. 17, vom 28. April 2015 - XI ZR 378/13, BGHZ 205, 117 Rn. 73 und vom 22. März 2016 - XI ZR 425/14, WM 2016, 821 Rn. 52), hat das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Beklagte die Vermutung vorsätzlichen Handelns (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB) widerlegt habe (vgl. Senatsurteile vom 12. Mai 2009 - XI ZR 586/07, WM 2009, 1274 Rn. 16 ff., vom 22. März 2016 - XI ZR 93/15, WM 2016, 827 Rn. 23 und vom 26. Juli 2016 - XI ZR 351/14, juris Rn. 27; Senatsbeschluss vom 5. Februar 2019 - XI ZR 335/18, BKR 2019, 513 Rn. 9 f.), sondern die Frage des Vorsatzes offengelassen.

 

28        b) Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts kann auch nicht beurteilt werden, ob der Lauf der zehnjährigen Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB durch Einreichung der Klageschrift am 13. Februar 2018 gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden ist. Das Berufungsgericht hat sich - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - nicht mit der Frage befasst, ob die Zustellung der Klageschrift an die Beklagte am 28. Juni 2018 noch "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO erfolgt ist (vgl. Senatsurteil vom 14. Juli 2020 - XI ZR 553/19, WM 2020, 1735 Rn. 26 mwN).

 

29        2. Die Sache ist auch nicht zur Endentscheidung reif, soweit die Klägerin wegen der unzureichenden Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert des zweiten und dritten Vertrags vom 24. September 2008 und vom 20. Oktober 2009 Schadensersatz verlangt. Auch insoweit fehlen Feststellungen zu den Voraussetzungen der Verjährung (§ 37a WpHG aF, §§ 195, 199 Abs. 1 BGB).

 

30        3. Schließlich ist die Sache auch nicht hinsichtlich der Verluste der Klägerin aus dem vierten Vertrag vom 20. Oktober 2011 entscheidungsreif. Zwar ist - wie vorstehend unter II. 3. ausgeführt - ein Schadensersatzanspruch wegen unterlassener Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert dieses Vertrags verjährt. Allerdings hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - bisher keine Feststellungen dazu getroffen, ob und - falls ja - in welchem Umfang der Zahlungsantrag auf diesem verjährten Schadensersatzanspruch beruht.            IV.

 

31        Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

 

32        Sollte das Berufungsgericht in Bezug auf einen oder mehrere der ersten drei Verträge einen nicht verjährten Schadensersatzanspruch der Klägerin bejahen, werden bei der Frage, welcher Schaden der Klägerin durch die Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten verursacht wurde, die für die Anlageberatung geltenden Grundsätze, insbesondere die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, die für alle Aufklärungs- und Beratungsfehler eines Anlageberaters eine echte Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zugunsten des Aufklärungsbedürftigen begründet, zu berücksichtigen sein (vgl. Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 27 ff., vom 8. April 2014 - XI ZR 341/12, WM 2014, 1036 Rn. 20, vom 15. Juli 2014 - XI ZR 418/13, WM 2014, 1670 Rn. 25 f. und vom 22. März 2016 - XI ZR 425/14, WM 2016, 821 Rn. 34 sowie Senatsbeschluss vom 10. Januar 2017 - XI ZR 365/14, BKR 2017, 164 Rn. 10). Entgegen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichts nicht einschlägig sind dagegen die für einen Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Finanzierungsberatung geltenden Grundsätze (vgl. dazu Senatsurteile vom 20. März 2007 - XI ZR 414/04, WM 2007, 876 Rn. 42 ff. und vom 19. Dezember 2017 - XI ZR 152/17, WM 2018, 268 Rn. 53).

 

33        Außerdem ist gegebenenfalls zu berücksichtigen, dass die Klägerin mit ihrem Zahlungsantrag aus der Berufungsinstanz nur Ersatz für seit März 2009 geleistete Zahlungen verlangt, wie sich insbesondere aus der mit den am 9. und am 15. Juni 2021 eingegangenen Schriftsätzen vorgelegten tabellarischen Übersicht ergibt, und dass nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der vierte Vertrag wesentlich auch geschlossen worden war, um die Belastung aus dem dritten Vertrag zeitlich zu strecken, so dass die Nachteile der Klägerin aus dem vierten Vertrag auch durch die Verletzung der Beratungspflichten in Bezug auf den vorherigen Vertrag verursacht worden sein könnten. Bezüglich einer eventuellen Vorteilsausgleichung weist der Senat auf die Ausführungen in seinem Urteil vom 22. März 2016 (XI ZR 425/14, WM 2016, 821 Rn. 43 - 45) hin.

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