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Wirtschaftsrecht
18.06.2009
Wirtschaftsrecht
LG MÜnchen I: Zur Stellung einer Prozesskostensicherheit durch Ltd. als Klägerin

LG München, Zwischenurteil vom 20.5.2009 - 21 O 12220/08

Sachverhalt

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen eines behaupteten Wettbewerbsrechtsverstoßes u.a. auf Unterlassung in Anspruch, wobei die Parteien u.a. darüber streiten, ob die Klägerin Prozesskostensicherheit zu leisten hat.

Die Klägerin ist eine am 30.08.2007 gegründete Limited mit Sitz in W., West York­shire, Vereinigtes Königreich, deren alleiniger Gesellschafter Herr L. ist; in England übt die Klägerin keine Geschäftstätigkeit aus. Director und damit ge­setzlicher Vertreter der Klägerin ist Frau P. H., die ihren gewöhnlichen Auf­enthalt in den USA hat. Die Beklagten sind in Österreich ansässig und haben Anfang 2008 mit einem Kun­den­an­schreiben in Deutschland für die Vermarktung einer Software zur Wandgestaltung „F. 4.0" geworben, welches von der Klägerin mit der Behauptung, die Soft­ware enthalte Bildmotive, an denen Herr L. Urheberrechte besitze, als irreführend i.S.v. §§ 3, 5 UWG an­ge­griffen wird.

Herr L. betrieb zuvor ein EDV-gestütztes Wandgestaltungssystem „F." über die deutsche R. AG und arbeitete in diesem Zusam­menhang seit Mitte 1998 mit den Beklagten zusammen. In der Folgezeit wurde das Ge­schäft über die öster­reichische C. KEG, sodann über die F. KEG betrieben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Vortrag der Beklagten in der Klageerwiderung vom 31.10.2008 Bezug genom­men.

Auf dem Internet-Firmenportal „H." ist ein Eintrag auf die Klägerin existent, der als Adresse „S.strasse 11, 8. Augsburg" enthält und als Internetseite www.d....com angibt. Unter der genannten Adresse betreibt auch Herr T. K. das Ein­zel­unternehmen „T. K. EDV-Beratung und Vertrieb". Die Software „F.", die in den USA produziert wird, wird im Internet unter der Domain www.d....com sowie www.f....eu beworben und vertrieben, in deren Im­pressum als Kontakt jeweils die F. Holding Limited genannt ist. Ein Hinweis auf die Klägerin ist nicht enthalten. Die ex­klusiven Vermarktungsrechte an der Soft­ware „F." hat die F. Hol­ding Limited, die zwar in Großbritanni­en regis­triert ist, ihren Sitz jedoch in die USA ver­legt hat.

Die Klägerin wurde vom Companies House - welches dem deutschen Handelsregister entspricht - aufgefordert bekannt zu geben, ob sie ihre Tätigkeit aufgenommen hat; außerdem wurde ihr die Einleitung rechtlicher Schritte angedroht, wenn sie nicht die entsprechenden Informationen erteile und die vorgeschriebenen Gebühren entrichte. Die Klä­gerin verfügt weder in Deutschland noch in Großbritannien über eine Steuernummer.

Die Beklagten behaupten, dass Herr L. entgegen seinen Angaben im gerichtlichen Verfahren seinen Wohnsitz tatsächlich in den USA habe. Herr L. habe der R. AG und anschließend der C. KEG planmäßig rechtswidrig Vermögen vor dem Zugriff von Gläubigern entzogen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Ausführungen der Beklagten in deren Replik vom 20.02.2009 verwiesen. Nicht die Klägerin, sondern Herr T. K. vertreibe die Software „F." in Deutschland als Franchisenehmer über sein Einzelunternehmen. Die Klägerin habe ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in den USA und sei auf dem europäischen Markt selbst nicht tätig; der Versuch der Klägerin, in Deutschland eine Betriebsstätte vorzutäuschen, verfolge alleine dem Zweck, der Pflicht zur Stellung einer Prozesskostensicherheit zu entgehen. Bei den von der Klägerin ange­ge­benen Adressen in Deutschland wie auch in Großbritannien handele es sich um Schein­adressen.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass Herr L. die gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsfreiheit missbrauche, indem er ständig neue Gesellschaften - u.a. die Klägerin - gründe, diesen nach kurzem ihr Vermögen entziehe und dadurch Gläu­bigern die Durch­set­zung ihrer Ansprüche vereitele. Da Urteile aus den EU-Mit­glieds­staaten gegen den tat­sächlich in den USA weilenden Herrn L. in den USA der­zeit nicht vollstreckt wer­den könnten, seien die von der deutschen Rechtsprechung ent­wickelten Grundsätze des Haftungsdurchgriffs gegen den Alleingesellschafter L. analog heranzuziehen, weshalb auf die Klägerin auch die Vorschrift des § 110 ZPO ana­log anzuwenden sei. Der dort verwendete Begriff des Klägers sei wirtschaftlich zu se­hen. Entscheidend sei der gewöhnliche Aufenthalt desjenigen, der im Fall des Unterlie­gens für die Prozesskosten einzustehen habe; dies sei vorliegend nicht die Klägerin, son­dern der in den USA lebende Alleingesellschafter Herr L.. Außerdem sei bei ju­ris­tischen Personen für die Frage, ob Prozesskostensicherheit zu leisten sei, auf deren tat­sächlichen Verwaltungssitz - hier also die USA - abzustellen.

