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Wirtschaftsrecht
07.04.2016
Wirtschaftsrecht
BGH: Zur Notwendigkeit einer Bauhandwerkersicherung bei Bauvorhaben eines Rechtsanwalts

BGH, Urteil vom 10.3.2016 - VII ZR 214/15

ECLI:DE:BGH:2016:100316UVIIZR214.15.0

Volltext: BB-Online BBL2016-833-3

unter www.betriebs-berater.de

Amtlicher Leitsatz

Ein Rechtsanwalt und Steuerberater, der Modernisierungs- und Renovierungsarbeiten an einem Haus ausführen lässt, das in erster Linie der Deckung seines Wohnbedarfs und in untergeordnetem Umfang auch dem Betrieb seiner Rechtsanwalts- und Steuerberaterkanzlei dient, ist gemäß § 648a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BGB nicht zur Stellung einer Sicherheit nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet.

BGB § 648a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2

Sachverhalt

Die Klägerin fordert vom Beklagten die Stellung einer Bauhandwerkersicherung gemäß § 648a BGB in Höhe von 7.115,18 €.

Der Beklagte beauftragte die Klägerin am 12. Mai 2013 mit der Betreuung und Durchführung von Modernisierungs- und Renovierungsmaßnahmen in seinem Haus in D. Der Souterrainbereich des Hauses sollte als Büro für die von ihm betriebene Rechtsanwalts- und Steuerberaterkanzlei genutzt werden. Aus steuerrechtlichen Gründen wurden zwei getrennte Verträge geschlossen, von denen der eine das allein zu Wohnzwecken zu nutzende Erdgeschoss und das 1. Obergeschoss und der andere das für berufliche Zwecke zu nutzende Untergeschoss betraf. Beide Verträge beinhalteten nicht näher beschriebene Modernisierungs- und Renovierungsmaßnahmen bezüglich der Außenanlagen. Zu den Vertragspflichten der Klägerin gehörten insbesondere die Erstellung von Kostenschätzungen nach DIN 276, das Einholen behördlicher Genehmigungen, Verhandlung und Vermittlung zuverlässiger und fachkundiger Handwerksbetriebe, Bauleitung und Überwachung der Leistungen namens und für den Auftraggeber, Abnahme der Leistungen sowie Rechnungsprüfung/Kontenführung namens und für den Auftraggeber.

Ende September/Anfang Oktober 2013 zog der Beklagte in das renovierte Objekt ein. Nachdem er die Begleichung einer am Tag des Einzugs gestellten A-Konto-Rechnung der Klägerin über einen Bruttobetrag in Höhe von 50.000 € verweigert hatte, zerstritten sich die Parteien. Die Klägerin wurde in der Folge nicht mehr weiter tätig.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihr für Vergütungsansprüche einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen aus dem Bauvertrag vom 12. Mai 2013 eine Sicherheit in Höhe von 7.115,18 € zu leisten. Das Landgericht hat den Beklagten zur Leistung der geforderten Sicherheit nach seiner Wahl in der beantragten Höhe verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen auf Abweisung der Klage gerichteten Antrag weiter.

Aus den Gründen

6          Die Revision des Beklagten hat Erfolg.

I.

7          Das Berufungsgericht ist der Auffassung, Unternehmer im Sinne des § 648a BGB sei auch der Baubetreuer, sofern er nicht rein wirtschaftlich tätig werde. Diese Voraussetzung sei hier nach den zwischen den Parteien geschlossenen Verträgen vom 12. Mai 2013 erfüllt.

8          Das Landgericht habe darüber hinaus zutreffend aus dem im Gesetz verwandten Begriff der Einliegerwohnung gefolgert, dass es sich um zu Wohnzwecken genutzte Räumlichkeiten handeln müsse, was bei gewerblich genutzten Räumen nicht der Fall sei. Ausgehend vom Wortlaut der gesetzlichen Regelung handele es sich bei dem Haus des Beklagten weder um ein reines Einfamilienhaus noch um ein Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung, sondern um ein Einfamilienhaus mit teilweise gewerblich genutzter Fläche.

