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Wirtschaftsrecht
09.09.2010
Wirtschaftsrecht
LG Hannover: Zum Interessenkonflikt des die Hauptaktionärin beratenden Rechtsanwalts als Mitglied des Aufsichtsrats - Continental

LG Hannover, Urteil vom 17.3.2010 - 23 O 124/09; nicht rechtskräftig

Leitsatz (nicht amtlich)

1. Die Gefahr einer dauerhaften Interessenkollision besteht bei einem Rechtsanwalt, der die Hauptaktionärin in deren gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten auch und gerade im Zusammenhang mit der Beteiligung an der AG einerseits und mit der Pflicht zur - ausschließlichen - Wahrung der Interessen der AG als ihr Aufsichtsrat andererseits berät und vertritt.

2. Werden entgegen der anderslautenden Entsprechenserklärung Mitglieder in den Aufsichtsrat gewählt, bei denen die Gefahr dauerhafter Interessenkollisionen besteht, und erfolgt trotz Kenntnis über eine wesentliche Änderung der Umstände keine Aktualisierung der Erklärung, ist der Wahlbeschluss anfechtbar.

AktG §§ 161, 124, 241, 243, 246, 251

sachverhalt

Die Beklagte ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sind fünf der zehn Wahlbeschlüsse der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am. 23.4.2009 zum Tagesordnungspunkt 5 (Aufsichtsratswahlen). In dem als Teil der Einladung zur Hauptversammlung am 23.4.2004 veröffentlichten Wahlvorschlag des Aufsichtsrats der Beklagten für die Wahlen zum Aufsichtsrat war als ausgeübter Beruf des nominierten A. -"Rechtsanwalt" angegeben. Der Wahlvorschlag der Hauptaktionärin der Beklagten benennt als dessen Beruf ergänzend: "Rechtsanwalt und Partner der internationalen Anwaltskanzlei Z.

Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten haben eine einheitliche Erklärung zum Deutschen Corporate Governance Kodex abgegeben. Bezüglich der Empfehlungen betreffend den Aufsichtsrat wird folgende Erklärung abgegeben:

"Die Empfehlungen nach Ziff. 5.4.3, Satz 1 (zwingende Durchführung der Wahlen zum Aufsichtsrat durch Einzelwahl) und Ziff. 5.4.4 (regelmäßiger Ausschluss des Wechsels des bisherigen Vorstandsvorsitzenden oder eines Vorstandsmitglieds in den Aufsichtsrat oder den Vorsitz eines Aufsichtsratsausschusses) werden nicht übernommen."

Den Aufsichtsratswahlen in der Hauptversammlung der Beklagten am 23.4.2009 vorausgegangen war der Ende Januar/Anfang Februar 2009 erklärte Rücktritt von vier der insgesamt zehn Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner im Aufsichtsrat der Beklagten. Nachdem die gewählten Ersatzmitglieder erklärt hatten, dass sie ihr Amt als Aufsichtsrat nicht antreten werden, beantragte der Vorstand der Beklagten beim AG Hannover  am 4.2.2009, die Gesellschafter der B-Gruppe, den Vorsitzenden der Geschäftsführung der Y-KG sowie den Nebenintervenienten zu 1. nach § 104 Abs. 2 AktG bis zur Beendigung der nächsten ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten zu Mitgliedern des Aufsichtsrats zu bestellen. Diesem Antrag entsprach das AG durch Beschluss vom 5.2.2009. Gegen die Entscheidung legte der Kläger Beschwerde beim LG Hannover ein, das die Beschwerde durch Beschluss vom 12.3.2009 (21 T 2/09) zurückwies. Die Wahlbeschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten am 23.4.2009 zum Tagesordnungspunkt 5 werden von den einzelnen Klägern in unterschiedlichem Ausmaß angefochten.

aus den gründen

A. Für das vorliegende Anfechtungsverfahren gilt das Aktienrecht in der am 23.4.2009 geltenden Fassung, also ohne die Änderungen durch das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechtes vom 25.5.2009, das Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrichtlinie vom 30.7.2009 und das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung vom 31.7.2009.

