BGH: Zum Vorliegen eines prozessualen Aufrechnungsverbots durch Gerichtsstandsabrede
BGH, Versäumnisurteil vom 21.1.2015 - VIII ZR 352/13
Amtlicher Leitsatz
Zur Frage, ob eine (hier: zwischen deutschen und chinesischen Partnern eines Kaufvertrags vereinbarte) Gerichtsstandsabrede, sich an die Heimatgerichte der jeweiligen Gegenpartei zu wenden, ein prozessuales Aufrechnungsverbot enthält und darüber hinaus der Geltendmachung der Einrede des nichterfüllten Vertrages entgegensteht (Fortführung von BGH, Urteil vom 20. Juni 1979 - VIII ZR 228/76, NJW 1979, 2477).
ZPO § 38
Sachverhalt
Die in der Volksrepublik China ansässige Klägerin produziert Röntgenröhren für medizinische und industrielle Anwendungen. Die Beklagte, die ihren Sitz in Deutschland hat, handelt mit Röhren solcher Art. In einem (Rahmen-) Kaufvertrag vom 1. Januar 2010 vereinbarten die Parteien unter anderem:
"Bei Meinungsverschiedenheiten während der Gültigkeit des Vertrages sollen beide Parteien auf Basis der Freundlichkeit mit einander verhandeln. Sollte die Verhandlung scheitern, kann sich die Vertragstreue Partei an Schiedsstelle oder Gericht im Land des angeklagten wenden."
Am 22. Februar und 6. April 2012 stellte die Klägerin der Beklagten insgesamt 22.620 € für gelieferte Röhren in Rechnung.
Die Beklagte beruft sich auf Mängel dieser und in der Vergangenheit gelieferter Röhren. Sie erklärt die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen in einer die Klageforderung übersteigenden Höhe und erhebt im Hinblick auf die Lieferungen, die Gegenstand der Kaufpreisforderung sind, die Einrede des nichterfüllten Vertrages.
Die Klägerin, die rügt, dass die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte zur Entscheidung über die der Aufrechnung sowie der Einrede des nichterfüllten Vertrages jeweils zugrunde liegenden Forderungen nicht gegeben sei, hat im Urkundenprozess ein Vorbehaltsurteil über die Kaufpreisforderung erwirkt, welches das Landgericht auf Antrag der Klägerin durch Schlussurteil für vorbehaltslos erklärt hat. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das Schlussurteil zurückgewiesen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Aus den Gründen
6 Die Revision hat Erfolg. Über sie ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden; inhaltlich beruht die Entscheidung jedoch nicht auf der Säumnis der Klägerin, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 ff.).
7 I. Das Berufungsgericht (OLG Schleswig, IHR 2014, 226) hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, ausgeführt:
8 Der Klägerin stehe der als solcher unstreitige Kaufpreisanspruch in Höhe von 22.620 € zu. Die Beklagte könne dem weder ein Zurückbehaltungsrecht entgegenhalten noch mit Gegenforderungen aufrechnen oder den Kaufpreis mindern. Nach allgemeiner Ansicht seien die Prozessaufrechnung sowie die Einrede des nichterfüllten Vertrages nur dann zulässig, wenn die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts für die Geltendmachung streitiger, nicht rechtskräftig festgestellter Gegenforderungen gegeben sei.
9 Die internationale Zuständigkeit, die sich nach deutschem Prozessrecht richte, ergebe sich aus den Regeln über die örtliche Zuständigkeit. Gemäß § 33 ZPO sei ein Gerichtsstand der Widerklage gegeben, soweit der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch in Zusammenhang stehe. Diese Zuständigkeitsregelung gelte analog auch für die Aufrechnung.
10 Gemäß § 38 ZPO sei es den Parteien jedoch möglich, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte durch Gerichtsstandsvereinbarung auszuschließen. Ein so begründeter ausschließlicher Gerichtsstand schließe allerdings nicht schon von Gesetzes wegen die Aufrechnung mit einem der Abrede unterliegenden Anspruch vor einem anderen als dem für die Klage zuständigen Gericht aus. Je nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Willen der Parteien und dem Zweck der Vereinbarung könne diese aber auch ein prozessuales Aufrechnungsverbot enthalten. Davon sei in der Regel auszugehen.
