LG MÜnchen I: Zur Stellung einer Prozesskostensicherheit durch Ltd. als Klägerin
LG München, Zwischenurteil vom 20.5.2009 - 21 O 12220/08
Sachverhalt
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen eines behaupteten Wettbewerbsrechtsverstoßes u.a. auf Unterlassung in Anspruch, wobei die Parteien u.a. darüber streiten, ob die Klägerin Prozesskostensicherheit zu leisten hat.
Die Klägerin ist eine am 30.08.2007 gegründete Limited mit Sitz in W., West Yorkshire, Vereinigtes Königreich, deren alleiniger Gesellschafter Herr L. ist; in England übt die Klägerin keine Geschäftstätigkeit aus. Director und damit gesetzlicher Vertreter der Klägerin ist Frau P. H., die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den USA hat. Die Beklagten sind in Österreich ansässig und haben Anfang 2008 mit einem Kundenanschreiben in Deutschland für die Vermarktung einer Software zur Wandgestaltung „F. 4.0" geworben, welches von der Klägerin mit der Behauptung, die Software enthalte Bildmotive, an denen Herr L. Urheberrechte besitze, als irreführend i.S.v. §§ 3, 5 UWG angegriffen wird.
Herr L. betrieb zuvor ein EDV-gestütztes Wandgestaltungssystem „F." über die deutsche R. AG und arbeitete in diesem Zusammenhang seit Mitte 1998 mit den Beklagten zusammen. In der Folgezeit wurde das Geschäft über die österreichische C. KEG, sodann über die F. KEG betrieben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Vortrag der Beklagten in der Klageerwiderung vom 31.10.2008 Bezug genommen.
Auf dem Internet-Firmenportal „H." ist ein Eintrag auf die Klägerin existent, der als Adresse „S.strasse 11, 8. Augsburg" enthält und als Internetseite www.d....com angibt. Unter der genannten Adresse betreibt auch Herr T. K. das Einzelunternehmen „T. K. EDV-Beratung und Vertrieb". Die Software „F.", die in den USA produziert wird, wird im Internet unter der Domain www.d....com sowie www.f....eu beworben und vertrieben, in deren Impressum als Kontakt jeweils die F. Holding Limited genannt ist. Ein Hinweis auf die Klägerin ist nicht enthalten. Die exklusiven Vermarktungsrechte an der Software „F." hat die F. Holding Limited, die zwar in Großbritannien registriert ist, ihren Sitz jedoch in die USA verlegt hat.
Die Klägerin wurde vom Companies House - welches dem deutschen Handelsregister entspricht - aufgefordert bekannt zu geben, ob sie ihre Tätigkeit aufgenommen hat; außerdem wurde ihr die Einleitung rechtlicher Schritte angedroht, wenn sie nicht die entsprechenden Informationen erteile und die vorgeschriebenen Gebühren entrichte. Die Klägerin verfügt weder in Deutschland noch in Großbritannien über eine Steuernummer.
Die Beklagten behaupten, dass Herr L. entgegen seinen Angaben im gerichtlichen Verfahren seinen Wohnsitz tatsächlich in den USA habe. Herr L. habe der R. AG und anschließend der C. KEG planmäßig rechtswidrig Vermögen vor dem Zugriff von Gläubigern entzogen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Ausführungen der Beklagten in deren Replik vom 20.02.2009 verwiesen. Nicht die Klägerin, sondern Herr T. K. vertreibe die Software „F." in Deutschland als Franchisenehmer über sein Einzelunternehmen. Die Klägerin habe ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in den USA und sei auf dem europäischen Markt selbst nicht tätig; der Versuch der Klägerin, in Deutschland eine Betriebsstätte vorzutäuschen, verfolge alleine dem Zweck, der Pflicht zur Stellung einer Prozesskostensicherheit zu entgehen. Bei den von der Klägerin angegebenen Adressen in Deutschland wie auch in Großbritannien handele es sich um Scheinadressen.
