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Wirtschaftsrecht
21.08.2024
Wirtschaftsrecht
BGH: Zum Referenzzins für Zinsanpassungen in Prämiensparverträgen

BGH, Urteil vom 9.7.2024 – XI ZR 44/23

ECLI:DE:BGH:2024:090724UXIZR44.23.0

Volltext: BB-Online BBL2024-1922-2

unter www.betriebs-berater.de

 

Amtliche Leitsätze

a) Die von der Deutschen Bundesbank veröffentlichte Zeitreihe der Umlaufsrenditen börsennotierter Bundeswertpapiere mit Restlaufzeiten von über 8 bis 15 Jahren mit der Bezeichnung BBSIS.M.I.UMR.RD.EUR.S1311.B.A604.R0815.R.A.A._Z._Z.A (ehemalige Zeitreihe WU9554) genügt den Anforderungen, die nach der Senatsrechtsprechung (Senatsurteile vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 84 f. [BB 2021, 2753, Ls.] und vom 24. Januar 2023 - XI ZR 257/21, WM 2023, 326 Rn. 18 [BB 2023, 386, Ls.]) im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB an den Referenzzins für die variable Verzinsung von Prämiensparverträgen zu stellen sind.

b) Der Referenzzins für Prämiensparverträge ist nicht nach der Methode gleitender Durchschnitte zu berechnen (Bestätigung von Senatsurteilen vom 21. Dezember 2010 - XI ZR 52/08, WM 2011, 306 Rn. 23 f. [BB 2011, 977] und vom 25. April 2023 - XI ZR 225/21, juris Rn. 19).

c) Zur Verjährung von Ansprüchen auf Zahlung weiterer variabler Zinsen aus Prämiensparverträgen nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB (Fortführung von Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 64 ff. [BB 2021, 2753, Ls.]).

§ 133 BGB, § 157 BGB, § 199 Abs 1 Nr 2 BGB

 

Sachverhalt

Der Musterkläger, ein seit über vier Jahren als qualifizierte Einrichtung in die Liste nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverband, begehrt im Wege der Musterfeststellungsklage Feststellungen zu den Voraussetzungen für das Bestehen von Ansprüchen von Verbrauchern auf weitere Zinsbeträge aus Prämiensparverträgen (sog. "S-Prämiensparen flexibel", nachfolgend: Sparverträge) gegen die Musterbeklagte.

Die Musterbeklagte bzw. deren Rechtsvorgänger (nachfolgend einheitlich: Musterbeklagte) schloss in der Zeit vor Juli 2010 mit Verbrauchern Sparverträge ab, die eine variable Verzinsung der Spareinlage und ab dem dritten Sparjahr eine der Höhe nach - bis zu 50% der jährlichen Spareinlage ab dem 15. Sparjahr - gestaffelte verzinsliche Prämie vorsahen. Die Vertragsformulare enthielten keine konkreten Bestimmungen zur Änderung des variablen Zinssatzes.

Der Musterkläger hält die Regelungen zur Änderung des variablen Zinssatzes für unwirksam und die während der Laufzeit der Sparverträge von der Musterbeklagten vorgenommene Verzinsung für zu niedrig.

Mit der Musterfeststellungsklage möchte er - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - festgestellt wissen, dass die Musterbeklagte verpflichtet ist, die Zinsanpassung auf der Grundlage von gleitenden Durchschnittswerten der letzten zehn Jahre der Umlaufsrenditen inländischer Hypothekenpfandbriefe mit einer garantierten Restlaufzeit von 10 Jahren (ehemalige Zeitreihe WX4260 der Deutschen Bundesbank) (Feststellungsziel 2a), hilfsweise entsprechend der Laufzeit eines von der Deutschen Bundesbank für inländische Banken erhobenen langfristigen Referenzzinssatzes vorzunehmen, der dem konkreten Geschäft möglichst nahekommt, wobei die Auswahl des Referenzzinssatzes in das Ermessen des Gerichts gestellt wird (Feststellungsziel 2b) und dass sich die für den Fristlauf der Regelverjährung des § 195 BGB erforderliche Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB bezüglich der Ansprüche der Verbraucher auf die Unwirksamkeit der verwendeten Zinsanpassungsklausel und auf die Zinsanpassungsparameter bezieht, die nach rechtskräftiger höchstrichterlich vorgenommener ergänzender Vertragsauslegung festgelegt worden sind (Feststellungsziel 5a), hilfsweise, dass die Verjährungsfrist fälliger vertraglicher Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung weiterer Zinsen frühestens mit dem Schluss des Jahres 2021 beginnt (Feststellungsziel 5b).

Das Oberlandesgericht hat hinsichtlich des Feststellungsziels 2 nach Hinzuziehung eines Sachverständigen festgestellt, dass die Musterbeklagte verpflichtet ist, die Zinsanpassung auf der Grundlage der Umlaufsrenditen börsennotierter Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von über 8 bis 15 Jahren (Zeitreihe der Deutschen Bundesbank: Umlaufsrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen / Börsennotierte Bundeswertpapiere / RLZ von über 8 bis 15 Jahren / Monatswerte, ehemalige Kennung WU9554) vorzunehmen. Hinsichtlich des Feststellungsziels 5 hat es die Klage abgewiesen.

Mit der Revision verfolgt der Musterkläger die Feststellungsziele 2 und 5 weiter, soweit das Oberlandesgericht zu seinem Nachteil erkannt hat.

Aus den Gründen

7          Die Revision ist unbegründet.

 

I.

8          Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für die Revision von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:

 

9          Infolge der unwirksamen Zinsanpassungsklausel sei eine vertragliche Lücke entstanden, die durch das Gericht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen sei. Nach dem Feststellungsziel 2 sei ein konkreter Referenzzinssatz zu bestimmen, der sich aus den veröffentlichten Zinsstatistiken der Deutschen Bundesbank ergebe. Auf der Grundlage der gemäß § 411a ZPO verwerteten schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. T.      und dessen mündlichen Erläuterungen sei die von der Deutschen Bundesbank veröffentlichte Zeitreihe der Umlaufsrenditen börsennotierter Bundesanleihen mit Restlaufzeiten von über 8 bis 15 Jahren als Referenz zugrunde zu legen.

