EuGH: Zur Klagebefugnis von Verbraucherverbänden bei Investitionen in Finanzprodukte von hohem wirtschaftlichen Wert
EuGH, Urteil vom 16.1.2025 – C-346/23, Banco Santander SA, Rechtsnachfolgerin der Banco Banif SA, gegen Asociación de Consumidores y Usuarios de Servicios Generales – Auge in Vertretung ihrer Mitglieder Andrea und Alberto
ECLI:EU:C:2025:13
Volltext: BB-Online BBL2025-193-2
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Tenor
Art. 52 Abs. 2 der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates
ist dahin auszulegen, dass
– er einer nationalen Rechtsprechung entgegensteht, die die Klagebefugnis, die der betreffende Mitgliedstaat Verbraucherverbänden zur Wahrnehmung der individuellen Interessen einer Vielzahl ihrer Mitglieder eingeräumt hat, Beschränkungen hinsichtlich der finanziellen Leistungsfähigkeit der Mitglieder, des wirtschaftlichen Wertes und der Art der Finanzprodukte, in die die Mitglieder investiert haben, sowie der Komplexität dieser Produkte unterwirft;
– er der Berücksichtigung solcher Kriterien bei der Entscheidung darüber, ob diese Verbände Prozesskostenhilfe erhalten, grundsätzlich nicht entgegensteht.
Aus den Gründen
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 52 Abs. 2 der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (ABl. 2004, L 145, S. 1).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Banco Santander SA, Rechtsnachfolgerin der Banco Banif SA, und der Asociación de Consumidores y Usuarios de Servicios Generales – Auge (Verband von Verbrauchern und Nutzern allgemeiner Dienstleistungen, im Folgenden: Auge) über die Gültigkeit von Verträgen über den Erwerb von Finanzinstrumenten, die von Kleinanlegern geschlossen wurden.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2004/39
3 In den Erwägungsgründen 2, 5, 17 und 31 der Richtlinie 2004/39 hieß es:
„([2]) … es [ist] erforderlich, eine Harmonisierung in dem Umfang vorzunehmen, der notwendig ist, um Anlegern ein hohes Schutzniveau zu bieten und Wertpapierfirmen das Erbringen von Dienstleistungen in der gesamten [Europäischen] Gemeinschaft im Rahmen des Binnenmarkts auf der Grundlage der Herkunftslandaufsicht zu gestatten. …
…
(5) Es ist erforderlich, die Ausführung von Geschäften mit Finanzinstrumenten – unabhängig von den für den Abschluss dieser Geschäfte verwendeten Handelsmethoden – umfassend zu regeln, damit bei der Ausführung der entsprechenden Anlegeraufträge eine hohe Qualität gewährleistet ist und die Integrität und Gesamteffizienz des Finanzsystems gewahrt werden. Es sollte ein kohärenter und risikosensibler Rahmen zur Regelung der wichtigsten Arten der derzeit auf dem europäischen Finanzmarkt vertretenen Auftragsausführungssysteme geschaffen werden. …
…
(17) Aus Gründen des Anlegerschutzes und der Stabilität des Finanzsystems sollten Personen, die die unter diese Richtlinie fallenden Wertpapierdienstleistungen erbringen und/oder Anlagetätigkeiten ausüben, der Zulassung durch ihren Herkunftsmitgliedstaat unterliegen.
…
(31) Ein Ziel dieser Richtlinie ist der Anlegerschutz. Die Vorkehrungen zum Schutz der Anleger sollten den Eigenheiten jeder Anlegerkategorie (Kleinanleger, professionelle Kunden, Gegenparteien) angepasst sein.“
4 Art. 4 Abs. 1 Nr. 12 der Richtlinie 2004/39 bestimmte:
„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
…
12. Kleinanleger: einen Kunden, der kein professioneller Kunde ist“.
5 Art. 52 der Richtlinie 2004/39 sah vor:
„(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass jede Entscheidung, die im Rahmen der nach dieser Richtlinie erlassenen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften getroffen wird, ordnungsgemäß begründet wird und die Gerichte angerufen werden können. Ein Recht auf Anrufung der Gerichte besteht auch, wenn über einen Antrag auf Zulassung, der alle erforderlichen Angaben enthält, innerhalb von sechs Monaten nach Einreichung nicht entschieden wurde.
