OLG München: Zur Darlehensgewährung eines übertragenden Rechtsträgers bei Ausgliederung
OLG München, Beschluss vom 15.11.2011 - 31 Wx 482/11
Leitsatz
Bei der Ausgliederung kann der übertragende Rechtsträger der aufnehmenden Gesellschaft insoweit ein Darlehen zur Verfügung stellen, als der Wert des übertragenen Vermögens den Nennbetrag der im Gegenzug erhaltenen Geschäftsanteile übersteigt.
sachverhalt
I. Zur Eintragung im Handelsregister der beteiligten GmbH ist angemeldet, dass das gesamte Vermögen der Firma E. K., eines Einzelkaufmanns, aufgrund Ausgliederungsvertrages auf die E.K. GmbH durch Aufnahme ausgegliedert worden ist, dass der zur Durchführung der Ausgliederung auszugebende Geschäftsanteil durch Kapitalerhöhung geschaffen und der Gesellschaftsvertrag dementsprechend geändert wurde. Der Ausgliederungsvertrag lautet auszugsweise:
" § 5 Gewährung von Geschäftsanteilen
1. Das Stammkapital der GmbH wird zur Durchführung der Ausgliederung zur Aufnahme von derzeit EUR 25.000 um EUR 75.000 auf EUR 100.000 erhöht. Herrn E. K. wird ein Geschäftsanteil im Nennbetrag von EUR 75.000 gewährt. Der Geschäftsanteil wird durch die Übertragung der in § 3 dieses Vertrages genannten Aktiven und Passiven erbracht. Bare Zuzahlungen sind nicht zu leisten. 2. Soweit der Wert des übertragenen Vermögens den Nennbetrag des Geschäftsanteils übersteigt, wird dieser Betrag der Gesellschaft als Darlehen zur Verfügung gestellt.
3. ... "
Nach Behebung der in der Zwischenverfügung vom 10.8.2011 aufgeführten Eintragungshindernisse beanstandete das Registergericht mit Zwischenverfügung vom 21.9.2011, die im Ausgliederungsvertrag vorgesehene Gewährung eines Darlehens sei unzulässig. Es sei das Wesen der Spaltung, dass das Vermögen als Gesamtheit auf den übernehmenden Rechtsträger übergehe, es könne nicht durch die Hintertür eines Darlehens ein Teil zurückgehalten werden, insbesondere nicht beim Vermögen eines Einzelkaufmanns. Die Gegenleistung für die Übertragung des Vermögens könne nur in Form von Anteilen erfolgen. Eine bare Zuzahlung sei bei der Ausgliederung nicht möglich, wie sich aus § 126 Abs. 1 Nr. 3 UmwG ergebe. Darin liege auch der Grund, weshalb § 54 UmwG für die Ausgliederung nach § 125 UmwG ausgeschlossen sei (§ 125 UmwG). Die Beschwerde macht geltend, das Nachschieben von Vollzugshindernissen sei unzulässig. Im Übrigen könne ein den Nennbetrag der Geschäftsanteile übersteigender Wert des ausgegliederten Vermögens entweder in die freie Rücklage der GmbH eingestellt oder - wie hier - vom Einbringenden der Gesellschaft darlehensweise überlassen werden.
aus den gründen
II. Die zulässige Beschwerde ist in der Sache begründet.
1. Allerdings ist die Zwischenverfügung vom 21.9.2011 nicht schon deshalb aufzuheben, weil das dort genannte Eintragungshindernis nicht bereits in der vorangehenden Zwischenverfügung vom 10.8.2011 beanstandet wurde. Zwar ist eine stufenweise Beanstandung grundsätzlich nicht statthaft; das Registergericht ist gehalten, in einer Zwischenverfügung alle ersichtlichen Vollzugshindernisse aufzuführen (Keidel/Heinemann FamFG 17. Aufl. § 382 Rn. 25; Krafka/Willer Registerrecht 8. Aufl. Rn. 1323). Wird jedoch ein weiteres Eintragungshindernis erst nach Erlass einer Zwischenverfügung erkannt, kann es auch zum Gegenstand einer erneuten Zwischenverfügung gemacht werden (vgl. BayObLG FGPrax 1995, 95 zur Grundbuchordnung).
