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Wirtschaftsrecht
14.08.2014
Wirtschaftsrecht
OLG Düsseldorf: Zur Befangenheit eines Sachverständigen

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.3.2014 – I-26 W 16/13 (AktE)

Amtliche Leitsätze

1.         Ausführungen eines Sachverständigen zum Kostenaufwand eines Ergänzungsgutachtens, das u.a. durch das Privatgutachten einer Partei veranlasst wird, können nur dann die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn ihnen eindeutig eine Vorfestlegung zu entnehmen oder mit ihnen eine unsachliche Kritik an dem Privatgutachten verbunden ist.

2.         Die Mitwirkung des Sachverständigen in anderen Gerichtsverfahren gibt grundsätzlich keinen Anlass zu einer Besorgnis der Befangenheit. Auch eine zurückliegende private Beauftragung des Sachverständigen durch Verfahrensbeteiligte und/oder ihre Bevollmächtigten rechtfertigt nicht den Verdacht der Voreingenommenheit, solange nicht eine derart enge geschäftliche Verbundenheit vorliegt, dass eine wirtschaftliche Abhängigkeit besteht. Die unterlassene Anzeige einer solchen privatgutachterlichen Tätigkeit kann daher auch nicht Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit begründen.

3.         Dass ein Sachverständiger beabsichtigt, im Rahmen der Gutachtenerstattung auf die Unterstützung durch Hilfskräfte zurückzugreifen, stellt seine Unparteilichkeit nicht infrage.

4.         Mangel an Sachkunde, Unzulänglichkeiten oder Fehlerhaftigkeit des Sachverständigengutachtens geben keinen Anlass zu Zweifeln an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen.

§ 17 Abs. 1 SpruchG, §§ 406, 407a Abs. 2 S. 2, 42 Abs. 2 ZPO

Aus den Gründen

A.

Das vorliegende Spruchverfahren betrifft die in der Hauptversammlung der E.  AG vom 29.05.2006 beschlossene Übertragung der Aktien von Minderheitsaktionären auf die Antragsgegnerin (sog. Squeeze-out).

 

Der Übertragungsbeschluss sieht eine Barabfindung mit 42,66 € je Stückaktie mit einem anteiligen Betrag des Grundkapitals in Höhe von 1,00 € vor. Der Berechnung dieser Barabfindung liegt eine seitens der L …gesellschaft erstattete Unternehmensbewertung (Anlage AG 4 S. 95 ff.) zu Grunde. Dort wird die Barabfindung anhand des Drei-Monats-Durchschnittskurses der E.  AG-Aktie noch für den Referenzzeitraum vom 20.12.2005 bis zum 19.03.2006 bestimmt; in dem - nach der Stollwerck-Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 19.07.2010 (II ZB 18/09, zitiert aus JURIS) maßgeblichen - Zeitraum vom 20.09.2005 bis 19.12.2005, d. h. vor Ankündigung der Übernahmeabsicht der Antragsgegnerin, hatte der Börsenwert der Aktie nur 36,62 € betragen. Anhand des Ertragswertverfahrens wird der Wert je Aktie im Bewertungsgutachten mit 33,70 € ermittelt; hinsichtlich des insoweit mit 0,7 ermittelten Betafaktors wird dort erläutert, dass aufgrund des geringen Streubesitzanteils (Free Float) der Aktien der E.  AG auf die Betafaktoren börsennotierter Vergleichsunternehmen (Peer Group) zurückzugreifen sei (Anlage AG 4  S. 134 f.).

Die Angemessenheit der Barabfindung hat die vom Landgericht zum sachverständigen Prüfer gemäß § 327 c Abs. 2 AktG bestellte … mit Prüfbericht vom 18.04.2006 (Anlage AG 5) bestätigt.

 

Im Zusammenhang mit mehreren Anfechtungsklagen gegen den Übertragungsbeschluss verpflichtete sich die Antragsgegnerin, jedem Minderheitsaktionär einen zusätzlichen Betrag von 1,37 € je Aktie zu zahlen; später verpflichtete sie sich zu einer weiteren Zuzahlung von 1,08 € je Aktie. Der Gesamtbetrag aus Barabfindung und Zuzahlungen beträgt damit derzeit 45,11 € je Stückaktie.

 

In dem vorliegenden Spruchverfahren machen die Antragsteller geltend, die ihnen angebotene Barabfindung sei - auch unter Berücksichtigung der vorgenommenen Erhöhungen - noch zu niedrig. Die dem Bewertungsgutachten zugrunde gelegte Planung sei viel zu pessimistisch, Basiszins, Marktrisikoprämie und Risikozuschlag seien zu hoch, der Wachstumsabschlag zu niedrig angesetzt. Zudem rügen die überwiegende Zahl der Antragsteller und der gemeinsame Vertreter der Minderheitsaktionäre (vgl. Bl. 463 ff. d. A.) übereinstimmend, zur Ermittlung eines angemessenen Zuschlags sei der unternehmenseigene Betafaktor heranzuziehen.

 

Mit Beschluss vom 02.04.2009 (Bl. 902 f. d. A.) hat das Landgericht den Sachverständigen Dr. G., J.  AG (im Folgenden: J.  AG), mit der Neubewertung beauftragt und ihm u.a. aufgegeben, „den anzunehmenden Betafaktor zu berechnen und nachvollziehbar zu erläutern, insbesondere hinsichtlich der Fragen der Referenzindizes, der Länge der Referenzperiode und der Berücksichtigung von arithmetischem und geometrischem Mittel“.

 

