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Wirtschaftsrecht
14.10.2010
Wirtschaftsrecht
BGH: Zum Zuschlag zur Regelvergütung für den Insolvenzverwalter

BGH, Beschluss vom 16.9.2010 - IX ZB 154/09

Leitsatz

Ein Zuschlag zur Regelvergütung kann dem Insolvenzverwalter nicht allein wegen der langen Dauer des Verfahrens, sondern nur wegen der in dieser Zeit von ihm er-brachten Tätigkeiten gewährt werden.

InsVV § 3 Abs. 1

Sachverhalt

I. Der weitere Beteiligte ist Verwalter in dem am 26. November 2001 eröff-neten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Am 6. Septem-ber 2006 beantragte er, die Vergütung für seine Tätigkeit in Höhe des 2,45-fachen Regelsatzes festzusetzen. Das Insolvenzgericht gewährte antragsge-mäß Zuschläge für lange Verfahrensdauer, hohe Anzahl von Gläubigern und schwierigen Forderungseinzug (je 0,1). Die vom Verwalter beantragten Zu-schläge wegen Schwierigkeiten bei der Verwertung von Immobilien und wegen der Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten (je 0,5) fasste es zu einem einheitlichen Zuschlag von insgesamt 0,5 des Regelsatzes zusammen. Einen weiteren Zuschlag für Hausverwaltung lehnte es ab. Die sofortige Beschwerde des Verwalters ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Verwalter seinen Vergütungsantrag weiter.

Aus den Gründen

2          II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 7, 6, 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

3          1. Das Beschwerdegericht hat gemeint, es brauche nicht entschieden zu werden, ob der Verwalter den Zuschlag für Hausverwaltung in Höhe von 0,1 des Regelsatzes beanspruchen kann. Denn das Insolvenzgericht habe dem Verwalter zu Unrecht einen Zuschlag von 0,1 für die lange Verfahrensdauer gewährt. Die Dauer des Insolvenzverfahrens allein rechtfertige die Gewährung eines Zuschlags nicht. Es komme für die Vergütung des Verwalters allein auf Umfang und Schwierigkeit der konkret vorgenommenen Tätigkeiten an. Der vom Insolvenzgericht für die Bemühungen des Verwalters um die Veräußerung der Grundstücke und die Bearbeitung der Aus- und Absonderungsrechte ge-währte Zuschlag in Höhe des 0,5-fachen Regelsatzes sei nach den Umständen des Falles ausreichend und angemessen. Auch in der Gesamtbetrachtung sei die Gewährung der 1,8-fachen Regelvergütung angemessen.

4          2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.

5          a) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdege-richt nicht gegen das Verschlechterungsverbot verstoßen, indem es den vom Insolvenzgericht zugesprochenen Zuschlag wegen langer Verfahrensdauer ab-erkannt hat. Im Verfahren der sofortigen Beschwerde gilt zwar das Verschlech-terungsverbot (BGH, Beschl. v. 6. Mai 2004 - IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 124 ff) mit der Folge, dass die Position des (alleinigen) Rechtsmittelführers nicht zu seinem Nachteil verändert werden darf. Das Beschwerdegericht darf deshalb die dem Rechtsmittelführer in erster Instanz zugesprochene Vergütung nicht herabsetzen. Das Beschwerdegericht wird durch das Verschlechterungsverbot jedenfalls nicht gehindert, bei Feststellung der angemessenen Vergütung im Einzelfall Zu- und Abschläge anders zu bemessen als das Insolvenzgericht, soweit es den Vergütungssatz insgesamt nicht zum Nachteil des Beschwerde-führers ändert (BGH, Beschl. v. 16. Juni 2005 - IX ZB 285/03, ZIP 2005, 1371; v. 28. September 2006 - IX ZB 108/05, ZIP 2006, 2186 Rn. 4).

6          b) Auch in der Sache ist die Ablehnung eines Zuschlags wegen langer Verfahrensdauer nicht zu beanstanden. Die Bemessung vorzunehmender Zu- und Abschläge ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Sie ist in der Rechts-beschwerdeinstanz nur darauf zu überprüfen, ob sie die Gefahr der Verschie-bung von Maßstäben mit sich bringt (BGH, Beschl. v. 13. November 2008 - IX ZB 141/07, ZInsO 2009, 55 Rn. 8; v. 18. Juni 2009 - IX ZB 119/98, ZInsO 2009, 1557 Rn. 9, jeweils m.w.N.). Diese Gefahr besteht nicht.

7          aa) Die Frage, ob die lange Dauer des Insolvenzverfahrens einen Zu-schlag zur Vergütung des Verwalters nach § 3 Abs. 1 InsVV rechtfertigt, ist in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und im Schrifttum umstritten. Für die Berechtigung eines Zuschlags in solchen Fällen wird angeführt, die lange Dauer eines Insolvenzverfahrens beeinflusse die kalkulatorische Deckung der Ge-meinkosten ungünstig und lasse den Umfang von Regelaufgaben des Verwal-ters wie die Vorlage von Berichten, Aufzeichnungspflichten und die Beantwortung von Sachstandsanfragen ansteigen (LG Potsdam, ZVI 2006, 475, 476; MünchKomm-InsO/Nowak, 2. Aufl., § 3 InsVV Rn. 12; Eickmann/Prasser in Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 3 InsVV Rn. 35; FK-InsO/Lorenz, 5. Aufl., § 3 InsVV Rn. 26, jeweils mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen; für die Zu-schlagsfähigkeit einer überlangen Verfahrensdauer ferner Stephan/Riedel, InsVV § 3 Rn. 27; Hess, Insolvenzrecht, § 3 InsVV Rn. 78). Gegen einen Zu-schlag allein wegen langer Verfahrensdauer wird geltend gemacht, diese resul-tiere regelmäßig aus Besonderheiten, die ohnehin gesondert vergütet würden (LG Deggendorf, Rpfleger 1998, 125; LG Braunschweig, ZInsO 2001, 552, 554; LG Göttingen, NZI 2006, 477; LG Stendal, Beschl. v. 17. Oktober 2007 - 25 T 166/05, juris Rn. 14 f; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 4. Aufl., § 3 Rn. 58; Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, 2. Aufl., Rn. 248; Graeber, Vergütung in Insolvenzverfahren von A-Z, Rn. 459; HmbKomm-InsO/Büttner, 3. Aufl., § 3 InsVV Rn. 7a; Blersch in Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO, § 3 InsVV Rn. 24).

