OLG Frankfurt: Zur Angemessenheit der Abfindung beim übernahmerechtlichen Squeeze out
OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 9.12.2008 - WpÜG 2/08
Sachverhalt
Die Antragstellerin - eine Anstalt des öffentlichen Rechts - veröffentlichte am 11.11.2007 ihre Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots bezüglich sämtlicher auf den Inhaber lautender Aktien der A (...) - einer börsennotierten Aktiengesellschaft - zum Preis von 36,09 € je Stückaktie. Der gewichtete durchschnittliche Börsenkurs der Aktien der Zielgesellschaft während der letzten drei Monate vor der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe des Übernahmeangebots betrug 30,26 € je Aktie. Das Grundkapital der A beträgt 80 640 000 € und ist in 13 440 000 auf den Inhaber lautende Stückaktien mit einem anteiligen Betrag am Grundkapital von 6,00 € je Aktie eingeteilt. Die Angebotsunterlage, deren Veröffentlichung von der BaFin mit Datum vom 04.12.2007 gestattet worden war, veröffentlichte die Antragstellerin am 5.12.2007. Die Frist für die Annahme des Übernahmeangebots begann am 5.12.2007 und endete am 2.1.2008, 24.00 Uhr MEZ. Bis zu diesem Stichtag wurde das Übernahmeangebot für insgesamt 13.098.931 Aktien angenommen, was einem Anteil von rund 97,462 % des Grundkapitals und der Stimmrechte der Zielgesellschaft entspricht. Der Erwerb von 44,34 Prozent der Aktien (=5 959 300 Aktien) beruhte auf unwiderruflichen Vereinbarungen (Irrevocable Undertakings) vom 11./12.11.2007 zwischen der Antragstellerin und vier auch namentlich in der Angebotsunterlage genannten Aktionären mit Beteiligungsquoten zwischen 5 und 25 %. In diesen Vereinbarungen hatten sich diese Aktionäre verpflichtet, die ihnen gehörenden Aktien der Antragstellerin bei einem Übernahmeangebot der Antragstellerin zu übertragen. Außerhalb des Angebotsverfahrens erwarb die Antragstellerin am 28.12.2007 weitere 20 153 Stückaktien ebenfalls zu einem Preis von 36,09 € je Aktie.
Die Antragstellerin gab unter Aufzählung im Einzelnen am 7.1.2008 bekannt, dass sämtliche Angebotsbedingungen mit Ablauf der Annahmefrist eingetreten waren. Die Übertragung der zum Verkauf eingereichten Aktien der A ist gegen Zahlung des Angebotspreises in bar erfolgt. Am 14.1.2008 gehörten der Antragstellerin 97,612 % des Grundkapitals und der Stimmanteile an der A (= 13 119 084 Stückaktien), wobei die Antragstellerin rund 0,15 % (= 20 153 Stückaktien) durch Parallelerwerb am
28.12.2007 erworben hat und 44,34 % (= 5 959,300 Stückaktien) aufgrund unwiderruflicher Verpflichtungserklärungen.
Mit einer am 15.1.2008 beim Landgericht eingegangenen Antragsschrift hat die Antragstellerin u. a. einen Übertragungsantrag hinsichtlich der Restaktien gem. § 39 a WpÜG gestellt. Diesen Antrag hat das Landgericht im elektronischen Bundesanzeiger vom 30.1.2008 bzw. am 22.2.2008 bekannt gemacht.
Die Antragstellerin hat vorgetragen, dass die Voraussetzungen des § 39a WpÜG vorlägen. Sie habe aufgrund des Angebots über 90 % des vom Angebot betroffenen Grundkapitals erworben, wobei bei der Berechnung der 90%-Grenze auch die Aktien einzubeziehen seien, die sie aufgrund der sog. Irrevocables erhalten habe.
Die Antragstellerin hat zuletzt beantragt,
die stimmberechtigten, auf den Inhaber lautenden, nennwertlosen Stückaktien der A (...) (ISIN: ..., WKN ...), die nicht bereits der B - ... - gehören, werden gegen Gewährung einer Abfindung in Höhe von EUR 36,09 je Stückaktie auf die B - ... - übertragen;
hilfsweise,
die stimmberechtigten, auf den auf den Inhaber lautenden, nennwertlosen Stückaktien der A (...) (ISIN: ..., WKN ...), die nicht bereits der B - ... - gehören, werden Zug um Zug gegen Gewährung einer angemessenen, von der B - ... - zu zahlenden Abfindung je Stückaktie auf die B übertragen.
Die Antragsgegner haben sich nach der Bekanntmachung im Bundesanzeiger am Verfahren beteiligt und sind den Anträgen mit teilweise unterschiedlichen Argumenten entgegen getreten.
So ist vorgebracht worden, das Landgericht Frankfurt am Main sei für die Entscheidung nicht zuständig. Der Antrag lasse die Rechtsform der Antragstellerin nicht erkennen, was ihn unwirksam mache.
Die §§ 39a ff WpÜG entsprächen nicht der Übernahmerichtlinie. Diese bestimme in Art. 15: „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass eine angemessene Abfindung garantiert wird." Es obliege deswegen dem nationalen Gesetzgeber, dafür Sorge zu tragen, dass der Aktionär auf jeden Fall eine angemessene Abfindung erhalte. Dies müsse einer vollständigen gerichtlichen Kontrolle unterliegen.
Das in den §§ 39a, 39b WpÜg enthaltene Regelungskonzept und insbesondere das Wertermittlungskonzept sei verfassungswidrig. Es seien keine den §§ 327a ff AktG vergleichbaren Schutzeinrichtungen zugunsten der Minderheitsaktionäre vorgesehen; jedenfalls wäre eine unwiderlegliche Angemessenheitsvermutung verfassungswidrig. Es gebe keinen Erfahrungssatz, dass das Übernahmeangebot dem inneren Wert entspreche. Die Übernahmerichtlinie verlange keine unwiderlegliche Vermutung. Eine unwiderlegliche Vermutung könne zur Folge haben, dass kein voller Wertersatz geleistet werden müsse. Es zeige sich in der Praxis immer wieder, dass der innere Wert einer Aktiengesellschaft über dem Preis liege, der im Rahmen eines öffentlichen Übernahmeangebots angeboten werde. Darüber hinaus werde durch die WpÜG-Regelung die Hauptversammlungskompetenz umgangen. Erfahrungen aus anderen Übernahmen hätten gezeigt, dass die Preise von WpÜG-Angeboten unter dem tatsächlichen Wert lägen. Bieter gäben ihr WpÜG- Angebot regelmäßig in Zeiten der Unterbewertung ab. Die Angemessenheit der angebotenen Abfindung müsse einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich sein. Hilfsweise sei hier ein Spruchverfahren einzuleiten.
Dem Antrag der Antragstellerin ließen sich die Übertragungsvoraussetzungen nicht entnehmen. Es fehle außerdem ein Sperrvermerk, der die Veräußerung der im Zeitpunkt der Antragstellung vorhandenen Aktien untersage. Die Angebotsunterlage habe nicht alle vorgeschriebenen Angaben enthalten. Die Antragstellerin habe den Erwerbsvorgang von 90 % nicht glaubhaft gemacht. Die vorgelegten Dokumente über den Erwerbsvorgang seien nicht aus sich heraus verständlich. Es werde noch nicht einmal deutlich, dass die Antragstellerin noch Eigentümerin der Aktien sei.
Es liege ein Missbrauch der Möglichkeiten des WpÜG vor, um eine gerichtliche Überprüfung der Abfindung der Minderheitsaktionäre zu umgehen. Mit den maßgebenden großen (Minderheits)Aktionären seien Kaufverhandlungen vorausgegangen, die nur deshalb nicht in Kaufverträge umgesetzt worden seien, um die §§ 39a ff WpÜG missbräuchlich nutzen zu können. Die Erwerbe aufgrund der Vorabvereinbarungen seien bei der Ermittlung der 90%-Grenze nicht zu berücksichtigen. Ein zeitlicher Zusammenhang sei hier nicht gegeben, da die Vereinbarungen mehr als drei Wochen vor dem Angebot getroffen worden seien. Jedenfalls aufgrund der großen Pakete und des geringen Streubesitzes von 5,741 % könne die Kapitalmarktvermutung der Angemessenheit nicht greifen. Das Nichtvorhandensein von Nebenabsprachen werde bestritten. Die Vertragspartner seien als Zeugen zu hören. Die Antragstellerin könne als Körperschaft des öffentlichen Rechts von der Enteignungsbestimmung für Private keinen Gebrauch machen. Die Abfindung von 36,09 € sei nicht angemessen, was sich aus den in den Jahren 2001, 2002 vorgenommenen Unternehmensbewertungen ergebe, wobei die tatsächlichen Gewinne die eingesetzten Planzahlen noch überschritten hätten und ein zu hoher Basiszins und eine zu hohe Thesaurierung angenommen worden sei. Die Ermittlung des Angebotswerts orientiere sich am Buchwert, der aber für die Unternehmensbewertung ungeeignet sei und dessen geringfügige Überschreitung das Angebot nicht als angemessen erscheinen lasse, zumal die Zielgesellschaft in den Jahren 1997 - 2006 stets eine Eigenkapitalrendite von mehr als 12 % vor Steuern, in der Spitze sogar von 22,9 % erwirtschaftet habe. Die Abfindung müsse jedenfalls den aktuellen Börsenkurs erreichen. Sie müsse bei mindestens 36,70 € bzw. 45 € liegen.
