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Wirtschaftsrecht
01.09.2010
Wirtschaftsrecht
BGH: Zur Falschangabe eines Datums im Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids

BGH, Versäumnisurteil vom 14.7.2010 - VIII ZR 229/09

Leitsatz

Die im Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids enthaltene Falschangabe des Da-tums eines vorprozessualen Anspruchsschreibens, auf das der Antragsteller, ohne es dem Antrag beizufügen, zur Individualisierung seines Anspruchs Bezug nimmt, ist unschädlich, wenn für den Antragsgegner ohne weiteres ersichtlich ist, um welches Schreiben es sich handelt.

ZPO § 690 Abs. 1 Nr. 3

Sachverhalt

Die Beklagte war bis zum 28. Februar 2006 Mieterin einer Wohnung des früheren, inzwischen verstorbenen Klägers in G. (im Folgenden weiter-hin: Kläger). Die Rückgabe der Wohnung erfolgte Anfang März 2006.

Die Klägerin begehrt als Rechtsnachfolgerin des Klägers Schadenser-satz wegen Beschädigungen in der Mietwohnung. Nachdem die Haftpflichtver-sicherung der Beklagten dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 27. Juli 2006 mitgeteilt hatte, dass für den Scha-densfall kein Versicherungsschutz bestehe, machte der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 2. August 2006 einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Beschädigungen am Kamin (4.000 €), an der Kaminablageplatte (800 €), an zwei Türen (500 €) und am Fußboden (600 €) geltend. Er forderte die Beklagte auf, den von dem Gesamtbetrag in Höhe von 5.900 € nach Abzug des Kautionsguthabens (1.610 €) verbleibenden Betrag von 4.300 € bis zum 10. August 2006 an den Kläger zu zahlen.

Der Kläger hat diese Forderung nebst Zinsen mit Mahnbescheid vom 15. August 2006, welcher der Beklagten am 18. August 2006 zugestellt worden ist, gerichtlich geltend gemacht. In dem Mahnbescheid wird als Hauptforderung bezeichnet: "Schadensersatz aus Unfall/Vorfall gemäß Schreiben vom 28.06.06: 4.300 €". Mit einem weiteren Mahnbescheid vom 5. September 2006 hat der Kläger Ersatz der für die Begutachtung der Schäden durch einen Sach-verständigen angefallenen Kosten in Höhe von 938,44 € nebst Zinsen bean-sprucht. Die Beklagte hat gegen beide Mahnbescheide Widerspruch eingelegt. Das Amtsgericht hat die beiden Verfahren verbunden und die auf Zahlung von insgesamt 5.238,44 € nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Beru-fung des Klägers hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts insoweit ab-geändert, als es der Klage hinsichtlich der Sachverständigenkosten (938,44 € nebst Zinsen) stattgegeben hat; im Übrigen hat das Landgericht die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Anspruch aus dem Mahnbescheid vom 15. August 2006 in Höhe von 4.300 € nebst Zinsen weiter.

Aus den Gründen

4          Die Revision hat Erfolg. Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Beklagte in der mündlichen Verhand-lung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprü-fung (BGHZ 37, 79, 81 ff.).

5          I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit im Revisionsverfahren von Interesse, ausgeführt:

6          Die von der Beklagten gegen die geltend gemachten Ansprüche wegen Beschädigungen der Mietsache erhobene Verjährungseinrede sei begründet. Denn die Anfang September 2006 endende Verjährungsfrist sei durch den der Beklagten am 18. August 2006 zugestellten Mahnbescheid über eine Hauptfor-derung in Höhe von 4.300 € nicht rechtzeitig gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gehemmt worden.

7          Der Kläger habe seine Schadensersatzforderungen in dem Mahnbe-scheidsantrag im Hinblick auf den geltend gemachten Teil- oder Restbetrag nicht hinreichend individualisiert. Aus dem Mahnbescheid ergebe sich zwar, dass gegen die Beklagte eine Schadensersatzforderung in Höhe von 4.300 € "gemäß Schreiben vom 28.06.06" geltend gemacht wurde. Dieses Schreiben sei dem Mahnbescheid jedoch nicht beigefügt gewesen. Es sei auch im vorlie-genden Rechtsstreit weder vorgelegt noch von einer der Parteien in Bezug ge-nommen worden. Vielmehr beziehe sich der Kläger auf das anwaltliche Schrei-ben an die Beklagte vom 2. August 2006, mit dem er seine Ansprüche wegen verschiedener Beschädigungen der Mietsache nach Grund und Höhe aufgelis tet und die Beklagte zur Zahlung des nach Abzug des Kautionsguthabens verbleibenden Restbetrags von 4.300 € aufgefordert habe. Für die Beklagte sei aber weder aus dem Schreiben vom 2. August 2006 noch aus dem Mahnbe-scheid erkennbar gewesen, welche der einzelnen Schadensersatzforderungen der Kläger gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch ganz oder teilweise auf-gerechnet habe und welche Ansprüche er mit seinem Mahnantrag noch verfolgt habe.