 

10        Für die Heranziehung dieser Umlaufsrenditen als Referenz spreche, dass sie einen "risikolosen" Zins widerspiegelten. Umlaufsrenditen von Hypothekenpfandbriefen (Zeitreihe der Deutschen Bundesbank mit der ehemaligen Kennung WX4260) enthielten demgegenüber trotz der Besicherung durch Pfandbriefe einen Risikoaufschlag, der zu einer vergleichsweise höheren Verzinsung führe. In Krisenzeiten wirke sich das mit den Hypothekenpfandbriefen verbundene Risiko aus, so dass die Umlaufsrenditen von Hypothekenpfandbriefen über jenen von Bundesanleihen lägen. Der Sparer zeige allerdings keinerlei Risikobereitschaft. Er habe seine Einlagen bei einem Geldinstitut geleistet, das bei Vertragsschluss der Gewährträgerhaftung unterlegen habe. Bei Abwägung der berechtigten Renditeerwartung der Sparer gegen das berechtigte Rentabilitätsinteresse der Beklagten sei es angesichts der geringen Risikobereitschaft der Sparer daher unangemessen, für die variable Verzinsung die mit einem vergleichsweise höheren Ausfallrisiko behafteten Umlaufsrenditen von Hypothekenpfandbriefen als Referenz heranzuziehen.

 

11        Für die Umlaufsrenditen von Bundesanleihen als Referenz spreche außerdem, dass diese jederzeit ohne nennenswerte Kosten liquidiert werden könnten. Die Sparverträge seien - anders als Termingelder - angesichts der für Sparer bestehenden dreimonatigen Kündigungsfrist ebenfalls "flexibel".

 

12        Die Zeitreihe mit Restlaufzeiten von 8 bis 15 Jahren komme der in den Sparverträgen angelegten Laufzeit von 15 Jahren bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe am nächsten. Sie stütze sich auf die breiteste Grundlage mehrerer Jahre und sei der entsprechenden Zeitreihe mit Restlaufzeiten von 10 Jahren daher überlegen. Durch die durchschnittliche Restlaufzeit von unter 15 Jahren würden zusätzliche Liquiditätsaspekte der Sparer abgebildet. Gegen Zeitreihen mit 7 Jahren bzw. 9 bis 10 Jahren Restlaufzeit spreche, dass die Sparverträge auch jenseits des 15. Sparjahres noch attraktive Prämien böten.

 

13        Gegen die Verwendung einer Zeitreihe mit gleitenden Durchschnitten spreche, dass Veränderungen der Marktzinsen nicht in gleichem Ausmaß zu Veränderungen der variablen Verzinsung der Sparverträge führten. Bei sinkenden Marktzinsen werde die Anpassung der Vertragszinsen abgefedert. Dies entspreche einseitig dem Interesse der Sparer, finde in den Sparverträgen keinen Ausdruck und könne für die ergänzende Vertragsauslegung damit nicht maßgebend sein. Lege man für die vertraglich vereinbarte variable Basisverzinsung langfristig gleitende Durchschnittszinsen als Referenz zugrunde, erhielten die Sparer zusätzlich zu der als Festverzinsung vereinbarten S-Prämie als Basiszins wegen der großen Trägheit von langfristig gleitenden Durchschnittszinsen und des damit verbundenen "ruhigen Zinsverlaufs" sich kaum verändernde weitere "Festzinsen". Die Sparverträge böten keinen Anhaltspunkt dafür, dass die vereinbarte variable Verzinsung jeweils die Zinsentwicklung der vergangenen zehn Jahre widerspiegeln solle.

 

14        Abgesehen davon spreche auch die mangelnde Vorhersehbarkeit gegen die Heranziehung der Zeitreihe mit der ehemaligen Kennung WX4260 als Referenz. Es seien Parameter zu wählen, die dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit der Zinsänderungen genügten. Dies spreche dafür, auf Zeitreihen zurückzugreifen, die bei Vertragsschluss verfügbar und allgemein zugänglich gewesen seien. Die Zeitreihe mit der ehemaligen Kennung WX4260 sei erstmals im Jahr 2001 veröffentlicht worden. Sie sei somit zu dem Zeitpunkt, zu dem die meisten Sparverträge bereits abgeschlossen gewesen seien, noch nicht veröffentlicht und damit nicht allgemein zugänglich gewesen. Die Zeitreihe mit der ehemaligen Kennung WU9554 werde demgegenüber seit dem Jahr 1993 veröffentlicht und enthalte daher aus ex-ante-Sicht vorhersehbare und kontrollierbare Referenzzinsen.

 

15        Das Feststellungsziel 5a sei deswegen unbegründet, weil Sparern auf Nachzahlung von Zinsen gerichtete Individualklagen auch vor der Festlegung von Zinsanpassungsparametern durch eine rechtskräftige höchstrichterliche ergänzende Vertragsauslegung möglich und zumutbar gewesen seien. Eine den Verjährungsbeginn ausnahmsweise hinausschiebende unsichere und zweifelhafte Rechtslage habe jedenfalls seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17. Februar 2004 (XI ZR 140/03, BGHZ 158, 149) nicht mehr vorgelegen. Der konkrete Referenzzinssatz und die Art der Zinsberechnung stellten keine anspruchsbegründenden Tatsachen dar, deren "Unkenntnis" den Beginn der Verjährung des Anspruchs auf Verzinsung hindere. Referenzzinssatz und Art der Zinsberechnung seien von den Gerichten im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu bestimmen. Dabei handele es sich um eine rechtliche Bewertung.

