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Wirtschaftsrecht
08.07.2010
Wirtschaftsrecht
BGH: Zur Haftung eines atypisch stillen Gesellschafters

BGH , Beschluss  vom 01.03.2010 - Aktenzeichen II ZR 249/08 (Vorinstanz: LG Itzehoe vom 08.04.2008 - Aktenzeichen 5 O 35/07; ) (Vorinstanz: OLG Schleswig vom 30.10.2008 - Aktenzeichen 5 U 66/08; )
Amtliche Leitsätze: Ein atypischer stiller Gesellschafter, der im Gesellschaftsvertrag hinsichtlich seiner Rechte und Pflichten einem Kommanditisten gleichgestellt ist, haftet allein deswegen noch nicht für die Verbindlichkeiten des Inhabers des Handelsgeschäfts nach §§ 128, 171 HGB; eine solche Außenhaftung erfordert einen darüber hinausgehenden besonderen Haftungsgrund.
  Amtliche Normenkette: HGB §§ 171, 230; BGB § 195;
Gründe 
I.  RN 1
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die vorsorglich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gegenstandslos, weil das Berufungsgericht die Revision uneingeschränkt zugelassen hat. 
Dass ein stiller Gesellschafter im Außenverhältnis für die Verbindlichkeiten des Inhabers des Handelsgeschäfts grundsätzlich auch dann nicht persönlich haftet, wenn die stille Gesellschaft atypisch ausgestaltet ist, hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden (BGH, Urt. v. 6. November 1963 - IV ZR 32/63, WM 1964, 296 f.; Urt. v. 19. Oktober 1966 - VIII ZR 152/64, WM 1066, 1219, 1221, insoweit in BGHZ 46, 117 nicht abgedruckt). Eine ursprünglich vertretene Gegenmeinung im Schrifttum (Paulick, Handbuch der stillen Gesellschaft, 3. Aufl. 1981, § 9 II; H. P. Westermann, Vertragsfreiheit 1970, S. 325) hat keine Gefolgschaft gefunden. Vielmehr nimmt mittlerweile auch das Schrifttum einhellig an, dass der stille Gesellschafter nur dann im Außenverhältnis persönlich haftet, wenn dafür ein besonderer Haftungsgrund besteht, etwa ein Schuldbeitritt oder ein Rechtsschein (MünchKommHGB/K. Schmidt 2. Aufl. § 230 Rdn. 13; ders. NZG 2009, 361, 362; Zutt in Großkomm.z. HGB 4. Aufl. § 230 Rdn. 102; Gehrlein in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB 2. Aufl. § 230 Rdn. 67; Baumbach/Hopt, HGB 34. Aufl. § 230 Rdn. 27). RN 2
Ebenso wenig zweifelhaft ist, dass die für Kapitalgesellschaften geltenden Verjährungsregeln auf die Einlagenforderung eines stillen Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft mit einer natürlichen Person als Komplementär nicht anwendbar sind. RN 3
II.  RN 4
Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. 
Das Berufungsgericht (ZIP 2009, 421) hat zu Recht angenommen, dass der Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Dr. R. KG - der Inhaberin des Handelsgeschäfts i.S. des § 230 HGB - keinen Anspruch gegen den Beklagten als stillen Gesellschafter aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 128, 171 HGB geltend machen kann und dass der möglicherweise noch offene Einlagenanspruch aus dem Gesellschaftsvertrag jedenfalls verjährt ist. RN 5
1.  RN 6
Das Berufungsgericht hat die Regelung in § 4 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrags ("Atypisch stille Gesellschafter haben dieselben Rechte und Pflichten wie Kommanditisten.") ohne Rechtsfehler dahin ausgelegt, dass davon nur das Innenverhältnis der Gesellschaft berührt und keine Außenhaftung - etwa im Wege des Schuldbeitritts - begründet wird. 
Der Einwand der Revision, das gelte jedenfalls dann nicht, wenn der stille Gesellschafter nicht nur hinsichtlich seiner Rechte, sondern auch in Bezug auf seine Pflichten einem Kommanditisten gleichgestellt werde, greift nicht durch. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ändert sich die Haftungslage selbst dann nicht, wenn der stille Gesellschafter zum Generalbevollmächtigten ernannt und ihm die diesem besonderen Verhältnis zugrunde liegenden Pflichten übertragen werden (WM 1964, 296, 297). Davon abzuweichen, besteht kein Anlass. Auch der Gesellschaftsvertrag der Parteien enthält insoweit keinen Hinweis. Im Gegenteil spricht gerade die Wahlmöglichkeit zwischen einem Beitritt als Kommanditist und einem Beitritt als stiller Gesellschafter dafür, dass zwischen beiden Beteiligungsformen Unterschiede bestehen sollen. Diese können sich angesichts der Gleichstellung im Innenverhältnis nur auf die Haftung im Außenverhältnis beziehen. RN 7
2.  RN 8
Damit kann dem Kläger nur der gesellschaftsvertragliche Einlagenanspruch gegen den Beklagten zustehen. Dieser Anspruch ist jedoch - wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend festgestellt hat - jedenfalls verjährt. 