2. Jedoch besteht das in der Verfügung vom 21.9.2011 beanstandete Eintragungshindernis nicht.
Entgegen der Auffassung des Registergerichts verstößt es nicht gegen Vorschriften des Umwandlungsgesetzes, wenn bei einer Ausgliederung zur Aufnahme der übertragende Rechtsträger - hier ein Einzelkaufmann - der aufnehmenden GmbH insoweit ein Darlehen zur Verfügung stellt, als der Wert des übertragenen Vermögens den Nennbetrag der im Gegenzug erhaltenen Geschäftsanteile übersteigt.
a) Die Ausgliederung erfolgt, indem der übertragende Rechtsträger aus seinem Vermögen einen Teil oder mehrere Teile ausgliedert zur Aufnahme durch Übertragung auf einen bestehenden Rechtsträger (§ 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG) oder zur Neugründung durch Übertragung auf einen dadurch gegründeten neuen Rechtsträger (§ 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG) gegen Gewährung von Anteilen oder Mitgliedschaften. Dass als Gegenleistung für die Übertragung ausschließlich Anteile oder Mitgliedschaften gewährt werden können, wie das Registergericht meint, ist weder dem Wortlaut dieser Vorschrift noch anderen Bestimmungen des UmwG zu entnehmen. Die für die Ausgliederung maßgeblichen Vorschriften ergeben sich aus § 125 UmwG. Danach ist für die Ausgliederung § 54 UmwG nicht anwendbar, der in Abs. 4 bare Zuzahlungen auf den zehnten Teil des Gesamtnennbetrags der gewährten Geschäftsanteile der übernehmenden Gesellschaft beschränkt. Nach der überzeugenden allgemeinen Meinung in der Literatur kann deshalb der Ausgliederungs- und Übernahmevertrag bare Zuzahlungen in unbeschränkter Höhe festsetzen (vgl. Widmann/Fronhöfer <Juni 2008> § 125 Rn. 75; Kallmeyer/Sickinger UmwG 4. Aufl. § 125 Rn. 60; Lutter/Priester UmwG 4. Aufl. § 126 Rn. 35 a.E.; Kadel BWNotZ 2010, 46/48). Bei der Ausgliederung kann folglich - anders als bei Abspaltung - auch eine Wertdifferenz zwischen dem eingebrachten Vermögen und dem Nennbetrag des Stammkapitals der aufnehmenden Gesellschaft als Darlehen gewährt werden (Semler/Stengel/Maier/Reimer UmwG 2. Aufl. § 152 Rn. 71; Kallmeyer/Sickinger § 125 Rn. 60; Lutter/Priester § 126 Rn. 35 a.E.; Lutter/Karollus § 159 Rn. 16; Widmann/Mayer < 2000> § 135 UmwG Rn. 38; Widmann/Mayer <1999> § 152 Rn. 102). Im Gegensatz zur Abspaltung werden bei der Ausgliederung die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers nicht unmittelbar betroffen, da die Anteilsgewährung an den übertragenden Rechtsträger selbst erfolgt. Wegen dieses grundlegenden Unterschiedes können Erwägungen zu zulässigen Gestaltungsmöglichkeiten bei der Abspaltung oder auch bei der Verschmelzung, die ebenfalls die Ebene der Anteilseigner betrifft, nicht ohne weiteres auf die Ausgliederung übertragen werden. Das Registergericht bemängelt deshalb zu Unrecht, dass in der Literatur die Gewährung von Darlehen von seiten der übernehmenden Gesellschaft bei der Ausgliederung für zulässig, bei der Abspaltung und bei der Verschmelzung aber für unzulässig erachtet wird mit der Folge, dass bei letzteren hinsichtlich des Mehrwerts nur eine Einstellung in die Kapitalrücklage in Betracht kommt (vgl. dazu Widmann/Mayer <2009> § 5 Rn. 67, 79; § 54 Rn. 64).