 

16        Das hilfsweise geltend gemachte Feststellungsziel 5b sei ebenfalls unbegründet. Maßgeblich für den Verjährungsbeginn sei unter anderem die Entstehung des Anspruchs, also die Vertragsbeendigung, die jeweils unterschiedlich ausfalle. Ansprüche aus Sparverträgen, die in der Vergangenheit beendet worden seien, könnten bei entsprechend zurückliegender Beendigung daher bereits kenntnisunabhängig absolut verjährt sein.

 

II.

17        Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand, so dass die Revision des Musterklägers zurückzuweisen ist.

 

18        1. Die Musterfeststellungsklage ist zulässig. Auf sie sind gemäß § 46 EGZPO die §§ 606 bis 614 ZPO in der bis zum 12. Oktober 2023 geltenden Fassung (nachfolgend: aF) anzuwenden, weil die Klage vor dem 13. Oktober 2023 anhängig gemacht worden ist. Das Oberlandesgericht hat das Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 606 ZPO aF zu Recht bejaht.

 

19        2. Die Revision macht zu Unrecht geltend, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht mit einem Tatbestand versehen und daher aufzuheben sei.

 

20        Das Musterfeststellungsurteil muss nach § 610 Abs. 5 Satz 1 ZPO aF i.V.m. § 313 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 ZPO einen Tatbestand enthalten, der die vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel unter Hervorhebung der gestellten Anträge ihrem wesentlichen Inhalt nach knapp darstellt. Der Tatbestand bildet die Grundlage für die revisionsrechtliche Nachprüfung nach § 614 Satz 1 ZPO aF i.V.m. §§ 545, 559 ZPO (vgl. Mekat in Nordholtz/Mekat, Musterfeststellungsklage, 1. Aufl., § 9 Rn. 29).

 

21        Das angefochtene Urteil des Oberlandegerichts enthält auf den Seiten 3 bis 18 eine hinreichende tatbestandliche Darstellung des Streitstoffs und der von den Musterparteien verfolgten Sachanträge. Die Darstellung ist zwar nicht - wie nach § 313 Abs. 1 Nr. 5 ZPO vorgeschrieben - mit "Tatbestand", sondern mit "Gründe: I." überschrieben wie es bei Berufungsurteilen gemäß § 540 Abs. 1 ZPO üblich ist. Ihr lässt sich aber ohne Weiteres entnehmen, von welchem Sach- und Streitstand das Oberlandesgericht ausgegangen ist und zu welchen Sachanträgen die Parteien streitig verhandelt haben, so dass die für die revisionsrechtliche Nachprüfung erforderliche tatsächliche Beurteilungsgrundlage vorliegt.

 

22        3. Die vom Oberlandesgericht zum Feststellungsziel 2 getroffene Feststellung, wonach die Beklagte die Zinsen in den Sparverträgen ohne Anpassungsschwelle auf Grundlage der Zeitreihe der Deutschen Bundesbank zu den Umlaufsrenditen inländischer Bundeswertpapiere mit Restlaufzeiten von über 8 bis 15 Jahren anzupassen hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

23        a) Die Regelungslücke, die durch die Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel bei gleichzeitiger Wirksamkeit der Vereinbarung über die Variabilität der Zinshöhe entstanden ist, hat das Gericht - auch im Rahmen einer Musterfeststellungsklage nach §§ 606 ff. ZPO aF - im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) zu schließen (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 41 ff.), die der selbständigen und uneingeschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (Senatsurteile vom 13. April 2010 - XI ZR 197/09, BGHZ 185, 166 Rn. 20 und vom 6. Oktober 2021, aaO Rn. 56). Dabei muss es die maßgeblichen Parameter einer Zinsanpassung und damit insbesondere einen Referenzzins für die variable Verzinsung des Sparguthabens bestimmen (Senatsurteile vom 6. Oktober 2021, aaO Rn. 41, 81 ff. und vom 24. Januar 2023 - XI ZR 257/21, WM 2023, 326 Rn. 18). Maßstab für die ergänzende Vertragsauslegung ist bei Massengeschäften wie den streitgegenständlichen Sparverträgen ebenso wie für die Auslegung und Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht der Wille der konkreten Vertragsparteien. Es ist vielmehr aufgrund einer objektiv-generalisierenden Sicht auf die typischen Vorstellungen der an Geschäften gleicher Art beteiligten Verkehrskreise abzustellen (Senatsurteile vom 21. Dezember 2010 - XI ZR 52/08, WM 2011, 306 Rn. 16, vom 13. Mai 2014 - XI ZR 170/13, WM 2014, 1325 Rn. 106 und vom 6. Oktober 2021, aaO Rn. 44).

 

24        b) Von diesen Grundsätzen ist das Oberlandesgericht ausgegangen.

 

25        aa) Wie der Senat (Senatsurteile vom 21. Dezember 2010 - XI ZR 52/08, WM 2011, 306 Rn. 23 f. und vom 25. April 2023 - XI ZR 225/21, juris Rn. 19) bereits entschieden hat, ist der Referenzzinssatz für Sparverträge der vorliegenden Art nicht nach der Methode gleitender Durchschnitte zu berechnen (vgl. auch OLG Dresden, WM 2022, 1973, 1976 und Urteil vom 19. Juni 2023 - 8 U 669/21, juris Rn. 66 f.; OLG Brandenburg, BKR 2024, 522 Rn. 45; BayObLG, Urteil vom 28. Februar 2024 - 101 MK 1/20, juris Rn. 360 f.; LG Magdeburg, Urteil vom 21. März 2023 - 2 O 1179/21, juris Rn. 44 ff.; AG Nürnberg, Urteile vom 25. Juni 2021 - 18 C 814/20, juris Rn. 70 und 18 C 815/20, juris Rn. 80; Elsas/Luz/Worch, BKR 2022, 570, 574; Furche, WM 2022, 1041, 1042 ff.; Homberger, EWiR 2022, 417, 418 f.; Knops, ZIP 2022, 1951, 1954 f.; Knops/Fromm, NJW 2023, 1621 Rn. 8; Schultheiß/Widany, WM 2023, 601 Rn. 55 ff.; Stöhr, WuB 2023, 274, 277; Wehrt, WM 2022, 1001, 1004 f.; ders., ZIP 2023, 1347, 1352; aA LG Dresden, Urteil vom 24. September 2020 - 9 O 2203/19, BeckRS 2020, 57088 Rn. 32 ff.; LG Duisburg, Urteile vom 27. August 2021 - 3 O 301/20, juris Rn. 55 ff. und vom 6. September 2021 - 3 O 300/20, juris Rn. 38 ff.; LG Kleve, Urteil vom 19. Januar 2021 - 4 O 262/20, juris Rn. 42; Langner in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl., § 45 Rn. 58; Berger/Nettekoven, ZIP 2022, 293, 297 f.; Wimmer/Rösler, WM 2022, 1963, 1965 f.). Davon ist das Oberlandesgericht zutreffend ausgegangen. Die Revision hat keine Argumente vorgebracht, die Anlass für eine Änderung der Senatsrechtsprechung geben.