9          Verneine man den Charakter der Kanzleiräume als "Einliegerwohnung", habe dies nicht zur Folge, dass das umgebaute Gebäude als Einfamilienhaus "ohne Einliegerwohnung" im Sinne des § 648a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BGB anzusehen sei, da die Existenz einer Kanzlei im Gebäude der Einstufung als Einfamilienhaus im Sinne dieser Regelung entgegenstehe. In diesem Zusammenhang komme es weder darauf an, ob die Wohnnutzung für die Familie im Vordergrund stehe, noch darauf, ob der Wohnraum flächenmäßig größer als die Kanzlei sei, noch auf die Relation der für beide Bereiche aufgewandten Umbaukosten.

10        Auch der Schutzzweck des Gesetzes rechtfertige keine abweichende Auslegung. Dieser gebiete es insbesondere nicht, Bauvorhaben, die über den privaten Bereich hinausgingen, von der Notwendigkeit einer Sicherheitsleistung auszunehmen. Insoweit könne auch nicht zwischen den beiden geschlossenen Verträgen differenziert werden. Maßgeblich nach dem Gesetzeswortlaut sei allein der Charakter des Objekts als Ganzes. Selbst wenn, was unstreitig sei, die im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss ausgeführten Umbauarbeiten den privaten Wohnbereich des Beklagten beträfen, habe dies nicht zur Folge, dass für diese Arbeiten keine Bauhandwerkersicherung zu leisten sei. Denn bei diesem Bereich handele es sich wegen der im Untergeschoss befindlichen Gewerbeeinheit nicht um ein Einfamilienhaus im Sinne der streitgegenständlichen Ausnahmeregelung.

II.

11        Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

12        1. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Stellung einer Sicherheit nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB zu. Dabei kann offen bleiben, ob die Klägerin als Unternehmerin eines Bauwerks oder einer Außenanlage oder eines Teils davon im Sinne dieser Vorschrift zu qualifizieren ist. Denn der Beklagte ist gemäß § 648a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BGB von der Verpflichtung zur Stellung einer Sicherheit befreit, weil er als natürliche Person die gemäß beiden Verträgen geschuldeten Leistungen mit Bezug auf ein Einfamilienhaus im Sinne des § 648a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BGB ausführen ließ.

13        Nach dieser Vorschrift finden die Absätze 1 bis 5 des § 648a BGB keine Anwendung, wenn der Besteller eine natürliche Person ist und die Bauarbeiten zur Herstellung oder Instandsetzung eines Einfamilienhauses mit oder ohne Einliegerwohnung ausführen lässt. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

14        a) Der Beklagte als natürliche Person hat nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts die Klägerin mit der Ausführung von Modernisierungs- und Renovierungsarbeiten an seinem Haus beauftragt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben beide Verträge sowohl hinsichtlich der verschiedenen Geschosse als auch hinsichtlich der Außenanlagen Modernisierungs- und Renovierungsmaßnahmen zum Gegenstand.

15        b) Bei dem zu modernisierenden und zu renovierenden Haus des Beklagten handelt es sich insgesamt um ein Einfamilienhaus im Sinne des § 648a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BGB.

16        aa) Der Begriff des Einfamilienhauses wird in § 648a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BGB nicht näher definiert. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist ein Einfamilienhaus ein Haus, mit dem in erster Linie der Wohnbedarf einer Familie gedeckt wird. In diesem Sinne handelt es sich bei dem zu modernisierenden und zu renovierenden Haus des Beklagten um ein Einfamilienhaus, da das Erdgeschoss und das 1. Obergeschoss erkennbar Wohnzwecken dienen sollten.

17        bb) Der mit der genannten Vorschrift verfolgte Zweck erfordert es nicht, den Anwendungsbereich dieser Ausnahmeregelung auf solche Einfamilienhäuser zu beschränken, die insgesamt ausschließlich Wohnzwecken dienen sollen.