(2) Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass eine oder mehrere der folgenden nach nationalem Recht bestimmten Stellen gemäß dem nationalen Recht im Interesse von Verbrauchern die Gerichte oder die zuständigen Verwaltungsinstanzen anrufen kann bzw. können, um dafür zu sorgen, dass die nationalen Vorschriften zur Durchführung dieser Richtlinie angewandt werden:
a) staatliche Stellen oder ihre Vertreter;
b) Verbraucherverbände, die ein berechtigtes Interesse am Schutz der Verbraucher haben;
c) Berufsverbände, die ein berechtigtes Interesse daran haben, sich für den Schutz ihrer Mitglieder einzusetzen.“
Richtlinie 2014/65/EU
6 In Art. 74 der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU (ABl. 2014, L 173, S. 349) heißt es:
„(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass jede Entscheidung, die im Rahmen der Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. 2014, L 173, S. 84)] oder im Rahmen der nach dieser Richtlinie erlassenen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften getroffen wird, ordnungsgemäß begründet wird und dem Recht auf Einlegung eines Rechtsbehelfs bei einem Gericht unterliegt. Ein Recht auf Einlegung eines Rechtsbehelfs bei einem Gericht besteht auch, wenn über einen Antrag auf Zulassung, der alle erforderlichen Angaben enthält, innerhalb von sechs Monaten nach Einreichung nicht entschieden wurde.
(2) Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass eine oder mehrere der folgenden nach nationalem Recht bestimmten Stellen gemäß dem nationalen Recht im Interesse von Verbrauchern ebenfalls die Gerichte oder die zuständigen Verwaltungsinstanzen anrufen kann bzw. können, um dafür zu sorgen, dass die Verordnung [Nr. 600/2014] und die nationalen, zur Durchführung dieser Richtlinie erlassenen Vorschriften angewandt werden:
a) staatliche Stellen oder ihre Vertreter;
b) Verbraucherverbände, die ein berechtigtes Interesse am Schutz der Verbraucher haben;
c) Berufsverbände, die ein berechtigtes Interesse daran haben, sich für den Schutz ihrer Mitglieder einzusetzen.“
7 Gemäß Art. 94 der Richtlinie 2014/65 wird die Richtlinie 2004/39 mit Wirkung vom 3. Januar 2017 aufgehoben.
Richtlinie (EU) 2020/1828
8 In den Erwägungsgründen 13 und 14 der Richtlinie (EU) 2020/1828 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG (ABl. 2020, L 409, S. 1) heißt es:
„(13) Der Anwendungsbereich dieser Richtlinie sollte den jüngsten Entwicklungen im Bereich des Verbraucherschutzes Rechnung tragen. Da Verbraucher inzwischen auf einem größeren und zunehmend digitalisierten Markt tätig sind, ist es zur Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus erforderlich, dass Bereiche wie Datenschutz, Finanzdienstleistungen, Reiseverkehr und Tourismus, Energie und Telekommunikation zusätzlich zum allgemeinen Verbraucherrecht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen. Da eine wachsende Verbrauchernachfrage nach Finanz- und Wertpapierdienstleistungen besteht, ist es insbesondere wichtig, in diesen Bereichen für eine bessere Durchsetzung des Verbraucherrechts zu sorgen. Der Verbrauchermarkt hat sich auch im Bereich der digitalen Dienstleistungen weiterentwickelt und es besteht ein wachsender Bedarf an einer wirksameren Durchsetzung des Verbraucherrechts, einschließlich hinsichtlich des Datenschutzes.
(14) Diese Richtlinie sollte Verstöße gegen die in Anhang I genannten Bestimmungen des Unionsrechts abdecken, soweit diese Bestimmungen dem Schutz der Interessen der Verbraucher dienen, unabhängig davon, ob diese Verbraucher darin als Verbraucher, als Reisende, Nutzer, Kunden, Kleinanleger, Einzelinvestoren, Datensubjekte oder anderweitig bezeichnet werden. Diese Richtlinie sollte jedoch die Interessen natürlicher Personen, die durch solche Verstöße Schaden erlitten haben oder denen dies droht, nur dann schützen, wenn diese Personen Verbraucher gemäß dieser Richtlinie sind. Verstöße, die natürliche Personen, die gemäß dieser Richtlinie als Unternehmer anzusehen sind, schädigen, sollten nicht unter diese Richtlinie fallen.“
Spanisches Recht
Königliches Gesetzesdekret 1/2007
9 Art. 8 Abs. 1 Buchst. e des Real Decreto Legislativo 1/2007 por el que se aprueba el texto refundido de la Ley General para la Defensa de los Consumidores y Usuarios y otras leyes complementarias (Königliches gesetzesvertretendes Dekret 1/2007 zur Genehmigung des konsolidierten Textes des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der Verbraucher und Nutzer sowie anderer, ergänzender Gesetze) vom 16. November 2007 (BOE Nr. 287 vom 30. November 2007, S. 49181) bestimmt:
„Verbraucher, Nutzer und schutzbedürftige Verbraucher haben folgende grundlegende Rechte:
…
e) Anhörung, Beteiligung an der Ausarbeitung der sie unmittelbar betreffenden allgemeinen Bestimmungen und Vertretung ihrer Interessen durch rechtmäßig gegründete Vereinigungen, Zusammenschlüsse, Verbände oder Dachverbände von Verbrauchern und Nutzern“.