            Nichtigerklärung der Wahl mangels Korrektur der Entsprechenserklärung nach § 161 AktG

B. ... D. Die Anfechtungsklagen der Kläger ... betreffend die Wahl von Rechtsanwalt A. - zum Aufsichtsrat der Beklagten durch den Wahlbeschluss der Hauptversammlung am 23.4.2009 sind begründet.

Die Wahl ist für nichtig zu erklären, weil die Erklärung von Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten zu § 161 AktG in der Fassung vom 10.12.2008, bezogen auf die Grundsätze für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats der Beklagten, nicht uneingeschränkt hätte aufrechterhalten werden dürfen, sondern noch vor der Hauptversammlung am 23.4.2009 hätte ergänzt werden müssen. Es musste bekanntgemacht werden, dass im Aufsichtsrat aus Anlass des im Februar 2009 erfolgten Wechsels in der Besetzung, nämlich durch die Aufnahme von vier neuen Vertretern der Anteilseigner, die durch die Hauptaktionärin benannt worden waren, nicht nur vorübergehende Interessenkonflikte bei einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern nicht auszuschließen seien, deren Bedeutung und Gewicht für die Arbeit des Aufsichtsrats erst durch Beachtung des Inhalts der Investorenvereinbarung vom 20.8.2008 für beherrschbar anzusehen seien (§§ 251 Abs. 1 Satz 1 und 2; 251 Abs. 3, 246, 241 Nr. 5, 243 Abs. 4, 161 AktG).

            Großaktionäre oder ihre Vertreter können nach deutschem Recht Mitglied des Aufsichtsrats sein

I.1. Es unterliegt allerdings keinem Zweifel ..., dass das Aktiengesetz von den in den §§ 100, 105 AktG genannten Fällen abgesehen, keine besonderen persönlichen Voraussetzungen an die Mitglieder des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft stellt. Damit ist insbesondere nicht ausgeschlossen, dass Aktionäre mit relevanten Beteiligungsanteilen, also auch und gerade Mehrheitsaktionäre oder Hauptaktionäre, im Aufsichtsrat vertreten sind oder ihn sogar dominieren ...

            Anderslautende EU-Empfehlungen sind rechtlich nicht bindend

2. Dass im europäischem Raum bei börsennotierten Gesellschaften die Repräsentanz von Anteilseignern mit einer Kontrollbeteiligung und von deren Vertretern und Beratern in den nicht geschäftsführenden Direktorien und Aufsichtsräten sowie deren Ausschüssen deutlich kritischer gesehen wird als durch das deutsche Aktienrecht, was insbesondere durch die Empfehlung der Kommission vom 15.2.2005 zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats (ABI. L51-63) ihre Ausprägung gefunden hat (vgl. dort insbesondere: Erwägungsgrund (7) Sätze 3 bis 6; Abschnitt II Nrn. 4 und 5; Abschnitt III Ziffern 13.1, 13.2., 13.3, 13.3.1; Anhang I Nr. 2.1 und 4.1; Anhang II Nr. 1 lit. d) und e)) bedarf im vorliegenden Rechtsstreit keiner Vertiefung. Empfehlungen der Kommission der Europäischen Union haben weder unmittelbare noch mittelbare Wirkungen auf das nationale Rechts solange der nationale Gesetzgeber bestimmte eigenständige Regelungen getroffen hat, mögen sich aus ihnen auch andere - abweichende - Grundsätze ergeben.

Die Kammer hat deshalb bei ihrer Entscheidung allein das nationale Aktiengesetz zugrunde zu legen. Dieses sieht nur in den §§ 100, 105 AktG Bestellungs- und damit Wahlhindernisse für Aufsichtsratsmitglieder vor.