Die Beklagten  b e a n t r a g e n

Leistung einer Prozesskostensicherheit durch die Klägerin i.H.v. EUR 18.000,00 bin­nen 14 Tagen nach Erlass eines Zwischenurteils.       

               

Die Klägerin  b e a n t r a g t

Zurückweisung des Antrags auf Leistung einer Prozesskostensicherheit.

Die Klägerin behauptet, dass sie die geschäftlichen Interessen des Herrn L. in Deutschland wahrnehme und in Deutschland mit der Software „F." Wandgestaltungssysteme vertreibe.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass eine Prozesskostensicherheit gem. § 110 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht käme, da die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union habe.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien ge­wechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhand­lung vom 15.04.2009 (Bl. 89/91 d. A.).

Aus den Gründen

I. Der zulässige und rechtzeitig i.S.v. § 282 Abs. 3 ZPO gestellte Antrag der Beklagten auf Leistung einer Prozesskostensicherheit durch die Klägerin ist unbegründet, da die Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 ZPO nicht gegeben sind.

1.         Die Vorschrift in § 110 ZPO a.F. über die Pflicht zur Leistung einer Prozesskosten­si­cherheit beruht auf der Überlegung, dass die Durch­setzung eines auf den §§ 91 ff. ZPO beruhenden Kostenerstattungsanspruchs dann auf (Vollstreckungs-)­Schwierigkeiten stoßen kann, wenn der Kosten­schuldner ein Aus­länder oder eine ausländische juristische Person ist (vgl. BGH NJW 1984, 2762; Herget in Zöller, ZPO, 27. Aufl. § 110 Rn. 2; Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 13/­0871, S. 16). 

Dies gilt auf­grund der Neufassung des § 110 ZPO nunmehr für ausländische natürliche oder juristische Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitglied­staat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben. Gegenüber Klägern, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt innerhalb der EU und innerhalb des Gebietes der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben, können dagegen Vollstreckungsprobleme jedenfalls im Anwendungsbereich des Brüs­seler Übereinkommens vom 27. September 1968 und des Lugano-Über­ein­kom­mens vom 16. September 1988 eine besondere Sicherung des im Inland ansäs­sigen Beklagten nicht mehr rechtfertigen (vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 13/10871, S. 17).

            Dagegen will § 110 ZPO nicht vor der Befürchtung schützen, dass ein zukünftiger Kostenerstattungsanspruch aufgrund Vermögenslosigkeit des zukünftigen Schuldners nicht realisierbar ist (vgl. BGH NJW 1984, 2762).

2.         Ist die Klägerin eine Gesellschaft, so gilt als „gewöhnlicher Aufenthalt" i.S.v. § 110 Abs. 1 ZPO deren Sitz i.S.v. § 17 ZPO (vgl. BGH NJW-RR 2005, 148, 149; Herget, a.a.O., § 110 Rn. 2; Foerste in Musielak, ZPO, 6. Aufl., § 110 Rn. 4).

Ob es insoweit auf den Gründungssitz der Gesellschaft (welcher gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO maßgebend ist) oder den Verwaltungssitz (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 1 ZPO) an­­kommt, hat der Bundesgerichtshof (NJW-RR 2005, 148, 149) offen gelassen.