Gesetz 1/2000
10 Art. 11 Abs. 1 der Ley de Enjuiciamiento Civil 1/2000 (Gesetz 1/2000 über den Zivilprozess) vom 7. Januar 2000 (BOE Nr. 7 vom 8. Januar 2000, S. 575) sieht vor:
„Unbeschadet der individuellen Klagebefugnis der geschädigten Personen sind die rechtmäßig gegründeten Verbraucher- und Nutzerverbände klagebefugt, um die Rechte und Interessen ihrer Mitglieder und des Verbandes sowie die allgemeinen Interessen der Verbraucher und Nutzer vor Gericht wahrzunehmen.“
Gesetz 1/1996
11 Die zweite Zusatzbestimmung zur Ley 1/1996 de asistencia jurídica gratuita (Gesetz 1/1996 über die Prozesskostenhilfe) vom 10. Januar 1996 (BOE Nr. 11 vom 12. Januar 1996, S. 793) gewährt Verbraucherverbänden einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe, wenn sich die erhobenen Klagen „unmittelbar auf Produkte oder Dienstleistungen beziehen, deren Nutzung oder Verbrauch allgemein, gewöhnlich und weit verbreitet ist“.
12 Nach Art. 36 Abs. 2 dieses Gesetzes geht mit dieser Gewährung einher, dass unabhängig vom Streitwert weder der Verband noch die von ihm vertretenen einzelnen Mitglieder die Kosten der Gegenpartei zu tragen haben, wenn der Verband den Prozess verliert.
Königliches Dekret 1507/2000
13 Nach Anhang I Abschnitt C Nr. 13 des Real Decreto 1507/2000 por el que se actualizan los catálogos de productos y servicios de uso o consumo común, ordinario y generalizado y de bienes de naturaleza duradera, a efectos de lo dispuesto, respectivamente, en los artículos 2, apartado 2, y 11, apartados 2 y 5, de la Ley General para la Defensa de los Consumidores y Usuarios y normas concordantes (Königliches Dekret 1507/2000 zur Aktualisierung der Kataloge von Produkten und Dienstleistungen, deren Nutzung oder Verbrauch allgemein, gewöhnlich und weit verbreitet ist, sowie von langlebigen Gütern im Sinne von Art. 2 Abs. 2 bzw. Art. 11 Abs. 2 und 5 des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz von Verbrauchern und Nutzern und entsprechender Bestimmungen) vom 1. September 2000 (BOE Nr. 219 vom 12. September 2000, S. 31349) zählen Bank- und Finanzdienstleistungen zu den Dienstleistungen, deren Nutzung oder Verbrauch allgemein, gewöhnlich und weit verbreitet ist.
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
14 Zwischen dem 4. Mai 2007 und dem 7. Januar 2010 erteilten Frau Andrea und Herr Alberto bei der Banco Banif mehrere Kaufaufträge für Finanzprodukte über einen Gesamtbetrag von 900 000 Euro.
15 Die Auge erhob in Vertretung ihrer Mitglieder Frau Andrea und Herrn Alberto gegen die genannte Bank Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Verträge über den Erwerb dieser Finanzprodukte wegen Willensmängeln und auf Rückzahlung eines Teils der aufgrund dieser Verträge gezahlten Beträge zuzüglich Provisionen, Gebühren und Zinsen.
16 Das erstinstanzliche Gericht gab dieser Klage teilweise statt. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Berufung wurde mit Urteil der Audiencia Provincial de Granada (Provinzgericht Granada, Spanien) mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Banco Banif das Anlegerprofil der Kunden nicht berücksichtigt und ihnen keine eindeutigen und umfassenden vorvertraglichen Informationen über die Risiken im Zusammenhang mit den von ihnen erworbenen Produkten zur Verfügung gestellt habe.
17 Die Banco Santander legte als Rechtsnachfolgerin der Banco Banif einen außerordentlichen Rechtsbehelf wegen eines Verfahrensfehlers ein und erhob gegen das genannte Urteil Kassationsbeschwerde beim Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien), dem vorlegenden Gericht. Zur Stützung des Rechtsbehelfs und der Kassationsbeschwerde macht sie im Wesentlichen geltend, dass die Auge nicht befugt sei, im Namen ihrer Mitglieder Klage zu erheben, da es sich bei den von diesen erworbenen Produkten um spekulative Finanzprodukte von hohem wirtschaftlichen Wert und nicht um Produkte handele, deren Nutzung allgemein und weit verbreitet sei, was bedeute, dass die erhobene Klage nicht unter den Verbraucherschutz falle.