Zur Angemessenheit sei ein Sachverständigengutachten einzuholen. Es bestehe ein Informationsgefälle zwischen der Antragstellerin und den übrigen Aktionären, die keine aussagekräftigen Informationen über den Unternehmenswert hätten. Die Antragstellerin müsse wenigstens die Dokumente zur Due-Diligence-Prüfung vorlegen.
Es fehle außerdem eine dem § 327b Abs. 3 AktG vergleichbare Regelung, wonach der Bieter mittels einer Bankgarantie die Gewährleistung der Erfüllung seiner Verpflichtung übernehme. Der Aktionär trage das Insolvenzrisiko.
Mit Beschluss vom 5.8.2008 hat das Landgericht den Antrag der Antragstellerin auf Übertragung der Aktien ebenso abgewiesen wie deren Hilfsantrag, die Übertragung gegen einen angemessenen Abfindungsbetrag vorzunehmen. Die Gerichtskosten hat es der Antragstellerin auferlegt und eine Erstattung außergerichtlicher Kosten abgelehnt.
Gegen diesen Beschluss, der ihr am 8.8.2008 zugestellt worden ist, hat die Antragstellerin mit einem am 21.8.2008 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.
Die Antragstellerin bringt vor, die in § 39a WpÜG verwendete Formulierung „ist ....anzusehen" sei als eine gesetzliche Fiktion anzusehen. Sie verweist dabei auf die vergleichbare Formulierung in § 547 ZPO und meint, deswegen habe für den Gesetzgeber keine Veranlassung bestanden, im Sinne des § 292 ZPO einen Gegenbeweis auszuschließen. Der gesetzgeberische Wille ergebe sich aus der Formulierung selbst. Der Gesetzgeber habe etwas „Unwiderlegliches" formulieren und verhindern wollen, dass im Fall der Überschreitung der 90%-Grenze der Angebotspreis hinterfragt werden könnte. Über den gesetzgeberischen Willen gebe es auch nach dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens keine Unklarheiten. Die gesetzliche Fiktion der Angemessenheit des Angebotspreises verstoße auch nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Der Gesetzgeber habe bei der Regelung des § 39a Abs. 3 WpÜG von seinem Ermessensspielraum im Rahmen des Art. 14 GG Gebrauch gemacht. Da der Gesetzgeber nach der Konzeption der Übernahmerichtlinie auch über die dortigen Annahmen habe hinausgehen dürfen, komme es auf das vermeintlich richtige sprachliche Verständnis der englischsprachigen oder französischsprachigen Fassung der Richtlinie nicht an. Die Richtlinie regele nicht, wie die Mitgliedstaaten eine angemessene Abfindung sicherstellen sollten. Die Widerlegung der Angemessenheitsvermutung sei den Antragsgegnern nicht gelungen.
Die Antragstellerin bringt weiter vor, es sei nicht nachvollziehbar, wie das Landgericht zu dem überschlägig ermittelten Ertragswert komme. Unter Verwendung der
Prämissen des Landgerichts ergäben sich niedrigere Werte. Die unterstellten Annahmen stimmten nicht mit den für Unternehmensbewertungen anzuwendenden Parametern überein und seien in sich nicht konsistent. Der endgültige Angebotspreis habe deutlich über dem ermittelten Ertragswert gelegen.
Die Antragstellerin hält an ihrem erstinstanzlich gestellten Hauptantrag fest und stellt weiter drei Hilfsanträge, nämlich die Übertragung der Aktien zum Preis von 36,09 € je Stückaktie auszusprechen und den ausgeschlossenen Aktionären den Weg ins Spruchverfahren offen zu lassen, sofern diese eine höhere Abfindung erreichen wollten und den Rechtsstreit insoweit abzutrennen und an das Landgericht Hannover zu verweisen, hilfsweise dafür zu sorgen, dass eine angemessene Abfindung gefunden und gegen Zahlung dieser angemessenen Abfindung die ausstehenden Aktien übertragen werden und äußerst hilfsweise, das Verfahren an das Landgericht zurückzuverweisen.
Die Antragsgegner verteidigen im Ergebnis aber teilweise mit unterschiedlichen Argumenten den angefochtenen Beschluss soweit es nicht um die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten geht. Einige machen auch hilfsweise geltend, dass das Gericht eine höhere angemessene Abfindung bestimmen solle.
Die Antragsgegner bringen im Wesentlichen vor, die Voraussetzungen des § 39a WpÜG seien nicht erfüllt, denn der Bieter müsse die Aktien aufgrund des Angebots und nicht auf der Grundlage von Vorabsprachen oder Vorvereinbarungen erworben haben. Bei solchen Vorabsprachen und Vorvereinbarungen könnten die Paketinhaber noch ganz andere und nicht öffentlich gewordene Interessen verfolgen. Das anschließend veröffentlichte Angebot habe die Großaktionäre materiell nicht mehr betroffen, da die im Vorfeld einbezogenen Großaktionäre nur ihre bereits bestehende Verpflichtung erfüllten. Der Gesetzgeber sei bei der Vermutung der Angemessenheit außerdem von Angeboten an einen anonymen Markt und von Marktreaktionen auf derartige Angebote ausgegangen. Die Absprache mit den Großaktionären sei rechtsmissbräuchlich. Im vorliegenden Fall habe die Konstellation der Vorabsprachen dazu geführt, dass der veröffentlichte Angebotspreis nicht dem wirklichen Wert der Gesellschaft und ihrer Aktien für die freien Minderheitsaktionäre
entsprochen habe. Des Weiteren sei der Vortrag der Antragstellerin hinsichtlich der Einwendungen zu Planzahlen und Geschäftsberichten verspätet.
Der Squeeze-out nach § 39a f WpÜG genüge nicht der grundrechtlich geschützten Eigentumsgarantie, wenn keine Möglichkeit für Minderheitsaktionäre bestehe, in einem gerichtlichen Verfahren die Angemessenheit überprüfen zu lassen. Die Mehrheit könne sich auch irren. Es seien keine Bewertungsprofis. Im Unterschied zu aktienrechtlichen Ausschlussverfahren gebe es aber kein Verfahren zur nachträglichen Korrektur der Fehleinschätzungen. Es gebe keinen effektiven Rechtsschutz.
Die Bundesrepublik Deutschland habe mit mindestens 119 Staaten bilaterale Investitionsförderungs- und Investitionsschutzverträge (Bilateral Investment Treaties, kurz: BITs) zu dem Zweck geschlossen, um die Investitionsbereitschaft zu fördern. In diesen Verträgen sei geregelt, dass keine Enteignung oder enteignungsgleiche Maßnahme ohne prompte, angemessene und effektive Entschädigung erfolgen dürfe. Im Gegensatz zu sonstigen völkerrechtlichen Verträgen könnten sich auch private Investoren darauf berufen. Die Entschädigung müsse dem Wert der enteigneten Kapitalanlage unmittelbar vor dem Zeitpunkt entsprechen, in dem die tatsächliche oder drohende Enteignung öffentlich bekannt gemacht worden sei. Nach den BITs müsse die Rechtmäßigkeit der Enteignung sowie die Höhe der Entschädigung in einem ordentlichen Rechtsverfahren nachgeprüft werden. Ein solches Verfahren sei in § 39a WpÜG nicht verankert. Es fehle an einem Verfahren zur Überprüfung der Entschädigungshöhe. Ob ausländische Aktionäre beteiligt seien, habe das Gericht von Amts wegen zu prüfen.
Mehrere Antragsgegner haben wegen der fehlenden Kostenerstattung sofortige Beschwerde eingelegt. Sie bringen vor, die Kammer habe den Zweck einer Billigkeitsentscheidung verkannt und den Verfahrensausgang zu wenig berücksichtigt. Die Bestellung eines Rechtsanwalts sei für die einzelnen Antragsteller zur Interessenwahrnehmung zwingend geboten gewesen. Die Rechtslage sei nicht gesichert gewesen. Zwischen einer AG und den außenstehenden Aktionären bestehe außerdem ein strukturelles Ungleichgewicht. Den Minderheitsaktionären dürfe keine unvorhergesehene Kostenlast entstehen, wenn sie sich gegen den
Ausschluss in einem gerichtlichen Verfahren wehren wollten. Es habe sich außerdem um ein erstmaliges Verfahren gehandelt. Zu beachten sei auch, dass in den aktienrechtlichen Spruchverfahren ein gemeinsamer Vertreter zu bestellen sei, deren Kosten der Hauptaktionär in jedem Fall zu tragen habe.