            Keine Einschränkung des Wahlrechts der Hauptversammlung durch den DCGK

3. Das so bestehende Wahlrecht der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft wird - auch für börsennotierte Unternehmen - durch die Empfehlungen und Anregungen des Deutschen Corporate Governance Kodex in keiner Hinsicht eingeschränkt. Die dort enthaltenen Grundsätze haben weder Gesetzesqualität noch Satzungscharakter (Landgericht München I, Urteil vom 22.11.2007; 5 HK O 10614/07; OLG München, Urteil vom 6.8.2008 - 7 U 5628/07). Die Grundsätze sind insoweit sowohl im Hinblick auf § 243 Abs. 1 AktG als auch speziell für die Anfechtung von Wahlen zum Aufsichtsrat (§251 Abs. 1 Satz 1 AktG) ohne primär entscheidungserhebliche Bedeutung.

            Pflicht von Vorstand und Aufsichtsrat, jede Abweichung von der Entsprechenserklärung transparent zu machen

4. Für börsennotierte Aktiengesellschaften bestimmt § 161 AktG jedoch, dass Vorstand und Aufsichtsrat jährlich eine Erklärung abzugeben haben, ob den bekanntgemachten Empfehlungen der "Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex" entsprochen werde oder wird und welche Empfehlungen nicht umgesetzt wurden oder werden. Das bedeutet zunächst, dass keine Gesellschaft irgendeine Empfehlung oder Anregung des Deutschen Corporate Governance Kodex zu beachten und/oder ihnen zu folgen hat. Die gesetzliche Pflicht geht nur dahin, sich überhaupt zu den niedergelegten Grundsätzen guter Unternehmensführung zu erklären und jede Abweichung ausdrücklich transparent zu machen ...

            Nach der BGH-Rechtsprechung hat eine unterjährige Aktualisierung der Erklärung bei wesentlicher Änderung der Unternehmenspraxis zu erfolgen

5. In seiner grundlegenden Entscheidung vom 16.2.2009 (II ZR 185/07 = BB 2009, 796 mit Komm. Marhewka) hat der BGH zu der am 23.4.2009 bereits bestehenden Rechtslage ergänzend ausgesprochen, dass die nach dem Gesetz jährlich abzugebenden und bekanntzumachenden Erklärungen unterjährig aktualisiert werden müssen, wenn Tatsachen eintreten, die eine Änderung zu einer bisher erklärungsgemäß umgesetzten Unternehmungspraxis begründen. Werde die nach § 161 abgegebene Erklärung eines Unternehmens in Ansehung einer eingetretenen tatsächlichen Lage, sofern sie nicht lediglich unwesentliche Punkte der täglichen Geschäftspraxis der Gesellschaft beträfen, mit Blick auf die Zukunft unrichtig und werde die bisher abgegebene Erklärung zu § 161 AktG - trotzdem - nicht geändert, könne dies die Anfechtbarkeit anschließend getroffener Hauptversammlungsbeschlüsse - im entschiedenen Streitfall eines Aufsichtsratentlastungsbeschlusses - zur Folge haben. Diese Judikatur (ebenfalls noch zur Rechtslage am 23.4.2009) hat der BGH in seiner Entscheidung vom 21.9.2009 (II ZR 174 /08) bestätigt und bekräftigt.

            Im Streitfall sind zwischen Abgabe der Entsprechenserklärung und den Neuwahlen wesentliche eine Aktualisierung der Erklärung erforderlich machende Umstände eingetreten

II. Bei der Beklagten und in Bezug auf die Besetzung ihres Aufsichtsrates sind zeitlich zwischen der abgegebenen Erklärung zu § 161 AktG vom 10.12.2008 und den in der Hauptversammlung am 23.4.2009 durchgeführten Neuwahlen sämtlicher Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre wesentliche tatsächliche Umstände eingetreten, die eine Ergänzung der Erklärung nach § 161 AktG durch den Aufsichtsrat erforderlich gemacht haben.