18        Durch die Ausnahmeregelung in § 648a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BGB sollen nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Bauhandwerkersicherungsgesetz) vom 13. Dezember 1991 private Bauherren privilegiert werden, die Bauvorhaben zur Deckung des eigenen Wohnbedarfs ausführen lassen (vgl. BTDrucks. 12/1836, S. 11). Dies ist nach der genannten Begründung dadurch gerechtfertigt, dass in diesen Fällen das Ausfallrisiko des vorleistungspflichtigen Unternehmers im Hinblick auf die unbegrenzte persönliche Haftung eines solchen Bestellers und dessen im Regelfall solide Finanzierung als verhältnismäßig gering eingestuft wurde (vgl. BT-Drucks. 12/1836, S. 11). Diese Erwägungen gelten gleichermaßen für die von natürlichen Personen in Auftrag gegebene Herstellung oder Instandsetzung von Einfamilienhäusern, die außer zu Wohnzwecken in untergeordnetem Umfang auch anderen Zwecken dienen sollen. Die Eigenschaft eines Hauses als Einfamilienhaus wird durch eine derart untergeordnete Nutzung deshalb nicht aufgehoben.

19        Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift folgt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nichts anderes. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung war zunächst vorgesehen, dass eine natürliche Person nicht zur Stellung einer Sicherheit nach § 648a Abs. 1 BGB verpflichtet sein sollte, die Bauarbeiten überwiegend zur Deckung des eigenen Wohnbedarfs ausführen lässt (vgl. BT-Drucks. 12/1836, S. 4). Diese Formulierung ist durch die Gesetz gewordene Regelung ersetzt worden. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass Häuser, die nicht ausschließlich Wohnzwecken dienen sollen, nicht unter die den Besteller privilegierende Ausnahmeregelung gemäß § 648a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BGB fallen können. Mit der auf eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zurückgehenden Änderung der ursprünglich vorgeschlagenen Gesetzesfassung sollte keine inhaltliche Abänderung des Regierungsentwurfs verbunden sein (vgl. auch Klaft, Die Bauhandwerkersicherung nach § 648a BGB, 1998, S. 70). Mit der geänderten Fassung sollte nach dem Bericht des Rechtsausschusses lediglich eine Formulierung beseitigt werden, die keine klare Abgrenzung der von der Vorschrift erfassten Sachverhalte erlaubt hätte (vgl. BT-Drucks. 12/4526, S. 12).

20        cc) Im Streitfall hat der Beklagte als natürliche Person die gemäß beiden Verträgen geschuldeten Leistungen mit Bezug auf ein Einfamilienhaus ausführen lassen. Die bauordnungsrechtlich genehmigte Nutzung der im Untergeschoss gelegenen Räumlichkeiten für berufliche Zwecke des Beklagten stellt sich gegenüber der Nutzung des Hauses zu Wohnzwecken im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss jedenfalls deshalb als untergeordnet dar, da sie deutlich weniger als die Hälfte der Wohn- und Nutzfläche betrifft und die freiberufliche Nutzung dem Haus kein anderes Gepräge gibt. Deshalb handelt es sich um ein Haus, mit dem in erster Linie der Wohnbedarf einer Familie gedeckt wird.

21        dd) Der Umstand, dass die im Untergeschoss gelegenen Büroräume nicht als Einliegerwohnung angesehen werden können, hat entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zur Folge, dass das Haus hierdurch seine Eigenschaft als Einfamilienhaus insgesamt verliert. Von der Ausnahmeregelung gemäß § 648a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 BGB werden sowohl Arbeiten an einem Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung als auch solche an einem Einfamilienhaus ohne Einliegerwohnung erfasst. Für die Einstufung eines Hauses als Einfamilienhaus ist es danach unerheblich, ob bestimmten Räumlichkeiten der Charakter einer Einliegerwohnung zukommt oder nicht. Maßgeblich ist vielmehr, ob das Haus insgesamt als Einfamilienhaus anzusehen ist. Dies ist hier der Fall.

22        c) Auch bezüglich der Außenanlagen ist der Beklagte nicht nach § 648a Abs. 1 BGB sicherungspflichtig. Werden im Zusammenhang mit der Erstellung oder Instandsetzung eines Einfamilienhauses auch Außenanlagen in Auftrag gegeben, so ist der Besteller auch in Bezug auf diese Außenanlagen nicht sicherungspflichtig (vgl. BT-Drucks. 12/4526, S. 12). So liegt es hier.

23        2. Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben und ist aufzuheben. Der Senat hat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. Das Urteil des Landgerichts ist danach auf die Berufung des Beklagten abzuändern und die Klage abzuweisen.

III.

24        Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

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