18 In diesem Zusammenhang äußert das vorlegende Gericht Zweifel hinsichtlich der Auslegung von Art. 52 Abs. 2 der Richtlinie 2004/39 in Bezug auf die Klagebefugnis von Verbraucherverbänden.
19 Zunächst weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass es im Allgemeinen die Klagebefugnis von Verbraucherverbänden zur Wahrnehmung der individuellen Interessen ihrer Mitglieder im Rahmen von Klagen anerkannt habe, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fielen. Sie habe die Klagebefugnis jedoch in Fällen von Investitionen in spekulative Finanzprodukte und von Investitionen von hohem wirtschaftlichen Wert verneint, da die Nutzung dieser Produkte nicht allgemein, gewöhnlich und weit verbreitet sei.
20 Nach Art. 11 Abs. 1 des Gesetzes 1/2000 seien die Verbraucherverbände nämlich nur dann befugt, die Rechte und Interessen ihrer Mitglieder vor Gericht wahrzunehmen, wenn diese in unmittelbarem Zusammenhang mit Produkten oder Dienstleistungen stünden, deren Nutzung oder Verbrauch allgemein, gewöhnlich und weit verbreitet sei. Auch wenn Bank- und Finanzdienstleistungen nach Anhang I Abschnitt C Nr. 13 des Königlichen Dekrets 1507/2000 grundsätzlich zu solchen Dienstleistungen gehörten, gebe es jedoch Finanzdienstleistungen, die aufgrund ihrer Art und der Umstände ihres Erwerbs nicht als Dienstleistungen angesehen werden könnten, deren Nutzung allgemein, gewöhnlich und weit verbreitet sei.
21 Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts würde eine solche Auslegung des spanischen Rechts in Rechtsstreitigkeiten, in denen „die Verbrauchereigenschaft im Hinblick auf die Merkmale des Rechtsstreits und die Höhe des Streitwerts verwässert ist“, eine betrügerische oder missbräuchliche Nutzung der besonderen Klagebefugnis von Verbraucherverbänden durch Investoren mit einer hohen finanziellen Leistungsfähigkeit zu dem Zweck, von dem Anspruch auf Prozesskostenhilfe zu profitieren, der den Verbraucherverbänden mit dem Gesetz 1/1996 dadurch zuerkannt worden sei, dass diese von der Zahlung der mit der Klageerhebung verbundenen Prozesskosten und der Tragung der Kosten der gegnerischen Partei im Fall des Unterliegens befreit würden, verhindern, ohne den betroffenen Investoren jedoch ihr eigenständiges Klagerecht zu nehmen.
22 Sodann weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass sich der Gerichtshof noch nicht ausdrücklich zu dem Ermessen geäußert habe, über das die nationalen Gerichte hinsichtlich der Klagebefugnis von Verbraucher- und Nutzerverbänden zur Ausübung des in Art. 52 Abs. 2 der Richtlinie 2004/39 vorgesehenen Rechts auf Einlegung eines Rechtsbehelfs verfügten.
23 In seinem Urteil vom 2. April 2020, Reliantco Investments und Reliantco Investments Limassol Sucursala Bucureşti (C‑500/18, EU:C:2020:264), auf das die Auge sich beruft, habe sich der Gerichtshof nämlich auf die Feststellung beschränkt, dass Gegebenheiten wie der Wert der getätigten Umsätze, das Ausmaß der mit dem Abschluss von Verbraucherverträgen verbundenen Risiken finanzieller Verluste, etwaige Kenntnisse oder Fachkenntnisse einer Person auf dem Gebiet der Finanzinstrumente oder auch ihr aktives Verhalten im Rahmen solcher Geschäfte ebenso wie der Umstand, dass diese Person über einen relativ kurzen Zeitraum eine große Zahl von Geschäften getätigt habe, dass sie erhebliche Beträge in diese Geschäfte investiert habe oder dass sie als „Kleinanleger“ eingestuft werden könne, für die Feststellung der Verbrauchereigenschaft grundsätzlich unerheblich seien.
24 Im vorliegenden Fall gehe es jedoch nicht darum, die Verbrauchereigenschaft Investoren mit großer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit , die komplexe Finanzprodukte mit hohem Risiko erwerben würden, abzusprechen, was das vorlegende Gericht nie getan habe, sondern darum, festzustellen, ob die Klagebefugnis eines Verbraucherverbands für Rechnung eines dieser Anleger/Verbraucher beschränkt werden könne, wenn die Gefahr eines Verfahrensbetrugs, der sowohl der Gegenpartei als auch der Staatskasse einen ungerechtfertigten Schaden zufüge, festgestellt werde.
