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Wirtschaftsrecht
01.12.2016
Wirtschaftsrecht
OLG München: Zur Erfüllung der Einlageschuld durch Zahlung an den Geschäftsführer

OLG München, Urteil vom 12.10.2016 – 7 U 1983/16

Volltext: BB-ONLINE BBL2016-2946-2

unter www.betriebs-berater.de

Amtliche Leitsätze

1. Die Zahlung auf die Resteinlageschuld eines GmbH-Gesellschafters bewirkt nur dann die Erfüllung der Einlageschuld, wenn sie tatsächlich, vollwertig, unbeschränkt und definitiv dem Vermögen der Gesellschaft zufließt

2. Die Aushändigung von Bargeld  an den Geschäftsführer und Mitgesellschafter, der sich in „desolater finanzieller Situation befindet“ und das Geld für seinen Lebensunterhalt benötigt, stellt keine Erfüllung der Einlageschuld dar, auch wenn die Kassenabrechnung und das Kassenzählprotokoll entsprechende Eintragungen enthalten.

3. Erfüllungswirkung bezüglich der Einlageschuld kann durch Zahlung an den Geschäftsführer als Gläubiger der Gesellschaft aufgrund eines Vergütungsanspruchs nur dann eintreten, wenn diesbezüglich eine hinreichende Bestimmtheit der Drittforderung vorliegt und eine ausdrückliche Tilgungsbestimmung bezogen auf diese Schuld getroffen ist.

§§ 19, 22 GmbHG, Zahlung der Stammeinlage, Bareinlage in die Kasse

Sachverhalt

I.

Die Parteien streiten über die Einzahlung eines Teils der Stammeinlage der CF R. E. GmbH, für die der Kläger mit Beschluss des Amtsgerichts München, Insolvenzgericht, zum Insolvenzverwalter bestellt wurde.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Ersturteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Beklagten, die Gesellschafter der Schuldnerin gewesen waren, zur Zahlung eines Teils der Stammeinlage in Höhe von jeweils 6.250,00 Euro gem. §§ 19 Abs. 1, 22 GmbHG verurteilt, weil es den Nachweis dafür, dass die Beklagten die Einlage in voller Höhe durch Barzahlung an Herrn Manfred L., an den beide ihre Geschäftsanteile verkauft und abgetreten haben, geleistet haben, wie diese behaupten, als nicht erbracht ansah.  Das Landgericht hat hierbei den Vortrag der Parteien, weitere Umstände und Anlagen gewürdigt. Es erging letztlich eine Beweislastentscheidung zu Lasten der Beklagten. Auf die Entscheidungsgründe ist ergänzend zu verweisen.

Gegen die Entscheidung haben die Beklagten Berufung eingelegt. Der Beklagte zu 2) hat mit Schriftsatz vom 19.05.2016 sein Rechtsmittel zurückgenommen.

Die Beklagte zu 1) wendet sich gegen die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das Erstgericht. Das betreffe vorallem die Angaben zur Erfüllung der Einlagepflicht durch Barzahlung und die Würdigung der vorgelegten Kassenabrechnung und des Kassenzählprotokolls wie auch der Erklärung des Herrn L. vor dem Notar. Das Erstgericht habe  aufgrund fehlerhafter und nicht nachvollziehbarer Argumentation den Nachweis für die Barzahlung der Stammeinlage als nicht erbracht angesehen.  Die Beklagte zu 1) benennt als  Beweismittel für die Leistung der Stammeinlage in voller Höhe den Beklagten zu 2) - nachdem dieser sein Rechtsmittel zurückgenommen hat - als Zeugen; hierbei handele es sich um kein „neues Angriffs- oder Verteidigungsmittel“.

Die Beklagte zu 1) beantragt:

Das Endurteil des Landgerichts München I vom 01.04.2016, Az: 26 O 13542/15, wird in Ziffer 1 aufgehoben, als die Beklagte zu 1) verurteilt wurde, an den Kläger 6.250,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.01.2015 zu zahlen.

Der Kläger beantragt die Berufung zurückzuweisen.

Vor der weiteren Darstellung des Tatbestands wird im Übrigen abgesehen (§§ 540, 313 a ZPO). Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen erster und zweiter Instanz verwiesen.

Aus den Gründen

II.

1. Der Beklagte zu 2) hat seine Berufung zurück genommen. Er war daher seines Rechtsmittels für verlustig zu erklären. Die Entscheidung beruht auf § 516 ZPO.

2. Die gem. §§ 511 ff. ZPO zulässige Berufung der Beklagten zu 1) bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das Erstgericht einen Nachweis dafür, dass die Beklagte zu 1) die Stammeinlage in voller Höhe geleistet hat, als nicht zu seiner Überzeugung erbracht angesehen. Auf die Ausführungen im landgerichtlichen Urteil hierzu kann verwiesen werden. Die hiergegen von  Seiten der Berufungsführerin vorgebrachten Einwände überzeugen nicht und vermögen ihrem Rechtsmittel nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Voranzustellen ist zunächst, dass die Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für die Erbringung ihrer jeweiligen Stammeinlageschuld  tragen. Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 1) trägt der einlagepflichtige Gesellschafter die Beweislast nach allgemeinen Grundsätzen für die erfüllungswirksame Einlageleistung, also nicht nur für den bloßen Mittelzufluss (vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Auflage, § 19 Rdnr. 20 a; m.w.N.).

