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Wirtschaftsrecht
23.08.2012
Wirtschaftsrecht
OLG Düsseldorf: Zur Prozessführungsbefugnis des Mitgesellschafters einer GbR

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.5.2012 - I-24 U 250/11


Leitsätze


1. Der Mitgesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist grundsätzlich nicht berechtigt, eine der Gesamthand zustehende Forderung gegen einen Dritten im eigenen Namen allein geltend zu machen.


2. Ausnahmsweise kann der einzelne Gesellschafter allerdings prozessführungsbefugt und damit zur Geltendmachung einer Gesellschaftsforderung im eigenen Namen berechtigt sein, wenn der andere Gesellschafter sich aus gesellschaftswidrigen Gründen weigert, an der Geltendmachung einer Gesellschaftsforderung mitzuwirken und zudem der verklagte Gesellschaftsschuldner an dem gesellschaftswidrigen Verhalten beteiligt ist.


3. Die Tatsachen, die die Prozessführungsbefugnis des Mitgesellschafters begründen, müssen positiv feststehen und noch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vorliegen.


4. Zur Begründung der Prozessführungsbefugnis kann ein Mitgesellschafter sich auf eine Notkompetenz analog § 744 Abs. 2 BGB nur berufen, wenn gerade die von ihm erhobene Klage als eine Maßnahme anzusehen ist, die im Interesse der Gesellschaft zur Erhaltung der Substanz oder des wirtschaftlichen Wertes des Gegenstandes der Gesellschaft im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich ist .


Aus den Gründen


Die Berufung der Klägerin hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die gegen die erstinstanzliche Entscheidung vor­ge­brachten Berufungsgründe rechtfertigen keine der Klägerin günstigere Entscheidung.


I. Das Landgericht hat zu Recht die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende Bewertung.


Die Klägerin macht mit ihrer Klage einen Anspruch der Maria E. P. und G. O. GbR (im Folgenden: „GbR") in eigenem Namen geltend. Hierfür fehlt ihr die Prozessführungsbefugnis.


1. Als Gesellschafterin einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist die Klägerin allein nicht berechtigt, eine der Gesamthand zustehende Forderung gegen einen Dritten im eigenen Namen geltend zu machen. Der einzelne Gesellschafter einer GbR hat nämlich grundsätzlich nicht die Befugnis, gem. § 432 BGB eine Gesellschaftsforderung allein geltend zu machen. Vielmehr können nach § 709 Abs. 1 BGB die Gesellschafter, falls nicht ein anderes vereinbart ist, die Geschäfte der Gesellschaft nur gemeinschaftlich führen, mithin auch nur gemeinschaftlich eine Forderung der Gesellschaft einklagen (vgl. etwa BGHZ 39, 14, 15; 102, 152, 154 m.w.N.). Eine Einzelvertretungsbefugnis der Klägerin sieht der Gesellschaftsvertrag zwischen ihr und ihrem Mitgesellschafter (im Folgenden: „O.") unstreitig nicht vor.


2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der einzelne Gesellschafter allerdings in besonders gelagerten Fällen prozessführungsbefugt und damit zur Geltendmachung einer Gesellschaftsforderung im eigenen Namen berechtigt, wenn der andere Gesellschafter sich aus gesellschaftswidrigen Gründen weigert, an der Geltendmachung einer Gesellschaftsforderung mitzuwirken und zudem der verklagte Gesellschaftsschuldner an dem gesellschaftswidrigen Verhalten beteiligt ist (BGH, NJW-RR 2008, 1484; NJW 2000, 734; NJW 1988, 558; BGHZ 102, 152, 155; 39, 14, 16 f.; ebenso OLG Düsseldorf [10. Zivilsenat], ZMR 2001, 182, 183; NZG 2003, 323; OLG Dresden, NZG 2000, 248; OLG Koblenz, NZG 1999, 250). Den klagenden Gesellschafter auf den umständlichen Weg zu verweisen, zunächst die anderen Gesellschafter auf Mitwirkung an der Geltendmachung der Forderung zu verklagen, wäre bei Beteiligung des Beklagten am gesellschaftswidrigen Verhalten ein unnötiger Umweg (vgl. BGHZ 39, 14, 20).