Die Antragstellerin verteidigt die landgerichtliche Kostenentscheidung. Es sei kein Grund ersichtlich, warum sich der Umstand, dass einschlägige gerichtliche Entscheidungen fehlten, allein zu ihren Lasten auswirken sollte.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze nebst ihren Anlagen und die angefochtene Entscheidung verwiesen.
Aus den Gründen
II. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt (§ 39b Abs. 3 WpÜG). Die sofortige Beschwerde hat auch mit dem Hauptantrag Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht seine Zuständigkeit bejaht. § 39 a Abs. 5 WpÜG sieht für das vorliegende Verfahren die ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt am Main als Eingangsgericht vor. Der Bundesgesetzgeber hat entgegen der vorgebrachten Rügen seine gesetzgeberischen Kompetenzen damit nicht überschritten, denn die Zuständigkeitsregelung unterliegt seiner konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis aus Art. 74 Abs.1 Nr. 11 GG (BT-Drucks. 16/1003, S. 15).
Der Senat stimmt jedoch mit dem Landgericht nicht überein, soweit es den Antrag der Bieterin abgewiesen hat, weil die Angemessenheit der Abfindung nicht feststellbar sei.
Der Gesetzgeber hat einem Bieter durch das insoweit am 14.7.2006 in Kraft getretene Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz neben dem aktienrechtlichen Minderheitenausschluss gem. §§ 327a ff AktG ein kapitalmarktrechtliches Institut zum Ausschluss von Aktionärsminderheiten zur Verfügung gestellt (§§ 39a, 39b
WpÜG). Sinn und Zweck der Squeeze-out-Normen im WpÜG ist es, eine Möglichkeit vorzuhalten, nach der Minderheitsaktionäre nach einem erfolgreichen Übernahmeangebot zügig aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden können, um den Weg für etwaige Konzernierungs- und Strukturmaßnahmen frei zu machen (BT-Drucks. 16/1003, S. 14; vgl. Wilsing/ Ogorek, EWiR 2007, 763 ff). Der Bieter kann bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen zwischen beiden Instituten frei wählen (BT-Drucks. 16/1003, S. 14). Allerdings können beide Verfahren nicht parallel nebeneinander betrieben werden, denn § 39a Abs. 6 WpÜG sieht vor, dass im Fall der Stellung des übernahmerechtlichen Ausschlussantrags die §§ 327a bis 327f AktG keine Anwendung finden.
Gem. § 39a Abs. 1 WpÜG sind dem Bieter nach einem Übernahme- und Pflichtangebot, soweit ihm Aktien der Zielgesellschaft in Höhe von mindestens 95 % des stimmberechtigten Grundkapitals gehören, auf seinen Antrag hin die übrigen stimmberechtigten Aktien gegen die Gewährung einer angemessenen Abfindung durch Gerichtsbeschluss zu übertragen. Dabei ist die im Rahmen des Pflicht- oder Übernahmeangebots gewährte Gegenleistung als angemessene Abfindung anzusehen, wenn der Bieter aufgrund des Angebots Aktien in Höhe von mindestens 90 % des vom Angebot betroffenen Grundkapitals erworben hat (§ 39a Abs. 3 WpÜG). Die Antragstellerin erfüllt diese Voraussetzungen. Sie hat daher einen Anspruch auf Durchführung des übernahmerechtlichen Squeeze-out, den sie auch fristgerecht geltend gemacht hat (§ 39a Abs. 4 WpÜG).
Die Antragstellerin hat ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot für die Zielgesellschaft abgegeben. Sie hat glaubhaft gemacht, dass sie Inhaberin von 97,612 % des stimmberechtigten Grundkapitals ist. Damit hat sie die 95%-Schwelle, die zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre berechtigt, überschritten. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Antragstellerin auch die 90%-Erfolgsschwelle für die Angemessenheitsvermutung erreicht hat. Alle erforderlichen Nachweise über die Abwicklung des Übernahmeangebots einschließlich der Sperrkontenbestätigung bis zum Abschluss dieses Verfahrens sind im Laufe des landgerichtlichen Verfahrens erbracht worden. Im Einzelnen gilt dazu Folgendes:
Die Vermutung für die Angemessenheit des Preises gilt erst bei einer Annahmequote von 90 Prozent des vom Angebot betroffenen Grundkapitals (BT-Drucks. 16/1003, 14). Der Gesetzgeber hat damit in § 39a Abs. 3 WpÜG darauf gesetzt, dass der Markt ein angemessenes Angebot bestätigt oder anders herum ausgedrückt, dass ein nicht angemessenes Angebot keine Zustimmung von 90 Prozent der angesprochenen Marktteilnehmer erhalten wird.
Die Untergrenzen der Gegenleistung sind durch die Wertermittlungsvorschriften der
§ 31 WpÜG, §§ 4, 5 WpÜG-AngebotsVO verbindlich geregelt (König/Wilken/Felke, Praxis des Übernahmerechts, RWS-Skript 320 (2008), Rn. 643; Stöwe, Der übernahmerechtliche Squeeze-out, S. 64, 72). Die Gegenleistung für die Aktien der Zielgesellschaft muss mindestens dem Wert der höchsten vom Bieter, einer mit ihm gemeinsam handelnden Person oder deren Tochterunternehmen gewährten oder vereinbarten Gegenleistung für den Erwerb der Aktien der Zielgesellschaft innerhalb der letzten sechs Monate entsprechen (§ 4 WpÜG-AngebotsVO). Auch der Börsenkurs ist berücksichtigt. Mindestpreisgrenze ist der nach Umsätzen gewichtete durchschnittliche Börsenkurs während der letzten drei Monate vor Ankündigung des Angebots (§ 5 Abs.1 WpÜG-AngebotsVO; vgl. auch BT-Drucks. 16/1003, 14/15). Zum Schutz des Kapitalmarkts findet außerdem eine aufsichtsrechtliche Kontrolle durch die BaFin statt (§§ 14, 15 WpÜG; vgl. König/Wilken/Felke, Praxis des Übernahmerechts, RWS-Skript 320 (2008), Rn. 154 ff, 672 ff).
Ein Squeeze-out kann damit infolge der vorgesehenen Preisuntergrenze zusammen mit der 90-Prozent-Schwelle nur in einem Rahmen stattfinden, in dem die Interessen und Rechte der betroffenen Minderheitsaktionäre in angemessener Weise berücksichtigt und geschützt sind. Etwa abweichenden Angeboten ist durch § 31 WpÜG ein Riegel vorgeschoben. Bei Sondervereinbarungen erhöht sich auch für die übrigen Angebotsempfänger der jeweiligen Aktiengattung die geschuldete Gegenleistung wertmäßig um den Unterschiedsbetrag zum Angebot. Auch wenn der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 31 WpÜG und der WpÜG- AngebotsVO nicht den zwangsweisen Ausschluss von Minderheitsaktionären vor Augen hatte, wie von der Antragsgegnerseite vorgebracht wird, spricht das nicht dagegen, dass diese Vorschriften ein taugliches Gerüst dafür bilden, zusammen mit der 90-Prozentschwelle zu angemessenen Abfindungswerten zu führen.
Mit dem Landgericht geht auch der Senat davon aus, dass bei der Berechnung der 90-Prozentschwelle die Verträge einzubeziehen sind, durch die sich Aktionäre gegenüber der Bieterin im Vorfeld der Übernahme unwiderruflich zur Annahme des
Übernahmeangebots verpflichtet haben. Diese sogenannten Irrevocable Undertakings sind für den Bieter ein wirkungsvolles Instrument, die Erfolgschancen eines Übernahmeangebots zu erhöhen, was im Hinblick auf den erheblichen Aufwand, der für den Bieter mit einer solchen Übernahme verbunden ist, von besonderer Bedeutung sein kann. Sie werden in Deutschland vor allem seit dem Inkrafttreten des WpÜG eingesetzt. Im Vereinigten Königreich spielten sie schon länger im Hinblick auf die dort früher eingeführte Möglichkeit eines Squeeze-out eine bedeutende Rolle (v. Riegen, Rechtsverbindliche Zusagen zur Annahme von Übernahmeangeboten, ZHR 167, 702 ff). Dagegen wird zwar eingewandt, dass der Erwerb der Aktien nicht „aufgrund des Angebots" erfolgt sei, wie von § 39a Abs. 3 WpÜG gefordert, sondern aufgrund der bereits vor Abgabe des Angebots abgegebenen Verpflichtungserklärung. Dabei wird jedoch ausgeblendet, dass die Verpflichtungserklärung völlig von der Angebotsabgabe und dem übrigen Angebotserfolg abhängt. Der Schutz der Minderheitsaktionäre wird durch die Einbeziehung der Irrevocables auch nicht verwässert (Deilmann, Aktienrechtlicher versus übernahmerechtlicher Squeeze-out, NZG 2007, 721 ff, 722,723). Vielmehr ist gerade davon auszugehen, dass ein Großaktionär, der sich auf ein Irrevocable Undertaking zum Angebotspreis einlässt, einen höheren Erkenntnisstand hinsichtlich des Unternehmenswerts hat als ein Minderheitsaktionär, dem nur wenige Akten des Streubesitzes gehören, weswegen das Einverständnis des Großaktionärs eher als Ausdruck realistischer Marktbezogenheit angesehen werden kann.