In seinem Gutachten vom 09.01.2012 (Bl. 992 ff. d. A.) hat der Sachverständige Anpassungen gegenüber der Bewertung der L …gesellschaft vorgenommen, die im Ergebnis zu einem Wert von 52,75 € je Aktie führen. Unter anderem zieht er den unternehmenseigenen Betafaktor heran und ermittelt so einen gegenüber dem Bewertungsgutachten (0,7) erheblich niedrigeren Betafaktor von 0,49 (vgl. S. 148 GA). Zur Bewertung der Liquidität hat er zunächst neben dem Free Float, dem Handelsvolumen und der Anzahl der gesammelten der gesamten Handelstage über einen Zeitraum von fünf Jahren (19.12.2000 bis 18.12.2005) die – von ihm für am aussagekräftigsten erachtete - Geld-Brief-Spanne (Bid-Ask Spread) sowie den Handelsumsatz pro Tag ermittelt und als Durchschnitt jeweils den Median herangezogen. Die so ermittelten Kennzahlen hat er anhand einer selbst verfassten - dem Gutachten als Anhang E („Manuskript zur Kapitalmarktstudie: Betafaktoren und Aktienliquidität“; S. 315 ff. GA) beigefügten -, Studie ausgewertet, die „Anhaltspunkte“ für Schwellenwerte enthalten soll, ab denen grundsätzlich von prognosegeeigneten Betafaktoren ausgegangen werden könne. Demzufolge könne „auf Basis derzeitiger Erkenntnisse“ bei Bid-Ask Spreads von größer 1,25 % und einem Handelsumsatz von bis zu 115.000 € […] regelmäßig nicht mehr von hinreichender Liquidität für die Bestimmung unverzerrter Betafaktoren ausgegangen werden. Der für die E.  AG ermittelte Bid-Ask Spread habe hingegen im Median 0,77 % betragen; zugleich habe sich der Wert innerhalb der für den europäischen Markt (SXXT-Analyse) ermittelten Bandbreite der Bid-Ask Spreads bewegt. Desweiteren habe im Jahresdurchschnitt – außer im Jahr 2004 – ein täglicher Handel mit E.  AG-Aktien mit einem Wert von durchschnittlich über 1 Mio. € stattgefunden; auch insoweit habe der Wert innerhalb der für den europäischen Markt (SXXT-Analyse) ermittelten Bandbreite gelegen. Er halte danach im Ergebnis die E.  AG-Aktie vom 25.7.2002 bis zum 18.12.2005 für hinreichend liquide, um den historischen Betafaktor der E.  AG verlässlich zu ermitteln (vgl. S. 158 GA).

 

Einige Antragsteller sowie die Antragsgegnerin haben Einwendungen gegen das Gutachten erhoben. Die Antragstellerin zu 58) hat sich gegen die Erhöhung des Basiszinses gewendet; die Antragsteller zu 1) bis 7), 56 und 57) haben gerügt, die verwendeten Planzahlen berücksichtigten nicht die Umstrukturierung der Unternehmensbereiche in 17 operative Einheiten und ließen damit einhergehende Ergebnisverbesserungen unberücksichtigt. Der Abzug von 3.519,6 Mio. € für den Sonderwert Pensionsverpflichtungen sei unzulässig, der Wachstumsabschlag mit 1,5 %  zu niedrig bemessen. Schließlich sei der Sonderwert für den Unternehmensbereich Bauchemie nicht richtig berechnet.

Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 21.09.2012 (Bl. 1060 ff. d. A.) und einem beigefügten, von ihr in Auftrag gegebenen Privatgutachten des Prof. M., Inhaber des Lehrstuhls für Bank- und Finanzwirtschaft an der … Universität C., vom 25.08.2012 (Anlage AG 24) gerügt, die „Studie“ des gerichtlich bestellten Sachverständigen genüge wissenschaftlichen Anforderungen „nicht ansatzweise“; seine Schlussfolgerungen seien „unplausibel und willkürlich“; es sei „allein sachgerecht“, den Betafaktor aus einer Peer Group abzuleiten. Die von dem Sachverständigen vertretene These, bei nicht hinreichender Liquidität sei grundsätzlich von einem verzerrenden Einfluss auf den durchschnittlichen Betafaktor auszugehen, der sich in einem Absinken niederschlage, sei den Ausführungen des Prof. M. zufolge „wissenschaftliches Neuland“, die in der Studie abgeleiteten Schwellenwerte seien inhaltlich fragwürdig und aufgrund des dort verwendeten Datenmaterials nicht hinreichend belastbar, zudem sei die Studie mangels Veröffentlichung in einer renommierten Fachzeitschrift aus wissenschaftlicher Sicht nicht akzeptabel. Schließlich seien die aufgezeigten Ergebnisse bislang von keinem anderen Wissenschaftler übernommen oder akzeptiert. Die Antragsgegnerin hat die Einholung einer schriftlichen Stellungnahme des mit dem Prüfbericht befassten Wirtschaftsprüfers …, dessen mündliche Anhörung zu den Bewertungsrügen der Antragsteller und des gemeinsamen Vertreters der Minderheitsaktionäre sowie zu dem Gutachten des Sachverständigen und des weiteren die Anhörung des Prof. M. beantragt (Bl. 1060 f. d. A.).

 

Mit Beschluss vom 23.10.2012 (Bl. 1123 d. A.) hat das Landgericht angeordnet, der Sachverständige solle sein Gutachten mit Blick auf die vorgebrachten Einwendungen schriftlich ergänzen; die Anhörung des sachverständigen Prüfers solle nach Eingang des schriftlichen Gutachtens erfolgen.

 

Im April 2013 ist die Akte dem Sachverständigen mit der Bitte um Kostenschätzung zugeleitet worden. In seiner – nach Erhalt der neun Bände und mehrere Anlagenbände umfassenden Gerichtsakte erstellten - Kostenschätzung vom 17.05.2013 hat der Sachverständige den weiteren Zeitaufwand für die Erstellung des Gutachtens „nach einer ersten Sichtung der Unterlagen“ mit weiteren 1.500 bis 2.000 Stunden und die voraussichtlichen Kosten auf 213.000 € bis 284.000 € netto kalkuliert. Zudem hat er die „nach seiner bisherigen Abschätzung“ voraussichtlich notwendigen Arbeiten aufgelistet. Wegen des Inhalts im Einzelnen wird auf das Schreiben (Bl. 1139 ff. d. A.) verwiesen, das der Antragsgegnerin am 24.05.2013 übersandt worden ist.

 

Mit Schriftsatz vom 07.06.2013 (Bl. 1143 ff. d. A.) hat die Antragsgegnerin den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Dieser habe sich mit dem Schreiben vom 17.05.2013 ausdrücklich festgelegt, das Gutachten des Prof. M. für falsch zu halten und die dortigen Feststellungen widerlegen zu wollen. Dadurch habe er gezeigt, sich bereits abschließend eine Meinung gebildet zu haben und am Ergebnis seines Erstgutachtens festhalten zu wollen. Das Privatgutachten habe er „als Studie abqualifiziert“ und - nach lediglich einer ersten Sichtung - bereits „von methodischen und materiellen Mängeln gesprochen“. Die erhobenen Einwendungen wolle er nicht neutral und objektiv prüfen, obwohl er mit der „exorbitant kostenträchtigen Begutachtung“ noch gar nicht begonnen, sondern nur eine erste Sichtung vorgenommen habe. Der geschätzte Aufwand sei „drastisch überhöht“. Die Kostenschätzung belege, dass die bisherige Begutachtung offenkundig grob mangelhaft vorgenommen worden sei und das Ergänzungsgutachten lediglich dazu dienen solle, eklatante Defizite nachzubessern. Der geschätzte Zeitaufwand von 1.500 bis 2.000 Stunden lasse besorgen, dass der Sachverständige „in Verkennung seines Auftrags weitere Forschungen betreiben wolle“, statt die vorgebrachten Einwendungen zu prüfen.