Die so beschriebenen Voraussetzungen einer Prozessführungsbefugnis der Klägerin müssen, um diese bejahen zu können, positiv feststehen, und zwar für den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (vgl. BGHZ 125, 196, 201). Anderenfalls ist die Klage durch Prozessurteil abzuweisen (vgl. BGH, NJW-RR 2008, 1484; auch BGH, NJW 2000, 738 f.).


Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin orientiert an diesen Vorgaben nicht prozessführungsbefugt ist; die Voraussetzungen für eine Einzelklagebefugnis lagen weder bei Einleitung des Verfahrens vor noch sind sie aktuell gegeben.


a) Es ist bereits nicht ersichtlich, dass der Mitgesellschafter O. die Zustimmung zu der Prozessführung aus gesellschaftswidrigen Gründen verweigert.


(1) Die Gesellschafter sind in der Entscheidung darüber, ob sie der von einem Mitgesellschafter beabsichtigten Maßnahme zustimmen wollen, grundsätzlich frei. Jedem geschäftsführenden Gesellschafter ist das Widerspruchsrecht gegeben, damit er sich nach eigener Entschließung an den in der Gesellschaft anfallenden Entscheidungen beteiligen und nach eigener Beurteilung Zweckmäßigkeit und Risiko abschätzen kann, wie sie sich ihm darstellen, wenn die von dem Mitgesellschafter vorgesehene Maßnahme unterbleibt. Differenzen über die Zweckmäßigkeit von Geschäftsführungshandlungen unterliegen nicht gerichtlicher Entscheidung (vgl. BGH, NJW 1986, 844).


Etwas anderes gilt nur, wenn die fragliche Maßnahme im Interesse der Gesellschaft geboten ist und die Verweigerung sich als pflichtwidrig darstellt (vgl. MüKomm-BGB/Ulmer, 4. Auflage, § 709 Rn. 42); das kann auch der Fall sein, wenn der Gesellschafter mit einem aus eigennützigen Motiven ausgesprochenen Widerspruch gegen das Gesellschaftsinteresse verstößt (BGH, a.a.O.). Insgesamt ist allerdings die Privatautonomie der Gesellschafter zu beachten und die gesellschaftliche Treuepflicht nicht überzustrapazieren; auch die Zubilligung der Prozessführungsbefugnis für einen einzelnen Gesellschafter sollte dementsprechend restriktiv gehandhabt werden (vgl. Dauner-Lieb/Langen/Heidel/Hanke, BGB, 2. Auflage, § 709 Rn. 15; Anhang I zu § 705, Rn. 37). Dies gilt auch deshalb, weil die Schutzwürdigkeit des Gesellschafters, dessen Mitgesellschafter aus gesellschaftswidrigen Gründen die Mitwirkung an einem Prozess verweigern, als nicht sehr groß zu bewerten ist (so ausdrücklich BGHZ 39, 14). Denn ihm wird es nicht unmöglich gemacht, die Gesellschaftsforderung durchzusetzen; er kann lediglich nicht in ein und demselben Rechtsstreit klären lassen, ob die Forderung (von ihm) geltend gemacht werden kann (vgl. auch OLG Düsseldorf [10. Zivilsenat], ZMR 2001, 182, 183).