25 Die Rn. 45 und 46 des Urteils vom 27. Februar 2014, Pohotovosť (C‑470/12, EU:C:2014:101), sowie die Rn. 35 und 36 des Urteils vom 20. September 2018, EOS KSI Slovensko (C‑448/17, EU:C:2018:745), die die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29) beträfen, deuteten darauf hin, dass die Prüfung der Klagebefugnis von Verbraucherverbänden ausschließlich in die Zuständigkeit der nationalen Gerichte falle.
26 Schließlich weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die Beantwortung der Vorlagefrage, die in der folgenden Randnummer des vorliegenden Urteils wiedergegeben wird, für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits erforderlich sei, da mit den bei ihm erhobenen Klagen die Klagebefugnis der Auge zur Vertretung ihrer Mitglieder in Frage gestellt werde. Außerdem könne diese Antwort nicht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs abgeleitet werden, auf die sich die Auge berufe.
27 Unter diesen Umständen hat das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Dürfen die nationalen Gerichte auf der Grundlage dessen, dass Verbraucherverbände befugt sind, Anleger/Verbraucher, die Forderungen gegen eine Investmentgesellschaft wegen Nichterfüllung der dieser beim Vertrieb komplexer Finanzprodukte obliegenden Pflichten geltend machen, vor Gericht zu vertreten, diese Befugnis ausnahmsweise einschränken, wenn es sich im Rahmen eines individuellen Anspruchs um Anleger mit einer hohen finanziellen Leistungsfähigkeit handelt, die Geschäfte, die im Hinblick auf die Nutzung nicht als gewöhnlich und weit verbreitet angesehen werden können, tätigen und den Rechtsstreit unter dem Schutz des Verbraucherverbands führen, wodurch sie bei einem gerichtlichen Verfahren mit einem sehr hohen Streitwert von einer möglichen Befreiung von den Prozesskosten profitieren, indem sie die Zahlung von Gerichtskosten vermeiden und im Fall unbegründeter oder mutwillig erhobener Klagen vermeiden, dass ihnen die Kosten der Gegenseite auferlegt werden?
Zur Zuständigkeit des Gerichtshofs und zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens
28 Die Banco Santander und die spanische Regierung tragen vor, der Gerichtshof sei für die Beantwortung der Frage des vorlegenden Gerichts nicht zuständig, da diese Frage die Auslegung des nationalen Rechts betreffe. Nach Ansicht der Banco Santander folgt daraus auch, dass das Vorabentscheidungsersuchen unzulässig sei.
29 Die Banco Santander und die spanische Regierung stimmen im Wesentlichen darin überein, dass die Richtlinie 2004/39 ebenso wie andere Unionsrechtsakte im Bereich des Verbraucherrechts die Mitgliedstaaten lediglich dazu verpflichte, Verbraucherverbänden die Klagebefugnis vor den nationalen Gerichten zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher zuzuerkennen. Dagegen verlange die Richtlinie weder, dass die Mitgliedstaaten diesen Verbänden die Klagebefugnis zuerkennten, um die individuellen Interessen ihrer Mitglieder wahrzunehmen, noch, dass die Verbände Prozesskostenhilfe erhielten. Diese Möglichkeit richte sich daher allein nach dem spanischen Recht.
30 Folglich betreffe die Frage des vorlegenden Gerichts die Auslegung des spanischen Rechts, das den Verbraucherverbänden die Klagebefugnis zur Wahrnehmung der individuellen Interessen ihrer Mitglieder vor den nationalen Gerichten einräume.
31 Insoweit steht fest, dass in dem Verfahren nach Art. 267 AEUV, das auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, allein das nationale Gericht für die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts zuständig ist, so dass sich die Zuständigkeit des Gerichtshofs auf die Prüfung der Bestimmungen des Unionsrechts beschränkt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Mai 2022, Impuls Leasing România, C‑725/19, EU:C:2022:396, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).
32 In der vorliegenden Rechtssache fragt das vorlegende Gericht den Gerichtshof jedoch nicht nach der Auslegung des nationalen Rechts, sondern nach der Auslegung von Art. 52 Abs. 2 der Richtlinie 2004/39, um den bei ihm anhängigen Ausgangsrechtsstreit entscheiden zu können.
33 Folglich ist der Gerichtshof für die Entscheidung über das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen zuständig.
34 Im Rahmen des Verfahrens gemäß Art. 267 AEUV hat nur das nationale Gericht, das mit dem Ausgangsrechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten jeder Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Entscheidungserheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn sie die Auslegung des Unionsrechts betreffen. Infolgedessen spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht. Der Gerichtshof kann das Ersuchen eines nationalen Gerichts daher nur dann zurückweisen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, das Problem hypothetischer Natur ist oder er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 29. Juli 2024, LivaNova, C‑713/22, EU:C:2024:642, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).