8          Die verjährungshemmende Wirkung des Mahnbescheids sei auch nicht rückwirkend durch die erst im Berufungsverfahren ordnungsgemäß nachgeholte Individualisierung eingetreten. Denn zu diesem Zeitpunkt seien die auf Beschä-digungen der Mietsache gestützten Ansprüche jedenfalls verjährt gewesen. Die nachträgliche Individualisierung beziehungsweise notwendige Bestimmung des Klagebegehrens könne zwar die Zulässigkeit der Klage herbeiführen, bewirke jedoch keine rückwirkende Heilung der Hemmung der Verjährung.

9          II. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem vom Kläger mit dem Mahnbe-scheid vom 15. August 2006 geltend gemachten Schadensersatzanspruch in Höhe von 4.300 € nebst Zinsen die von der Beklagten erhobene Verjährungs-einrede nicht entgegen.

10        Das Berufungsgericht hat verkannt, dass der antragsgemäß erlassene, der Beklagten vor Eintritt der Verjährung zugestellte Mahnbescheid vom 15. August 2006 den Ablauf der Verjährung wirksam gehemmt hat (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der gel-tend gemachte Schadensersatzanspruch im Mahnbescheidsantrag hinreichend individualisiert.

11        1. Die Zustellung eines Mahnbescheids hemmt die Verjährung des gel-tend gemachten Anspruchs gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB nur, wenn dieser Anspruch im Antrag auf Erlass des Mahnbescheids in einer den Anforderungen des § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO entsprechenden Weise hinreichend individualisiert ist. Dazu ist erforderlich, dass der Anspruch durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt wird, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann und dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will. Wann diese Anforderungen erfüllt sind, kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden; vielmehr hängen Art und Umfang der erforderli-chen Angaben im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab (st. Rspr.; Senatsurteil vom 23. Januar 2008 - VIII ZR 46/07, NJW 2008, 1220, Tz. 13; BGH, Urteile vom 21. Oktober 2008 - XI ZR 466/07, NJW 2009, 56, Tz. 18; vom 10. Juli 2008 - IX ZR 160/07, NJW 2008, 3498 Tz. 7; vgl. auch BGHZ 172, 42, Tz. 39 zur Un-terbrechung der Verjährung nach § 209 BGB aF m.w.N.). Voraussetzung für die verjährungshemmende Wirkung ist allerdings nicht, dass aus dem Mahnbe-scheid für einen außenstehenden Dritten ersichtlich ist, welche konkreten An-sprüche mit dem Mahnbescheid geltend gemacht werden; es reicht aus, dass dies für den Antragsgegner erkennbar ist (Senatsurteil vom 23. Januar 2008, aaO, Tz. 15; vgl. auch BGHZ 172, 42, Tz. 46, zu § 209 BGB aF m.w.N.). So kann im Mahnbescheid zur Bezeichnung des geltend gemachten Anspruchs auf Rechnungen oder andere Unterlagen Bezug genommen werden; wenn ein sol-ches Schriftstück dem Antragsgegner bereits bekannt ist, braucht es dem Mahnbescheid nicht in Abschrift beigefügt zu werden (Senatsurteil vom 23. Januar 2008, aaO, Tz. 18; BGH, Urteil vom 10. Juli 2008, aaO).

12        2. Diesen Anforderungen genügt der Mahnbescheid vom 15. August 2006.

13        a) Der Mahnbescheid nimmt zur Individualisierung des in ihm bezeichne-ten Anspruchs auf Schadensersatz in Höhe von 4.300 € auf ein dem Mahnbe-scheid nicht beigefügtes Schreiben vom "28.06.06" Bezug. Dabei handelt es sich - für die Beklagte erkennbar - um eine versehentlich falsche Datumsanga-be; gemeint war ersichtlich das der Beklagten zwei Wochen vor Zustellung des Mahnbescheids zugegangene Schreiben vom 2. August 2006 ("2.8.06"), in dem die Zusammensetzung und Berechnung des Schadensersatzanspruchs über 4.300 € gegenüber der Beklagten - nach dem ablehnenden Schreiben der Haft-pflichtversicherung der Beklagten vom 27. Juli 2006 - dargelegt und erläutert worden war. Dementsprechend haben die Parteien im Rechtsstreit ausschließ-lich zu dem Schreiben vom 2. August 2006 vorgetragen, nicht dagegen zu ei-nem - nicht existenten - Schreiben vom 28. Juni 2006. Insbesondere hat die Beklagte nur beanstandet, dass das Schreiben vom 2. August 2006 eine hinrei-chende Individualisierung des Anspruchs vermissen lasse; sie hat nicht geltend gemacht, dass nicht dieses Schreiben, sondern nach dem Mahnbescheid ein früheres Schreiben vom 28. Juni 2006 für die Individualisierung des Anspruchs maßgebend sei.