 (2) Die Klägerin macht zur Begründung ihres Vorwurfs, ihr Mitgesellschafter O. handle gesellschaftswidrig, geltend, die Liquiditätslage der GbR habe die pünktliche und vollständige Zahlung der Mieten zwingend erforderlich gemacht. Die ständig verspäteten und unvollständigen Mietzahlungen hätten die GbR in erhebliche Schwierigkeiten gebracht, was O. auch bekannt sei. Die Erhebung der Klage sei daher im Interesse der GbR zwingend erforderlich gewesen. Demgegenüber führen die Beklagten an, die Beklagte zu 1) sei zu Kürzungen berechtigt gewesen, weil ihr Forderungen gegen die GbR aus Hausmeistertätigkeiten zustünden. Der Mitgesellschafter O. habe die GbR davor bewahren wollen, Prozesse zu führen, die nicht zwingend geführt werden müssten. Die schleppenden und teilweise unvollständigen Mietzahlungen beruhten darüber hinaus auf der schlechten Liquiditätslage der Beklagten zu 1). O. habe daher deren Geschäftsleitung nicht zu einem anderen Zahlungsverhalten bewegen können (vgl. insbesondere Schriftsatz vom 22. August 2011, S. 3 f., Bl. 457 f. GA). Dass die Beklagte zu 1) sich in finanziellen Schwierigkeiten befand, gesteht auch die Klägerin zu (vgl. Schriftsatz vom 5. September 2011, S. 3, Bl. 479 GA: die Beklagte zu 1) sei eine „nahezu zahlungsunfähige" GmbH). Vor diesem Hintergrund hat die GbR schließlich auch den Mietvertrag mit der Beklagten zu 1) beendet.


Das von der Klägerin angestrengte Klageverfahren war in dieser Situation schon wenig geeignet, dieser Problematik nachhaltig entgegenzuwirken. Denn es erscheint mindestens zweifelhaft, ob die Beklagte zu 1) dadurch, dass die Klägerin von Monat zu Monat jeweils die Klage erweiterte, sobald die Miete nicht pünktlich oder nicht vollständig gezahlt war, zu einer Änderung ihres Zahlungsverhaltens veranlasst worden ist. Die Interessen der GbR hätten auch durch Klage auf künftige Mietzahlung (§ 258 ZPO) verfolgt werden können, es hätte eine Kündigung des Mietverhältnisses aus wichtigem Grund erwogen oder auch Verhandlungen mit der Beklagten zu 1) aufgenommen werden können, wie sie offenbar im Jahr 2011 mit dem Ergebnis einer Beendigung des Mietvertrages geführt worden sind.


In diesem Zusammenhang hätte auch die zwischen den Parteien streitige Abrechnung der Hausmeistertätigkeit der Beklagten zu 1) thematisiert werden können, welche die Beklagte zu 1) bis Oktober 2010 jedenfalls tatsächlich ausgeübt hat. Dass die Beklagte zu 1) jeweils einen Teil der Mietzahlungen im Hinblick auf die von ihr vorgetragenen Gegenforderungen zurückhielt, machte jedenfalls die klageweise Geltendmachung der Differenz nicht zwingend erforderlich, um die Interessen der GbR zu wahren. Angemerkt sei in diesem Zusammenhang, dass das in § 7 des Mietvertrages vereinbarte Aufrechnungsverbot seinem Wortlaut nach eine Aufrechnung etwaiger Forderungen der Beklagten zu 1) aus der Hausmeistertätigkeit gegen die Mietforderungen der GbR nicht verbietet, da die Regelung nur Ansprüche und Gegenansprüche „aus diesem Vertrag", d.h. dem Mietvertrag selbst betrifft; um solche handelt es sich bei den von der Beklagten zu 1) zur Aufrechnung gestellten Forderungen indes nicht.


Wenn sich der Mitgesellschafter O. in dieser Situation auf den Standpunkt stellte und stellt, die GbR solle die Beklagten wegen der rückständigen Mietzahlungen nicht klageweise in Anspruch nehmen, ist darin kein gesellschaftswidriges Verhalten zu erkennen. Einem Teil der von der Klägerin in diesem Zusammenhang angeführten Erwägungen, insbesondere zu der Notwendigkeit, die Beklagte zu 1) im Interesse der laufenden Liquidität der GbR zu pünktlichen und vollständigen Mietzahlungen anzuhalten, sind mit der Beendigung der Mietverhältnisses zwischen der GbR und der Beklagten zu 1) ohnehin die Grundlage entzogen. Das Interesse der GbR an der Prozessführung beschränkt sich nunmehr allein auf die Durchsetzung etwaiger Mietrückstände aus einem abgeschlossenen Zeitraum, ggf. unter Berücksichtigung etwaiger Gegenforderungen der Beklagten zu 1); die Gefahr künftiger Zahlungsverzögerungen bzw. -kürzungen steht nicht mehr in Rede. Die Frage, ob der von der Klägerin angestrengte Prozess mit Rücksicht auf das Gesellschaftsinteresse (noch) sinnvoll ist, lässt sich jedenfalls nicht so eindeutig beantworten, dass dem widersprechenden Gesellschafter kein eigener Beurteilungsspielraum bliebe und ihm wegen des Widerspruchs von Rechts wegen eine pflichtwidrige Verletzung des Gesellschaftsinteresses vorgeworfen werden könnte. Die Führung eines Prozesses kann sich auch dann, wenn die Klage Erfolg hat, mittelbar zum Nachteil der Gesellschaft auswirken (vgl. BGHZ 39, 14, 16). Deshalb hat der Mitgesellschafter ein berechtigtes Interesse daran, dass die Frage, ob ein Gesellschafter die Forderung einziehen darf, nicht in dem Prozess zwischen dem Gesellschafter und dem Gesellschaftsschuldner, sondern in einem Rechtsstreit zwischen den Gesellschaftern festgestellt wird (vgl. OLG Dresden, NZG 2000, 248).