11 Die Parteien hätten im Rahmenvertrag - wenn auch in laienhaft juristischer Ausdrucksweise - hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Ansprüche gegen die jeweils andere Partei vor deren Heimatgerichten geltend zu machen seien. Bereits dem Wortlaut nach handele es sich um eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung. Die streitige Regelung stehe zwar im Kontext der vorgeschalteten Verhandlungen "auf Basis der Freundlichkeit" und sei auch eher unpräzise formuliert. Sie besage aber ausdrücklich, dass nach Fehlschlagen von Gesprächen "auf Basis der Freundlichkeit" geklagt werden könne und dass dies vor den Gerichten im Heimatland der jeweiligen beklagten Partei zu geschehen habe. Dies entspreche auch den objektiven Interessen der Parteien. Es sei nicht nur - wie bei innerdeutschen Gerichtsstandsklauseln - zu berücksichtigen, dass eine Partei ein Interesse an der räumlichen Nähe zum Gericht habe. Von größerer Bedeutung sei für die Parteien, dass sie ausschließlich in ihrer eigenen Sprache und im eigenen Rechtssystem in Anspruch genommen werden könnten.
12 Zwar hätten die Parteien in einem vorangegangenen Joint-Venture-Vertrag vom 28. August 2008 keine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen. Dieser Vertrag enthalte lediglich eine Schiedsabrede dahin, dass im Falle von Streitigkeiten bei der Durchführung des Joint-Venture-Vertrages der Schiedsgerichtsstand im Lande der jeweils beklagten Partei liege. Hieraus könne jedoch nicht entnommen werden, dass die Parteien für den Fall der klageweisen Geltendmachung von Forderungen kein Interesse an einer besonderen internationalen Zuständigkeit hätten. Denn nach dem zugrunde liegenden chinesischen Recht seien bei fehlender Gerichtsstandsvereinbarung stets die chinesischen Gerichte international zuständig. Die in China ansässige Klägerin habe also bereits bei Abschluss des Joint-Venture-Vertrages ihr Interesse, nur vor ihren Heimatgerichten verklagt zu werden, zum Ausdruck gebracht und auch durchgesetzt.
13 Insbesondere unter Berücksichtigung dieses deutlichen Interesses der Klägerin sei - obgleich die Aufrechnung in der Gerichtsstandsvereinbarung nicht erwähnt und ein zu dieser Frage ausdrücklich erklärter Parteiwille nicht feststellbar sei - auch davon auszugehen, dass die Parteien mit der Abrede zugleich die Geltendmachung von Gegenrechten - wie Widerklage, Aufrechnung und Zurückbehaltungsrecht - vor den fremden Gerichten ausschließen wollten. Das sei im Übrigen auch das Interesse der Beklagten, wie sich daraus ergebe, dass im Gegensatz zur Regelung des Joint-Venture-Vertrages die Parteien nicht die ausschließliche Zuständigkeit chinesischer Gerichte vereinbart hätten. Vielmehr solle jede Partei nur und ausschließlich in ihrem Heimatland verklagt werden. Indem die Klausel dieses Privileg wechselseitig beiden Parteien zubillige, mache sie das darauf gerichtete Interesse beider Parteien besonders deutlich. Auch dass der zeitlich zuerst klagenden Partei andernfalls ein doppelter Nachteil entstünde, indem sie nicht nur in einem fremden Land klagen, sondern sich dort auch gegen Angriffe des Gegners wehren müsste, spreche für einen Ausschlusswillen der Parteien. Das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung sei demgegenüber unschwer darauf zurückzuführen, dass die Parteien als juristische Laien davon ausgegangen seien, der Ausschluss einer Klageerhebung vor fremden Gerichten erfasse auch die Geltendmachung anderer Angriffsmittel.
14 Die Aufrechnung sowie die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts seien somit unzulässig mit der Folge, dass Gewährleistungsansprüche nicht zu prüfen seien. Das gelte auch für die - vom Landgericht nicht thematisierte - Minderung gemäß Art. 50 CISG, obwohl sich diese nach deutschem Rechtsverständnis unmittelbar kaufpreismindernd auswirke. Nach Sinn und Zweck der Gerichtsstandsklausel sollten sämtliche (Gegen-)Ansprüche nur vor den Gerichten im Heimatland des Anspruchsgegners geltend gemacht werden können. Wäre die einem Schadensersatzbegehren wirtschaftlich teiläquivalente Minderung hiervon ausgenommen, liefe die Klausel zumindest teilweise leer. Es komme hinzu, dass die Beklagte die Minderung - was auch nach Art. 50 CISG erforderlich sei - nicht mit erforderlicher Deutlichkeit erklärt habe.