 

26        Entgegen der Meinung der Revision beansprucht die vorgenannte Senatsrechtsprechung nicht nur Geltung, wenn das gesamte Sparguthaben zu Vertragsbeginn eingezahlt wird, wie es bei dem Sachverhalt der Fall war, der dem Senatsurteil vom 21. Dezember 2010 (XI ZR 52/08, WM 2011, 306) zugrunde lag, sondern auch bei kontinuierlichen Sparleistungen (vgl. Senatsurteil vom 25. April 2023 - XI ZR 225/21, juris Rn. 19). Die Erwägung, dass der Sparer bei Anwendung der Gleitzinsmethode entgegen seiner Erwartung bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses überwiegend an die Zinsentwicklung zurückliegender Jahre gebunden wäre, da künftige Zinsänderungen in den maßgeblichen Durchschnittszins nur entsprechend ihrem Zeitanteil einfließen (Senatsurteil vom 21. Dezember 2010, aaO Rn. 24), gilt auch für die hier vorliegenden Sparverträge mit monatlicher Sparleistung. Der Sparer vergleicht im Rahmen seiner Anlageentscheidung bei der maßgebenden objektiv-generalisierenden Sicht den ihm angebotenen variablen Zins mit dem gegenwärtigen durchschnittlichen Marktzins (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 91) und nicht mit einem Zins, der aus überwiegend in der Vergangenheit liegenden Zinsen berechnet wird. An dieser Sicht ändert auch der Umstand nichts, dass der Sparer mit dem Abschluss von Sparverträgen der vorliegenden Art typischerweise einen langfristigen Anlagehorizont verfolgt. Denn bei Zugrundelegung gleitender Durchschnitte würde der angepasste Vertragszins nicht das jeweils gegenwärtige, sondern ein durchschnittliches vergangenes Zinsniveau widerspiegeln (vgl. Elsas/Luz/Worch, BKR 2022, 570, 574).

 

27        Für dieses Auslegungsergebnis spricht weiter, dass die Zinsanpassungen, wie der Senat bereits entschieden hat (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 59) und wovon das Oberlandesgericht zu Recht ausgegangen ist, ohne Anpassungsschwelle vorzunehmen sind (vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 2010 - XI ZR 52/08, WM 2011, 306 Rn. 23). Danach führt jede Veränderung des Referenzzinses im Rahmen eines monatlichen Anpassungsintervalls zu einer entsprechenden Anpassung des Vertragszinses. Ein solcher Anpassungsmechanismus lässt es aus Sicht der Vertragsparteien als interessengerecht erscheinen, dass Veränderungen des Marktzinses unmittelbar zu entsprechenden Anpassungen des Vertragszinses führen sollen und dass diese Anpassungen nicht durch gleitende Durchschnitte des Referenzzinses geglättet werden (vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 2010, aaO; Schultheiß/Widany, WM 2023, 601 Rn. 59 f.). Das Argument der Revision, mit gleitenden Durchschnitten sei ein "ruhiger Zinsverlauf" verbunden, verfängt daher nicht. Der Vertragszins soll vielmehr ohne zeitliche Verzögerung entsprechend den Veränderungen des Referenzzinses angepasst werden.

 

28        bb) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist weiter, dass das Oberlandesgericht nicht die mit dem Feststellungsziel 2a geltend gemachte Zeitreihe der Deutschen Bundesbank mit der ehemaligen Kennung WX4260 und damit die Umlaufsrenditen inländischer Hypothekenpfandbriefe mit einer Restlaufzeit von über 9 bis einschließlich 10 Jahre als Referenzzins herangezogen hat.

 

29        Wie der Senat bereits für Sparverträge der vorliegenden Art entschieden hat, muss es sich bei dem Referenzzins um einen in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Zinssatz handeln, der von unabhängigen Stellen nach einem genau festgelegten Verfahren ermittelt wird und der die Bank nicht einseitig begünstigt (Senatsurteile vom 13. April 2010 - XI ZR 197/09, BGHZ 185, 166 Rn. 21 und vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 84). Die in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Zinssätze genügen diesen Anforderungen (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021, aaO Rn. 84 mwN). Unter den Bezugsgrößen des Kapitalmarkts ist dabei diejenige oder eine Kombination derjenigen auszuwählen, die dem konkreten Geschäft möglichst nahe kommt (Senatsurteile vom 13. April 2010, aaO Rn. 21 und vom 6. Oktober 2021, aaO). Dabei ist es allein interessengerecht, einen Referenzzinssatz für langfristige Spareinlagen heranzuziehen (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021, aaO Rn. 85 mwN), wobei die Ansparphase Berücksichtigung finden kann (Senatsurteil vom 24. Januar 2023 - XI ZR 257/21, WM 2023, 326 Rn. 18). Da die Sparverträge angesichts der Ausgestaltung der Prämienstaffel auf ein langfristiges Sparen bis zum Ablauf des 15. Sparjahres ausgerichtet sind, sind als Referenz die in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Zinssätze für Spareinlagen zugrunde zu legen, die einer Laufzeit von 15 Jahren möglichst nahe kommen (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021, aaO). Dabei hat der als Referenz heranzuziehende Marktzinssatz oder die als Referenz heranzuziehende Umlaufsrendite auch widerzuspiegeln, dass es sich bei den streitgegenständlichen Sparverträgen um eine risikolose Anlageform handelt (Senatsurteil vom 24. Januar 2023, aaO).