a) RN 9
Die Verjährung des Einlagenanspruchs richtet sich nach §§ 195, 199 BGB (MünchKommHGB/K. Schmidt aaO § 105 Rdn. 182; ders. NZG 2009, 361, 363; Koller in Koller/Roth/Morck, HGB 6. Aufl. § 105 Rdn. 31; Palandt/ Sprau, BGB 69. Aufl. § 706 Rdn. 2). Der singulär von der Revision vertretenen Auffassung, bei einer - wie hier - im Innenverhältnis erfolgten Gleichstellung des stillen Gesellschafters mit einem Kommanditisten gelte eine zehnjährige Verjährungsfrist analog § 19 Abs. 6 GmbHG, § 54 Abs. 4 AktG, ist nicht zu folgen. 
Die Revision weist allerdings zutreffend darauf hin, dass bei einer atypischen Ausgestaltung einer stillen Gesellschaft zwischen dem stillen Gesellschafter und einer Kapitalgesellschaft die Regeln über die Erhaltung des Eigenkapitals entsprechend anwendbar sein können. Das hat der Senat angenommen für Fälle, in denen der stille Gesellschafter hinsichtlich seiner vermögensmäßigen Beteiligung und seines Einflusses auf die Geschicke der GmbH weitgehend einem GmbH-Gesellschafter gleichgestellt war und deshalb seine Einlage Teil der Eigenkapitalgrundlage der GmbH geworden war (Sen.Urt. v. 13. Februar 2006 - II ZR 62/04, ZIP 2006, 703 Tz. 24 m.w.Nachw.). Im vorliegenden Fall kann der Kläger aus dieser Rechtsprechung aber schon deshalb für sich nichts herleiten, weil an der stillen Gesellschaft keine Kapital-, sondern eine Personenhandelsgesellschaft - die Schuldnerin - mit einer natürlichen Person - Dr. R. - als unbeschränkt persönlich haftendem Gesellschafter beteiligt ist. Bei dieser Sachlage sind die Kapitalschutzregeln samt den zugehörigen Verjährungsvorschriften des GmbH- bzw. Aktienrechts schon im Ansatz nicht anwendbar. RN 10
b) RN 11
Die dreijährige Verjährung nach §§ 195, 199 BGB i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB begann am 1. Januar 2002, lief am 31. Dezember 2004 aus und konnte durch die Klageerhebung am 8. März 2007 nicht mehr gehemmt werden. 
Die Verjährung hat nicht jeweils mit der Feststellung der -berichtigten -Jahresabschlüsse ab dem Jahr 2003 neu begonnen. Zwar kann in der Feststellung eines Jahresabschlusses ein Anerkenntnis des jeweiligen Gesellschafters liegen, dass die in dem Abschluss ausgewiesenen, gegen ihn gerichteten Forderungen bestehen (vgl. Sen.Urt. v. 2. März 2009 - II ZR 264/07, ZIP 2009, 1111 Tz. 15 m.w.Nachw.), mit der möglichen Folge, dass die Verjährung nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB neu beginnt (Senat, BGHZ 105, 300, 306). Das setzt aber jedenfalls die Mitwirkung und Zustimmung des betroffenen Gesellschafters voraus (Schulze-Osterloh in Festschrift H. P. Westermann 2008, S. 1487, 1499; a.A. K. Schmidt, NZG 2009, 361, 363 f.). Daran fehlt es hier. Dass der Beklagte als stiller Gesellschafter an der Berichtigung der zurückliegenden Jahresabschlüsse im Jahr 2003 und der Feststellung der folgenden Jahresabschlüsse persönlich beteiligt gewesen wäre, ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich. Nach dem Gesellschaftsvertrag ist insoweit nur der - auch von den stillen Gesellschaftern gewählte - Beirat zur Mitwirkung berufen. Eine derart mittelbare Beteiligung der stillen Gesellschafter reicht für die Annahme eines verjährungsunterbrechenden Anerkenntnisses nicht aus. RN 12
 

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