15 II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
16 Zutreffend und von der Revision nicht beanstandet ist das Berufungsgericht allerdings von der Anwendbarkeit des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) ausgegangen. Die Vertragsparteien haben ihre Niederlassungen in verschiedenen Staaten, die beide Vertragsstaaten des Übereinkommens sind (Art. 1 Abs. 1 Buchst. a CISG). Dieses ist gemäß Art. 3 Abs. 1 Halbs. 1 CISG auch auf Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Waren anzuwenden. Dass die Beklagte die Verpflichtung übernommen hätte, einen wesentlichen Teil der für die Produktion der Röhren benötigten Stoffe beizusteuern (Art. 3 Abs. 1 Halbs. 2 CISG), ist weder festgestellt noch ersichtlich.
17 Gegenüber dem - für sich gesehen außer Streit stehenden - Kaufpreisanspruch der Klägerin (Art. 53 CISG) kann sich die Beklagte, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, zwar nicht mit der von ihr erklärten Aufrechnung verteidigen, weil die deutschen Gerichte aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien mangels internationaler Zuständigkeit nicht zur Entscheidung über die von der Beklagten zur Aufrechnung gestellte, streitige Gegenforderung berufen sind. Jedoch hat das Berufungsgericht die Gerichtsstandsvereinbarung rechtsfehlerhaft dahingehend ausgelegt, dass diese auch der Geltendmachung von Gegenrechten wie der Einrede des nichterfüllten Vertrages und der Minderung entgegenstehe.
18 1. Die Entscheidung über eine im Wege der Prozessaufrechnung geltend gemachte Gegenforderung der beklagten Partei setzt - jedenfalls außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO - voraus, dass das Prozessgericht auch insoweit international zuständig ist (Senatsurteile vom 14. Mai 2014 - VIII ZR 266/13, [RIW 2014, 526] WM 2014, 1509 Rn. 15 f.; vom 12. Mai 1993 - VIII ZR 110/92, [RIW 1993, 846, EWS 1993, 260] NJW 1993, 2753 unter II; vom 20. Dezember 1972 - VIII ZR 186/70, BGHZ 60, 85, 87 f.; Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl., IZPR Rn. 41b; jeweils mwN). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Zwar kann sich die internationale Zuständigkeit des Prozessgerichts zur Entscheidung über eine Aufrechnung mit einer konnexen Forderung in analoger Anwendung des § 33 Abs. 1 ZPO ergeben. Der von dieser Bestimmung geforderte Zusammenhang des Klageanspruchs mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln ist etwa bei Ansprüchen aus Verträgen im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen anzunehmen (Senatsurteil vom 7. November 2001 - VIII ZR 263/00, BGHZ 149, 120, 127 f. [BB 2002, 14]; siehe auch Zöller/ Greger, aaO § 145 Rn. 19; Musielak/Stadler, ZPO, 11. Aufl., § 145 Rn. 33).
19 Dem steht im Streitfall jedoch die am 1. Januar 2010 getroffene Gerichtsstandsabrede der Parteien entgegen. Dabei handelt es sich ersichtlich um eine Individualvereinbarung. Die tatrichterliche Auslegung einer solchen Erklärung kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs revisionsrechtlich nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen worden ist (st. Rspr.; siehe nur Senatsurteile vom 12. November 2008 - VIII ZR 170/07, BGHZ 178, 307 Rn. 12; vom 2. April 2014 - VIII ZR 46/13, BGHZ 200, 337 [BB 2014, 1425 m. BB-Komm. Ayad] Rn. 17; vom 9. Juli 2014 - VIII ZR 376/13, NJW 2014, 2864, Rn. 42, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; jeweils mwN). Danach erhebliche Auslegungsfehler zeigt die Revision im Hinblick auf die Prozessaufrechnung nicht auf; sie sind auch nicht ersichtlich.
20 Das Berufungsgericht hat die Vereinbarung - insoweit rechtsfehlerfrei - dahingehend ausgelegt, dass die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Entscheidung über die zur Aufrechnung gestellte streitige Gegenforderung der Beklagten nicht gegeben ist, weil die Parteien damit einen ausschließlichen Gerichtsstand im Heimatgericht der jeweiligen Gegenpartei begründet haben, welcher auch die von der Beklagten zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung erfasst.
21 a) Die Revision meint zu Unrecht, dass der Beklagten die Aufrechnung schon deshalb zu gestatten sei, weil die Parteien keinen ausschließlichen, sondern lediglich einen fakultativen Gerichtsstand vereinbart hätten. Die Revision verweist auf den Betriff der "vertragstreuen" Partei und auf die Formulierung, wonach der Anspruchsteller die Gegenpartei vor ihrem Heimatgericht verklagen "kann". Zudem fehle eine Einschränkung von der Art, dass Ansprüche einer Partei "ausschließlich" oder "nur" im Heimatland der Gegenpartei verfolgt werden dürften.