Gegen die Aussagekraft des Markttests spricht auch nicht, dass sich das Zielunternehmen im Wesentlichen in den Händen weniger Großaktionäre befunden hat. Im Gegenteil hat sich in Vorgesprächen ergeben, wie die Antragstellerin selber vorbringt, dass sie das Zielunternehmen nicht zum damaligen Börsenpreis würde erwerben können, sondern das Angebot aufstocken musste. Es kann hier dahinstehen, ob Szenarien denkbar sind, in denen der Markt auch bei börsennotierten Gesellschaften keinen effektiven Schutz für das Aktieneigentum der Minderheitsaktionäre bietet (vgl. hierzu Heidel/ Lochner, Aktienrecht, 2. Aufl. 2007, §
39a WpÜG Rn. 43 mit Hinweisen auf das Gesetzgebungsverfahren). Der Senat vermag jedenfalls entgegen dem Vorbringen der Antragsgegnerseite weder einen Rechtsmissbrauch in Gestalt der Vereinbarungen mit den Großaktionären erkennen, noch dass durch das Vorgehen der Bieterin Marktmechanismen außer Kraft gesetzt worden sind.
Nicht entschieden werden muss vorliegend, ob der innerhalb der Angebotsfrist erfolgte parallele Paketerwerb ein Erwerbsvorgang ist, der bei der Ermittlung der Annahmequote zu berücksichtigen ist, denn dieser Erwerb ist mit 0,15 % so gering, dass es auf ihn für die Erreichung der Erfolgsquote nicht ankommt (bejahend: Ott, Der übernahmerechtliche Squeeze-out gem. §§ 39a f. WpÜG, WM 2008, 384 ff, 389 m. w. N.; bejahend zum Parallelerwerb auch Arnold, Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz, Squeeze-out künftig ohne HV möglich, AG 2004, R 224; Stöwe, Der übernahmerechtliche Squeeze-out, S. 72; Kießling, Der übernahmerechtliche Squeeze-out, 52 f, 152 f, verneinend: Geibel/Süßmann, WpÜG, 2. Aufl. 2008, § 39a Rn. 9; Santelmann in Steinmeyer/ Häger, WpÜG, 2. Aufl. 2007, § 39a Rn. 29).
Soweit die Antragsgegner hinsichtlich etwaiger von der Antragstellerin verneinter Nebenabreden Vorbehalte anbringen, bedarf es keiner weiteren Nachforschungen durch den Senat. Das bloße Bestreiten mit Nichtwissen ist nicht geeignet, einen hinreichenden Verdacht zu begründen, dass die Antragstellerin entgegen der gesetzlichen Vorgaben und der offen gelegten Vereinbarungen heimliche Nebenabreden getroffen hat. Abgesehen davon würden über § 31 Abs. 4 WpÜG auch die Konditionen des öffentlichen Angebots beeinflusst, so dass die Kriterien des mit der Erfolgsquote beabsichtigten Markttests erfüllt sind (so auch Paefgen, Der Zwangsausschluss im neuen Übernahmerecht, WM 2007, 765 ff, 769; Deilmann, Aktienrechtlicher versus übernahmerechtlicher Squeeze-out, NZG, 2007, 722 ff, 723). Für ein kollusives Zusammenwirken von Großaktionären mit der Bieterin fehlen jegliche Anhaltspunkte.
Nicht einfach zu beantworten ist die in der Literatur und auch in diesem Verfahren streitig ausgetragene Frage, ob die Angemessenheitsregelung des § 39a Abs. 3 S. 2 WpÜG, deren Voraussetzungen die Bieterin sämtlich erfüllt hat, als unwiderlegliche Vermutung oder als Fiktion oder als widerlegliche Vermutung anzusehen ist. Der
Senat kann diese Frage aber offen lassen, da sie hier nicht entscheidungserheblich ist, wie später noch auszuführen sein wird.
Nach der Gesetzesbegründung handelt es sich bei der Angemessenheitsregelung des § 39a Abs. 3 WpÜG um eine unwiderlegliche Vermutung (BT-Drucks. 16/1003, S. 22). Das hat auch das Landgericht unter Nennung zahlreicher Literaturstellen, auf die verwiesen wird und die ebenfalls von einer unwiderleglichen Vermutung ausgehen, nicht übersehen. Unwiderlegliche Vermutungen sind selten (Stein/Jonas/Leipold (2008), § 292 ZPO Rn. 5). Sie finden sich z. B. in § 1566 Abs. 1 und 2 BGB, auf den auch die Antragsgegnerseite verwiesen hat, und sind dort durch die Aufnahme des Wortes „unwiderruflich" im Gesetzestext der Vermutungsregel unmissverständlich gekennzeichnet. Dass eine Vermutung unwiderleglich sein soll, wird man nur bei klarer gesetzlicher Anordnung annehmen können (Stein/Jonas/Leipold (2008), § 292 ZPO Rn. 6; OVG Münster, NVwZ-RR 1989, 500).
Der Wortlaut in § 39a WpÜG „ist ....anzusehen" reicht aus, damit eine unwiderleglichen Vermutung angenommen werden kann. Andererseits - und darin ist dem Landgericht zuzustimmen - ist die Unwiderleglichkeit der Vermutung im Wortlaut des Gesetzes nicht so zwingend verankert, dass der Gesetzeswortlaut eine andere Auslegung abschneiden würde. Im Wortlaut des § 39a Abs. 3 WpÜG findet sich das Wort „unwiderleglich" nicht, das Erwähnen in den Motiven ist für sich allein nicht ausreichend für eine die Rechtsprechung unabweisbar bindende Annahme. Deswegen war das Landgericht nicht aufgrund einer Gesetzesbindung an einer anderen, nach seiner Ansicht verfassungskonformen Auslegung der Vorschrift gehindert.
Der übernahmerechtliche Squeeze-out in der jetzigen gesetzlichen Konzeption baut auch auf dem Vorliegen einer unwiderleglichen Vermutung auf, setzt diese also voraus, denn das Gesetz sieht für die Frage anderweitiger Angemessenheitsfeststellung durch das Gericht keine ausdrücklichen Verfahrenslösungen vor. Nach dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens könnte dies absichtlich erfolgt sein, denn die Bundesregierung antwortete auf einen entsprechenden verfahrensrechtlichen Erweiterungsvorschlag des Bundesrats, dass für die Geltendmachung von Bewertungsrügen im Squeeze-out-Verfahren nach den
§§ 39a und 39b WpÜG-E kein Bedürfnis bestehe, weil sich das übernahmerechtliche Squeeze-out grundlegend vom aktienrechtlichen unterscheide. Eine Vermischung der Regelungen sei zu vermeiden (BT-Drucks. 16/1342, S. 7).
Auffällig ist, dass die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zu den geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken und der entsprechenden Prüfbitte des Bundesrats zu einer unwiderleglichen Vermutung (BT-Drucks. 16/1342, S. 3) ausgeführt hat, dass man die Prüfung bereits vorgenommen habe. Aus europäischer Sicht seien die Vorgaben der Übernahmerichtlinie für den deutschen Gesetzgeber bindend und zwingend in nationales Recht umzusetzen. Mögliche Bedenken des nationalen Verfassungsrechts könnten dagegen nicht vorgebracht werden. Letzteres dürfte zwar von der Solange II -Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 73, 339 ff = JZ 1986, 236 ff m. Anm. von Rupp; vgl. auch BVerfG JZ 2000, 1155 ff m. Anm. von Classen; vgl. auch Wilsing/ Ogorek, Kommentar zur Vorentscheidung des Landgerichts, BB 2008, 2038/ 2939) gedeckt sein, die auf den Vorrang des Gemeinschaftsrechts und den gewährleisteten Grundrechtsschutz durch insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Gemeinschaften abgestellt und entsprechende Vorlagen nach Art 100 GG für unzulässig erklärt hat. Dies gilt allerdings nur soweit der deutsche Gesetzgeber bindendes Gemeinschaftsrecht umgesetzt hat. Ob dies hinsichtlich der Unwiderleglichkeit der Vermutung der Fall ist, ob es also dem deutschen Gesetzgeber an Spielräumen gefehlt hat, ist indessen nicht eindeutig zu beantworten.