8          bb) Richtiger Ansicht nach rechtfertigt eine lange Dauer des Verfahrens für sich allein keinen gesonderten Zuschlag zur Vergütung des Insolvenzverwal-ters (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2010 - IX ZB 123/09, ZInsO 2010, 1504 Rn. 7; noch offen gelassen im Beschluss vom 10. Juli 2008 - IX ZB 152/07, ZIP 2008, 1640 Rn. 10). Mit der Vergütung nach der Insolvenzrechtlichen Vergü-tungsverordnung wird die Tätigkeit des Verwalters entgolten (Haarmeyer, ZInsO 2001, 577). Durch Abweichungen vom Regelsatz soll dem Umfang und der Schwierigkeit seiner Geschäftsführung Rechnung getragen werden (§ 63 Abs. 1 Satz 3 InsO). Maßgebendes Bemessungskriterium für Zu- und Abschläge soll daher der tatsächlich gestiegene oder geminderte Arbeitsaufwand sein (Be-gründung zu § 3 InsVV, abgedruckt bei Keller, Vergütung und Kosten im Insol-venzverfahren, 2. Aufl., Anhang III). Dies verbietet es, Zuschläge zur Vergütung allein an den Zeitablauf anzuknüpfen. Zu bewerten ist vielmehr die während der Dauer des Verfahrens erbrachte Tätigkeit. Weist diese einen überdurchschnittli-chen Umfang oder eine besondere Schwierigkeit auf, wie dies in überlangen Verfahren oft der Fall sein wird, kann dafür ein Zuschlag gewährt werden. Die vermehrte Erledigung von Routinearbeiten wie die Erstellung von Zwischenbe-richten oder die Aktualisierung der Buchführung, ist dann mit diesen Zuschlä-gen abgegolten, zumal der dazu erforderliche Aufwand mit zunehmender Ver-fahrensdauer regelmäßig abnimmt. Geht eine lange Verfahrensdauer aus-nahmsweise nicht mit zuschlagsfähigen Tätigkeiten des Verwalters einher, etwa weil die Fälligkeit von Sicherungseinbehalten oder der Ausgang von Prozessen, mit deren Führung Dritte beauftragt wurden, abzuwarten ist, werden auch die in regelmäßigen Zeitabschnitten sich wiederholenden Routinetätigkeiten im All-gemeinen keinen gesonderten Zuschlag rechtfertigen, weil die Abweichung vom Normalfall nicht so signifikant ist, dass ohne einen Zuschlag ein Missverhältnis entstünde (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 11. Mai 2006 - IX ZB 249/04, ZIP 2006, 1204 Rn. 24; v. 11. Oktober 2007 - IX ZB 15/07, ZIP 2007, 2226 Rn. 15).

9          cc) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts stimmt mit diesen Grundsätzen überein. Die lange Verfahrensdauer wurde im Wesentlichen ver-ursacht durch Schwierigkeiten bei der Verwertung der zahlreichen Immobilien, durch eine aufwändige Prüfung der Forderungen, durch einen zur Durchset-zung einer Forderung geführten Rechtsstreit und den anschießenden Versuch, diese Forderung zu realisieren. Für die beiden erstgenannten Tätigkeiten sind dem Verwalter Zuschläge zur Vergütung gewährt worden. Unter diesen Um-ständen durfte das Beschwerdegericht davon absehen, für die während der langen Verfahrensdauer anfallenden Routinetätigkeiten einen weiteren Zu-schlag festzusetzen.

10        c) Ohne Erfolg beanstandet die Rechtsbeschwerde, dass das Beschwer-degericht wie schon zuvor das Insolvenzgericht die vom Verwalter gesondert geltend gemachten Zuschlagsgründe "Verkaufsbemühungen" und „Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten" zusammengefasst hat. Nach der Recht-sprechung des Senats sind in Betracht kommende Zu- und Abschlagstatbe-stände gemäß § 3 InsVV zwar im Einzelnen zu beurteilen. Der Tatrichter ist a-ber nicht gezwungen, einzelne mögliche Zu- und Abschlagstatbestände geson-dert zu bewerten. Er muss vielmehr in einer Gesamtschau unter Berücksichti-gung von Überschneidungen der einzelnen Tatbestände und einer aufs Ganze bezogenen Angemessenheitsbetrachtung den Gesamtzuschlag oder den Ge-samtabschlag festlegen (BGH, Beschl. v. 1. März 2007 - IX ZB 280/05, ZIP 2007, 639 Rn. 14 m.w.N.; Beschl. v. 20. Mai 2010 - IX ZB 11/07, NZI 2010, 643 Rn. 9, z.V.b. in BGHZ). Das Beschwerdegericht hat sich mit bei-den Zuschlagsgründen befasst.

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