22 Zwar verdeutlicht der Wortlaut der Gerichtsstandsvereinbarung hier nicht, ob der im Land der Gegenpartei vereinbarte Gerichtsstand neben gesetzliche Gerichtsstände treten soll oder ob damit alle anderen Gerichtsstände ausgeschlossen sein sollen, soweit dies rechtlich zulässig ist. Ob die Zuständigkeit als ausschließliche gemeint ist, muss in einem derartigen Fall anhand der näheren Umstände und der Interessenlage der Beteiligten durch Auslegung ermittelt werden (Senatsurteil vom 5. Juli 1972 - VIII ZR 118/71, BGHZ 59, 116, 118 f.). Mit Recht hat das Berufungsgericht dabei auf das den Vertragsinhalt bestimmende gegenseitige Interesse sowohl der Klägerin als auch der Beklagten abgestellt, alle Streitigkeiten aus den aufgrund des Rahmenvertrags geschlossenen Kaufverträgen in ihrem Heimatstaat unter der ihr vertrauten Verfahrensordnung und in ihrer Sprache, darüber hinaus möglicherweise auch nach ihrem heimatlichen materiellen Recht auszutragen, soweit dieses neben dem UN-Kaufrecht anwendbar ist (vgl. Senatsurteile vom 20. Juni 1979 - VIII ZR 228/76, NJW 1979, 2477 unter III 2 b bb; vom 20. Dezember 1972 - VIII ZR 186/70, aaO S. 89 ff.). Dem würde ein lediglich fakultativer Gerichtsstand nicht gerecht.
23 b) Der so begründete ausschließliche Gerichtsstand schließt allerdings nicht ohne Weiteres die Zuständigkeit des Prozessgerichts zur Entscheidung über zur Aufrechnung gestellte Gegenforderungen aus. Auch dies hängt von dem durch Auslegung zu ermittelnden Willen der Parteien und dem Zweck der Vereinbarung ab (Senatsurteil vom 20. Juni 1979 - VIII ZR 228/76, aaO unter III 2 b aa). Das Berufungsgericht hat insoweit in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die deutschen Gerichte aufgrund der Gerichtsstandsabrede nicht für die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen der Beklagten zuständig sind.
24 Die Gerichtsstandsabrede ist bereits ihrem Wortsinn nach nicht auf zu erhebende Klagen beschränkt. Vielmehr haben die Parteien die Formulierung "sich an das Gericht wenden" gewählt. Die weite Begrifflichkeit deutet bereits darauf hin, dass es den Parteien - auch wenn es sich um juristische Laien handelt - nicht nur um eine Beschränkung der Klageerhebung ging. Wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, spricht insbesondere die beiderseitige Interessenlage für die Vereinbarung auch eines Aufrechnungsausschlusses. Indem nicht nur eine einzelne Vertragspartei begünstigt werden sollte, sondern als Gerichtsstand nur die Heimatgerichte der jeweils anderen zugelassen sind, haben die Klägerin und die Beklagte deutlich gemacht, dass jede von ihnen gegen sie erhobene Ansprüche aus Kaufverträgen nur vor ihrem jeweiligen Heimatgericht behandelt sehen wollte. Andernfalls entstünde für die zuerst klagende Partei ein doppelter Nachteil. Ist sie nach der Vereinbarung unter Umständen schon gezwungen, vor einem für sie fremden Gericht zu klagen, müsste sie bei Zulassung der Prozessaufrechnung auch die gegen sie gerichteten Ansprüche der Gegenseite vor einem für sie fremden Gericht abwehren (vgl. Senatsurteil vom 20. Juni 1979 - VIII ZR 228/76, aaO unter III 2 b bb).
25 Zwar mag bei Konnexität von Forderung und Gegenforderung ein Aufrechnungsausschluss unter Umständen nicht gewollt sein (vgl. Zöller/ Vollkommer, aaO, § 38 Rn. 42; Wieczorek/Schütze/Hausmann, ZPO, 3. Aufl., § 38 Rn. 100). Die Revision zeigt jedoch keine durchgreifenden Anhaltspunkte auf, dass die Parteien mit der Gerichtsstandsvereinbarung das Anliegen verfolgt haben, insoweit unterschiedliche Anforderungen zu stellen. Entgegen der Ansicht der Revision muss dem so zum Ausdruck gebrachten Willen der Parteien, Gegenforderungen nicht zur Aufrechnung zu stellen, sondern nur vor dem Heimatgericht gegen den jeweils anderen Vertragspartner einzuklagen, auch Vorrang vor dem möglicherweise bestehenden allgemeinen Interesse an einer einheitlichen Erledigung aller Streitfragen in einem einzigen Rechtsstreit eingeräumt werden (vgl. Senatsurteil vom 20. Juni 1979 - VIII ZR 228/76, aaO).
