R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Wirtschaftsrecht
30.06.2011
Wirtschaftsrecht
BGH: Zur Berechnung der Mindestvergütung des Insolvenzverwalters

BGH, Beschluss vom 19.5.2011 - IX ZB 27/10

Leitsatz

Eine Gebietskörperschaft zählt bei der Berechnung der Mindestvergütung des Insol-venzverwalters auch dann als (nur) eine Gläubigerin, wenn sie durch verschiedene Behörden mehrere Forderungen aus unterschiedlichen Rechtsverhältnissen ange-meldet hat.

InsVV § 2 Abs. 2

Sachverhalt

I. Die weitere Beteiligte war Verwalterin in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. In dem Verfahren meldeten neben der Landes-justizkasse Chemnitz und dem Finanzamt Schwarzenberg 19 Gläubiger Forde-rungen an. Das Insolvenzgericht hat die (Mindest-)Vergütung der weiteren Be-teiligten für ihre Tätigkeit als Insolvenzverwalterin gemäß § 2 Abs. 2 InsVV auf 2.059,65 € festgesetzt (1.300 € Vergütung, 390 € Auslagen, 40,80 € Zustellkos-ten, 19 v.H. Umsatzsteuer). Es hat seiner Berechnung eine Anzahl von 20 Gläubigern zugrunde gelegt, die ihre Forderungen angemeldet haben. Die sofortige Beschwerde der Verwalterin, mit der sie eine Berechnung nach 21 Gläubigern erreichen wollte, hat keinen Erfolg gehabt. Mit der Rechtsbe-schwerde verfolgt sie ihr Begehren weiter.

Aus den Gründen

2          II. Die statthafte (§§ 7, 6, 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch sonst zulässige (§§ 575, 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) Rechtsbe-schwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

3          1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, sowohl hinter der Landesjus-tizkasse Chemnitz als auch hinter dem Finanzamt Schwarzenberg stehe der Freistaat Sachsen. Er sei bei der Bestimmung der Gläubigerzahl nur einmal zu berücksichtigen. Dass unterschiedliche Behörden tätig geworden seien, ändere daran nichts.

4          2. Diese Beurteilung trifft zu.

5          a) Die Mindestvergütung des Insolvenzverwalters beträgt nach § 2 Abs. 2 InsVV in Insolvenzverfahren, in denen nicht mehr als zehn Gläubiger ihre Forderungen angemeldet haben, regelmäßig 1.000 €. Sie erhöht sich, wenn in dem Verfahren 11 bis 30 Gläubiger ihre Forderungen angemeldet ha-ben, für je angefangene fünf Gläubiger um 150 Euro. Ab 31 Gläubiger erhöht sich die Vergütung je angefangene fünf Gläubiger um 100 Euro. Die mit der Änderungsverordnung vom 4. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2569) eingeführte Re-gelung soll dem unterschiedlichen Aufwand der Verwalter in den jeweiligen Ver-fahren Rechnung tragen. Die Anzahl der Gläubiger wurde als geeignetes Differenzierungskriterium erachtet, das den Aufwand des Verwalters in etwa abbil-det (vgl. die Begründung der Verordnung, abgedruckt u.a. in ZIP 2004, 1927, 1930 f). Maßgebend ist die Kopfzahl der anmeldenden Gläubiger, nicht die An-zahl der angemeldeten Forderungen (BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2010 - IX ZB 39/10, ZIP 2011, 132 Rn. 4). Der Verordnungsgeber hat sich damit für ein Kriterium entschieden, das den tatsächlichen Arbeitsaufwand des Insol-venzverwalters nur näherungsweise wiedergibt, dafür aber dem Insolvenzge-richt eine einfache und sichere Handhabung ermöglicht. Er hat durch die Ver-wendung eines pauschalierenden Maßstabs im Interesse der Praktikabilität in Kauf genommen, dass die Mindestvergütung nicht in jedem Fall genau mit der Belastung des Verwalters korreliert (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2010 - IX ZB 129/08, ZIP 2010, 486 Rn. 8). Diese Regelung ist von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage gedeckt und verfassungsgemäß (BGH, Beschluss vom 13. März 2008 - IX ZB 63/05, ZIP 2008, 976 Rn. 6 ff).

6          b) Der typisierenden Regelungsweise entspricht es, die maßgebliche Anzahl der Gläubiger formal zu bestimmen. Entscheidend ist, wer jeweils mate-riell-rechtlich Inhaber der angemeldeten Forderung ist (vgl. § 241 Abs. 1 Satz 1 BGB). Unerheblich ist hingegen, ob ein Gläubiger mehrere Forderungen gel-tend macht, auch wenn diese auf unterschiedlichen Rechtsverhältnissen beru-hen und von verschiedenen Organisationseinheiten des Gläubigers bearbeitet werden. Handelt es sich bei dem Gläubiger wie hier um eine öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft, die durch verschiedene Behörden rechtlich selbständige Forderungen angemeldet hat, ist sie bei der Ermittlung der Min-destvergütung nach § 2 Abs. 2 InsVV nur einmal zu zählen, auch wenn im kon-kreten Fall für den Insolvenzverwalter ein ähnlicher Arbeitsaufwand entsteht wie bei der Forderungsanmeldung durch unterschiedliche Gläubiger (aA Graf-Schlicker/Kalkmann, InsO, 2. Aufl., § 2 InsVV Rn. 19). Eine auskömmliche Vergütung muss im Blick auf den Gesichtspunkt der Querfinanzierung nicht in je-dem einzelnen Verfahren erzielt werden (BGH, Beschluss vom 13. März 2008, aaO Rn. 11 f).

7          c) Die Rechtsbeschwerde befürwortet unter Hinweis auf den Beschluss des Senats vom 4. Februar 2010 (IX ZB 129/08, aaO) eine mehr wertende Be-trachtung. Dort ging es jedoch nicht um die Vergütung des endgültigen, son-dern um diejenige des vorläufigen Insolvenzverwalters. Da im Eröffnungsver-fahren die Zahl der Gläubiger, die nach Verfahrenseröffnung Forderungen an-melden, noch nicht bekannt ist, hat der Senat für diesen Verfahrensabschnitt die Zahl der Gläubiger für maßgeblich erachtet, bei denen nach der Eröffnung des Verfahrens mit einer Forderungsanmeldung zu rechnen ist. Daraus ist nicht der Schluss zu ziehen, auch im eröffneten Verfahren müsse die Anzahl der Gläubiger, die in diesem Verfahrensstadium bekannt sind, wertend bestimmt werden.

8          d) Meldet ein Gläubiger mehrere Forderungen an, erhöht dies nach der geltenden Regelung nicht die Mindestvergütung des Insolvenzverwalters. Eine daraus resultierende Diskrepanz zwischen dem Arbeitsaufwand des Verwalters und der Höhe seiner Vergütung ist im Grundsatz hinzunehmen. In besonderen Fällen kann eine unangemessen niedrige Vergütung durch einen Zuschlag nach § 3 Abs. 1 InsVV vermieden werden. Die Umstände des vorliegenden Fal-les rechtfertigen einen solchen Zuschlag jedoch nicht.

stats