In der deutschen Fassung der Übernahmerichtlinie (Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004), heißt es in Art. 15 Abs. 5 2. Unterabsatz: „...gilt die im Angebot angebotene Abfindung dann als angemessen, wenn der Bieter durch die Annahme des Angebots Wertpapiere erworben hat, die mindestens 90 % des vom Angebots betroffenen stimmberechtigten Kapitals entsprechen." Angesichts dieses Wortlauts erscheint zwar die Annahme naheliegend, dass die Richtlinie eine unwiderlegliche Vermutung vorgibt, nimmt man aber die Entstehungsgeschichte und andere Sprachfassungen der Richtlinie hinzu, wie es auch das Landgericht getan hat, so zeigen sich doch beachtliche Zweifel, ob die Richtlinie eine solche Vorgabe macht oder machen wollte. Bei den Beratungen für die Richtlinie ging man wohl von einer widerleglichen Vermutung aus (Kießling, Der übernahmerechtliche Squeeze-out gemäß §§ 39a, 39b WpÜG, S. 80 ff; Maul, Die EU-Übernahmerichtlinie- ausgewählte Fragen, NZG 2005, 151 ff, 157; Maul/ Muffat-Jeandet, die Übernahmerichtlinie - Inhalt und Umsetzung in nationales Recht (Teil II), AG 2004, 306ff, 317; Mülbert, Umsetzungsfragen der Übernahmerichtlinie - erheblicher Änderungsbedarf bei den heutigen Vorschriften des WpÜG, NZG 2004, 633 ff, 634; Paefgen, Der neue übernahmerechtliche Squeeze-out - die bessere Alternative?, Festschrift für Westermann (2008), S. 1221 ff, 1237; Paefgen, Zum Zwangsausschluss im Übernahmerecht, WM 2007, 765 ff, 767; Rühland, Der übernahmerechtliche Squeeze-out im Regierungsentwurf des Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetzes, NZG 2006, 401 ff, 407; Stöwe, Der übernahmerechtliche Squeeze-out, 101 ff; vgl. auch: Seibt/Heiser, Analyse der EU-Übernahmerichtlinie und Hinweise für eine Reform des deutschen Übernahmerechts, ZGR 2005, 200 ff, 243). Kießling führt aus, dass die englische Sprachfassung („shall be presumed" statt der Verwendung „shall be considered"), und die französische („est présumée" statt der Verwendung von „considerer") für eine widerlegliche Vermutung sprechen (Kießling, Der übernahmerechtliche Squeeze-out gemäß §§ 39a, 39b WpÜG, S. 77 ff, dort mit näheren Ausführungen und weiteren Beispielen aus dem spanischen und niederländischen Richtlinientext; Mülbert, Umsetzungsfragen der Übernahmerichtlinie - erheblicher Änderungsbedarf bei den heutigen Vorschriften des WpÜG, NZG 2004, 633 ff, 634; a. A. aber ohne Begründung Wirsing/Ogorek,BB 2008, 2038 ff, 2032; vgl. auch Wirsing/Ogorek, EWiR 2007, 763/764, Kurzkommentar zur Entscheidung des LG Frankfurt vom 02.08.2007). Maul/Muffat-Jeandet heben ebenfalls hervor, dass bei einer so hohen Erfolgsquote von der Richtlinie angenommen werde, dass der Angebotspreis angemessen sei. Wenn dies aber nicht zuträfe, könne gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen werden, da es sich um eine widerlegliche Vermutung handele (Maul/Muffat- Jeandet/Simon, Takeover bids in Europe (2008), Rn. 270 ff, 286, 287). Hörmann/Feldhaus (Die Angemessenheitsvermutung des übernahmerechtlichen Squeeze-out, BB 2008, S.2134 ff, 2138) ziehen dagegen den in der Übernahmerichtlinie zum Ausdruck gekommenen Beschleunigungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 lit. f) als weiteres Argument für die Unwiderleglichkeit der Vermutung heran.
Wie oben bereits erwähnt, kommt es für den vorliegenden Fall auf die Unterscheidung, ob eine unwiderlegliche oder eine widerlegliche Vermutung
anzunehmen ist, nicht an, weswegen es der Senat hier auch offen lassen kann, welcher Auslegung der Richtlinie der Vorrang zu geben ist. Deswegen scheidet auch hier eine Anrufung des EuGH durch den Senat als letztinstanzliches Gericht (§ 39b Abs. 3 S. 6 WpÜG) im Weg der Vorabentscheidung nach Art. 234 EG aus, denn eine Vorlage an den EuGH setzt voraus, dass die Auslegungs- bzw. Streitfrage des Gemeinschaftsrechts für die Fallentscheidung erheblich ist (Kokott, Sobotta, Die Pflicht zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof und die Folgen ihrer Verletzung, JZ 2006, 633 ff. 634; vgl. auch Hörmann/ Feldhaus, Die Angemessenheitsvermutung des übernahmerechtlichen Squeeze-out, BB 2008; 2134 ff, 2138; Paefgen, Der neue übernahmerechtliche Squeeze-out - die bessere Alternative?, Festschrift für Westermann (2008), 1221 ff, 1239; Paefgen, Zum Zwangsausschluss im Übernahmerecht, WM 2007, 765 ff, 767, 768). Eine Entscheidungserheblichkeit kommt dieser Streitfrage im vorliegenden Fall jedoch nicht zu.
Selbst wenn man den für die Antragsgegner günstigsten Fall annimmt und die Vermutung sowohl nach der Übernahmerichtlinie als auch nach den deutschen Bestimmungen als widerleglich ansieht, ist dem Übertragungsanspruch der Antragstellerin stattzugeben. Das Vorbringen der Antragsgegner und die Überlegungen des Landgerichts zum Unternehmenswert sind nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung zu widerlegen, dass die angebotene Gegenleistung eine angemessene Abfindung ist.
Aus den von einzelnen Antragsgegnern herangezogenen Ergebnissen verschiedener anderer (aktienrechtlicher) Spruchverfahren, die zu höheren Abfindungen geführt haben, lässt sich nichts gegen die Vermutung ableiten, da allgemeine Erfahrungen eine konkrete Vermutung nicht erschüttern können, worauf auch das Landgericht - insofern noch zutreffend - hingewiesen hat.
Soweit das Landgericht seine abweisende Entscheidung dann aber auf eine eigene überschlägige Berechnung stützt und durch diese die gesetzliche Vermutung für erschüttert hält, um dann den geltend gemachten Anspruch der Antragstellerin abzuweisen, ist der Ansatz des Landgerichts systemwidrig.
Mit der Wortwahl in § 39a Abs. 3 WpÜG „ist als angemessene Abfindung anzusehen" hat der Gesetzgeber den Wertungsmaßstab des § 327a Abs. 1 AktG übernommen, der für den aktienrechtlichen Squeeze-out ebenfalls bei Erreichen einer 95 %-Schwelle für den Hauptaktionär die Möglichkeit vorsieht, die Minderheitsaktionäre gegen Gewährung einer angemessenen Abfindung auszuschließen. Der Begriff der angemessenen Abfindung ist ein feststehender Maßstab für alle Abfindungsregelungen bei Strukturmaßnahmen. „Angemessenheit" ist im Übrigen ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Ausfüllung eine Rechtsfrage ist. Die Angemessenheit der Entschädigung als solche kann nicht Gegenstand einer Beweisaufnahme sein. Was „angemessen" ist, bestimmt sich aus den übergeordneten Gesichtspunkten des Verfassungsrechts und des Zivilrechts. Die Ermittlung der einzelnen Wertfaktoren ist dagegen Tatfrage (Großfeld, Unternehmens- und Anteilsbewertung im Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 17; Paulsen, Unternehmensbewertung und Rechtsprechung, WPg 2008, S. 109 ff, 109). Beim Squeeze-out geht es um die in der Gesellschaft verbundenen Beziehungen zwischen dem Hauptaktionär/Bieter und den Minderheitsaktionären, wobei mit dem Maßstab der „Angemessenheit" zwischen ihnen ein Interessenausgleich gefunden werden muss.
Beim aktienrechtlichen Spruchverfahren sieht das Gesetz ein umfangreiches Verfahren vor, um sicherzustellen, dass die Minderheitsaktionäre ihre volle Entschädigung erlangen. Es beginnt mit der Festlegung der Barabfindung durch den Hauptaktionär (§ 327b Abs. 1 AktG) und dessen schriftlicher Berichterstattung gegenüber der Hauptversammlung über die Voraussetzungen der Übertragung und die Erläuterung der Angemessenheit der Barabfindung (§ 327c Abs. 2 S. 1 AktG) und geht weiter mit der Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung durch einen oder mehrere unabhängige, vom Gericht bestellte sachverständige Prüfer (§§ 327c Abs. 2 S. 2 und 3 AktG), wobei die Aktionäre gegen eine etwaige schuldhafte Falschbewertung des Prüfers durch Schadensersatzansprüche geschützt sind (§§ 327c Abs. 2 S. 4, 293d Abs. 2 AktG, 323 HGB). Schließlich kann ein Minderheitsaktionär die Abfindungshöhe im Spruchverfahren gerichtlich überprüfen lassen, wenn er meint, die Barabfindung sei nicht angemessen (§ 327f S. 2 AktG).