26 c) Die für die Unzulässigkeit der Aufrechnung maßgebenden Gesichtspunkte gelten auch für die Einrede eines Zurückbehaltungsrechts, sofern dieses - anders als die im Streitfall erhobene Einrede des nichterfüllten Vertrages - nur wegen einer zur Aufrechnung gestellten, auf Geldleistung gerichteten fälligen Gegenforderung geltend gemacht wird und im Ergebnis wie eine Aufrechnung wirkt (Senatsurteil vom 20. Juni 1979 - VIII ZR 228/76, aaO unter III 2 c).
27 2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht die für die Unzulässigkeit der Aufrechnung sprechenden Gesichtspunkte auf die Einrede des nichterfüllten Vertrages übertragen. Die Gerichtsstandsvereinbarung schließt die Geltendmachung eines Anspruchs auf Ersatzlieferung mangelfreier Ware gemäß Art. 46 Abs. 2 CISG im Wege der Einrede des nichterfüllten Vertrages nicht aus. Soweit das Berufungsgericht Gegenteiliges annimmt, hat es wesentliche Auslegungsgrundsätze nicht beachtet. Zu diesen vom Tatrichter zu beachtenden Grundsätzen gehört auch, dass die Auslegung nach beiden Seiten hin interessengerecht zu erfolgen hat (BGH, Urteile vom 2. Juli 2014 - VIII ZR 316/13, NJW 2014, 3148 Rn. 21, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; vom 17. Juli 2013 - I ZR 52/12, [WRP 2014, 178, K&R 2014, 202 m. K&R-Komm. Berberich] NJW 2014, 771 Rn. 11; vom 14. Juli 2004 - VIII ZR 164/03, BGHZ 160, 83, 88 f. [BB 2004, 1764 Ls]; vom 12. Januar 2001 - V ZR 372/99, BGHZ 146, 280, 284; vom 28. Oktober 1997 - XI ZR 260/96, BGHZ 137, 69, 72 [BB 1998, 71]; vom 31. Oktober 1995 - XI ZR 6/95, BGHZ 131, 136, 138; jeweils mwN).
28 Zwar müsste die Beklagte einen Anspruch auf Ersatzlieferung gemäß Art. 45 Abs. 1 Buchst. a, Art. 46 Abs. 2 CISG bei selbstständiger Geltendmachung im Rahmen eines Aktivprozesses im Heimatstaat der Klägerin verfolgen. Wäre der Beklagten jedoch prozessual das Recht genommen, sich auch in einem Passivprozess auf diese Weise zu verteidigen, wäre sie einer Vertragsverletzung durch Lieferung nicht vertragsgemäßer Ware praktisch schutzlos ausgesetzt. Das gilt umso mehr, als das Berufungsgericht angenommen hat, dass auch die Geltendmachung der Minderung (Art. 45 Abs. 1 Buchst. a, Art. 50 CISG), prozessual unzulässig sei. Nach dieser Sichtweise wäre auch die Erklärung der Aufhebung des Kaufvertrags (Art. 45 Abs. 1 Buchst. a, Art. 49 CISG) prozessual unbeachtlich. Es kann jedoch nicht angenommen werden, dass die Parteien beabsichtigten, der Gerichtsstandsvereinbarung eine solche Tragweite beizumessen, weil dann elementare Verteidigungsrechte des Vertragspartners abgeschnitten wären.
29 III. Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben, weil das Berufungsgericht zu Unrecht allein über den Klageanspruch und nicht auch über die der Einrede des nichterfüllten Vertrages zugrunde liegende Forderung entschieden hat. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Feststellungen zur materiellen Berechtigung der von der Beklagten erhobenen Einrede getroffen werden können (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
30 Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die Einrede des nichterfüllten Vertrages, soweit es um konventionsinterne Ansprüche geht, aus dem UN-Kaufrecht entwickelt werden kann (Senatsurteil vom 24. September 2014 - VIII ZR 394/12, juris Rn. 58, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, unter Hinweis auf Art. 58 Abs. 2, 3, Art. 71 CISG; siehe auch OGH, IHR 2006, 87, 90 f. und IHR 2007, 74, 75).