Selbst wenn O. schließlich bei der Weigerung, der Prozessführung zuzustimmen, auch die Interessen der Beklagten im Sinn gehabt hätte, rechtfertigte dies für sich gesehen nicht die Bewertung seines Verhaltens als gesellschaftswidrig.


b) Ob - ausgehend von einer Weigerung des Mitgesellschafters O. aus gesellschaftswidrigen Gründen - angenommen werden könnte, dass die Beklagten an dem gesellschaftswidrigen Verhalten beteiligt sind, kann nach alledem offen bleiben. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob es hierfür genügt, dass O. als Mitgesellschafter einer an der Beklagten zu 1) beteiligten GmbH mindestens über Kenntnisse von deren geschäftlichen Angelegenheiten und nach dem Vortrag der Klägerin auch über Einflussmöglichkeiten auf deren Geschäftsgebaren verfügt.


3. Die Klägerin kann sich schließlich auch nicht auf eine Notkompetenz entsprechend § 744 Abs. 2 BGB berufen. Zwar können in analoger Anwendung dieser Bestimmung Rechte der Gesellschaft im eigenen Namen geltend gemacht werden. Ein Notfall im Sinne des § 744 Abs. 2 BGB setzt aber voraus, dass gerade die Klage eines einzelnen Gesellschafters eine Maßnahme ist, die im Interesse der Gesellschaft zur Erhaltung der Substanz oder des wirtschaftlichen Wertes des Gegenstandes der Gesellschaft im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich ist (BGH, NJW-RR 2008, 1484; BGHZ 39, 14, 20; 17, 181, 183; OLG Dresden, NZG 2000, 248). Eine solche Fallgestaltung liegt hier schon deshalb nicht vor, weil die Klägerin ihren Mitgesellschafter zwischenzeitlich auf Erteilung der Zustimmung zur Prozessführung - auch betreffend eine Klage auf künftige (rechtzeitige) Leistung - hätte verklagen können. Hinzu kommt, dass die aufgelaufenen Zahlungsrückstände in ihrer Summe den Bestand der GbR nicht nachhaltig gefährdet haben bzw. gefährden; der dahingehende Vortrag der Klägerin gibt für eine derart gravierende Gefährdungslage keine genügenden Anhaltspunkte. Daran, dass die Beklagte zu 1) Mietzahlungen immer wieder verspätet erbracht hat, war schließlich auch die Prozessführung der Klägerin nicht geeignet etwas zu ändern; nach Beendigung des Mietvertrages spielt dieser Gesichtspunkt zudem ohnehin keine Rolle mehr.


II. Auch die weiteren in § 522 Abs. 2 Nrn. 2 bis 4 ZPO genannten Voraussetzungen der Berufungszurückweisung im Beschlussverfahren liegen vor.


III. Der Senat weist darauf hin, dass die Berufungsrücknahme vor Erlass einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO gemäß GKG KV 1222 S. 1 und 2 kostenrechtlich privilegiert ist; statt vier fallen nur zwei Gerichtsgebühren an (OLG Brandenburg, MDR 2009, 1363; Senat, ZIP 2010, 1852 f.).


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