b) Soweit das Registergericht meint, bare Zuzahlungen seien wegen § 126 Abs. 1 Nr. 3 UmwG nur bei Aufspaltung und Abspaltung in der Grenze des § 54 Abs. 4 UmwG zugelassen, verkennt es den Regelungsgehalt des § 126, der den notwendigen Inhalt des Spaltungs- und Übernahmevertrags festlegt. Für die Ausgliederung, die in § 126 Abs. 1 Nr. 3 UmwG nicht erwähnt ist, sind danach keine Angaben über die Höhe einer baren Zuzahlung zwingend vorgeschrieben. Daraus folgt jedoch nicht, dass bei der Ausgliederung eine bare Zuzahlung untersagt wäre. Bei Aufspaltung und Abspaltung sind bare Zuzahlungen nur innerhalb der von § 54 Abs. 4 UmwG festgelegten Höchstgrenze zulässig, weshalb durch entsprechende Angaben im Spaltungsvertrag die Prüfung ermöglicht werden soll, ob diese Vorgaben eingehalten werden. Bei der Ausgliederung, für die die Höchstgrenze des § 54 Abs. 4 UmwG nicht gilt, bedarf es dieser Prüfung nicht, so dass auch entsprechende Angaben im Vertrag nicht zwingend notwendig sind.
c) Für die Ausgliederung des von einem Einzelkaufmann betriebenen Unternehmens gilt hinsichtlich der Zulässigkeit barer Zuzahlungen bzw. der Gesellschaft gewährter Darlehen nichts anderes; die Vorschriften der §§ 152 ff. UmwG enthalten insoweit keine Einschränkungen. Im Übrigen wird es auch bei der Einbringung eines einzelkaufmännischen Unternehmens in eine GmbH im Rahmen einer so genannten gemischten Sacheinlage ohne weiteres als zulässig erachtet, dass die Differenz zwischen dem Wert des eingebrachten Unternehmens und dem Nennbetrag des dafür ausgegebenen Geschäftsanteils in Form eines Darlehens des Gesellschafters in der Gesellschaft verbleibt (vgl. dazu Baumbach/Hueck/Fastrich GmbHG 19. Aufl. § 5 Rn. 20; MünchKommGmbHG/Märtens § 5 Rn. 213; Scholz/Winter/Westermann GmbHG 10. Aufl. § 5 Rn. 83 m.w.N.). Das Registergericht verkennt, dass in die Gewährung eines Darlehens von Seiten des Ausgliedernden bzw. Einbringenden an die aufnehmende Gesellschaft nicht einen Rückbehalt eines Teils des einzubringenden Vermögens darstellt, sondern eine Gegenleistung der aufnehmenden Gesellschaft - nämlich die Einräumung einer Darlehensforderung - für das eingebrachte Vermögen.
d) Unzutreffend ist auch die Auffassung des Registergerichts, der vorliegende Ausgliederungsvertrag verbiete in § 5 Ziffer 1 bare Zuzahlungen und damit auch die Einräumung einer Darlehensforderung gegen die Gesellschaft, wie in § 5 Ziffer 2 des Vertrages vorgesehen. Zum einen bezieht sich die Regelung in § 5 Ziff. 1 Satz 4 des Vertrages auf die Erbringung des Geschäftsanteils durch die Übertragung der Aktiven und Passiven und stellt klar, dass dazu - also von Seiten des übertragenden Rechtsträgers für den Geschäftsanteil - bare Zuzahlungen nicht zu leisten sind. Im Übrigen stünde es den Vertragsparteien frei, den Begriff "bare Zuzahlung" ausschließlich im Sinne einer Geldleistung, die Einräumung einer Darlehensforderung hingegen als Sachleistung zu verstehen ( vgl. Widmann/ Mayer <2009> § 5 Rn. 67, § 54 Rn. 63 f. ).