Die Beklagten sind der Auffassung, dass Herr L. die gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsfreiheit missbrauche, indem er ständig neue Gesellschaften - u.a. die Klägerin - gründe, diesen nach kurzem ihr Vermögen entziehe und dadurch Gläubigern die Durchsetzung ihrer Ansprüche vereitele. Da Urteile aus den EU-Mitgliedsstaaten gegen den tatsächlich in den USA weilenden Herrn L. in den USA derzeit nicht vollstreckt werden könnten, seien die von der deutschen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze des Haftungsdurchgriffs gegen den Alleingesellschafter L. analog heranzuziehen, weshalb auf die Klägerin auch die Vorschrift des § 110 ZPO analog anzuwenden sei. Der dort verwendete Begriff des Klägers sei wirtschaftlich zu sehen. Entscheidend sei der gewöhnliche Aufenthalt desjenigen, der im Fall des Unterliegens für die Prozesskosten einzustehen habe; dies sei vorliegend nicht die Klägerin, sondern der in den USA lebende Alleingesellschafter Herr L.. Außerdem sei bei juristischen Personen für die Frage, ob Prozesskostensicherheit zu leisten sei, auf deren tatsächlichen Verwaltungssitz - hier also die USA - abzustellen.
Die Beklagten b e a n t r a g e n
Leistung einer Prozesskostensicherheit durch die Klägerin i.H.v. EUR 18.000,00 binnen 14 Tagen nach Erlass eines Zwischenurteils.
Die Klägerin b e a n t r a g t
Zurückweisung des Antrags auf Leistung einer Prozesskostensicherheit.
Die Klägerin behauptet, dass sie die geschäftlichen Interessen des Herrn L. in Deutschland wahrnehme und in Deutschland mit der Software „F." Wandgestaltungssysteme vertreibe.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass eine Prozesskostensicherheit gem. § 110 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht käme, da die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union habe.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.04.2009 (Bl. 89/91 d. A.).
Aus den Gründen
I. Der zulässige und rechtzeitig i.S.v. § 282 Abs. 3 ZPO gestellte Antrag der Beklagten auf Leistung einer Prozesskostensicherheit durch die Klägerin ist unbegründet, da die Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 ZPO nicht gegeben sind.
1. Die Vorschrift in § 110 ZPO a.F. über die Pflicht zur Leistung einer Prozesskostensicherheit beruht auf der Überlegung, dass die Durchsetzung eines auf den §§ 91 ff. ZPO beruhenden Kostenerstattungsanspruchs dann auf (Vollstreckungs-)Schwierigkeiten stoßen kann, wenn der Kostenschuldner ein Ausländer oder eine ausländische juristische Person ist (vgl. BGH NJW 1984, 2762; Herget in Zöller, ZPO, 27. Aufl. § 110 Rn. 2; Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 13/0871, S. 16).
Dies gilt aufgrund der Neufassung des § 110 ZPO nunmehr für ausländische natürliche oder juristische Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben. Gegenüber Klägern, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt innerhalb der EU und innerhalb des Gebietes der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, können dagegen Vollstreckungsprobleme jedenfalls im Anwendungsbereich des Brüsseler Übereinkommens vom 27. September 1968 und des Lugano-Übereinkommens vom 16. September 1988 eine besondere Sicherung des im Inland ansässigen Beklagten nicht mehr rechtfertigen (vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 13/10871, S. 17).
Dagegen will § 110 ZPO nicht vor der Befürchtung schützen, dass ein zukünftiger Kostenerstattungsanspruch aufgrund Vermögenslosigkeit des zukünftigen Schuldners nicht realisierbar ist (vgl. BGH NJW 1984, 2762).
2. Ist die Klägerin eine Gesellschaft, so gilt als „gewöhnlicher Aufenthalt" i.S.v. § 110 Abs. 1 ZPO deren Sitz i.S.v. § 17 ZPO (vgl. BGH NJW-RR 2005, 148, 149; Herget, a.a.O., § 110 Rn. 2; Foerste in Musielak, ZPO, 6. Aufl., § 110 Rn. 4).
Ob es insoweit auf den Gründungssitz der Gesellschaft (welcher gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO maßgebend ist) oder den Verwaltungssitz (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 1 ZPO) ankommt, hat der Bundesgerichtshof (NJW-RR 2005, 148, 149) offen gelassen.