1. Vier amtierende Mitglieder des Aufsichtsrats der Beklagten hatten im Januar/Februar 2009, also nur kurze Zeit vor der bereits im April 2009 bevorstehenden Hauptversammlung, ihr Amt niedergelegt. Auch die für sie gewählten Ersatzmitglieder hatten erklärt, das auf sie danach zukommende Aufsichtsratsmandat nicht anzutreten ...

2. Statt für diesen Kontrollwechsel, was nach den §§ 122, 121 Abs. 1 AktG ohne weiteres möglich gewesen wäre, eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen oder stattdessen die nur noch kurze Zeit bis zur bevorstehenden ordentlichen Hauptversammlung abzuwarten, wählte der Vorstand der Beklagten den Weg der Aufsichtsratsergänzung durch gerichtliche Bestellung (§ 104 AktG). Der Vorstand schlug dabei dem Gericht die vier Persönlichkeiten zur Bestellung als neue Aufsichtsräte der Beklagten vor, die ihm von der Hauptaktionärin dafür benannt worden waren.

Das dazu entscheidungsberufene Amtsgericht Hannover bestellte daraufhin die vier Vorgeschlagenen zu neuen Aufsichtsratsmitgliedern ...

3. Die an sich von Anfang an gebotene eingehende Prüfung erfolgte ... nachträglich ... im Beschwerdeverfahren 21 T 2/09 Landgericht Hannover ...

In der Entscheidung setzte sich das LG sowohl mit der Frage der für sich betrachtet bedenkenfreien Repräsentation von Vertrauenspersonen der Hauptaktionärin im Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft als auch mit der Gefahr von gravierenden Pflichtenkollisionen in der Person des Nebenintervenienten zu 1. als wichtigem Berater der Hauptaktionärin der Beklagten mit Bezug auf die Grundsätze des Deutschen Corporate Governance Kodex auseinander. Das LG bejahte die Gefahr einer solchen Pflichtenkollision, erachtete sie jedoch durch den Inhalt der Investorenvereinbarung vom 20.8.2008 für beherrschbar, da sie den über die Repräsentanz im Aufsichtsrat der Beklagten ausübbaren Einfluss der Hauptaktionärin der Beklagten begrenze. Die schwierige eigene wirtschaftliche Lage der Hauptaktionärin könne sich deshalb auf die Beklagte nicht nachteilig auswirken.

4. Spätestens nach Bekanntwerden des Inhalts dieser Entscheidung ergab sich für den Aufsichtsrat der Beklagten Handlungsbedarf bezüglich des Inhalts ihrer im Dezember 2008 abgegebenen Erklärung nach § 161 AktG. Denn der Aufsichtsrat musste jetzt berücksichtigen, dass - gerichtlich festgestellt - amtierende Aufsichtsratsmitglieder nicht nur vorübergehenden Interessenkollisionen ausgesetzt sein könnten, die erst auf der Grundlage der Investorenvereinbarung vom 20.8.2008 für beherrschbar anzusehen seien.

a) ... e) Die Gefahr dauerhafter Interessenkollisionen in der Person des Nebenintervenienten zu 1. bei - fortdauernder - Beratung und Vertretung der Hauptaktionärin der Beklagten in deren gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten auch und gerade im Zusammenhang mit der Beteiligung an der Beklagten einerseits mit der Pflicht zur - ausschließlichen - Wahrung der Interessen der Beklagten als ihr Aufsichtsrat andererseits, war und ist gerade in der instabilen Konzernlage begründet, in der sich die Beklagte zumindest im Jahre 2009 befunden hat. Die durch den Erwerb der Kontrollbeteiligung an der Beklagten erwachsenen großen finanziellen Belastungen der Hauptaktionärin lassen sich nicht stets und ohne weiteres mit den ebenfalls großen eigenen Belastungen der Beklagten aus Unternehmensübernahmen und den Folgen der vor allem auch die Automobil-Zulieferbranche hart treffenden Folgen der allgemeinen Finanzkrise friktionslos in Einklang bringen ...