 

30        Im Einklang mit diesen Vorgaben hat das Oberlandesgericht danach die vom Musterkläger befürwortete Zeitreihe der Deutschen Bundesbank mit der ehemaligen Kennung WX4260 als Referenzzins abgelehnt. Es ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der typische Sparer, der Sparverträge der vorliegenden Art abschließt, keinerlei Risikobereitschaft zeigt. Denn mit den geleisteten Spareinlagen ist angesichts der bei Vertragsabschluss für die beklagte Sparkasse bestehenden Gewährträgerhaftung der Kommune als Anstaltsträger kein Ausfallrisiko verbunden. Die in der Zeitreihe WX4260 erfassten Zinsen für Hypothekenpfandbriefe spiegeln trotz ihrer Besicherung durch Pfandbriefe nicht den "risikolosen" Marktzins wider, sondern enthalten, wie das sachverständig beratene Oberlandesgericht ausgeführt hat, einen Risikoaufschlag, der im Vergleich zu den Umlaufsrenditen von Bundesanleihen zu einer vergleichsweise höheren Verzinsung führt. Aus diesem Grund kommen Umlaufsrenditen von Hypothekenpfandbriefen als Referenzzins für die variable Verzinsung risikoloser Spareinlagen bei der gebotenen objektiv-generalisierenden Sicht der vorzunehmenden ergänzenden Vertragsauslegung nicht in Betracht.

 

31        Entgegen der Meinung der Revision steht dieses Auslegungsergebnis nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Senats zur Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung bei Annuitätendarlehen (Senatsurteil vom 7. November 2000 - XI ZR 27/00, BGHZ 146, 5). In diesem Zusammenhang hat der Senat erkannt, dass die Sicherheit von Hypothekenpfandbriefen angesichts der besonderen Schutzbestimmungen des Hypothekenbankgesetzes mit der Sicherheit von Kapitalmarkttiteln öffentlicher Schuldner durchaus vergleichbar ist, so dass es Banken zumutbar ist, das durch die Nichtabnahme des Darlehens freigewordene Kapital in Pfandbriefe anzulegen (Senatsurteil, aaO S. 12 f.). Diese Ausführungen befassen sich erkennbar nicht mit der hier im Streit stehenden Frage, welcher Referenzzins als Bezugsgröße des Kapitalmarkts derjenige ist, der dem konkreten Anlagegeschäft - hier dem typisierten Sparvertrag - möglichst nahekommt. Insoweit sind, wie es das sachverständig beratene Oberlandesgericht ausgeführt hat, die Umlaufsrenditen von Bundesanleihen im Vergleich zu den Umlaufsrenditen von Hypothekenpfandbriefen vorliegend die geeignetere Bezugsgröße. Dass das Ausfallrisiko von Hypothekenpfandbriefen und damit deren Sicherheit vergleichbar ist mit dem Ausfallrisiko bzw. mit der Sicherheit von Bundesanleihen (vgl. Wehrt, WM 2022, 1001, 1004) bedeutet nicht, dass beide Umlaufsrenditen gleichermaßen als Referenzzins für die Sparverträge geeignet sind. Angesichts des in den Umlaufsrenditen von Hypothekenpfandbriefen enthaltenen Risikoaufschlags sind diese als Referenz für die risikolosen Sparverträge vergleichsweise weniger geeignet.

 

32        Anders als die Revision meint, verfängt schließlich auch das Argument nicht, Sparer hätten statt der Sparverträge Bundesanleihen - in der Variante der Bundesschatzbriefe - am Kapitalmarkt erwerben können, ohne mit einer Sparkasse kontrahieren zu müssen (vgl. auch Feldhusen, BKR 2022, 583, 586). Die Sparverträge zeichnen sich - anders als Bundesanleihen - durch eine variable Verzinsung und vor allem durch die im Zeitablauf kontinuierlich ansteigenden Sparprämien aus. Angesichts der bei Abschluss der Sparverträge bestehenden Gewährträgerhaftung handelt es sich bei den Sparverträgen wie bei Bundesanleihen um eine risikolose Anlage. Aus dem Umstand, dass Sparern mit den Sparverträgen einerseits und mit Bundesanleihen andererseits zwei unterschiedliche Anlageformen zur Verfügung standen, kann nicht geschlossen werden, dass mit den Anlagen unterschiedliche Ausfallrisiken verbunden waren.

 

33        cc) (1) Die vom Oberlandesgericht herangezogenen Umlaufsrenditen inländischer Bundeswertpapiere mit Restlaufzeiten von über 8 bis 15 Jahren genügen den Anforderungen, die im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung an einen Referenzzins für die variable Verzinsung der Sparverträge zu stellen sind.

 

