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Wirtschaftsrecht
14.08.2014
Wirtschaftsrecht
OLG Karlsruhe: Zum Verstoß einer Klausel in den AGB eines Energieversorgers gegen § 307 BGB

OLG Karlsruhe, Urteil vom 8.8.2014 – 4 U 109/14

Amtliche Leitsätze

1. Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Energieversorgers, die dem Verwender die Befugnis einräumt, unter bestimmten Voraussetzungen seine Preise "nach billigem Ermessen der Entwicklung der Kosten anzupassen", verstößt nicht deshalb gegen § 307 BGB, weil kein ausdrücklicher Hinweis auf die Möglichkeit gerichtlicher Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB erfolgt.

2. Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Energieversorgers verstößt nicht deshalb gegen § 307 BGB, weil sie eine Preisanpassungsmöglichkeit außer bei der Änderung ausdrücklich genannter preisbestimmender Faktoren auch für die Fälle vorsieht, dass "sonstige Änderungen der energiewirtschaftlichen oder rechtlichen Rahmenbedingungen zu einer veränderten Kostensituation führen".

§ 307 BGB, § 315 BGB

Sachverhalt

I.

Die Parteien streiten um die (wettbewerbsrechtliche) Zulässigkeit von Preisanpassungsklauseln in Versorgungsverträgen zur Belieferung mit Strom und Gas. Für die Einzelheiten der landgerichtlichen Feststellungen, insbesondere für den Inhalt der Klauseln, wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, da die Anpassungsklauseln weder irreführende geschäftliche Handlungen darstellten noch als unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen gem. § 4 Nr. 11 UWG wettbewerbswidrig seien. Ein Verstoß gegen die Marktverhaltensregel des § 307 BGB liege nicht vor. Aufgrund der Preisanpassungsklauseln werde ein Kunde nicht unangemessen benachteiligt, da Anpassungsmaßstab und -anlass offen lägen, eine Anpassung durch das Gebot der Billigkeit begrenzt sowie nach oben und unten vorgesehen sei und die Vorschrift dem Transparenzgebot genüge. Ein ausdrücklicher Hinweis auf die eröffnete Billigkeitskontrolle des § 315 Abs. 3 BGB gebiete § 307 BGB nicht.

Die Klägerin verfolgt ihr erstinstanzliches Begehren weiter und hält die landgerichtliche Entscheidung für rechtsfehlerhaft. Zur Begründung verweist sie auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und eine Entscheidung des OLG München vom 10.04.2014 (29 W 433/14).

Die Beklagte meint, die Berufung sei bereits unzulässig, da eine bloße Bezugnahme auf erstinstanzliches Vorbringen den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung nicht genüge.

Rechtsfehlerfrei sei das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klauseln angemessen seien und dem Transparenzgebot genügten, da sie eine Anpassung in beide Richtungen vorsähen und Art und Umfang der Anpassung mitgeteilt werde. Die Anpassung richte sich nach den Kosten der Energiebeschaffung und der Netznutzung. Weitere Kostenbestandteile würden in den - nicht streitgegenständlichen - Wälzungsklauseln (1.2 bis 1.7) geregelt. Da die Anpassungen der Billigkeitskontrolle unterlägen, sei die eingeräumte Möglichkeit zur Preisänderung nicht unangemessen, eines Hinweises auf die gerichtliche Billigkeitskontrolle bedürfe es nicht.

Aus den Gründen

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1. Die - unter Hinweis auf abweichende obergerichtliche Rechtsprechung erhobene - Rüge der Rechtsfehlerhaftigkeit der landgerichtlichen Urteilsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO an die Zulässigkeit der Berufung.

2. Ein Unterlassungsanspruch der Klägerin aus §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 UWG i.V.m. § 307 BGB besteht nicht, da die beanstandeten Klauseln die Vertragspartner der Beklagten nicht unangemessen benachteiligen, insbesondere nicht intransparent sind. Ein Verstoß gegen das (tatbestandlich enger gefasste) wettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot liegt folglich ebenfalls nicht vor.

Einseitige Preisanpassungsklauseln sind (sofern sie nicht § 309 Nr. 1 BGB unterfallen) zulässig, wenn sie den Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligen, insbesondere nicht intransparent sind (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) und dem aus § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB folgenden Gerechtigkeitsgebot genügen (BGHZ 198, 111, juris Rz. 44).

Das Gerechtigkeitsgebot erfordert im Fall von Preisanpassungsklauseln insbesondere die Möglichkeit einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle (BGH a.a.O.), die die streitgegenständlichen Klauseln eröffnen. Die Bestimmung eines neuen Vertragspreises erfolgt vorliegend ausdrücklich (vgl. Ziff. 2.4. der Bedingungen für Strom- und Ziff. 6.6. für Gaslieferungen) nach billigem Ermessen, so dass der Anwendungsbereich des § 315 Abs. 3 BGB und die Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle ohne Zweifel offen stehen.