Der Hinweis des Nebenintervenienten zu 1. auf die Stellung eines Rechtsanwalts als unabhängigem Organ der Rechtspflege (§§ 1, 43 BRAO) sichert ihm nicht die erstrebte Neutralität und Unabhängigkeit zur Beklagten, solange er als Berater die Interessen seiner Mandantschaft zu wahren hat (§ 43 a Abs. 4 BRAO; Ziffer 2.7 BORA), also seine Beratungstätigkeit für die Hauptaktionärin der Beklagten nicht niederlegt. Deshalb können auch viele wichtige und für sich betrachtet durchaus richtige Überlegungen des Nebenintervenienten zu 1. zu den besonderen Pflichten und beruflichen Kompetenzen von Rechtsanwälten im Kontext des vorliegenden Rechtsstreits nicht überzeugen. Der Nebenintervenient zu 1. kann selbstverständlich seinen beruflichen Pflichten als Rechtsanwalt für die von ihm vertretenen Mandanten - auch mit der gebotenen Diskretion - nachkommen. Dieses Recht und die Pflicht zur - auch einseitigen - Interessenvertretung muss dann aber auch ausdrücklich benannt und transparent gemacht werden - dürfen -, wenn er Amt und Funktionen anstrebt und erhält, für die Distanz und Ausgewogenheit vorrangig ist.

Die Notwendigkeit einer Ergänzung der Erklärung des Aufsichtsrats der Beklagten nach § 161 AktG bereits vor der Hauptversammlung am 23.4.2009 ergab sich mit Bezug auf den Nebenintervenienten zu 1. vor allem auch deshalb, weil er durch den Aufsichtsrat zu dessen Vorsitzenden gewählt worden war, also zu seinem Doppelmandat eine weitere herausgehobene Funktion und - qua diesen Amtes - auch noch satzungsgemäß das Amt des Versammlungsleiters für die Hauptversammlung erhalten hatte und auszuüben musste. Dabei war mit dem Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden bei der paritätisch mitbestimmten Beklagten zudem das Doppelstimmrecht nach §§ 29 Abs. 2 Satz 1 MitBestG verbunden, das - erneut - eine gegen jeden Zweifel erhabene, in jeder Hinsicht neutrale, unabhängige Amtsführung zwingend erforderte.

Die zu späterer Zeit, nach der Hauptversammlung, nämlich im Juli/August 2009 beobachtbaren Sachverhalte im Zusammenhang mit der weitgehenden Neubesetzung des Vorstands der Beklagten, vor allem dem Wechsel im Vorstandsvorsitz, zeigen die besonderen Herausforderungen und Belastungen, die die praktische Konkordanz kumulierter und konfligierender Funktionserwartungen mit sich bringen kann.

5. Aus alledem ergibt sich, dass der Aufsichtsrat der Beklagten noch vor der Hauptversammlung am 23.4.2009 den eingetretenen Kontrollwechsel im Aufsichtsrat transparent machen, die besondere Interessenkonfliktgefahr in der Person des Nebenintervenienten zu 1. ausdrücklich ansprechen und die Begrenzung der eingetretenen Risiken durch die Investorenvereinbarung vom 20.8.2008 offenbaren und alles dies in eine Ergänzungserklärung nach § 161 AktG aufnehmen musste ...