35 Im vorliegenden Fall hat das vorlegende Gericht, wie insbesondere in Rn. 26 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die Gründe, aus denen es die Beantwortung der Vorlagefrage für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits für erforderlich hält, genau angegeben. Daher ist nicht offensichtlich, dass die vom vorlegenden Gericht erbetene Auslegung in keinem Zusammenhang mit dem Gegenstand oder den Gegebenheiten des Ausgangsrechtsstreits stünde, so dass das Vorabentscheidungsersuchen zulässig ist.
Zur Vorlagefrage
36 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 52 Abs. 2 der Richtlinie 2004/39 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Rechtsprechung entgegensteht, die die Klagebefugnis von Verbraucherverbänden zur Wahrnehmung der individuellen Interessen ihrer Mitglieder und folglich den Anspruch dieser Verbände auf Prozesskostenhilfe Beschränkungen hinsichtlich der finanziellen Leistungsfähigkeit der Mitglieder, des wirtschaftlichen Wertes und der Art der Finanzprodukte, in die die Mitglieder investiert haben, sowie der Komplexität dieser Produkte unterwirft.
37 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2004/39 – wie aus dem 31. Erwägungsgrund dieser Richtlinie hervorgeht, die, wie die Generalanwältin in Nr. 32 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, in zeitlicher Hinsicht auf das Ausgangsverfahren anwendbar ist – insbesondere den „Anlegerschutz“ bezweckt, d. h. den Schutz von Kleinanlegern, professionellen Kunden und Unternehmen.
38 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann ein „Kleinanleger“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Nr. 12 der Richtlinie als „Verbraucher“ eingestuft werden, sofern er eine natürliche Person ist, die außerhalb ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2019, Petruchová, C‑208/18, EU:C:2019:825, Rn. 76).
39 Im Übrigen wird die doppelte Stellung des Anlegers/Verbrauchers, wie die Generalanwältin in Nr. 67 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, durch die Richtlinie 2020/1828 bestätigt, deren 14. Erwägungsgrund besagt, dass ihre Bestimmungen dem Schutz der Interessen der Verbraucher dienen, unabhängig davon, ob diese Verbraucher darin als „Reisende, Nutzer, Kunden, Kleinanleger, Einzelinvestoren, Datensubjekte oder anderweitig“ bezeichnet werden. Insbesondere geht aus dem 13. Erwägungsgrund der Richtlinie hervor, dass diese neben dem allgemeinen Verbraucherschutz auch Bereiche wie Finanzdienstleistungen erfasst.
40 Die Richtlinie 2020/1828 wurde zwar nach dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens erlassen, kann aber gleichwohl für die Bestimmung des Begriffs „Verbraucher“ im Kontext der Richtlinie 2004/39 von Nutzen sein, da sie in ihrem Anhang I auf die Richtlinie 2014/65 verweist, mit der die Richtlinie 2004/39 aufgehoben und ersetzt wurde und deren Art. 74 Abs. 2, der das Recht auf Einlegung eines Rechtsbehelfs im Interesse der Verbraucher regelt, Art. 52 Abs. 2 der Richtlinie 2004/39 entspricht; beide Artikel haben nahezu denselben Wortlaut.
41 Unter Berücksichtigung dieser einleitenden Klarstellungen ist darauf hinzuweisen, dass Art. 52 Abs. 2 der Richtlinie 2004/39 die Mitgliedstaaten verpflichtet, vorzusehen, dass eine oder mehrere der in dieser Bestimmung aufgeführten Stellen, nämlich staatliche Stellen oder ihre Vertreter, Verbraucherverbände, die ein berechtigtes Interesse am Schutz der Verbraucher haben, und Berufsverbände, die ein berechtigtes Interesse daran haben, sich für den Schutz ihrer Mitglieder einzusetzen, gemäß dem nationalen Recht im Interesse von Verbrauchern die Gerichte oder die zuständigen Verwaltungsinstanzen anrufen kann bzw. können, um dafür zu sorgen, dass die nationalen Vorschriften zur Durchführung dieser Richtlinie angewandt werden.
42 Zur Beantwortung der Frage des vorlegenden Gerichts ist zunächst der sachliche Anwendungsbereich der genannten Vorschrift zu bestimmen und festzustellen, ob eine von einem Verbraucherverband zur Wahrnehmung der individuellen Interessen einer Vielzahl von Verbrauchern erhobene Klage unter diese Vorschrift fällt. Dazu ist der in dieser Vorschrift verwendete Ausdruck „Interesse von Verbrauchern“ auszulegen.
43 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur deren Wortlaut zu berücksichtigen ist, sondern auch ihr Kontext und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteil vom 17. November 2022, TOYA, C‑243/21, EU:C:2022:889, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).
