OLG München: Zum Vorliegen eines Teilgewinnabführungsvertrags
OLG München, Beschluss vom 29.10.2008 - 31 Wx 092/07, rechtskräftig
Leitsatz
Ein Teilgewinnabführungsvertrag liegt nicht vor, wenn nach einer Besserungsabrede die Verpflichtung des Schuldners zur Darlehensrückzahlung bei Erwirtschaftung eines Jahresüberschusses in dessen Höhe wieder aufleben soll.
AktG § 292
Sachverhalt
I. Gegenstand des Verfahrens ist die angemessene Barabfindung aufgrund des am 16.12.2003 beschlossenen Ausschlusses der Minderheitsaktionäre.
Die beiden Antragstellerinnen waren Aktionäre der X. AG, einer Bank. Die auf den Namen lautenden nennwertlosen Stückaktien waren nicht zum Börsenhandel zugelassen. Die X. befand sich 2001 in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die zum Eingreifen des Einlagensicherungsfonds führten. Im Rahmen der Bemühungen, eine Insolvenz der Bank zu verhindern und eine Sanierung einzuleiten, gewährte der B. im Jahr 2002 ein unverzinsliches Darlehen und übernahm eine Höchstbetragsbürgschaft. Die beiden Verträge lauten auszugsweise wie folgt:
„Vereinbarung über einen Zuschuss mit Besserungsabrede
§ 1
Darlehen
Der Darlehnsgeber gewährt der X. ein unverzinsliches Darlehen im Betrag von ....
...
§ 2
Verzicht
Der Darlehensgeber verzichtet hiermit auf die Rückzahlung des Darlehens.
Der Verzicht ist auflösend bedingt. Erwirtschaftet die X. in Zukunft Erträge, die es ermöglichen würden, in zukünftigen Jahresabschlüssen einen Jahresüberschuss aufzuweisen, so lebt die Rückzahlungsverpflichtung jeweils in Höhe des möglichen Jahresüberschusses wieder auf.
§ 3
Die Geschäftsleitung der X. wird diesen Vertrag, soweit erforderlich, der Hauptversammlung zur Zustimmung vorlegen.
§ 4
Dieser Zuschuss ersetzt die .... 2001 gegebene Bürgschaft ... „
„Bürgschaft
§ 1
Bürgschaft
Der Bürge verpflichtet sich gegenüber der X. dafür, dass die Schuldner der in der Anlage aufgeführten Darlehen ihre Verpflichtung zur Rückzahlung des Darlehensbetrages bei Fälligkeit erfüllen. ...
Die Verpflichtung des Bürgen unter dieser Bürgschaft ist beschränkt auf einen Höchstbetrag von ...
§ 2
Dauer
Die Bürgschaft läuft am ... aus.
Sollte zu diesem Zeitpunkt auf verbürgte Forderungen noch eine Wertberichtigung gebildet oder zu bilden sein, so hat der Bürge an die X. eine Zahlung in Höhe der Wertberichtigungen bzw. des Wertberichtigungsbedarfs in Bezug auf die verbürgten Forderungen zu leisten. ...
§ 3
Besserungsabrede
Erfolgt eine Zahlung nach § 2 Abs. 2, so hat die X. dem Bürgen bis zur Höhe des geleisteten Betrages (abzüglich etwaiger Erlöse aus auf den Bürgen nach § 774 BGB übergegangenen Forderungen) sämtliche Beträge zurückzuerstatten, die sie ohne eine solche Rückerstattung in den künftigen Jahresabschlüssen als Jahresüberschuss ausweisen würde und die sie nicht an den B. aufgrund einer mit diesem vereinbarten Besserungsabrede zu zahlen verpflichtet ist."