 

Die Antragsteller sind dem Ablehnungsgesuch entgegengetreten; auch der Sachverständige hat mit Schreiben vom 19.07.2013 (Bl. 1211 ff. d. A.) von sich gewiesen, die Einwendungen nicht unvoreingenommen prüfen zu wollen.

 

Mit Schriftsatz vom 22.07.2013 (Bl. 1170 ff. d. A.) hat die Antragsgegnerin ergänzt, der Sachverständige sei inzwischen in einem Schadensersatzprozess vor dem Oberlandesgericht München um den Untergang der Kirch-Medien-Gruppe (5 U 2472/09 OLG München) verpflichtet worden, ein außerordentlich komplexes Bewertungsgutachten innerhalb von acht Monaten zu erstellen. Er könne daher nicht in der Lage sein, seinen Gutachtenauftrag im vorliegenden Spruchverfahren in einem angemessenen zeitlichen Rahmen zu erfüllen, zumal er beide Gutachten höchstpersönlich zu erstatten habe.

 

Mit Beschluss vom 20.08.2013 hat das Landgericht das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen (Bl. 1248 ff. d. A.). Gründe, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen, lägen nicht vor. Solche ergäben sich weder aus dem Schreiben des Sachverständigen vom 17.05.2013 noch aus dem Umstand, dass er zwischenzeitlich als Sachverständiger im Verfahren zwischen den Erben Leo Kirch und … vor dem Oberlandesgericht München bestellt worden sei. Der Inhalt des Schreibens vom 17.05.2013 lasse den Schluss auf eine Vorfestlegung nicht zu. Dagegen spreche bereits der vom Sachverständigen genannte Zeitaufwand, der nur anfallen könne, wenn in dem Ergänzungsgutachten eine wissenschaftlich fundierte Beschäftigung mit den Rügen der Antragsgegnerin und einiger Antragsteller erfolge. Dass diese Beschäftigung zu einem bereits jetzt feststehenden Ergebnis führen werde, könne dem Schreiben nicht entnommen werden, insbesondere könne ein solcher Schluss nicht aus dem Umstand gezogen werden, dass der Sachverständige Fehlerbehebungen in der Studie des Prof. M., Widerlegung von Kritikpunkten und Widerlegung von falschen Behauptungen anführe. Die Befürchtung, der Sachverständige könne angesichts des Gutachtenauftrages des Oberlandesgerichts München sein Ergänzungsgutachten in vorliegendem Verfahren nicht in angemessener Frist vorlegen, sei schon angesichts des von ihm genannten Zeitrahmens nicht gerechtfertigt, den die Kammer gegebenenfalls unter Anwendung von § 411 Abs. 2 ZPO durchsetzen werde.

 

Gegen diesen ihr am 10.09.2013 zugestellten Beschluss richtet sich die Antragsgegnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 24.09.2013, eingegangen am selben Tag (Bl. 1289 ff. d. A.), mit der sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Der Sachverständige sei voreingenommen und nutze seine Gutachtertätigkeit auf ihre Kosten für die „Propagierung“ einer „von ihm erdachten, bewertungsrechtlichen Einzelmeinung“. Ein Spruchverfahren sei „keine Spielwiese für die Anwendung noch nicht erforschter Bewertungsmethoden“.

 

Mit Schriftsatz vom 05.12.2013 (Bl. 1365 ff. d. A.) hat die Antragsgegnerin ergänzt, erst jetzt Kenntnis davon erlangt zu haben, dass die J.  AG in einem vor dem Kammergericht Berlin anhängigen Spruchverfahren im Anschluss an einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen …  als „Parteigutachter“ für die auch im vorliegenden Verfahren beteiligten Antragsteller zu 65) bis 69) sowie 71) bis 73) tätig geworden sei. In dem dortigen Verfahren würden diese Antragsteller wie im vorliegenden Spruchverfahren durch dieselben Verfahrensbevollmächtigten – Rechtsanwälte … in E. – vertreten. Dort habe die J.  AG unter dem 22.12.2010 ein „umfangreiches“ Privatgutachten zur Bestimmung u. a. des Betafaktors erstattet; am 31.03.2012 sei ein von dem Sachverständigen persönlich unterzeichnetes „umfangreiches“ Ergänzungsgutachten vorgelegt worden. Dieses habe er in einer mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht „durch zahlreiche Wortbeiträge“ gegenüber dem dort gerichtlich bestellten Sachverständigen …  „in unmittelbarer Auseinandersetzung verteidigt“ und sich „nachdrücklich“ für „die Verwendung des unternehmenseigenen Betafaktors bzw. gegen dessen Anpassung“ ausgesprochen. „Hier wie dort“ vertrete er im Interesse der Antragsteller eine Meinung, die weder von den Bewertungsgutachtern noch von den sachverständigen Prüfern geteilt und auch sonst in der Wissenschaft nicht vertreten werde. Dieser „eigentümliche Sonderweg“ diene in beiden Verfahren allein den Antragstellern, von denen der Sachverständige „mutmaßlich fürstlich entlohnt“ werde (Bl. 1370 d. A.). Er habe seine Tätigkeit als „Parteigutachter“ geheim gehalten und sei daher „offensichtlich nicht nur voreingenommen“, sondern „agiere offenbar auch noch im Zusammenwirken mit zahlreichen Antragstellern unter dem Deckmantel der vermeintlich neutralen Gerichtsgutachtertätigkeit“ (Bl. 1368 d. A.).

 

Mit Schriftsatz vom 11.12.2013 (Bl. 1373 ff. d. A.) hat die Antragsgegnerin weiter ergänzt, der Sachverständige sei überdies inzwischen in einem Spruchverfahren vor dem Landgericht München I im Anschluss an einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen …  für ebenfalls von den Rechtsanwälten … in E. vertretene Antragsteller tätig geworden, „um eine Heraufsetzung der Abfindung und des Ausgleichs zu rechtfertigen“.

 

Die Antragsgegnerin beantragt,

 

den Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 20.08.2013 aufzuheben und den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit von seiner Tätigkeit zu entbinden.

 

Die Antragsteller zu 1) bis 7), 19), 20), 25) bis 29), 40), 56) bis 58), 65) bis 80) und der gemeinsame Vertreter der Minderheitsaktionäre beantragen,

 

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen. 