Regelmäßig bildet der Börsenwert die Untergrenze für die Höhe der Barabfindung. Ansonsten ist bei der Unternehmensbewertung die Ertragswertmethode als Verfahren anerkannt. Danach werden die bilanzrechtlich ermittelten künftigen ausschüttbaren Ertragsüberschüsse auf den Tag der Hauptversammlung, in der der Squeeze-out beschlossen wird, abgezinst (vgl. Großfeld, Unternehmens- und Anteilsbewertung im Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 47). Das Gesetz schreibt das Ertragswertverfahren als Bewertungsmethode aber nicht vor. Vielmehr sind die angemessenen Ergebnisse unter Hinzuziehung der anerkannten Methoden der Betriebswirtschaft zu finden. Diese sind nicht statisch, sondern entwickeln sich unter dem Eindruck vielfältiger Einflüsse, wie neuer gesetzlicher Regelungen, der Globalisierung der Wirtschaft und aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse weiter. Es gibt keinen „richtigen" objektiven Unternehmenswert an sich. Darstellbar ist nur eine Bandbreite vertretbarer Bewertungen, gewissermaßen ein Zielkorridor, der bei zutreffenden realen Unternehmensdaten konsistente Bewertungsergebnisse enthält. Bewerten bedeutet auch vergleichen. Am Markt bekannte Preise für Unternehmen lassen sich nur dann auf das zu bewertende Unternehmen übertragen, wenn diese dem zu bewertenden Unternehmen möglichst vergleichbar sind. Die zu diskontierenden Zahlungsströme sind Erwartungswerte (vgl. Ballwieser, Betriebwirtschaftliche (kapitalmarkttheoretische) Anforderungen an die Unternehmensbewertung, WPg 2008, S. 102 ff, S. 103). Kommt es zu einer Anrufung der Gerichte, obliegt diesen die Feststellung, ob die gewählte Bewertungsmethode geeignet ist und ob die Ergebnisse zutreffend sind. Dieses aktienrechtliche Spruchverfahren führt zu teilweise überlangen Verfahrenszeiten.
Der Gesetzgeber wollte und durfte beim kapitalmarktrechtlichen Squeeze-out ein möglichst rasches und bei Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen auch relativ unkompliziertes Verfahren zur Verfügung stellen. Der Gesetzgeber hat zur Bestimmung der vollen Entschädigung zulässigerweise die Erkenntnisse des Markts bzw. Kapitalmarkts in Gestalt von Vorerwerben und der Börsenkurse herangezogen und dies mit einer marktkonformen Anbindung an die 90-Prozent-Schwelle gekoppelt. Im Allgemeinen kann man davon ausgehen, dass das Erreichen der Erfolgsschwelle von 90% die Marktkräfte widerspiegelt und dieser sehr hohe Angebotserfolg nicht erreicht werden kann, wenn dem Markt nicht der volle Ausgleich für die Unternehmensanteile angeboten wird. Der Markttest ersetzt also alle
betriebswirtschaftlichen Bewertungsmethoden zur Ermittlung der vollen Entschädigung. Eine Schlechterstellung der Minderheitsaktionäre ist damit nicht verbunden, denn alle betriebswirtschaftlichen Bewertungsmethoden beschäftigen sich auch nur damit, auf möglichst gesicherter Basis theoretisch den wirklichen Marktwert zu ermitteln bzw. die interessengerechten Grenzpreise. Bei einer Öffnung für anderweitige Bewertungsmethoden wäre ein zügiges Gerichtsverfahren nicht gewährleistet, da wegen der berührten betriebswirtschaftlichen Themenkreise regelmäßig die Inanspruchnahme sachverständiger Hilfe erforderlich sein dürfte und dadurch der kapitalmarktrechtliche Squeeze-out weitgehend unbrauchbar würde (vgl. Schlitt/Ries/Becker, Der Ausschluss der übrigen Aktionäre gem. §§ 39 a, 39 b WpÜG, NZG 2008, 700/701; Merkt/Binder, Änderungen im Übernahmerecht nach Umsetzung der EG-Übernahmerichtlinie: Das deutsche Umsetzungsgesetz und verbleibende Problemfelder, BB 2006, 1285 ff, 1291; vgl. auch Seibt/ Heiser, Analyse des Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Regierungsentwurf), AG 2006, 301 ff, 319).
Die Beschränkung auf den Markttest ist zunächst als gesetzgeberischer Wille zu achten, auch wenn man von einer widerleglichen Vermutung ausgehen wollte. Die Widerlegung mittels einer anderen Bewertungsmethode würde im Übrigen voraussetzen, dass die andere Bewertungsmethode, z.B. die üblicherweise beim aktienrechtlichen Squeeze-out angewandte Ertragswertmethode, die auch der überschlägigen Berechnung des Landgerichts zugrunde liegt, für eine höhere Richtigkeitsgewähr stünde und damit dem Markttest als der vom deutschen Gesetzgeber und auch von der europäischen Richtlinie für zutreffend gehaltenen Vermutungsbasis überlegen wäre. Dass die Ertragswertmethode ein realitätsgerechteres Ergebnis hervorbringen würde, kann aber nicht angenommen werden, weil sie - wie ausgeführt - mit Schätzungen und Plausibilisierungen arbeiten muss. Der Senat vermag sich deswegen der von der Antragsgegnerseite vorgebrachten Befürchtung nicht anzuschließen, dass ohne eine eigenständige gerichtliche Angemessenheitskontrolle die Minderheitsaktionäre dem Missbrauch wirtschaftlicher Macht hilflos ausgeliefert seien. Die auch im kapitalmarktrechtlichen Spruchverfahren herrschende Amtsermittlungspflicht (§§ 39b Abs. 1 WpÜG, 12 FGG) kann sich nicht darauf erstrecken, neben der Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit des Markttests alternativ die Ertragswertmethode einzubeziehen.
Daraus folgt, dass die Minderheitsaktionäre hier nicht mit Behauptungen zu einzelnen Bausteinen der (theoretischen) Unternehmensbewertung oder ihrer Plausibilitätskontrolle gehört werden können. Das bloße Bestreiten der Richtigkeit des Ergebnisses des vom Gesetzgeber für richtig gehaltenen Wertfindungsprozesses, also des stattgefundenen Markttests, ist ebenfalls nicht ausreichend. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Ermittlung, ob der vom (ordnungsmäßigen) Markttest bestätigte Angebotspreis zu niedrig ist, kommt nicht in Betracht (a. A. Heidel/Lochner, Der übernahmerechtliche Squeeze- und Sell-out gem. § 39a ff WpÜG, Der Konzern 2006, 653 ff, 655/656, die zwei Untergrenzen annehmen, einmal den durch die Ertragswertmethode zu ermittelnden inneren Wert der Beteiligung und den Marktwert, der insbesondere durch die Börsenkurse zu ermitteln sei).
Es kann im kapitalmarktrechtlichen Verfahren - die Widerleglichkeit der Angemessenheitsvermutung unterstellt - nur darum gehen, ob der Markttest ausnahmsweise keine Aussagekraft hat, etwa weil die Kräfte des Marktes nicht gewirkt oder funktioniert haben. Hier wären konkrete Fehler vorzubringen, die das Ergebnis beeinflusst haben (vgl. Kießling, Der übernahmerechtliche Squeeze-out gemäß §§ 39a, 39b WpÜG, S. 116; Paefgen, Der neue übernahmerechtliche Squeeze-out - die bessere Alternative?, Festschrift für Westermann (2008), 1221 ff, 1239; Paefgen, Der Zwangsausschluss im neuen Übernahmerecht, WM 2007, 765 ff, 768; Rühland, Der übernahmerechtliche Squeeze-out im Regierungsentwurf des Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetzes, NZG 2006, 401 ff, 407). Es erübrigt sich daher vorliegend eine Auseinandersetzung mit der überschlägigen Ertragswertberechnung des Landgerichts und den Ausführungen der Beteiligten hierzu. Allerdings ist der Senat der Auffassung, dass das Landgericht, auch von seinem rechtlichen Standpunkt aus, die Unangemessenheit der Barabfindung in dieser Kurzform nicht feststellen durfte (vgl. hierzu auch Anm. von Falkner, ZIP 2008, 1775 ff.).
Soweit die Antragsgegner vorbringen, dass die nach § 31 WpÜG angemessene Gegenleistung nicht mit der angemessenen Barabfindung an den Vorgaben des Verfassungsrechts beim Squeeze-out gleichzusetzen und schon deswegen die
Angemessenheitsvermutung widerlegt sei, greift diese Argumentation zu kurz, denn auf einer solchen schlichten Gleichsetzung beruht die Angemessenheitsvermutung nicht. Zu dem durch § 31 WpÜG i.V.m. §§ 4, 5 WpÜGAngebotsVO verbindlich festgelegten Angebotspreis muss immer noch das Erreichen der 90prozentigen Erfolgsschwelle hinzukommen, also die Akzeptanz des Preises durch den Markt.