Am 16.12.2003 beschloss die Hauptversammlung, die Aktien der Minderheitsaktionäre gegen eine Barabfindung von 0,50 € je Stückaktie auf die Hauptaktionärin, eine von mehreren Banken und dem Einlagensicherungsfonds gebildete Auffanggesellschaft, zu übertragen, die rund 96,7 % des Grundkapitals hielt. Der Übertragungsbeschluss wurde am 22.1.2004 in das Handelsregister eingetragen. Die mit der Bewertung der X. beauftragte D. - Wirtschaftsprüfungsgesellschaft war zu dem Ergebnis gelangt, dass ein positiver Unternehmenswert weder bei der Fortführung noch bei der Liquidation des Unternehmens gegeben sei, der Wert einer Aktie deshalb „0" betrage. Die vom Landgericht als sachverständiger Prüfer bestellte F. - Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beurteilte die vorgenommene Bewertung als zutreffend und die vorgeschlagene Abfindung als angemessen.
Das Landgericht hörte in der mündlichen Verhandlung vom 20.7.2006 den sachverständigen Prüfer an und wies mit Beschluss vom 12.11.2007 die Anträge auf eine höhere Barabfindung zurück. Gegen diese Entscheidung richten sich die sofortigen Beschwerden der Antragsteller und des Vertreters der außenstehenden Aktionäre. Sie machen insbesondere geltend, die Besserungsabreden hätten als Teilgewinnabführungsverträge im Sinne des § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG der Zustimmung der Hauptversammlung bedurft und seien deshalb nichtig. Die Bewertung habe deshalb ohne Berücksichtigung dieser Rückzahlungsverpflichtungen zu erfolgen. Auch seien etwaige Schadensersatzansprüche gegen frühere Verantwortliche, der Erlös aus dem Verkauf des Filialgeschäfts und der Wert der Beteiligungen nicht hinreichend berücksichtigt.
Aus den Gründen
II. Die sofortigen Beschwerden sind zulässig, jedoch nicht begründet. Das Landgericht hat zu Recht die Festsetzung einer höheren Barabfindung abgelehnt.
1. Zutreffend hat das Landgericht die Antragsberechtigung der Antragstellerinnen bejaht. Insbesondere muss entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin der Nachweis der Antragsberechtigung nicht innerhalb der Antragsfrist erbracht werden (vgl. BGH NZG 2008, 658).
2. Das Landgericht hat mit Bewerter und sachverständigem Prüfer angenommen, dass zum maßgeblichen Stichtag ein positiver Unternehmenswert für die X. AG nicht vorhanden war. Das ist nicht zu beanstanden.
a) Für die Ermittlung des Unternehmenswerts wurden drei Handlungsoptionen geprüft, nämlich die Fortführung des Unternehmens, die vollständige Liquidation und die Teilliquidation. Nach den plausiblen und nachvollziehbaren Darlegungen im Bericht der Hauptaktionärin und im Bericht des sachverständigen Prüfers ergibt sich bei keiner dieser Alternativen ein positiver Wert.
Bei der Ermittlung des Ertragswerts wurde die im Rahmen der Restrukturierung vorgenommene Trennung des gesamten Geschäftsbetriebs in den zur Fortführung („Good Bank") und den aufgrund schlechter Risiken nur zur Abwicklung geeigneten Teil (Abwicklungsbank) zugrunde gelegt. Für die Good Bank ergeben sich für die Planjahre 2004 bis 2006 negative Ergebnisse von - 18,0 Mio. €, - 17,7 Mio. € und -17,1 Mio. €, über 2006 hinaus ein negatives Ergebnis von jährlich - 17,7 Mio. €. Bei der Abwicklungsbank verbleibt nach Abwicklung aller notleidenden Kredite zum Ende des Planungszeitraums ein negatives Ergebnis von - 8,8 Mio. € jährlich, das durch die Kosten leerstehender Immobilien verursacht wird. Wie der sachverständige Prüfer in seiner Stellungnahme vom 6.11.2003 (dort S. 13) hervorgehoben hat, sind bei dieser Prognose, die schon keine Ableitung eines positiven Ertragswerts zulässt, die Verpflichtungen der X. aus den Besserungsscheinen noch nicht berücksichtigt, die dann zur Abschöpfung positiver Ergebnisse führen würden, wenn in „nicht absehbarer" Zukunft solche erzielt werden könnten. Der Liquidationswert bei Verkauf der Filialbank wurde mit -21,3 Mio. € beziffert, bei Abwicklung aller Aktivitäten mit -47,7 Mio. €.