 

Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss. Die Antragsteller zu 65) bis 80) tragen überdies vor, in den Jahren 2007 bis 2013 seien der J.  AG insgesamt 7 Prüfungsaufträge durch ihre Verfahrensbevollmächtigten, Rechtsanwälte …in E., für verschiedene Mandanten erteilt worden. Entgegen der Darstellung der Antragsgegnerin seien jedoch weder die Sachverhalte, die den jeweiligen Gutachten zu Grunde gelegen hätten, identisch, noch bestehe ein sachlicher Bezug zum vorliegenden Spruchverfahren.

 

Der Sachverständige weist eine wirtschaftliche Abhängigkeit von den Antragstellern zu 65) bis 69) sowie 71) bis 73) bzw. deren Verfahrensbevollmächtigten von sich; die J.   AG sei vielmehr ganz überwiegend direkt für Industrieunternehmen und ohne Bezug zu aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen tätig.

 

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst zulässig in Bezug genommener Anlagen verwiesen.

 

B.

 

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 17 Abs. 1 SpruchG i. V. m. § 15 Abs. 1 FGG a.F., 406 Abs. 5, 2. Halbsatz ZPO zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Befangenheitsgesuch ist – auch unter Berücksichtigung des Vorbringens in den Schriftsätzen vom 05.12.2013, 11.12.2013 und 05.02.2014 - unbegründet.

 

I.

Gemäß § 406 Abs. 1 S. 1 ZPO in Verbindung mit §§ 42 Abs. 2, 44 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Für die Besorgnis der Befangenheit ist es nicht erforderlich, dass der vom Gericht beauftragte Sachverständige parteilich ist oder das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat. Vielmehr rechtfertigt bereits der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein der Parteilichkeit die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit. Dieser Anschein muss sich allerdings auf Tatsachen oder Umstände gründen, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber; subjektive und unvernünftige Gedankengänge der ablehnenden Partei haben dabei außer Betracht zu bleiben (vgl. BGH NJW-RR 1987, 893; Senat, Beschluss vom 24.05.2006, I-26 W 9/06 (AktE) m. w. N., zitiert aus JURIS; Beschluss vom 25.07.2013, I-26 W 7/13 (AktE), n.v.; Musielak/Huber, ZPO, 10.  Auflage, § 406 Rn. 4 m.w.N.). Mehrere Tatsachen, die für sich allein genommen eine Befangenheit (noch) nicht begründen, können in ihrer Gesamtheit aus der Sicht der ablehnenden Partei den Anschein der Parteilichkeit des Sachverständigen begründen (Musielak/Huber, aaO, § 406 Rn. 4, 11 a. E.; vgl. auch OLG München, Beschluss vom 04.07.2005, 1 W 1010/05, zitiert aus JURIS).

 

 

II.

Gemessen an diesen Grundsätzen ist eine Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem Sachverständigen Dr. G. weder aufgrund der Ausführungen in seinem Schreiben vom 17.05.2013, noch aufgrund seiner Gutachtertätigkeit in anderen Verfahren, eines Mangels an Sachkunde oder Fehlerhaftigkeit seines (Erst )Gutachtens - und zwar sowohl für sich betrachtet als auch in der Gesamtbeurteilung aller Umstände - gerechtfertigt.

 

1.

Das Verhalten des Sachverständigen bei der aktuellen Begutachtung bietet keinerlei Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit. Soweit die Antragsgegnerin ihren Befangenheitsantrag auf das Schreiben des Sachverständigen vom 17.05.2013 stützt, hat das Landgericht in den dortigen Ausführungen zu Recht keine Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit oder Vorfestlegung im Zusammenhang mit der Frage der Anwendbarkeit von Betafaktoren gesehen.

 

a)

Die Ausführungen des Sachverständigen lassen in keiner Hinsicht eine Vorfestlegung erkennen. Sie sind bei verständiger Würdigung des Wortlauts des Schreibens und seines Sinnes allein sachbezogen und nur im Zusammenhang mit der Begründung des Umfangs des Ergänzungsgutachtens, des damit verbundenen Arbeitsaufwands und der daraus resultierenden Kosten zu sehen. Dies gilt insbesondere soweit der Sachverständige anführt, für die Erstellung des Ergänzungsgutachtens sei das „Aufarbeiten“ der Ausführungen des Prof. M., die „Darlegung der methodischen und materiellen Mängel der Studie“, insbesondere die Gegenüberstellung der Ergebnisse mit anderen Studien, „die die Argumente … widerlegen“, die „Fehlerbehebung“ in der „Studie“ des Prof. M. und die Darlegung, dass das von ihm dargestellte Vorgehen „bei konsequenter Durchführung“ seine – Dr. Gs - Argumentation stütze, die „Widerlegung“ der Kritikpunkte in den Ausführungen G, sowie das „Aufarbeiten“ der Kritikpunkte der Antragsgegnerin sowie die „Widerlegung falscher Behauptungen“ notwendig. Dem Schreiben kann dagegen nicht entnommen werden, dass sich der Sachverständige einseitig - zu Gunsten der Antragsteller - festgelegt hat oder in jedem Fall an dem Ergebnis seines (Erst-)Gutachtens festhalten und sich mit den Einwendungen nicht ausschließlich sachbezogen auseinandersetzen wird.

Bereits der Arbeitsaufwand, den der Sachverständige für die ergänzende Begutachtung veranschlagt, spricht gegen die von der Antragsgegnerin befürchtete Vorfestlegung des Sachverständigen und zeigt vielmehr, dass auch er – wie zu Recht von der Antragsgegnerin selbst eingefordert - für die Durchführung der ergänzenden Begutachtung eine zeitaufwendige Befassung mit den Einwendungen und damit auch mit dem Gutachten des Prof. M. für notwendig hält. Auf die gerichtliche Aufforderung zur Kostenschätzung hin hat er „nach einer ersten Sichtung“ einen voraussichtlichen Zeitaufwand von etwa 1.500 bis 2.000 Stunden für die ergänzende Begutachtung kalkuliert.