Anhaltspunkte, dass das Angebotsverfahren hier in wesentlichen Punkten nicht korrekt abgelaufen und so der Markttest verfälscht worden sein könnte, bestehen nicht. Es kann deshalb dahinstehen, ob und welche Verstöße relevant werden könnten (vgl. hierzu Paefgen, Der Zwangsausschluss im neuen Übernahmerecht, WM 2007, 765 ff; Rühland, Der übernahmerechtliche Squeeze-out im Regierungsentwurf des Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetzes, NZG 2006, 401 ff, 405). Bei der hier vorliegenden umfänglichen Übernahme erübrigen sich auch Überlegungen zur Aussagekraft des Markttestes bei marktengen Situationen.
Das Verfahrensergebnis verstößt auch nicht gegen Art. 14 GG. Art. 14 Abs. 1 GG schreibt keine bestimmte Methode der Unternehmensbewertung vor (BVerfG NJW 2007, 3266 ff). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schließt Art. 14 Abs 1 S. 1 GG es außerdem nicht aus, eine Aktionärsminderheit gegen ihren Willen aus einer Aktiengesellschaft zu drängen (BVerfG ZIP 2000, 1679 = NJW 2001, 279-281). Der Gesetzgeber hat vielmehr durch Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG die Befugnis erhalten, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen. Dabei kann das Interesse der Minderheitsaktionäre soweit hinter das Interesse des Großaktionärs an der freien Entscheidung seiner unternehmerischen Initiative zurückgestellt werden, als dabei die schutzwürdigen Interessen der zum Ausscheiden gezwungenen Aktionäre gewahrt bleiben. Gefordert ist lediglich ein wirksamer Schutz gegen den Missbrauch wirtschaftlicher Macht und eine volle Entschädigung für den Verlust der Rechtsposition (BVerfG ZIP 2000, 1679 = NJW 2001, 279 - 281).
Ein besonderes Schutzbedürfnis der Minderheitsaktionäre kann im vorliegenden Fall verneint werden. Das Bundesverfassungsgericht hat in der angeführten Entscheidung (BVerfG ZIP 2000, 1679 = NJW 2001, 279-281) ausgeführt, die Veräußerung des Gesellschaftsvermögens an einen unbeteiligten Dritten werfe im
Regelfall keine verfassungsrechtlichen Probleme auf, weil dabei ein Schutzbedürfnis für die Minderheitsaktionäre nicht entstehe. Der Schutz der Minderheitsaktionäre bestehe dann regelmäßig darin, dass auch der Großaktionär einen möglichst hohen Preis für das Gesellschaftsvermögen erzielen wolle. So liegt der Fall auch hier. Der Schutz der Minderheitsaktionäre ist vorliegend bereits dadurch gewährleistet, dass die Großaktionäre einen möglichst hohen Preis für ihre Aktienpakete erzielen wollten und die Antragstellerin insoweit auch bei den Vorgesprächen hinsichtlich der unwiderruflichen Verpflichtungserklärungen den Angebotspreis aufstocken musste, sonst wäre sie nicht erfolgreich gewesen und hätte die Großaktionäre nicht zum Verkauf veranlassen können. Die Bieterin hat zwar ein Angebot abgegeben, war aber auf die Akzeptanz der Aktionäre angewiesen. Hinsichtlich des Angebotspreises bestand zwischen allen betroffenen Aktionären des Zielunternehmens auch Interessenhomogenität. Für die Antragsgegner gelten schließlich keine schlechteren Konditionen als für die Großaktionäre. Es sind keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte ersichtlich geworden, warum das Angebot, das gewissermaßen auf kaufmännische Weise zustande gekommen ist, nicht als fair zu bewerten wäre (vgl. auch die Hinweise auf die britische Gerichtspraxis bei Rühland, Die Abfindung von aus der Aktiengesellschaft ausgeschlossenen Minderheitsaktionären, WM 2000, 1884, 1887).
Soweit die Antragsgegnerseite gegen die Regelung in § 39b Abs. 3 WpÜG anführt, dass eine mit ihr vergleichbare Vermutungsregel in § 327b Abs. 1 S. 3 AktG-RegE (BT-Drucks. 14/7043, S. 24) aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken des Bundesrats gestoppt worden sei, ist dies zwar zutreffend (BT-Drucks. 14/7477, S. 54), belegt aber nicht die Verfassungswidrigkeit der Regelung, insbesondere des Markttests schlechthin, sondern nur, dass es sich hier um eine grundrechtssensible Materie handelt. Der Bundesrat hatte sich damals gegen die Einführung einer unwiderleglichen Vermutung ausgesprochen, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass im Einzelfall der wahre Wert der Beteiligung höher sei, als er sich im Übernahmeangebot widerspiegele (BT-Drucks. 14/7034 S. 87). Bedenken sind aus verschiedenen Gründen gegen die damalige Regelung vorgebracht worden, insbesondere aber deswegen, weil bei der Erfolgsschwelle sachwidrig auf die Kopfzahl der Aktionäre und nicht auf die Anteile abgestellt worden war (vgl. Austmann/Mennike, NZG, Übernahmerechtlicher Squeeze-out und Sell-out, NZG
2004, 846 ff, 849/850). Außerdem weil sich die Richtigkeitsgewähr des Markttests auch dadurch relativieren kann, dass der Bieter vor dem Angebot bereits über eine hohe Beteiligung verfügt und möglicherweise kein Vollangebot abgeben muss. Dann ist es möglich, dass zwar die Zustimmungsquote für das Angebot von 90 % erreicht wird, die Zustimmungsquote bezogen auf die Gesamtzahl der übrigen Aktien aber viel niedriger ausfällt (Beispiel bei Habersack, Der Finanzplatz Deutschland und die Rechte der Aktionäre, ZIP 2001, 1230 ff, 1238). Um einen solchen Fall handelt es sich hier aber gerade nicht.
Die Antragstellerin ist auch nicht verpflichtet, den Minderheitsaktionären die Ergebnisse ihrer Due-diligence-Prüfung vorzulegen, damit etwa überprüft werden kann, welche Maßstäbe hier angelegt worden sind und ob es zugunsten der Minderheitsaktionäre andere Sichtweisen mit anderen Ergebnissen geben könnte. Einen solchen Auskunftsanspruch der Antragsgegner sieht das Gesetz nicht vor. Abgesehen davon wären die an eine solche Auskunft anknüpfenden Überlegungen zum Unternehmenswert für dieses Verfahren nach den obigen Ausführungen auch nicht zielführend. Verfahrensrechtlich folgenlos bleibt daher auch das Bestreiten, dass dem Angebot der Antragstellerin überhaupt eine Ertragswertberechnung zugrunde gelegen habe.
Der aus dem Kreis der Antragsgegner erhobene Vorwurf, die Bundesrepublik Deutschland habe mit dem kapitalmarktrechtlichen Squeeze- out bilaterale Investitions- und Investitionsschutzverträge (BITs) verletzt, weil sie keine Überprüfung in einem ordentlichen Gerichtsverfahren vorgesehen habe, kann nicht zu einer anderen Entscheidung führen. Entgegen diesem Vorbringen ist der Senat nicht gehalten, zu ermitteln, ob es einen vom Squeeze-out betroffenen ausländischen Aktionär gibt, der sich auf die Geltung eines solchen BITs berufen könnte. Es hat sich jedenfalls keiner in diesem Verfahren gemeldet. Schutzwirkung für die an diesem Verfahren beteiligten Antragsgegner können solche BITs aber nicht entfalten. Ganz abgesehen davon ist der Vorwurf aber auch unbegründet. Beim Squeeze- out handelt es sich nicht um eine Enteignung oder einen enteignungsgleichen Eingriff, sondern nur um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums der Minderheitsaktionäre im Verhältnis zur Hauptaktionärin (BVerfG BB 2007, 1515 ff). Im kapitalmarktrechtlichen
Zwangsausschluss kommt die Wertung des europäischen Gesetzgebers zum Ausdruck, dass das kapitalmarktrechtliche Zwangssausschlussrecht gewissermaßen als Kompensation für die mit dem Kontrollerwerb verbundenen Kosten und Mühen des Bieters anzusehen ist (Paefgen, Der Zwangsausschluss im neuen Übernahmerecht, WM 2007, 765 m. w. N.). Ein gerichtliches Verfahren ist vorgesehen, wie das hiesige Verfahren zeigt. Eine Übertragung des Eigentums der Minderheitsaktionäre findet sogar nur durch richterlichen Gestaltungsakt statt, also nachdem das Gericht geprüft hat, ob die gesetzlichen Übertragungsvoraussetzungen vorliegen (§ 39b Abs. 5 WpÜG). Das Verfahren der §§ 39 a, 39b WpÜG schaltet - in dem hier zur Beurteilung anstehenden Umfang - lediglich den Bewertungsstreit für die (theoretisch) richtige Unternehmensbewertung weitgehend aus und setzt auf die Richtigkeit/Vernünftigkeit des Werts, der sich am Markt bewährt hat. Dies ist zulässig und bietet angesichts unterschiedlicher internationaler Bewertungsgewohnheiten und Traditionen sogar mehr Bewertungssicherheit. Dass eine bestimmte Bewertungsmethode - hier die Ertragswertmethode - als Bewertungsmethode in den internationalen Vereinbarungen festgelegt worden sei, haben auch die Antragsgegner nicht behauptet.