3. Die Einwände der Antragsteller und des Vertreters der außenstehenden Aktionäre gegen die Bewertung hat das Landgericht zu Recht als nicht durchgreifend erachtet. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen. Ergänzend ist zum Beschwerdevorbringen auszuführen:
a) Soweit im Hinblick auf die nicht erfolgte Befassung der Hauptversammlung die Unwirksamkeit der Besserungsabreden geltend gemacht wird, ist dem das Landgericht zu Recht nicht gefolgt. Die Vereinbarungen in den Darlehens- und Bürgschaftsverträgen zwischen der X. und dem B. stellen keine Unternehmensverträge im Sinne der §§ 291 ff AktG dar, insbesondere handelt es sich nicht um Teilgewinnabführungsverträge im Sinne des § 292 Abs. 2 Nr. 2 AktG.
aa) Mit einem Teilgewinnabführungsvertrag verpflichtet sich eine Aktiengesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft auf Aktien, einen Teil ihres Gewinns oder den Gewinn einzelner ihrer Betriebe ganz oder zum Teil an einen anderen abzuführen. Die vertraglich geschuldete Leistung der Gesellschaft besteht in der Abführung eines Teils ihres Gewinns (KKAktG/Koppensteiner § 292 Rn. 54). § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG erfasst grundsätzlich jeden Vertrag ohne Rücksicht auf seine rechtliche Einkleidung, der der Sache nach auf die Abführung eines Teils des Gewinns hinausläuft (Emmerich/Habersack Aktien- und GmbH-Konzernrecht 5. Aufl. § 292 Rn. 23 a).
bb) Eine solche Verpflichtung zur Abführung eines Teils des Gewinns enthalten die fraglichen Vereinbarungen zwischen der X. und dem B. jedoch nicht. Sie stellen vielmehr typische Besserungsabreden dar, nämlich Vereinbarungen zwischen Schuldner und Gläubiger, durch die der Gläubiger zum Zweck der Erhaltung der Liquidität und/oder Beseitigung der Überschuldung des Schuldners auf seine Forderungen bzw. deren Geltendmachung ganz oder wenigstens teilweise verzichtet, um sie bei einer späteren Besserung der Vermögensverhältnisse des Schuldners wieder geltend zu machen (vgl. Gottwald/Drukarczyk/Kippes Insolvenzrechtshandbuch 3. Aufl. § 3 Rn. 85; Heidel Aktien- und Kapitalmarktrecht 2. Aufl. § 160 AktG Rn. 19). Der Erlass der Forderung wird dabei unter die auflösende Bedingung gestellt, dass sich die Vermögensverhältnisse des Schuldners bessern (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB 67. Aufl. § 397 Rn. 5; MünchKommInsO/Breuer 2. Aufl. § 224 Rn. 12). Die auflösende Bedingung für den Erlass der Forderung kann an bestimmte Bezugsgrößen wie Umsatzhöhe, Zahlungseingänge oder Bilanzgrößen wie Jahresüberschuss oder Bilanzgewinn angeknüpft werden (Gottwald/Drukarczyk/Kippes § 3 Rn. 86). Der Rechtsgrund der Forderung wird durch den Besserungsschein nicht berührt; in seiner Ausstellung liegt nach dem üblichen Sprachgebrauch keine Schuldumwandlung oder Schuldumschaffung (vgl. BGH NJW 1984, 2762/2763). Tritt die auflösende Bedingung ein, besteht die Forderung wieder so, als hätte es den Verzicht nicht gegeben.