34        Sie werden von der Deutschen Bundesbank, einer unabhängigen Stelle, nach einem genau festgelegten Verfahren ermittelt und in deren Monatsberichten regelmäßig in der Zeitreihe mit der Bezeichnung BBSIS.M.I.UMR.RD.EUR. S1311.B.A604.R0815.R.A.A._Z._Z.A (ehemalige Zeitreihe WU9554) veröffentlicht und begünstigen daher weder einseitig die Sparer noch die beklagte Sparkasse. Die Umlaufsrenditen von Bundesanleihen spiegeln, wie das sachverständig beratene Oberlandesgericht ausgeführt hat, die jeweils aktuellen risikolosen Zinsen am Kapitalmarkt wider und enthalten in Ermangelung eines Ausfallrisikos keinen Risikoaufschlag. Damit sind sie im Hinblick auf das fehlende Ausfallrisiko als Referenz für die variable Verzinsung der Sparverträge geeignet. Da die Sparverträge, wie der Senat bereits entschieden hat (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 85), auf ein langfristiges Sparen bis zum Ablauf des 15. Sparjahres ausgerichtet sind, sind als Referenz veröffentlichte Marktzinssätze oder Umlaufsrenditen (vgl. Senatsurteil vom 24. Januar 2023 - XI ZR 257/21, WM 2023, 326 Rn. 18) zugrunde zu legen, die einer Laufzeit von 15 Jahren möglichst nahe kommen (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021, aaO). Danach ist das Oberlandesgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Restlaufzeiten von über 8 bis 15 Jahren der herangezogenen Umlaufsrenditen der typisierten Spardauer bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe nach 15 Jahren hinreichend nahe kommen. Unschädlich ist dabei, dass die als Referenz herangezogene Zeitreihe auch Restlaufzeiten von unter 15 Jahren enthält. Denn bei der vom Senat angenommenen typischen Spardauer von 15 Jahren handelt es sich nicht um eine durch den Sparvertrag vorgegebene feste Spardauer, sondern um das Auslegungsergebnis aufgrund einer objektiv-generalisierenden Sicht auf die typischen Vorstellungen der an Geschäften gleicher Art beteiligten Verkehrskreise. Dieses Ergebnis lässt auch Laufzeiten des Referenzzinses von unter 15 Jahren zu. Die von der Revision in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO).

 

35        (2) Soweit das Oberlandesgericht rechtsfehlerhaft nur solche Zeitreihen als Referenz in Betracht gezogen hat, die zum Zeitpunkt der Abschlüsse der Sparverträge bereits veröffentlicht waren, beruht die Entscheidung nicht auf diesem Rechtsfehler.

 

36        Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung und Bewertung des mutmaßlichen typisierten Parteiwillens und der Interessenlage ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, da die ergänzende Vertragsauslegung eine anfängliche Regelungslücke rückwirkend schließt (BGH, Urteile vom 12. Oktober 2005 - IV ZR 162/03, BGHZ 164, 297, 317 und vom 24. Januar 2008 - III ZR 79/07, WM 2008, 1886 Rn. 18 mwN; Senatsurteil vom 14. März 2017 - XI ZR 508/15, WM 2017, 808 Rn. 26). Entscheidend ist, worauf der hypothetische Vertragswille typischer Parteien gerichtet gewesen wäre, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bei Vertragsschluss bekannt gewesen wäre (Senatsurteil vom 21. Dezember 2010 - XI ZR 52/08, WM 2011, 306 Rn. 16). Dieser zeitliche Bezugspunkt schließt allerdings nicht die Berücksichtigung späterer Erkenntnisquellen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2005, aaO, S. 321) und damit auch nicht den Rückgriff auf Zeitreihen aus, die erst nach Vertragsschluss veröffentlicht worden sind (vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 2010, aaO Rn. 26; Knops/Fromm, NJW 2023, 1621 Rn. 4; aA OLG Brandenburg, BKR 2024, 522 Rn. 28; BayObLG, Urteil vom 28. Februar 2024 - 101 MK 1/20, juris Rn. 365; Wehrt, ZIP 2023, 1347, 1351; Schultheiß/Widany, WM 2023, 601 Rn. 40). Das Gericht hat im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung einen geeigneten Referenzzins zu bestimmen, der dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit von Zinsänderungen genügt (vgl. Senatsurteile vom 13. April 2010 - XI ZR 197/09, BGHZ 185, 166 Rn. 19 und vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 41 mwN). Dabei hat es vorliegend nicht den einzelnen Vertragsabschluss, sondern die Vorstellungen der an den typisierten Sparverträgen beteiligten Verkehrskreise bei objektiv-generalisierender Sicht in den Blick zu nehmen. Ergebnis der ergänzenden Vertragsauslegung sind dementsprechend Regelungen zur Zinsanpassung für den standardisierten Vertragstyp "S-Prämiensparen flexibel" und nicht für einen individuell ausgehandelten Sparvertrag (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021, aaO Rn. 46). Dabei handelt es sich um eine generalisierte Feststellung für gleichartige, nicht aber für identische Sparverträge (vgl. Feldhusen, ZIP 2020, 2377, 2388). Vor diesem Hintergrund hat der Zeitpunkt des Abschlusses eines einzelnen Sparvertrags für die Bestimmung eines geeigneten Referenzzinses keine Bedeutung. Hierfür spricht auch, dass angesichts des langen Zeitraums von 17 Jahren (1993 bis 2010), in dem die streitgegenständlichen Sparverträge abgeschlossen worden sind, mitunter überhaupt kein für alle Verträge einheitlicher Referenzzins bestimmt werden könnte, wenn die verschiedenen Abschlusszeitpunkte maßgebend wären.

 

37        Nachdem das sachverständig beratene Oberlandesgericht mit der Umlaufsrendite inländischer Bundeswertpapiere mit Restlaufzeiten von über 8 bis 15 Jahren entsprechend dem Feststellungsziel 2b einen Referenzzins bestimmt hat, der den Anforderungen genügt, die an den Referenzzins für die typisierten Sparverträge zu stellen sind (siehe oben, (1)), beruht die Entscheidung nicht auf dieser Rechtsverletzung. Die vom Musterkläger mit dem Feststellungsziel 2a in erster Linie als Referenz befürwortete ehemalige Zeitreihe WX4260 genügt den an den Referenzzins zu stellenden Anforderungen nicht (siehe oben, bb)). Dass das Oberlandesgericht diese Zeitreihe unter anderem auch mit der Begründung als Referenz abgelehnt hat, sie sei erst nach Abschluss des "ältesten" Sparvertrags veröffentlicht worden, ist für die Entscheidung unerheblich. Mit dem hilfsweise geltend gemachten Feststellungsziel 2b hat der Musterkläger keine konkrete Zeitreihe als Referenz geltend gemacht, sondern die Auswahl des Referenzzinses vielmehr in das Ermessen des Gerichts gestellt. Dieses Ermessen hat das Oberlandesgericht dahin ausgeübt, dass es einen Referenzzins ausgewählt hat, der den an ihn zu stellenden Anforderungen genügt.