 

Aus der Bezeichnung der stichwortartig dargestellten, „nach erster Abschätzung“ notwendigen Arbeitsschritte kann bei objektiver Betrachtung nicht der Schluss auf eine inhaltliche Voreingenommenheit des Sachverständigen gezogen werden. Sowohl der Sachverständige Dr. G. wie auch der von der Antragsgegnerin beauftragte Prof. M. nehmen derzeit für sich in Anspruch, in zutreffender Weise den vorliegend zu verwendenden Betafaktor zutreffend ermittelt zu haben, wobei sie ihre Auffassung jeweils durch bisherige wissenschaftliche Erkenntnisse bestätigt sehen. Bei einem solchen auf hohem wissenschaftlichen Niveau geführten Meinungsstreit unter Bewertungswissenschaftlern vermag es nicht die Besorgnis der Befangenheit zu begründen, wenn der gerichtlich bestellte Sachverständige, der über einen Zeitraum von nahezu drei Jahren mit der umfassenden Neubewertung des Unternehmens befasst war, eine eigene Studie zur Bestimmung des Betafaktors erarbeitet hat und den weiteren Zeitaufwand für die Auseinandersetzung mit dem Privatgutachten und weiteren Einwendungen auf zusätzlich 1.500 bis 2.000 Stunden schätzt,  nach dessen erster Sichtung im Rahmen seiner Kostenschätzung eine Terminologie wählt, die sein Gutachten zum Ausgangspunkt nimmt und zunächst weiter die Richtigkeit seines Standpunktes unterstellt. Die Nennung der „nach bisheriger Abschätzung“ notwendigen Prüfungsschritte dient in diesem Kontext ganz ersichtlich allein dazu, die beabsichtigte methodische Vorgehensweise bei der ergänzenden Begutachtung und den damit verbundenen Aufwand darzulegen.

 

Dass der Sachverständige derzeit auch in der Sache nur von einer - allenfalls - vorläufigen Einschätzung ausgeht, wird durch seinen – wiederholten – Hinweis, bei dem von ihm geschätzten Stundenaufwand wie auch bei den angeführten Arbeitsschritten handele es sich um Angaben „nach einer erster Sichtung“ (Bl. 1139 d. A.) bzw. „nach bisheriger Abschätzung“ (Bl. 1140 d. A.) unmissverständlich belegt. Aus Sicht eines ruhig und vernünftig denkenden Beteiligten kann daher kein Zweifel daran bestehen, dass die beabsichtigte Vorgehensweise des Sachverständigen schlicht darauf ausgerichtet ist, sich eingehend mit den Einwendungen gegen sein Erstgutachten auseinanderzusetzen, ohne sich bereits mit der Kostenschätzung auf einen bestimmten Prüfungsumfang oder gar ein bestimmtes Ergebnis der ergänzenden Begutachtung festlegen zu wollen.

 

b)

Die Ausführungen des Sachverständigen lassen auch die gebotene Sachlichkeit nicht außer Acht, so dass auch insoweit Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit nicht erkennbar sind. Begründete Zweifel an der Unvoreingenommenheit eines Sachverständigen können hervorgerufen werden, wenn Spannungen zwischen dem Sachverständigen und einer Partei bzw. deren Verfahrensbevollmächtigten oder sonstigen Hilfspersonen bestehen und diese im Verfahren etwa durch unsachliche Reaktionen auf Einwendungen gegen das Gutachten zu Tage treten, so wenn er Einwände unbesehen abqualifiziert oder mit unsachlicher und überzogener Kritik an der Partei oder an der von ihr eingeschalteten Hilfsperson reagiert (OLG Saarbrücken NJW-RR 2008, 1087 ff.). Denn soweit eine Partei seine Sachkunde oder seine Vorgehensweise angreift, darf der Sachverständige sich dagegen nur in sachlicher Weise zur Wehr setzen.

 

Soweit die Antragsgegnerin jedoch meint, das Schreiben vom 17.05.2013 enthalte derartige negativ besetzte Wertungen hinsichtlich der von ihr vorgebrachten Einwendungen bzw. des Gutachtens des Prof. M., weil der Sachverständige die von ihr in Auftrag gegebene Analyse „als Studie abqualifiziert“ habe, kann der Senat dem schon im Ansatz nicht folgen. Der Begriff „Studie“ steht synonym für jegliche Abhandlung, Arbeit, Betrachtung, Untersuchung oder Analyse (Duden) und ist schon für sich betrachtet wertneutral. Dass auch Prof. M. dem kein anderes Verständnis beimisst, ergibt sich schon daraus, dass er selbst in der Vorbemerkung seines Gutachtens vom 25.08.2012 ausführt, er sei von der Antragsgegnerin am 27.03.2012 damit beauftragt worden, die „Studie“ des Dr. G. und deren Schlussfolgerungen für die Bestimmung des Betafaktors im vorliegenden Verfahren zu prüfen. Die von dem Sachverständigen – wie auch an mehreren Stellen des Gutachtens von Prof. M. selbst – gewählte Bezeichnung einer wissenschaftlichen Arbeit als „Studie“ ist danach schon sachlich nicht unzutreffend, so dass ihr keinesfalls eine negative Grundhaltung des Sachverständigen oder eine Geringschätzung entnommen werden kann.

 

c)

Schließlich handelt es sich bei der Behauptung der Antragsgegnerin, der Sachverständige wolle „in Verkennung seines Auftrags weitere Forschungen betreiben“, statt die vorgebrachten Einwendungen zu überprüfen, um einen ohne jegliche tatsächliche Grundlage geäußerten Vorwurf, der schon deshalb eine Besorgnis der Befangenheit nicht im Ansatz begründen kann. Die in diesem Zusammenhang geäußerte Wertung, die geschätzten Kosten für die Erstattung des Ergänzungsgutachtens seien „drastisch überhöht“ bzw. „exorbitant“, teilt der Senat nicht. Wie bereits dargelegt und von der Antragsgegnerin selbst ins Feld geführt, muss sich der Sachverständige, der sich mit sämtlichen gegen das Erstgutachten vorgebrachten Einwendungen auseinanderzusetzen hat, in gebotener Tiefe auch zwingend mit dem 40seitigen Gutachten des Prof. M. auseinandersetzen, welches sie allein zur wissenschaftlichen Untermauerung ihrer Argumentation gegen die Verwendung des unternehmenseigenen Betafaktors vorgelegt hat. Der insoweit von dem Sachverständigen geschätzte Zeitaufwand von 1.500 bis 2.000 Stunden ist vor diesem Hintergrund - auch mit Blick auf den zur gerichtlichen Kostenprüfung dezidiert dargelegten (vgl. Bl.1037 d. A.) Zeitaufwand von 3.710 Stunden für das Erstgutachten - nicht zu beanstanden. Im Übrigen wird der Sachverständige auch hinsichtlich des Ergänzungsgutachtens den tatsächlichen Zeit- und Kostenaufwand im Nachgang zur Gutachtenerstattung im Einzelnen nachprüfbar darlegen müssen.

 

2.

Auch die Tätigkeit des Sachverständigen in anderen Gerichtsverfahren rechtfertigt nicht die Besorgnis der Befangenheit.