cc) Gegenstand der vertraglichen Vereinbarungen zwischen der X. als Schuldnerin und dem B. als Gläubiger ist ein solcher Forderungserlass. Dieser steht unter der auflösenden Bedingung, dass die Schuldnerin Erträge erwirtschaftet, die die Ausweisung eines Jahresüberschusses ermöglichen würden. Tritt diese Bedingung ein, entfällt der Erlass mit der Folge, dass die ursprünglichen Forderungen - auf Rückerstattung des gewährten Darlehens und auf Ersatz der Aufwendungen aufgrund der Bürgschaft - wieder bestehen, wobei hinsichtlich des Darlehens die zur Rückzahlung fällige Forderung in der Höhe auf den jeweiligen Jahresüberschuss beschränkt wird. Die Rückerstattung des Darlehens durch die Gesellschaft als Darlehensnehmerin (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB) stellt keine Gewinnabführung dar (vgl. BayObLG NZG 2001, 408), ebenso wenig der Ersatz von Aufwendungen des Bürgen durch die Gesellschaft als Auftraggeberin (§§ 675, 670 BGB).
b) Zu Recht hat es das Landgericht abgelehnt, den im Februar 2004 tatsächlich erzielte Kaufpreis für die Filialen für die Bewertung heranzuziehen. Wie vom sachverständigen Prüfer in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht eingehend dargestellt, war dieser konkrete Verkauf zum maßgeblichen Zeitpunkt der Hauptversammlung am 16.12.2003 noch nicht absehbar. Es bestand deshalb kein Anlass, die Antragsgegnerin zur Vorlage der entsprechenden Verträge zu veranlassen. Bei der Bewertung wurde im Rahmen der Alternative „Teilliquidation" der für das Filialgeschäft erzielbare Kaufpreis mit 46 Mio. € angenommen. Daraus ergab sich ein negativer Veräußerungserlös von - 92,0 Mio. €, da dem angesetzten Kaufpreis ein Buchwertabgang von 138 Mio. € gegenüberstand. Der Umstand, dass zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich 60 Mio. € als Kaufpreis erzielt werden konnten, führt nicht zu einer Korrektur der auf den Stichtag bezogenen, im Einzelnen begründeten Schätzung des voraussichtlich erzielbaren Erlöses. Abgesehen davon kann, wie das Landgericht zutreffend hervorgehoben hat, die gegenüber der Käuferin übernommene Risikoabschirmung bei der Bewertung des erzielten Kaufpreises nicht außer Acht gelassen werden.
c) Die Bewertung der Beteiligungen wurde nicht nur im Rahmen des Übertragungsberichts, sondern auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht durch den sachverständigen Prüfer ausführlich und nachvollziehbar erörtert. Ohne Erfolg verlangen die Beschwerdeführer die Einbeziehung von Schadensersatzansprüchen gegen ehemalige Verantwortliche des Unternehmens. Es ist nicht ersichtlich, dass zum maßgeblichen Stichtag konkrete durchsetzbare Ansprüche des Unternehmens gegen bestimmte Personen bestanden, geschweige denn, dass etwaige derartige Ansprüche einen den Unternehmenswert entscheidend beeinflussenden Umfang hätten erreichen können. Das Landgericht war nicht gehalten, hierzu weitere Ermittlungen anzustellen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass zwischenzeitlich der ehemalige Vorstand wegen eines Falles der schweren Untreue zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde.
4. Die Verzinsung der Barabfindung richtet sich nach § 327b Abs. 2 AktG. Diese Vorschrift entspricht entgegen der Auffassung der Antragstellerin zu 2 verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfG NJW 2007, 3268/3271).
III.
1. Die Gerichtskosten hat die Antragsgegnerin zu tragen (§ 15 Abs. 2 Satz 1 SpruchG). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet (§ 15 Abs. 4 SpruchG).
2. Die Vergütung des Vertreters der außenstehenden Aktionäre war gemäß § 6 Abs. 2 SpruchG auf 1.102,13 € festzusetzen (RVG VV Nr. 3500, 7002, 7008).