Die konkrete Klausel ist schließlich hinreichend transparent, weil nicht geeignet, einen mit einer Preisanpassung nicht einverstandenen Verbraucher von einer (gerichtlichen) Billigkeitskontrolle abzuhalten, indem die Rechtslage durch eine irreführende Darstellung in einer Art verschleiert wird, die es dem Verwender ermöglicht, berechtigte Ansprüche auf eine gerichtlichen Kontrolle abzuwehren (vgl. BGH a.a.O., Rz. 44; Schmidt in Beck-Online, Kommentar zum BGB, Stand 2014, § 307 Rn. 44 m.N.; BGHZ 186, 180, juris Rz. 43 f.). Der Hinweis, eine Anpassung finde nach billigem Ermessen statt, ist eindeutig und ermöglicht keine Abwehr entsprechender Klagen gem. § 315 Abs. 3 BGB. Der Umstand, dass die Klauseln nicht explizit auf § 315 BGB verweisen, begründet daneben keine unangemessene Benachteiligung im Sinne der Generalklausel (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB). Besondere Belehrungen über die Möglichkeiten der gerichtlichen Kontrolle gebietet § 307 BGB nicht; solche sind aus diesem Grund - anders als in anderen Bereichen des Verbraucherschutzes - gesetzlich nicht vorgesehen. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist eine Hinweispflicht, anders als die Klägerin meint, ebenfalls nicht zu entnehmen (vgl. auch Büdenbender NJW 2013, 3601 unter 3.e). Eine (europarechtlich gebotene) Pflicht sieht auch der EuGH, der die für einseitige Anpassungsklauseln aus dem Gebot von Treu und Glauben folgenden Anforderungen in der Entscheidung vom 21.03.2013 (C-92/11; unter 55.) zusammenfasst, nicht.

Die weitere Voraussetzung für eine dem Gebot von Treu und Glauben genügende Allgemeine Geschäftsbedingung zur einseitigen Preisanpassung, nämlich die dem Kunden einzuräumende Kündigungsmöglichkeit, ist bei den streitgegenständlichen Bedingungen ebenfalls berücksichtigt (Urteil des EuGH a.a.O.).

Der Anlass und Modus der (einseitigen) Änderung der Entgelte für die zur Verfügung gestellten Versorgungsleistungen (Strom und Gas) sind hinreichend transparent dargestellt, da aus den Klauseln hervorgeht, dass - weil billigem Ermessen folgend - sich das Entgelt verhältnismäßig zu den Kostensteigerungen der einzelnen Preisbestandteile erhöht oder verringert und daher zusätzliche Gewinnspannen ausgeschlossen sind und eine Änderung erstmals nach der Erstlaufzeit und im Übrigen auf den Zeitpunkt der Vertragsverlängerung zulässig ist. Der Anlass der Änderungen, nämlich bei Kostensteigerungen in den einzeln genannten Preisbestandteilen (Ziff. 1.1 - Strom - und 6.1 - Gas), „insbesondere, wenn sich die Kosten für die Beschaffung von Energie oder die Nutzung des Verteilnetzes ändern oder sonstige Änderungen der energiewirtschaftlichen oder rechtlichen Rahmenbedingungen zu einer veränderten Kostensituation führen", liegt für die Verbraucher ebenfalls offen. Aus der Zusammenschau mit den Regelungen zu den maßgeblichen Preisbestandteilen folgt, dass es sich dabei nur um solche „energiewirtschaftliche oder rechtliche Rahmenbedingungen" handeln kann, die in sachlichem Zusammenhang mit den Kriterien stehen, die wirtschaftlich für die Bildung der Ausgangspreise relevant sind; anderenfalls wäre eine Berücksichtigung unbillig und unterläge gerichtlicher Korrektur. Eine präzisere Formulierung zur Orientierung des Verbrauchers gebietet auch das Transparenzgebot nicht, weil sich die weitere Entwicklung und die maßgeblichen Faktoren der Preisbildung (über die benannten Bestandteile hinaus) angesichts der Änderungsanfälligkeit der Rahmenbedingungen der Energiewirtschaft nicht zumutbar konkreter benennen lassen. Insoweit genügt das Korrektiv der Billigkeitskontrolle, um eine unangemessene Benachteiligung des Kunden zu vermeiden.

Die Klauseln wahren zuletzt auch das Äquivalenzinteresse (BGH a.a.O. Rn. 41), da der Lieferant verpflichtet ist, Kostenerhöhungen in gleichem Umfang preiswirksam zu berücksichtigen wie Kostensenkungen (Ziff. 2.4. a. E - Strom - und Ziff. 6.6. a. E.-Gas).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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