 

38        4. Das Feststellungsziel 5 hat das Oberlandesgericht im Ergebnis zu Recht als unbegründet zurückgewiesen.

 

39        a) Die Feststellungsziele 5a und 5b sind zulässig. Mit ihnen soll festgestellt werden, dass sich die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Verbrauchers im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf die Unwirksamkeit der verwendeten Zinsanpassungsklausel sowie auf höchstrichterlich bestimmte Zinsanpassungsparameter beziehen müsse (Feststellungsziel 5a) und hilfsweise, dass die Verjährungsfrist fälliger Zinsansprüche frühestens mit dem Schluss des Jahres 2021 beginne (Feststellungsziel 5b). Die insoweit aufgeworfenen verjährungsrechtlichen Rechtsfragen müssen nicht für jeden Verbraucher individuell festgestellt werden, sondern sind verallgemeinerungsfähig (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 111 mwN). Sie sind damit taugliche Feststellungsziele im Sinne des § 606 Abs. 1 Satz 1 ZPO aF.

 

40        b) Das Feststellungsziel 5a ist unbegründet.

 

41        aa) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Der Verjährungsbeginn setzt aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände voraus. Nicht erforderlich ist in der Regel, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn aber hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. In diesen Fällen fehlt es - bis zur objektiven Klärung der Rechtslage (Senatsurteil vom 23. September 2008 - XI ZR 263/07, juris Rn. 18) - an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn (Senatsurteile vom 20. Januar 2009 - XI ZR 504/07, BGHZ 179, 260 Rn. 47, vom 28. Oktober 2014 - XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115 Rn. 35 und vom 4. Juli 2017 - XI ZR 562/15, BGHZ 215, 172 Rn. 86). Das gilt erst recht, wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht (Senatsurteile vom 28. Oktober 2014, aaO und vom 4. Juli 2017, aaO).

 

42        bb) Danach muss die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Sparer im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB bezüglich der Ansprüche auf Zahlung weiterer Zinsbeträge weder die Unwirksamkeit der Zinsanpassungsklausel noch die höchstrichterlich bestimmten Zinsanpassungsparameter umfassen. Denn rechtlich zutreffende Schlüsse muss der Anspruchsinhaber für die Ingangsetzung des Verjährungsbeginns nicht nachvollziehen. Eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage lag nicht vor (siehe hierzu unten c)).

 

43        cc) Aus dem Unionsrecht ergibt sich - entgegen der Ansicht der Revision - nichts anderes.

 

44        (1) Die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. Nr. L 95 vom 21. April 1993, S. 29; nachfolgend: Klausel-Richtlinie) enthält keine Regelung über die Verjährung von Erstattungsansprüchen, die Verbrauchern im Zusammenhang mit der Unwirksamkeit von missbräuchlichen Klauseln zustehen.

 

45        (2) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (nachfolgend: EuGH) zur Auslegung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. Nr. L 95 vom 21. April 1993, S. 29; nachfolgend: Klausel-Richtlinie) kann eine Verjährungsfrist im Zusammenhang mit einem Anspruch auf Rückerstattung von Beträgen, die ein Verbraucher einem Gewerbetreibenden auf der Grundlage einer missbräuchlichen Klausel rechtsgrundlos gezahlt hat, nur dann mit dem Effektivitätsgrundsatz vereinbar sein, wenn der Verbraucher die Möglichkeit hatte, von seinen Rechten Kenntnis zu nehmen, bevor diese Frist zu laufen beginnt oder abgelaufen ist (EuGH, Urteile vom 10. Juni 2021 - C-776/19 bis C-782/19, WM 2021, 1882 Rn. 46 - BNP Paribas Personal Finance, vom 8. September 2022 - C-80/21 bis C-82/21, WM 2022, 2120 Rn. 98 - D.B.P. und vom 25. Januar 2024 - C-810/21 bis C-813/21, WM 2024, 343 Rn. 48 - Caixabank SA, kritisch hierzu Piekenbrock, WM 2024, 1101, 1106 "ohne klare normative Grundlage" und Fademrecht, WM 2024, 1107, 1117 "ungerechtfertigter Eingriff in die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten"). Mangels spezifischer Vorschriften des Unionsrechts in diesem Bereich ist es nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten allerdings Sache der innerstaatlichen Rechtsordnungen, die Modalitäten des in der Klausel-Richtlinie vorgesehenen Verbraucherschutzes umzusetzen (EuGH, Urteil vom 10. Juni 2021, aaO Rn. 27). Danach ist es insbesondere Sache der Mitgliedstaaten, das Verfahren - einschließlich der Verjährungsregelungen - für die Klagen auszugestalten, die den vollen Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Diese Verfahren dürfen zwar nicht weniger günstig gestaltet sein als bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Grundsatz der Äquivalenz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität; vgl. EuGH, Urteile vom 24. März 2009 - C-445/06, EuZW 2009, 334 Rn. 48 - Danske Slagterier, vom 16. Januar 2014 - C-429/12, NVwZ 2014, 433 Rn. 29 - Pohl, vom 9. Juli 2020 - C-698/18 und C-699/18, WM 2020, 1409 Rn. 62 ff. - Raiffeisen Bank und BRD Groupe Société Générale, vom 16. Juli 2020- C-224/19 und C-259/19, WM 2020, 1477 Rn. 84 ff. - Caixabank und Banco Bilbao Vizcaya Argentaria und vom 10. Juni 2021, aaO Rn. 27, 39 ff.; BGH, Urteile vom 21. Februar 2018 - IV ZR 304/16, WM 2018, 512 Rn. 20 und vom 10. Oktober 2022 - VIa ZR 542/21, VersR 2023, 192 Rn. 24). Bei der nationalen kenntnisabhängigen Regelverjährungsfrist von drei Jahren (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB) handelt es sich um eine angemessene Ausschlussfrist für die Rechtsverfolgung, die diese Grundsätze wahrt und die nicht dazu führt, dass die Ausübung der durch das Gemeinschaftsrecht verliehenen Rechte dadurch praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert würde (vgl. BGH, Urteile vom 21. Februar 2018, aaO und vom 10. Oktober 2022, aaO), auch wenn ihr Ablauf naturgemäß die vollständige oder teilweise Abweisung der Klage zur Folge hat (vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2011 - C-89/10, C-96/10, Slg. 2011, I-78919 Rn. 36 mwN - Q-Beef und Bosschaert; BGH, Urteil vom 21. Februar 2018, aaO).