44 Zum Wortlaut von Art. 52 Abs. 2 der Richtlinie 2004/39 ist festzustellen, dass sich diese Bestimmung in allen Sprachfassungen außer der niederländischen auf „Verbraucher“ im Plural bezieht. Wie die Generalanwältin in Nr. 40 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, weist die Verwendung des Plurals darauf hin, dass die Klage eines Verbraucherverbands die Interessen einer Vielzahl von Verbrauchern im Bereich der Finanz- und Wertpapierdienstleistungen zum Gegenstand haben muss.
45 Dagegen ist in der genannten Bestimmung nicht festgelegt, ob diese kollektive Dimension der Klage eines Verbraucherverbands erfordert, dass sich der Gegenstand dieser Klage in der Wahrnehmung des Allgemeininteresses der Verbraucher erschöpft, oder ob er vielmehr auch die individuellen Interessen mehrerer Verbraucher umfassen kann. Art. 52 Abs. 2 der Richtlinie 2004/39 verweist nämlich sowohl in Bezug auf die Festlegung der Stellen, die die Interessen von Verbrauchern vertreten können, als auch in Bezug auf die Verfahrensmodalitäten, nach denen diese Vertretung tatsächlich auszuüben ist, lediglich auf das Recht der Mitgliedstaaten.
46 Aus der weiten Formulierung dieser Bestimmung lässt sich somit ableiten, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, die im Interesse der Verbraucher klagebefugten Stellen, den individuellen oder kollektiven Charakter der Interessen, die von diesen Stellen wahrgenommen werden können, sowie die Verfahrensmodalitäten festzulegen, nach denen diese Stellen in Wahrnehmung der genannten Interessen zu handeln haben.
47 Dieses den Mitgliedstaaten eingeräumte Ermessen spiegelt die Systematik und den Zweck der Richtlinie 2004/39 wider, mit der, wie aus ihren Erwägungsgründen 2, 5 und 31 hervorgeht, bestimmte Bereiche der Finanzmärkte umfassend geregelt werden sollen, was unabdingbar ist, um eine Harmonisierung in dem Umfang vorzunehmen, der notwendig ist, insbesondere um Anlegern ein hohes Schutzniveau zu bieten.
48 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass Art. 52 Abs. 2 der Richtlinie 2004/39 die Mitgliedstaaten verpflichtet, Verfahrensmechanismen zum Schutz der Interessen der Verbraucher einzuführen, ihnen jedoch erlaubt, diese Verfahrensmechanismen im Einklang mit ihren jeweiligen Rechtstraditionen zu gestalten, u. a. indem sie Verbraucherverbänden die Klagebefugnis zur Wahrnehmung der individuellen Interessen ihrer Mitglieder einräumen.
49 Zum letztgenannten Punkt sieht Art. 52 Abs. 2 der Richtlinie 2004/39 ein Recht auf Einlegung eines Rechtsbehelfs im Interesse aller Verbraucher/Anleger vor, ohne u. a. nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit und den Finanzinstrumenten, in die sie investiert haben, zu unterscheiden, sofern diese Finanzinstrumente in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.
50 Aus dieser Bestimmung ergibt sich daher nicht, dass die Klagebefugnis, die der betreffende Mitgliedstaat den Verbraucherverbänden zur Wahrnehmung der individuellen Interessen einer Vielzahl ihrer Mitglieder eingeräumt hat, einer bestimmten Verbrauchergruppe vorbehalten werden kann, die auf der Grundlage solcher Kriterien bestimmt wird.
51 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem nationalen Rechtsrahmen, wie er vom vorlegenden Gericht dargestellt worden ist, dass der spanische Gesetzgeber in Ausübung seiner Zuständigkeit nach Art. 52 Abs. 2 der Richtlinie 2004/39 Verbraucherverbänden die Klagebefugnis zur Wahrnehmung der individuellen Interessen ihrer Mitglieder eingeräumt hat.
52 Das vorlegende Gericht führt zum einen aus, dass es in seiner Rechtsprechung die Klagebefugnis von Verbraucherverbänden zur Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder im Rahmen von Rechtsbehelfen, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/39 fielen, anerkannt habe, und zum anderen, dass die beiden von dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verbraucherverband vertretenen Mitglieder „Verbraucher“ seien.
53 Darüber hinaus hat das vorlegende Gericht entschieden, dass Verbraucherverbände nicht klagebefugt zur Wahrnehmung der individuellen Interessen von Verbrauchern mit einer hohen finanziellen Leistungsfähigkeit sind, die Investitionen in spekulative Finanzprodukte von hohem wirtschaftlichen Wert tätigen, deren Nutzung nicht als allgemein, gewöhnlich und weit verbreitet betrachtet werden kann.