 

 

a)

Die Bestellung zum Sachverständigen in dem Schadensersatzprozess um den Untergang der Kirch-Medien-Gruppe (5 U 2472/09 OLG München) und die damit einhergehende Aufgabe, ein außerordentlich komplexes Bewertungsgutachten innerhalb von acht Monaten zu erstellen, kann Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen nicht begründen. Grundsätzlich ist es weder bedenklich noch ungewöhnlich, dass ein Sachverständiger gleichzeitig mit mehreren – auch komplexen – Begutachtungen beschäftigt ist oder an verschiedenen Gerichtsverfahren mitwirkt. Es obliegt seiner eigenen Einschätzung und internen Organisation, ob er imstande ist, die an ihn gerichteten Gutachtenaufträge zu erfüllen; eine Befangenheit lässt sich daraus nicht herleiten. Wie schon das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, sieht die Zivilprozessordnung für den Fall hartnäckiger Fristüberschreitungen in § 411 Abs. 2 ZPO Ordnungsmaßnahmen bis hin zur Entpflichtung des Sachverständigen vor, über die das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat. Ungeachtet dessen ist der vorgenannte Rechtsstreit im Februar 2014 aber auch mit einem Vergleich abgeschlossen worden, so dass eine weitere Tätigkeit des Sachverständigen in jenem Verfahren ohnehin nicht zu erwarten ist. 

 

b)

Auch der in diesem Zusammenhang geäußerte Vorwurf der Antragsgegnerin, es sei offenkundig, dass der Sachverständige seiner Pflicht zur höchstpersönlichen Gutachtenerstattung nicht nachkommen wolle, begründet die Besorgnis einer Befangenheit nicht. Ihre Vermutung, dass „zumindest der ganz überwiegende Teil der ergänzenden Begutachtung“ von Hilfskräften übernommen werden solle, wird weder durch Tatsachen gestützt, noch von dem Sachverständigen - entgegen ihrer Darstellung - in seiner Stellungnahme vom 19.07.2013 (Bl. 1211, 1224 d. A.) eingeräumt. Dieser kann nur entnommen werden, dass er beabsichtigt, auf zwei bis drei geeignete Hilfskräfte zurückgreifen, die bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden etwa 12,5 Wochen, mithin drei Monate mit dem Ergänzungsgutachten beschäftigt seien. Unabhängig davon rechtfertigt ein solcher Umstand aber auch die Besorgnis der Befangenheit nicht. Gemäß § 407a Abs. 2 S. 2 ZPO ist die Zuziehung von Gehilfen grundsätzlich erlaubt. Diese dürfen für unterstützende Dienste nach Weisung und unter Aufsicht des Sachverständigen herangezogen werden, solange die wissenschaftliche Auswertung der Arbeitsergebnisse durch den Sachverständigen selbst erfolgt (vgl. Greger in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 404 Rn. 1a m. w. N.). Im Gutachten sind daher eingesetzte Hilfskräfte unter Angabe des Umfangs ihrer Mitwirkung namhaft zu machen; desweiteren ist auch ihre berufliche Ausbildung und Stellung zwecks Überprüfung ihrer Sachkunde darzulegen. Die Verpflichtung zur höchstpersönlichen Gutachtenerstattung schließt demnach weder aus, dass der Sachverständige - in einem seine Gesamtverantwortlichkeit nicht in Frage stellenden Umfang - Gehilfen hinzuzieht, noch gibt es allgemein gültige Regeln für den Einsatz solcher Mitarbeiter, so dass diesen auch wichtige Abschnitte der gutachtlichen Untersuchungen übertragen werden dürfen. Die Grenze ist erst dann überschritten, wenn der Sachverständige selbst die Arbeiten nicht mehr überschaut und auch die wissenschaftliche Auswertung und Gesamtbeurteilung der Ergebnisse dem Gehilfen überlässt oder dazu nicht mehr in der Lage ist. Prozessuale Folge wäre in einem solchen Fall indessen allenfalls, dass der Richter den ursprünglich ernannten Sachverständigen entlassen und ggfs. den Gehilfen zum Sachverständigen ernennen müsste (vgl. nur Musielak/Huber, a.a.O., § 407a Rn. 3, § 404 Rn. 3).

 

c)

Auch der erst im Beschwerdeverfahren geltend gemachte Umstand, dass der Sachverständige bzw. die J.  AG in einem anderen Spruchverfahren ein Privatgutachten für die hiesigen Antragsteller zu 65) bis 69) sowie 71) bis 73) erstellt hat, bereits mehrere Male als Privatgutachter für von den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller zu 65) bis 80) des vorliegenden Spruchverfahrens vertretene Aktionäre tätig gewesen ist und er dies gegenüber dem Gericht und den Beteiligten nicht offenbart hat, rechtfertigt unter keinem in Betracht kommenden Gesichtspunkt die Besorgnis der Befangenheit.

 

aa)

Jeder Sachverständige, gleich ob er im Auftrag des Gerichts oder eines privaten Auftraggebers tätig ist, ist im Rahmen seiner gutachterlichen Arbeit zu Objektivität verpflichtet (vgl. § 410 Abs. 1 ZPO; Heck in: Bayerlein, Praxishandbuch Sachverständigenrecht, 3. Aufl., § 2 Rn. 25). Ohne das Hinzutreten weiterer, objektiv belastender Tatsachen ist daher davon auszugehen, dass die aus diesem objektiven Handeln resultierenden, sachverständigen Feststellungen an sachlichen bzw. fachgerechten Maßstäben ausgerichtet und nicht durch subjektive Beweggründe oder gar vorteilsorientierte Erwägungen beeinflusst sind. Schon daher rechtfertigt die zurückliegende private Beauftragung eines Sachverständigen mit einer Begutachtung grundsätzlich nicht den Verdacht, der Sachverständige „agiere im Zusammenwirken mit zahlreichen Antragstellern unter dem Deckmantel der vermeintlich neutralen Gerichtsgutachtertätigkeit“ (Bl. 1368 d. A.) und übe sein Amt – entgegen seiner Verpflichtung zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit (vgl. § 410 Abs. 1 ZPO) – voreingenommen aus. Dies gilt auch und gerade für den Bereich der Unternehmensbewertung, in der – wie dem Senat aus den bei ihm für das Bundesland Nordrhein-Westfalen konzentrierten Beschwerdeverfahren bekannt ist – eine überschaubare Zahl von Sachverständigen und wenige große Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (vgl. zur Dominanz der „Big“-Wirtschaftsprüfungsgesellschaften an der Gutachtenpraxis: Henselmann/ Munkert/ Winkler/ Schrenker, WPg 2013, 1206 f.) regelmäßig in wechselnder Funktion, etwa als Bewertungsgutachter und sachverständiger Prüfer im Vorfeld beabsichtigter Strukturmaßnahmen sowie als gerichtliche Sachverständige bei deren späterer gerichtlicher Überprüfung tätig sind und die zugleich geprägt davon ist, dass sich zahlreiche Fragen ständig im Fluss befinden, so dass naturgemäß auch unterschiedliche wissenschaftliche Standpunkte vertreten und diskutiert werden. Dies kann für sich betrachtet keinesfalls den Anschein einer Parteilichkeit erwecken. Eine solche Wertung liefe auf eine unzulässige Vorwegdisqualifizierung hinaus (so auch OLG Rostock, Beschluss vom 05.02.2001, 7 W 137/00, zitiert aus JURIS Rn. 7), die - jedenfalls ohne Hinzutreten weiterer, objektiv belastender Umstände - nicht gerechtfertigt ist. Solche könnten allerdings bei einer derart engen geschäftlichen Verbundenheit gegeben sein, die darauf hinausläuft, dass der Sachverständige von einer der Parteien wirtschaftlich abhängig ist (RG JW 1898, 2020 Nr. 10; RG JW 1899, 487 Nr. 16; OLG Hamburg MDR 1983, 412, 413).