 

46        (3) Soweit der EuGH (Urteil vom 25. Januar 2024 - C-810/21 bis C-813/21, WM 2024, 343 Rn. 55 - Caixabank SA) es für die Ingangsetzung einer Verjährungsfrist als relevant ansieht, dass der Verbraucher von der "rechtlichen Würdigung" des Sachverhalts Kenntnis hat, scheidet eine richtlinienkonforme Auslegung von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB aus (zutreffend Piekenbrock, WM 2024, 1101, 1106; Fademrecht, WM 2024, 1107, 1117). Die Auslegung des nationalen Rechts darf nicht dazu führen, dass einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Norm ein entgegengesetzter Sinn gegeben oder der normative Gehalt der Norm grundlegend neu bestimmt wird. Richterliche Rechtsfortbildung berechtigt den Richter nicht dazu, seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers zu setzen (BVerfG, WM 2012, 1179, 1181). Demgemäß kommt eine richtlinienkonforme Auslegung nur in Frage, wenn eine Norm tatsächlich unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten im Rahmen dessen zulässt, was der gesetzgeberischen Zweck- und Zielsetzung entspricht. Die Pflicht zur Verwirklichung des Richtlinienziels im Auslegungswege findet ihre Grenzen an dem nach der innerstaatlichen Rechtstradition methodisch Erlaubten (BGH, Urteile vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 20, vom 28. Juni 2017 - IV ZR 440/14, BGHZ 215, 126 Rn. 24, vom 15. Oktober 2019 - XI ZR 759/17, WM 2019, 2164 Rn. 24 und vom 3. November 2022 - VII ZR 724/21, NJW-RR 2023, 660 Rn. 38; BVerfG, aaO).

 

47        Eine richtlinienkonforme Auslegung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, wonach es für die Ingangsetzung des Verjährungslaufs nicht nur, wie es im Wortlaut der Vorschrift unmissverständlich zum Ausdruck kommt, auf die Kenntnis bzw. auf die auf grober Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen, sondern auch auf die rechtliche Würdigung des Anspruchsinhabers von dem Sachverhalt, mithin von den tatsächlichen Umständen, ankäme, überschritte den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift und den Sinn und Zweck der Norm (vgl. Piekenbrock, WM 2024, 1101, 1103; Fademrecht, WM 2024, 1107, 1114). Danach hat der nationale Gesetzgeber die Verantwortung für die Rechtsverfolgung bewusst dem Gläubiger zugewiesen und für die Ingangsetzung des Verjährungslaufs bewusst auf die Erkennbarkeit von Tatsachen abgestellt. "Von der Existenz eines Anspruchs sowie der Person des Schuldners Kenntnis zu nehmen, ist eine eigene Angelegenheit des Gläubigers" (BT-Drucks. 14/6040, S. 108).

 

48        c) Das hilfsweise geltend gemachte Feststellungsziel 5b ist ebenfalls unbegründet.

 

49        Es trifft nicht zu, dass der Lauf der Verjährung der Ansprüche auf Zahlung weiterer Zinsbeträge frühestens mit dem Schluss des Jahres 2021 begonnen hat. Wie der Senat bereits entschieden und eingehend begründet hat, ist die Fälligkeit des Anspruchs auf (weitere) Zinsgutschriften hinausgeschoben, bis der Kunde einen solchen Anspruch geltend macht, längstens jedoch bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs auf Auszahlung der weiteren Zinsbeträge mit Beendigung des Sparvertrags (Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 64 ff.).

 

50        Entgegen der Auffassung der Revision lag keine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vor, die den Beginn der Verjährung der Ansprüche bis zur Leitentscheidung des Senats vom 6. Oktober 2021 (XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215) hinausgeschoben hätte. Der Senat hat bereits im Jahr 2004 unter Bezugnahme auf eine Leitentscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1986 (Urteil vom 6. März 1986 - III ZR 195/84, BGHZ 97, 212, 222 f.) entschieden, dass Zinsanpassungsklauseln der vorliegenden Art unwirksam sind (Senatsurteil vom 17. Februar 2004 - XI ZR 140/03, BGHZ 158, 149, 153 ff.). Im Jahr 2008 ist durch den Senat geklärt worden, dass die infolge der Unwirksamkeit entstandene Lücke in vergleichbaren Prämiensparverträgen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist (Senatsurteil vom 10. Juni 2008 - XI ZR 211/07, WM 2008, 1493 Rn. 18). Welche generell-abstrakten Kriterien hierfür maßgebend sind, hat der Senat im Jahr 2010 klargestellt (Senatsurteil vom 13. April 2010 - XI ZR 197/09, BGHZ 185, 166 Rn. 21 ff.). Sie sind seitdem in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum anerkannt und stellen eine Selbstverständlichkeit dar (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20, BGHZ 231, 215 Rn. 36 mwN). Eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage bestand danach bezüglich der Kriterien für die ergänzende Vertragsauslegung in der hier maßgebenden Zeit nicht mehr. Vor dem Hintergrund der vorgenannten Senatsrechtsprechung war Sparern die Erhebung einer (Feststellungs-)Klage Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich (vgl. Senatsurteile vom 23. September 2008 - XI ZR 263/07, juris Rn. 13 und vom 28. Oktober 2014 - XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115 Rn. 49).

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