54 Hierzu ist festzustellen, dass die in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung dazu führt, dass bestimmte Verbraucher wegen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit sowie des wirtschaftlichen Wertes, der Art und der Komplexität ihrer Investitionen von der Vertretung durch einen Verband, der ein berechtigtes Interesse am Schutz der Verbraucher hat, ausgeschlossen sind.
55 Art. 52 Abs. 2 der Richtlinie 2004/39 steht einer nationalen Rechtsprechung entgegen, die bestimmte Verbraucher von dem Recht ausschließt, sich im Rahmen einer Klage durch einen Verbraucherverband vertreten zu lassen.
56 Dagegen ist in Bezug auf die Prozesskostenhilferegelung festzustellen, dass sich Art. 52 Abs. 2 der Richtlinie 2004/39 darauf beschränkt, Verbraucherorganisationen, die ein berechtigtes Interesse am Schutz der Verbraucher haben, das Recht auf Einlegung eines Rechtsbehelfs einzuräumen, ohne die Gewährung von Prozesskostenhilfe vorzuschreiben, um die Ausübung dieses Rechts zu erleichtern.
57 In Ermangelung einer Unionsregelung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe für Verbraucherverbände, die im Rahmen von Art. 52 Abs. 2 der Richtlinie 2004/39 im Interesse von Verbrauchern Klagen erheben, ist es Sache des Rechts jedes einzelnen Mitgliedstaats, solche Bestimmungen nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie aufzustellen, sofern diese nicht ungünstiger als die Bestimmungen sind, die ähnliche, dem nationalen Recht unterliegende Fälle regeln (Äquivalenzgrundsatz), und sie die Ausübung der vom Unionsrecht verliehenen Rechte nicht in der Praxis unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. September 2018, EOS KSI Slovensko, C‑448/17, EU:C:2018:745, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).
58 Im vorliegenden Fall weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die Verbraucherverbände das Recht auf Prozesskostenhilfe hätten, wenn die von ihnen erhobenen Klagen einen unmittelbaren Zusammenhang mit Produkten oder Dienstleistungen aufwiesen, deren Nutzung oder Verbrauch allgemein, gewöhnlich und weit verbreitet sei, wozu Bank- und Finanzdienstleistungen im Allgemeinen gehörten. Sie seien daher weder verpflichtet, die Gerichtskosten für die Erhebung einer Klage zu tragen, noch, die Kosten der Gegenpartei zu tragen, wenn sie nicht obsiegten. Diese Kosten würden auch nicht von den einzelnen Mitgliedern getragen, die sie verträten.
59 Insoweit ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob Finanzinstrumente wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden unter „Produkte und Dienstleistungen [fallen], deren Nutzung oder Verbrauch allgemein, gewöhnlich und weit verbreitet ist“ und die diesen Verbänden das Recht auf Prozesskostenhilfe eröffnen.
60 Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts kann sich jedoch in Rechtsstreitigkeiten, in denen „die Verbrauchereigenschaft im Hinblick auf die Merkmale des Rechtsstreits und die Höhe des Streitwerts verwässert ist“, ein Verfahrensbetrug oder ein Verfahrensmissbrauch daraus ergeben, dass ein Verbraucherverband individuelle Interessen von Verbrauchern mit einer hohen finanziellen Leistungsfähigkeit wahrnehme, die Investitionen in spekulative Finanzprodukte von hohem wirtschaftlichen Wert tätigten, deren Nutzung nicht als allgemein, gewöhnlich und weit verbreitet angesehen werden könne.
61 Insoweit hat der Gerichtshof keinen Anhaltspunkt für Zweifel an der Vereinbarkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verfahrensvorschriften mit dem Äquivalenzgrundsatz. Das etwaige Fehlen von Prozesskostenhilfe verstößt auch nicht gegen den Effektivitätsgrundsatz, sofern die Prozesskosten, die ein Verband zu tragen hat, wenn er keine Prozesskostenhilfe erhält, keine unüberwindlichen Kosten darstellen, die die Ausübung des in Art. 52 Abs. 2 der Richtlinie 2004/39 vorgesehenen Rechts auf Einlegung eines Rechtsbehelfs praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren könnten, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
62 Dies gilt umso mehr, als – wie die spanische Regierung in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof geltend gemacht hat und vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht – die Kriterien, von denen das spanische Recht es abhängig macht, ob Verbraucherverbände das Recht auf Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen können, nicht das Recht der Verbraucher beeinträchtigen, gemäß den einschlägigen Bestimmungen des spanischen Rechts eine Individualklage zu erheben und Prozesskostenhilfe zu beantragen, wenn sie nicht über ausreichende Mittel verfügen.