Das OLG Karlsru­he (NJW-RR 2008, 944, 945) hat in diesem Zusammenhang auf den tatsächlichen Verwaltungs­sitz zumindest für den Fall abgestellt, dass eine nach deutschem Recht wirksam gegründete GmbH im Inland und an ihrem satzungsmäßigen Sitz keinerlei Ge­schäftsräume oder sonst eine zustellfähige Adresse unterhält. Begründet wurde dies mit dem bereits unter Ziffer I. 1. dargelegten Ziel der Regelung in § 110 ZPO, den Be­klag­ten vor den typischen Schwierigkeiten - Anerkennung und Vollstreckung - zu schüt­zen, die dadurch entstehen, dass er sei­nen Anspruch auf Kostenerstattung im Ausland realisieren muss. Die genannten Schwierigkeiten dürften sich nach Ansicht des OLG Karlsruhezwar nicht auf die Frage be­schrän­ken, ob der Kl. über ein ent­spre­chendes (inländisches) Vermögen verfügt, dass die Kosten des obsiegenden Bekl. abdeckt. Daher kann die Einrede nicht allein darauf gestützt werden, dass eine deutsche GmbH vermögenslos ist (BGH, NJW 1984, 2762). Entscheidend ist viel­mehr, ob eine Inlandsvollstreckung der Form nach in Betracht kommt. Das hängt letztlich davon ab, ob - unabhängig vom Rechts­streit - eine dauerhafte, zustellf­ähige Inlandsadresse vorhanden ist oder nicht. Daran fehlt es, wenn eine deut­sche GmbH ihren Verwaltungssitz faktisch ins Aus­land verlegt, weder an ih­rem satzungsmäßigen Sitz noch sonst wo im Inland Ge­schäftsräume unterhält und auch sonst im Inland über keinerlei dauerhaft zustell­fähige Anschrift verfügt."

3.         Unter Beachtung der gerade dargestellten Grundsätze und Rechtsprechung kommt die Stellung einer Prozesskostensicherheit durch die Klägerin nicht in Betracht:

a.         Die Klägerin hatte ihren Sitz nach ihren Angaben in der Klageschrift ursprünglich in W., West Yorkshire, England, nach Internet-Auskunft des britischen Companies House (http://www.companieshouse.gov.uk), worauf die Be­klagten hinweisen, derzeit in B., West Yorkshire, England und damit in einem Mitglied­staat der Euro­päischen Union. Es ist nicht ersichtlich, dass die an­ge­ge­bene Sitz-Adresse der Klä­gerin nicht dauerhaft zustellfähig ist. Da so­­mit eine Vollstreckung der Form nach in Betracht kommt, ist es ohne Relevanz, dass die Klägerin in England keine Geschäftstätigkeit ausübt, ihre gesetz­liche Vertreterin P. H. in den USA ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat sowie die Klägerin ggf. ihren tatsächlichen Verwaltungssitz und der Al­lein­gesellschafter Herr L. ggf. seinen gewöhnlichen Aufenthalt in den USA haben.

            Im übrigen dürfte als zustellfähige Adresse der Klägerin zusätzlich - unabhän­gig von der Frage, ob sie eine entsprechende Niederlassung ordnungsgemäß beim Companies House angemeldet oder sonstige formelle Anforderungen hier­für (auch steuerrechtliche wie etwa das Vorhandensein einer Steuernummer) erfüllt hat - die Adresse in Augsburg, die auf den von der Klägerin auf ihren zum Zwecke des Nachweises ihrer Aktivlegitimation als Anlagenkonvolut K 21 vorge­legten Rechnungen angegeben ist, in Betracht kom­men.

b.         Dagegen soll durch die Leistung einer Prozesskostensicherheit gerade nicht vor der potentiellen Gefahr einer erfolglosen Vollstreckung bei der Klägerin we­gen deren etwaiger Vermögenslosigkeit ge­schützt werden. Dies gilt auch für den Fall einer britischen Limited mit geringem Haftungskapital: Besteht die Mög­lichkeit der Gründung solcher Kapitalgesellschaften und ihrer Teilnahme am europäischen Rechtsverkehr, so muss auch hingenommen werden, dass Voll­streckungen mangels Deckung durch das Haftungskapital ins Leere gehen.

Mögen daher vorliegend ggf. für Verbindlichkeiten der Klägerin die Grundsätze des Haftungs­durchgriffs auf den Alleingesellschafter L. in Betracht kom­men - hierüber hat die Kammer nicht zu entscheiden -, so be­trifft dies aus­schließlich die Problematik der Forderungsrealisierung und hat daher für die Frage der Anordnung einer Prozesskostensicherheit außer Betracht zu blei­ben.

II. Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten (vgl. Greger in Zöller, a.a.O., § 280 Rn. 8).

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