14        Das Berufungsgericht ist daher rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Beklagten bekannt war, dass der Kläger mit dem Mahnbescheid über 4.300 € auf das Schreiben vom 2. August 2006 und den darin näher erläuterten Anspruch über 4.300 € Bezug genommen hat. Unter diesen Umständen ist die falsche Datumsangabe im Mahnbescheid vom 15. August 2006 unschädlich.

15        b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der mit dem Mahnbescheid geltend gemachte Schadensersatzanspruch über 4.300 € im Schreiben vom 2. August 2006 in einer den Anforderungen entsprechenden Weise individualisiert worden. In diesem Schreiben werden die verschiedenen Beschädigungen der Mietsache, derentwegen der Kläger Schadensersatz begehrt, hinreichend konkret nach Grund und Höhe aufgelistet. Davon geht auch das Berufungsgericht aus. Es beanstandet lediglich, dass der vom Kläger vor-genommene Abzug des Kautionsguthabens in Höhe von 1.610 € von dem Ge-samtschaden von 5.900 €, woraus sich der vom Kläger geforderte Restbetrag in Höhe von 4.300 € errechne, nicht erkennen lasse, mit welchen der einzelnen Schadensersatzforderungen der Kläger gegen den Kautionsrückzahlungsan-spruch der Beklagten ganz oder teilweise aufgerechnet habe und welche An-sprüche der Kläger folglich mit seinem Mahnantrag noch verfolgte. Das trifft nicht zu.

16        Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem vom Kläger wegen verschiedener Beschädigungen der Mietsache geltend gemachten Schadens-ersatzanspruch überhaupt um mehrere selbständige Schadensersatzansprüche handelt oder um einen einheitlichen Anspruch, der sich lediglich aus mehreren Schadenspositionen zusammensetzt. Auch wenn mit dem Berufungsgericht davon ausgegangen wird, dass jede einzelne Beschädigung der Mietsache ei-nen rechtlich selbständigen Schadensersatzanspruch begründet, besteht ent-gegen der Auffassung des Berufungsgerichts kein Zweifel daran, welche An-sprüche der Kläger mit seiner nach Abzug des Guthabens verbleibenden Rest-forderung in Höhe von 4.300 € mit dem Schreiben vom 2. August 2006 - und dementsprechend auch mit dem Mahnbescheid vom 15. August 2006 - noch verfolgte. Da der Kläger im Schreiben vom 2. August 2006 nicht bestimmt hatte, in welcher Höhe er die mehreren Einzelforderungen jeweils gegen den Kauti-onsrückzahlungsanspruch der Beklagten aufrechnete, wurden die zur Aufrech-nung gestellten Schadensersatzforderungen des Klägers, worauf die Revision mit Recht hinweist, nach § 396 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 366 Abs. 2 BGB verhältnismäßig getilgt (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2008 - XII ZR 123/07, NJW 2009, 1071, Tz. 23).

17        Da somit die Ansprüche des Klägers im Mahnbescheid vom 15. August 2006 in Verbindung mit dem Schreiben vom 2. August 2006 hinreichend indivi-dualisiert waren, kommt es auf die vom Berufungsgericht verneinte Frage, ob im Berufungsverfahren eine ordnungsgemäße Individualisierung der Ansprüche mit Rückwirkung für die Verjährungshemmung nachgeholt werden konnte (dazu BGH, Urteil vom 21. Oktober 2008, aaO, Tz. 19 ff.), nicht an.

18        III. Da die Revision Erfolg hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht entscheidungsreif, weil das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob und in welchem Umfang die vom Berufungsgericht für verjährt gehalte-ne, mit dem Mahnbescheid vom 15. August 2006 geltend gemachte restliche Schadensersatzforderung von 4.300 € besteht. Das Berufungsgericht hat hierzu lediglich - in anderem Zusammenhang - ausgeführt, dass es die von diesem Betrag umfassten Schadensersatzansprüche des Klägers dem Grunde und "überwiegend der Höhe nach" für berechtigt halte. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO).

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