 

bb)

Derartige Umstände sind indes vorliegend weder aufgezeigt, noch sonst ersichtlich.

 

 

(1)

Soweit die Antragsgegnerin die Privatgutachtertätigkeit des Sachverständigen in Spruchverfahren nach Strukturmaßnahmen der … anführt, sind Umstände, die auf eine Voreingenommenheit des Sachverständigen im vorliegenden Spruchverfahren schließen lassen könnten, bei gebotener objektiver Betrachtung nicht im Ansatz erkennbar.

 

Dass von Seiten der J.  AG im Zusammenhang mit einem der beiden anhängigen … -Spruchverfahren, wie von der Antragsgegnerin hervorgehoben, ein „umfangreiches“ Privatgutachten verfasst worden sein soll, reicht dafür ersichtlich nicht aus, zumal der Sachverständige daran – unstreitig – nicht beteiligt war. Auch die Darlegung seiner sachverständigen Beurteilung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Berlin in Anwesenheit des dortigen Sachverständigen begründet keinerlei Anzeichen, die auf seine Voreingenommenheit im vorliegenden Verfahren schließen lassen könnten, selbst wenn er dort das Ergebnis seiner Begutachtungen „durch zahlreiche Wortbeiträge“ und „nachdrücklich“ verteidigt haben sollte. Es ist weder ungewöhnlich noch zu beanstanden, wenn ein Privatgutachter das Ergebnis seiner Überprüfungen in einer mündlichen Verhandlung verteidigt. Einwendungen einer Partei gegen Gutachten auch eines gerichtlichen Sachverständigen sind stets ernst zu nehmen; auch das jeweilige Gericht hat sich sorgfältig damit auseinanderzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 02.06.1987, VI ZR 174/86, zitiert aus JURIS). Dies gilt erst recht, wenn die Partei ein Privatgutachten vorlegt, das im Gegensatz zu Erkenntnissen des gerichtlichen Sachverständigen steht (vgl. BGH, Urteile vom 19.05.1981, VI ZR 220/79 und vom 10.12.1991, VI ZR 234/90, jeweils zitiert aus JURIS). Zugleich darf sich ein Sachverständiger gegen Angriffe gegen seine Sachkunde oder seine Vorgehensweise zur Wehr setzen (vgl. nur Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 406 Rn. 39, 40 m. w. N.).

 

(2)

Die weitere Behauptung, die J.  AG habe sich unter dem 22.12.2010 für „die Verwendung des unternehmenseigenen Betafaktors bzw. gegen dessen Anpassung“ ausgesprochen; „hier wie dort“ habe der Sachverständige „im Interesse der Antragsteller“ eine Meinung vertreten, die weder von den Bewertungsgutachtern noch von den sachverständigen Prüfern geteilt und auch sonst in der Wissenschaft nicht vertreten werde, überzeugt nicht. Wie der Sachverständige und die Antragsteller zu 65) bis 80) – von der Antragsgegnerin unwidersprochen – ausgeführt haben, ist der Sachverständige im Zusammenhang mit dem Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag zwischen  … lediglich mit der Analyse von Teilbereichen der dort vorgelegten Unternehmensplanung beauftragt worden; der Prüfungsauftrag erstreckte sich daher schon von vornherein nicht auf die hier zwischen den Beteiligten streitige Frage des zu verwendenden Betafaktors. Gleiches gilt im Ergebnis für die Spruchverfahren im Anschluss an die aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen der …, in denen – von der Antragsgegnerin ebenfalls unbestritten - zwischen sämtlichen Gutachtern Einigkeit über die hinreichende Liquidität des unternehmenseigenen Betafaktors besteht. Hinsichtlich der sonstigen privatgutachterlichen Tätigkeit des Sachverständigen in anderen Spruchverfahren fehlt es an jeglicher konkreten Darlegung, die für einen, seiner Objektivität im vorliegenden Verfahren entgegenstehenden inhaltlichen Zusammenhang sprechen könnte.

 

(3)

Schließlich entbehrt der von der Antragsgegnerin geäußerte Verdacht, das Ergebnis der sachverständigen Beurteilung des Dr. G. diene in sämtlichen Verfahren „allein den Antragstellern“, von denen er „mutmaßlich fürstlich entlohnt“ werde (Bl. 1370 d. A.), jeder tatsächlichen Grundlage. Erst Recht ist für eine wirtschaftliche Abhängigkeit des Sachverständigen von bestimmten Antragstellern oder deren Verfahrensbevollmächtigten – insbesondere nach der von dem Sachverständigen offengelegten Auftragsstruktur der J.  AG (Bl. 1494 d. A.) – nichts ersichtlich.

 