Das OLG Karlsruhe (NJW-RR 2008, 944, 945) hat in diesem Zusammenhang auf den tatsächlichen Verwaltungssitz zumindest für den Fall abgestellt, dass eine nach deutschem Recht wirksam gegründete GmbH im Inland und an ihrem satzungsmäßigen Sitz keinerlei Geschäftsräume oder sonst eine zustellfähige Adresse unterhält. Begründet wurde dies mit dem bereits unter Ziffer I. 1. dargelegten Ziel der Regelung in § 110 ZPO, den Beklagten vor den typischen Schwierigkeiten - Anerkennung und Vollstreckung - zu schützen, die dadurch entstehen, dass er seinen Anspruch auf Kostenerstattung im Ausland realisieren muss. Die genannten Schwierigkeiten dürften sich nach Ansicht des OLG Karlsruhe „zwar nicht auf die Frage beschränken, ob der Kl. über ein entsprechendes (inländisches) Vermögen verfügt, dass die Kosten des obsiegenden Bekl. abdeckt. Daher kann die Einrede nicht allein darauf gestützt werden, dass eine deutsche GmbH vermögenslos ist (BGH, NJW 1984, 2762). Entscheidend ist vielmehr, ob eine Inlandsvollstreckung der Form nach in Betracht kommt. Das hängt letztlich davon ab, ob - unabhängig vom Rechtsstreit - eine dauerhafte, zustellfähige Inlandsadresse vorhanden ist oder nicht. Daran fehlt es, wenn eine deutsche GmbH ihren Verwaltungssitz faktisch ins Ausland verlegt, weder an ihrem satzungsmäßigen Sitz noch sonst wo im Inland Geschäftsräume unterhält und auch sonst im Inland über keinerlei dauerhaft zustellfähige Anschrift verfügt."
3. Unter Beachtung der gerade dargestellten Grundsätze und Rechtsprechung kommt die Stellung einer Prozesskostensicherheit durch die Klägerin nicht in Betracht:
a. Die Klägerin hatte ihren Sitz nach ihren Angaben in der Klageschrift ursprünglich in W., West Yorkshire, England, nach Internet-Auskunft des britischen Companies House (http://www.companieshouse.gov.uk), worauf die Beklagten hinweisen, derzeit in B., West Yorkshire, England und damit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union. Es ist nicht ersichtlich, dass die angegebene Sitz-Adresse der Klägerin nicht dauerhaft zustellfähig ist. Da somit eine Vollstreckung der Form nach in Betracht kommt, ist es ohne Relevanz, dass die Klägerin in England keine Geschäftstätigkeit ausübt, ihre gesetzliche Vertreterin P. H. in den USA ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat sowie die Klägerin ggf. ihren tatsächlichen Verwaltungssitz und der Alleingesellschafter Herr L. ggf. seinen gewöhnlichen Aufenthalt in den USA haben.
Im übrigen dürfte als zustellfähige Adresse der Klägerin zusätzlich - unabhängig von der Frage, ob sie eine entsprechende Niederlassung ordnungsgemäß beim Companies House angemeldet oder sonstige formelle Anforderungen hierfür (auch steuerrechtliche wie etwa das Vorhandensein einer Steuernummer) erfüllt hat - die Adresse in Augsburg, die auf den von der Klägerin auf ihren zum Zwecke des Nachweises ihrer Aktivlegitimation als Anlagenkonvolut K 21 vorgelegten Rechnungen angegeben ist, in Betracht kommen.
b. Dagegen soll durch die Leistung einer Prozesskostensicherheit gerade nicht vor der potentiellen Gefahr einer erfolglosen Vollstreckung bei der Klägerin wegen deren etwaiger Vermögenslosigkeit geschützt werden. Dies gilt auch für den Fall einer britischen Limited mit geringem Haftungskapital: Besteht die Möglichkeit der Gründung solcher Kapitalgesellschaften und ihrer Teilnahme am europäischen Rechtsverkehr, so muss auch hingenommen werden, dass Vollstreckungen mangels Deckung durch das Haftungskapital ins Leere gehen.
Mögen daher vorliegend ggf. für Verbindlichkeiten der Klägerin die Grundsätze des Haftungsdurchgriffs auf den Alleingesellschafter L. in Betracht kommen - hierüber hat die Kammer nicht zu entscheiden -, so betrifft dies ausschließlich die Problematik der Forderungsrealisierung und hat daher für die Frage der Anordnung einer Prozesskostensicherheit außer Betracht zu bleiben.
II. Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten (vgl. Greger in Zöller, a.a.O., § 280 Rn. 8).