Die Rüge der Antragsgegner, dass das Gesetz keine Besicherung des Abfindungsanspruchs vorsieht, kann den Anspruch der Bieterin - einer inländischen Bank und Anstalt des öffentlichen Rechts - ebenfalls nicht zu Fall bringen. Einer Insolvenzgefahr ist schon durch die öffentlich-rechtliche Gewährträgerschaft ausreichend begegnet. Es ist hier nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich, dass dem Zahlungsanspruch der Minderheitsaktionäre Realisierungsschwierigkeiten entgegenstehen könnten. Dahinstehen kann, ob das Gericht in anderen Fällen, in denen Schwierigkeiten bei der Realisierung der Abwicklung zu erwarten sind, die Übertragung der Aktien im Weg richtlinienkonformer Auslegung davon abhängig machen kann, dass eine Abfindung gewährleistet ist (vgl. Geibel/Süßmann, WpÜG, 2. Aufl. 2008, § 39a Rn. 19; Kießling, Der übernahmerechtliche Squeeze-out gemäß §§ 39a, 39b WpÜG, S. 195 ff; Santelmann in Steinmeyer/Häger, WpÜG, 2. Aufl. 2007, § 39a Rn. 13).
Vorliegend kann jedenfalls der Beschwerde der Erfolg nicht versagt werden.
Da die Bieterin mit ihrem Hauptantrag Erfolg hat, besteht kein Anlass auf die Hilfsanträge, auch soweit sie unterstützend von Antragsgegnern aufgenommen worden sind, einzugehen. Nicht zu entscheiden ist ebenfalls, ob ein Bieter, der über 95 % der Aktien des stimmberechtigten Grundkapitals verfügt, aber die 90 % Erfolgsschwelle nicht erreicht hat, einen übernahmerechtlichen Squeeze-out-Antrag stellen kann, so dass der Senat keinen Anlass hat, zu dem entsprechenden Vorbringen der Beteiligten Stellung zu nehmen. Es erübrigt sich auch eine Stellungnahme zum Vorbringen hinsichtlich des von zwei Antragsgegnern vor dem Landgericht Hannover angestrengten, aber bis zur Entscheidung dieser Sache ausgesetzten Spruchverfahrens.
III. Die Rechtsmittel der Antragsgegner hinsichtlich der Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten konnten keinen Erfolg haben, wobei gegenüber der landgerichtlichen Entscheidung noch hinzukommt, dass die Antragsgegner letztlich nicht obsiegt haben. Nach § 39b Abs. 6 WpÜG ordnet das Gericht an, dass Kosten der Antragsgegner, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, ganz oder zum Teil vom Antragsteller zu erstatten sind, wenn dies der Billigkeit entspricht. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu, die Vorschrift solle sicherstellen, dass der Antragsteller auch die dem Antragsgegner oder den Antragsgegnern entstandenen Kosten zu erstatten habe, wenn dies der Billigkeit entspreche (BT-Drucks. 16/1003, S. 23). Daraus und aus dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich indirekt entnehmen, dass es bei der Entscheidung über die Verteilung der außergerichtlichen Kosten nicht alleine auf das Obsiegen oder Unterliegen im Verfahren ankommen kann. Es müssen vielmehr andere Gesichtspunkte hinzutreten, die die Kostenbelastung der Antragsgegner unbillig erscheinen lassen. Diese Auslegung stimmt auch mit der Handhabung vergleichbarer Kostenvorschriften überein.
Eine dem § 39b Abs. 6 WpÜG vergleichbare Kostenregelung findet sich für das aktienrechtliche Squeeze-out-Verfahren in § 15 Abs. 4 SpruchG, allerdings mit dem Unterschied, dass hier noch ausdrücklich der Ausgang des Verfahrens als zu berücksichtigende Größe im Rahmen der Billigkeitsprüfung aufgeführt ist. Dort heißt es in der Gesetzesbegründung, dass grundsätzlich die Antragsteller ihre Kosten
selbst tragen sollten. Die Aufbürdung dieses begrenzten Kostenrisikos solle von einer übereilten oder mutwilligen Antragstellung abhalten (BT-Drucks. 15/ 371, S. 17; vgl. auch KK-SpruchG/Rosskopf, § 15 Rn. 18).
Eine ebenfalls vergleichbare Billigkeitsregel enthält auch die Kostenvorschrift des
§ 13 a Abs.1 FGG, wonach bei Beteiligung mehrerer Personen an einem Verfahren das Gericht anordnen kann, dass die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilweise zu erstatten sind, wenn dies der Billigkeit entspricht. In Wohnungseigentumsverfahren, soweit diese noch dem FGG-Verfahren unterliegen, gilt ebenfalls der Billigkeitsmaßstab (§ 47 WEG a. F.).
In allen diesen Fällen (§ 39b Abs. 6 WpÜG, § 15 Abs. 4 WpÜG, § 13a Abs.1 FGG, § 47 WEG a. F.) liegt eine Abkehr vom starren Erfolgsprinzip des § 91 ZPO vor. Für das FGG-Verfahren ist anerkannt, dass jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten grundsätzlich selbst zu tragen hat. Die Auferlegung der Kosten bedarf besonderer Rechtfertigung im Einzelfall. Ein unterliegender Beteiligter ist nicht unbedingt zur Kostenerstattung zu verpflichten (Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., § 13a Rn. 21 m. w. N.). Diese Sichtweise ist auch in andere Verfahrensbereiche übertragen worden, in denen das FGG-Verfahren die tragenden Prinzipien vorgegeben hat. So werden nach dem bereits angesprochenen § 47 WEG a. F. die außergerichtlichen Kosten unter Billigkeitsgesichtspunkten nur ausnahmsweise erstattet (OLG Hamburg, Beschluss vom 18.2.2008, ZMR 2008, 405 ff, zit. nach juris; OLG Frankfurt, 20 W 259/99, Beschluss vom 6.2.2003).
Der Senat hat vorliegend keinen Grund gesehen, die Antragsgegner zu Lasten der Antragstellerin von ihrem Kostenrisiko freizustellen. Zugegebenermaßen enthalten die kapitalmarktrechtlichen Vorschriften etliche Auslegungs- bzw. Anwendungsunsicherheiten. Ungeklärte Verhältnisse und Unsicherheiten gibt es aber auch in anderen Rechtsgebieten des FGG-Verfahrens, ohne dass dies eine Überbürdung von Verfahrenskosten auf einen anderen Beteiligten zur Folge hätte. Dass die Antragstellerin im landgerichtlichen Verfahren zunächst auch einen Feststellungsantrag hinsichtlich der Anrechnung der Dividende gestellt und diesen Antrag dann wieder zurückgenommen hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
IV. Schuldnerin der Gerichtskosten ist nach § 39b Abs. 6 S. 7 WpÜG stets die Antragstellerin. Für die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten gelten die vorstehenden Erwägungen, so dass der Senat auch hier von der Überbürdung der außergerichtlichen Kosten auf die Antragstellerin absieht.
Die Wertfestsetzung erfolgt gem. § 39b Abs. 6 S. 5 WpÜG in Anlehnung an die landgerichtliche Wertfestsetzung. Die Anschlussbeschwerden hinsichtlich der Kosten wirken sich auf den Beschwerdewert nicht werterhöhend aus, da es sich nur um die
Überprüfung einer Nebenentscheidung handelt, über die der Senat ohnehin von Amts wegen zu befinden hatte.
Der Senat sieht sich veranlasst, diese Entscheidung in entsprechender Anwendung von § 39 Abs. 4 S. 2 WpÜG im elektronischen Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/1003, S. 22/23) ist der Gesetzgeber wohl davon ausgegangen, dass durch die Regelung des § 39 b Abs. 5 S. 5 WpÜG eine Eintragung und Publizierung über das Handelsregister sichergestellt ist. Dies ist jedoch nicht zwingend, da in § 39 b Abs. 5 S. 5 WpÜG nur die Verpflichtung des Vorstandes zur Einreichung der rechtskräftigen Entscheidung zum Handelsregister begründet wurde, was nach § 8 Abs. 2 HRV lediglich dazu führt, dass dieses Dokument zum Aktenbestand genommen wird und dort eingesehen werden kann (vgl. auch Geibel/Süßmann, WpÜG, 2. Aufl. 2008, § 39b Rn. 9; Santelmann in Steinmeyer/ Häger, WpÜG, 2. Aufl. 2007, § 39b Rn. 49).