Am vorliegenden Spruchverfahren sind über 80 Antragsteller und damit weit mehr Antragsteller beteiligt als nur die von den Rechtsanwälten … in E. vertretenen; zudem ist nur ein Teil der an den … -Verfahren beteiligten Antragsteller zugleich am vorliegenden Spruchverfahren beteiligt. Entgegen dem Vorwurf der Antragsgegnerin ist auch nicht feststellbar, dass der Sachverständige seine Feststellungen in einseitiger Weise „allein“ zugunsten der Antragsteller treffen würde. So sieht er dem Gutachten zufolge - entgegen den diesbezüglichen Rügen verschiedener Antragsteller - auf Basis seiner Analysen der geplanten Umsätze und operativen Ergebnisse der einzelnen Unternehmensbereiche sowie des Gesamtkonzerns keine Anhaltspunkte für eine nicht vollständige, willkürliche oder sachlich unrichtige Planung. Insbesondere hält er diese auch nicht für zu pessimistisch. Von der L ...Gesellschaft vorgenommene Anpassungen erachtet er für gerechtfertigt, um Erkenntnisse aus der Zeitspanne zwischen dem Zeitpunkt der Erstellung der Originalplanung und dem Bewertungsstichtag in die Planung zu integrieren (vgl. S. 91 f. GA). Die von der Bewertungsgutachterin verwendete Methodik für die Ableitung des nachhaltigen Ergebnisses hält er ebenfalls grundsätzlich für sachgerecht, ebenso wie den Wachstumsabschlag von 1,5 % (vgl. S. 116 GA). Den Risikozuschlag bildet er – wie die Bewertungsgutachterin – als Produkt aus Marktrisikoprämie und unternehmensspezifischem Betafaktor. Hinsichtlich der Bemessung der Marktrisikoprämie erachtet er - ebenfalls übereinstimmend mit der Bewertungsgutachterin - einen Wert von 5,5 % nach Steuern für angemessen (S. 136 GA). Zu Ungunsten der Antragsteller errechnet er - abweichend von dem Ergebnis des Bewertungsgutachtens - angesichts einer von ihm für sachgerecht erachteten Verkürzung der Durchschnittsbildung auf 30 Tage sowie der Berücksichtigung des Risikos und persönlicher Steuern einen um 0,347 %-Punkte erhöhten, einheitlichen Basiszinssatz von 4,347 % (vgl. S. 131 GA).

 

Überdies zeigt die von dem Sachverständigen selbst tabellarisch dargestellte  Struktur der Aufträge der J.  AG (Bl. 1478 d. A.) eindeutig, dass diese in dem Zeitraum von 2007 bis 2013 ganz überwiegend direkt für Industrieunternehmen und ohne Bezug zu aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen tätig war. Gutachterlichen Tätigkeiten im Zusammenhang mit aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen lag ganz überwiegend eine vorangegangene gerichtliche Bestellung zugrunde. Nur knapp 2 % ihrer Aufträge wurden ihr von Minderheitsaktionären erteilt, wobei der Anteil des Honorarvolumens durch Aufträge der Rechtsanwälte … nur 1,4 % ausmachte. Danach scheidet eine wirtschaftliche Abhängigkeit des Sachverständigen oder der J.  AG von einzelnen der hier beteiligten Antragsteller oder deren Verfahrensbevollmächtigten ersichtlich schon im Ansatz aus, ohne dass es noch weiter der von der Antragsgegenerin geforderten Offenlegung der absoluten Honorareinkünfte bedürfte. Zugleich bestand vor diesem Hintergrund kein Anlass, die privatgutachterliche Tätigkeit gegenüber den Verfahrensbeteiligten oder dem Gericht anzuzeigen.

 

3.

Soweit die Antragsgegnerin den Befangenheitsantrag auch auf die inhaltliche Mangelhaftigkeit des Erstgutachtens stützt und vorträgt, die bisherige Begutachtung zeuge von einer Verletzung grundlegender Pflichten des Sachverständigen, weil er sich lediglich auf eine „von ihm erdachte, bewertungsrechtliche Einzelmeinung“ stütze, das Ergänzungsgutachten solle lediglich dazu dienen, „eklatante Defizite“ nachzubessern, zieht sie ausschließlich Umstände heran, die ihre Ursache in einer Auseinandersetzung mit dem sachlichen Inhalt des schriftlichen Gutachtens haben. Mangel an Sachkunde, Unzulänglichkeiten oder Fehlerhaftigkeit mögen indes das Gutachten entwerten, rechtfertigen für sich alleine aber nicht die Ablehnung des Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit, weil dessen Unparteilichkeit dadurch nicht in Frage gestellt wird. Die Befangenheitsregelungen in der Zivilprozessordnung dienen nicht der Kontrolle von behaupteten Fehlern eines Sachverständigengutachtens; zur Fehler- und Inhaltskontrolle ist das Befangenheitsrecht nach allgemeiner Meinung weder geeignet noch geschaffen (vgl. nur: BGH NJW 2011, 1555; 2005, 1869; OLG Stuttgart Justiz 2012, 474 f.).

 

4.

Nach alledem bestehen keinerlei Anzeichen für eine Befangenheit des Sachverständigen. Die geltend gemachten Ablehnungsgründe tragen das Ablehnungsgesuch daher weder für sich betrachtet, noch bei zusammenhängender Würdigung.

 

5.

Das Landgericht wird nun - wie beabsichtigt - den Widersprüchen zwischen den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen und des Privatgutachters nachzugehen haben. Erkennbar widersprüchliche Gutachten können keine ausreichende Grundlage für die Überzeugungsbildung des Gerichts darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 16.04.2013, VI ZR 44/12, zitiert aus JURIS Rn. 19 m. w. N.). Grundsätzlich bleibt es dabei seinem pflichtgemäßem Ermessen überlassen, in welcher geeigneten Weise es seiner Aufklärungspflicht nachkommt (vgl. BGH, Urteil vom 10.12.1991, VI ZR 234/90, zitiert aus JURIS).

 

C.

 

Die Antragsgegnerin hat als unterlegene Partei die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Anders als für das Ablehnungsverfahren (1. Instanz) fallen für die erfolglose Beschwerde Gerichtskosten an (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 5, Abs. IV GNotKG; Zimmermann in: Münchener Kommentar zur ZPO, § 406 Rn. 18; Greger in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 406 Rn. 17). Die außergerichtlichen Kosten sind ebenso wie in den Verfahren der Richterablehnung nicht erstattungsfähig (vgl. Senat, Beschluss vom 25.07.2013, I-26 W 7/13 (AktE) - n. v. -; Beschluss vom 24.05.2006, I-26 W 9/06 (AktE) m. w. N., zitiert aus JURIS).

 

Der Wert des Beschwerdeverfahrens über die Ablehnung des Sachverständigen beträgt grundsätzlich einen Bruchteil des Hauptsachewertes (vgl. BGH, Beschluss vom 15.12.2003, II ZB 32/03, zitiert aus JURIS). Da dieser sich danach richtet, in welcher Höhe eine bare Zuzahlung festgesetzt wird bzw. bei Erfolglosigkeit des Spruchverfahrens begehrt wurde (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 15.04.2004, 20 W 5/04, zitiert aus JURIS m. w. N.), und der Ausgang des Verfahrens noch nicht feststeht, ist der Wert nach § 36 Abs. 1, Abs. 2 GNotKG zu schätzen (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 43. Aufl., § 36 GNotKG Rn. 18, 20). Der Senat schätzt den Wert der Hauptsache im Hinblick auf den ungewissen Verfahrensausgang derzeit auf den Mindestwert von 200.000 €, so dass der Wert des vorliegenden Beschwerdeverfahrens mit 67.000 € zu bemessen ist.

 

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