            Die unterlassene Ergänzung hat die die Anfechtbarkeit eines Wahlbeschlusses zur Folge

III. ... IV. Die Kammer folgt der Rechtsauffassung des OLG München in dessen - noch nicht rechtskräftigen - Urteil vom 6.8.2008 (7 U 5628/07 - MAN/VW), dass die unterlassene Ergänzung oder Änderung der Erklärung nach § 161 AktG als Gesetzesverstoß im Sinne der §§ 243 Abs. 1, 251 Abs. 1 Satz 1 AktG zu werten ist und die Anfechtbarkeit eines Wahlbeschlusses zum Aufsichtsrat zur Folge hat, wenn ein solcher Verstoß festzustellen ist, was vorliegend gegeben ist ...

            Die Frage, ob in Bezug auf Nebenintervenienten zu 1. ein relevanter die Nichtigkeit der Wahl nach sich ziehender Bekanntmachungsfehler vorgelegen hat, kann offenbleiben

V. Es sprechen erhebliche Gründe dafür, dass die Wahl des Nebenintervenienten zu 1. zum Aufsichtsrat der Beklagten auch deshalb anfechtbar und für nichtig zu erklären ist, weil der von ihm ausgeübte Beruf in der Einladung zur Hauptversammlung am 23.4.2009 nicht ausreichend bekanntgemacht worden ist (§§ 251 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 251 Abs. 2, 243 Abs. 1, 246, 241 Nr. 5, 124 Abs. 3 Satz 3, 124 Abs. 4 Satz 1 AktG).

1. In seiner Entscheidung vom 25.11.2002 (II ZR 49/01 = BB 2003, 462 mit Komm. Claussen) hat der BGH ausgesprochen, dass die in einem Wahlvorschlag - des Aufsichtsrats - fehlende Bekanntmachung der partnerschaftlichen beruflichen Verbindung eines Nominierten - im entschiedenen Streitfall eines Abschlussprüfers - zur Nichtigkeit der Wahl führe. Maßgebend sei allein die Beschlussfassung über einen Tagesordnungspunkt, der gesetzwidrig und damit nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht worden sei. Der Sinn der Mitteilung der Tagesordnungspunkte einschließlich der Beschlussvorschläge sei die sachgerechte Information der Aktionäre, aufgrund deren sie nicht nur in die Lage versetzt werden sollen, sich mit den einzelnen Gegenständen der Tagesordnung zu befassen, sondern auch, ob sie überhaupt an der Hauptversammlung - selbst oder vertreten durch Dritte - teilnehmen sollen. Gerade dieser Entscheidung über die Teilnahme trage auch das in § 124 Abs. 4 Satz 1 AktG ausgesprochene strikte gesetzliche Verbot, über fehlerhaft bekanntgemachte Gegenstände der Tagesordnung Beschluss zu fassen, Rechnung.

Allerdings hat das OLG Frankfurt a. M. (Urteil vom 21.3.2006; 10 U 17/05) dazu ergänzend erkannt, dass ein Bekanntmachungsfehler die Anfechtung der Wahl von Aufsichtsräten dann nicht trage, wenn der Fehler so marginal sei, dass ihm die erforderliche Relevanz für den entsprechenden Wahlbeschluss fehle. Diese rechtliche Beurteilung eröffnet nur - und fordert dann - die Notwendigkeit einer Prüfung des Bekanntmachungsfehlers im Einzelfall. Das OLG Frankfurt a. M. ist weder vom Gesetz noch von der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes abgewichen ...

2. ... 3. Letztlich kann die Entscheidung, ob insoweit ein relevanter Bekanntmachungsfehler vorliegt, der dann - selbständig und schon allein für sich betrachtet - die Nichtigkeit der Wahl des Nebenintervenienten zu 1. zur Folge hätte, offenbleiben ...

Entscheidend ist für die Kammer allein, dass einem formellen Verstoß gegen Bekanntmachungsvorschriften in ihrer Bedeutung für ordnungsgemäße Beschlussfassungen der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft jedenfalls geringeres Gewicht beizumessen ist als einem Verstoß bei der Beachtung der Grundsätze und Empfehlungen guter Unternehmensführung und der Transparenz ihrer Nichtbeachtung (§ 161 AktG) ...

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