Der Senat sieht zwar keine durchgreifenden Einwände gegen die erstinstanzliche Würdigung der Angaben der Parteien sowie der vorgelegten Anlagen und geschilderten Umstände. Dass das Landgericht aufgrund dieser keine hinreichende Überzeugung davon gewonnen hat, dass die Beklagten am 15.12.2010 tatsächlich die von ihnen geschuldete Bareinlage in die Kasse der Schuldnerin geleistet haben, beruht auf schlüssiger, widerspruchsfreier und auch nicht gegen Denk- oder Erfahrungssätze verstoßender Gesamtwürdigung aller Umstände.

Entscheidend ist aber, dass vorliegend unabhängig von der Frage, ob der Beklagte zu 2) nach Rücknahme seines Rechtsmittels als Zeuge im vorliegenden Berufungsverfahren hinsichtlich der Beklagte zu 1) vernommen werden kann, woran angesichts der Tatsache, dass das Berufungsverfahren des Beklagten zu 2) noch zur Kostenentscheidung anhängig ist, erhebliche Zweifel bestehen, kein Anlass für eine Beweisaufnahme besteht. Denn auch dann, wenn man die unter Zeugenbeweis gestellte Behauptung als wahr unterstellen würde, ist ein Nachweis für die Leistung der Stammeinlage nicht erbracht.

Selbst unterstellt, die Angaben der Parteien, wonach die genannten Beträge in bar an Herrn L. am 15.12.2010 übergeben worden sein sollen, träfen zu, rechtfertigt dies die Annahme der Erfüllung  der Stammeinlagepflicht nicht.

Die zur Erfüllungswirkung einzuhaltenden Zahlungsmodalitäten sind für Leistungen auf die Rest- einlageschuld zwar nicht in gleich strenger Weise vorgeschrieben wie für die Mindesteinzahlungen im Gründungsstadium. Gewisse Grundvoraussetzungen eines vollwertigen, unbeschränkten und definitiven Vermögenszuflusses an die Gesellschaft sind aber auch hier anerkannt, andernfalls bewirkt die Leistung keine Erfüllung der Einlageschuld (vgl. Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Auflage, § 19 Rdnr. 16, m.w.N.). Es bestehen vorliegend nämlich auch und insbesondere aufgrund der eigenen Angaben der Beklagten erhebliche Bedenken dagegen, dass diese Barmittel der Gesellschaft effektiv zugeflossen sind und sie in Höhe der Zahlungen einen definitiven Vermögenszufluss erhalten hat. Die Beklagten haben nämlich übereinstimmend vortragen lassen, dass Manfred L. “aufgrund seiner desolaten finanziellen Lage - er war seit langem vermögenslos - eine Bareinzahlung“ wollte, da er das Geld für seinen Lebensunterhalt benötigte und bei Einzahlung auf das Gesellschafterkonto „das Geld bei der Bank verblieben wäre“ (vgl. SS vom 1.10.2015, Bl. 16 d.A. vgl. auch SS vom 1.12.2015 B. 49 d.A.).

Aufgrund dieser Angaben der Beklagten bestehen erhebliche Zweifel daran, dass die (unterstellten) Zahlungsbeträge tatsächlich der Gesellschaft in der Kasse zugeflossen sind und nicht vielmehr unmittelbar dem Gesellschafter und Geschäftsführer L., was naheliegend wäre.  Auch wenn - wie der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußert hat - die finanziellen Verhältnisse der Gesellschaft dergestalt gewesen sein sollten, dass der Geschäftsführer kein Gehalt von der Gesellschaft erhalten hatte/konnte, kommt mit der Aushändigung der Geldbeträge an Herrn L. verbunden mit der Angabe, dass dieser das Geld für seine Lebensführung benötige, allenfalls eine Zahlung an einen Gläubiger der Gesellschaft in Betracht. Eine Erfüllungswirkung bezüglich der Einlageschuld kann jedoch nur dann eintreten, wenn diesbezüglich eine hinreichende Bestimmtheit der Drittforderung und eine ausdrückliche Tilgungsbestimmung bezogen auf diese Schuld getroffen ist. Dies behauptet die Beklagte zu 1) selbst nicht.

Auch die Tatsache, dass die Kassenabrechnung und das Kassenzählprotokoll entsprechende Eintragungen enthalten, ist angesichts der obigen Ausführungen nicht geeignet nachzuweisen, dass die Gesellschaft tatsächlich einen entsprechenden Vermögenszufluss erhalten hat.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 516 Abs. 3, 97 ZPO und den von den Beklagten hervorgerufenen unterschiedlichen Kosten. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §§ 543 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht erfüllt sind.

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