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Wirtschaftsrecht
20.04.2023
Wirtschaftsrecht
BGH: Zum Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 GVG bei Überlänge eines Pilotverfahren in Massenverfahren

BGH, Urteil vom 9.3.2023 – III ZR 80/22

ECLI:DE:BGH:2023:090323UIIIZR80.22.0

Volltext: BB-Online BBL2023-897-1

unter www.betriebs-berater.de

Amtliche Leitsätze

a) In "Massenverfahren" führen – jedenfalls bei Personenidentität auf Kläger- oder Beklagtenseite – Verzögerungen, die durch die Überlänge eines Pilotverfahrens begründet sind, in den davon abhängigen, zurückgestellten Verfahren regelmäßig nicht zu gesondert entschädigungspflichtigen immateriellen Nachteilen. Insoweit kann sich der Betroffene nicht auf die Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG berufen (Bestätigung und Fortführung der Senatsurteile vom 12. Februar 2015 – III ZR 141/14, BGHZ 204, 184 und vom 15. Dezember 2022 – III ZR 192/21, WM 2023, 236).

b) Derartige Verzögerungen sind vielmehr bei der Prüfung einer Erhöhung des Regelsatzes nach § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG in dem das Pilotverfahren betreffenden Entschädigungsverfahren zu berücksichtigen.

c) Ein gesonderter Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GVG kommt nur in Betracht, wenn die durch das Pilotverfahren verursachte Verzögerung eines zurückgestellten Verfahrens über die mit dieser überlangen Verfahrensdauer typischerweise verbundenen Folgen hin- ausgehende, besondere entschädigungsrelevante (psychische oder physische) Auswirkungen für den Betroffenen hatte, die er allerdings konkret geltend machen muss.

GVG § 198 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, 3 und 4

Sachverhalt

Der Kläger begehrt von dem beklagten Land Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer von neun Schadensersatzprozessen (Ausgangsverfahren), die gegen ihn nach dem Scheitern der so genannten "Göttinger Gruppe", eines zum Zweck der Kapitalanlage gegründeten Unternehmensverbundes, geführt wurden.

Die Ausgangsverfahren waren Teil eines Gesamtkomplexes von mehr als 4.000 Schadensersatzklagen, die gegen den jetzigen Kläger (im Folgenden auch: Entschädigungskläger) als damaligem Beklagten seit 2006 bei dem Landgericht Göttingen erhoben wurden. Der Kläger wurde als Verantwortlicher ("Konzeptant") des Unternehmensverbundes "Göttinger Gruppe" von Kapitalanlegern, die das investierte Geld verloren hatten, wegen Betruges, Kapitalanlagebetruges und sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Sämtliche Verfahren wurden zunächst von der 2. Zivilkammer bearbeitet. Ab 2011 übertrug das Präsidium des Landgerichts die Hälfte der Verfahren auf die 14. Zivilkammer. Beide Kammern koordinierten ihre Vorgehensweise in der Bearbeitung der Verfahren. Sie bestimmten aus zwei "Serien" - der so genannten Hauptserie mit über 4.000 Verfahren und der so genannten L.        -Serie mit etwa 280 Verfahren, die Beteiligungen an der L.          AG zum Gegenstand hatte - jeweils ein "Pilotverfahren", also insgesamt vier Verfahren, die vorrangig gefördert werden sollten. Die restlichen Verfahren der Haupt- und L.         -Serie wurden zu den entsprechenden Pilotverfahren ausschließlich zum Zweck der gemeinsamen Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens kammerintern hinzuverbunden ("abhängige Verfahren"). Für die Pilotverfahren der Hauptserie und der L.       -Serie holten die Kammern jeweils ein schriftliches Sachverständigengutachten ein, mit dessen Erstellung derselbe Sachverständige beauftragt wurde.

Der Verlauf der Ausgangsverfahren, die zur Hauptserie gehörten und von denen für zwei Verfahren die 2. Zivilkammer und für sieben Verfahren die 14. Zivilkammer zuständig war, gestaltete sich im Wesentlichen wie folgt: Die Anspruchsbegründungen beziehungsweise Klageschriften wurden dem jetzigen Kläger und damaligen Beklagten in dem Zeitraum vom 25. Oktober 2007 bis 7. November 2007 zugestellt. Im November 2009 wies die seinerzeit noch allein zuständige 2. Zivilkammer in allen Ausgangsverfahren auf Bedenken hinsichtlich der Schlüssigkeit der Klage hin.

Der Entschädigungskläger erhob in dem Zeitraum vom 12. bis 22. Dezember 2011 jeweils Verzögerungsrügen in den Ausgangsverfahren.

Nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Kläger durch das Oberlandesgericht Braunschweig fanden im August 2012 Termine zur mündlichen Verhandlung statt, wobei die 2. und 14. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen nunmehr von der Schlüssigkeit der Klagen ausgingen und jeweils die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen ankündigten. Beide Kammern verkündeten sodann im September 2012 in den Ausgangsverfahren gleichlautende Beweisbeschlüsse, die inhaltlich mit den in den jeweiligen Pilotverfahren bereits zuvor ergangenen Beweisbeschlüssen übereinstimmten. Im Januar 2014 bestellten sie sowohl in den Pilotverfahren als auch in den hinzuverbundenen Verfahren den Wirtschaftsprüfer und Steuerberater G.    S.     zum Sachverständigen. Dieser legte das Gutachten zu den beiden Pilotverfahren der Hauptserie am 24. Februar 2016 vor. Nach entsprechender Fristsetzung nahmen die Parteien zu dem Gutachten bis zum 29. Juli 2016 Stellung. Ablehnungsgesuche gegen den Sachverständigen unter anderem vonseiten des Entschädigungsklägers blieben erfolglos. Auf Antrag der Bezirksrevisorin setzte das Landgericht mit Beschluss vom 7. Juli 2017 die Sachverständigenvergütung fest. Am 16. Oktober 2018 erging sodann in beiden Pilotverfahren der Hauptserie jeweils ein Beweisbeschluss mit dem Ziel, ein gemeinsames Ergänzungsgutachten einzuholen.

In dem Zeitraum vom 4. Dezember 2019 bis 4. Februar 2020 nahmen die Kläger der Ausgangsverfahren ihre Klagen zurück. Die Pilotverfahren dauern erstinstanzlich an.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Ausgangsverfahren seien jeweils ab Oktober 2013 im Umfang von 74, 75 beziehungsweise 76 Monaten rechtsstaatswidrig verzögert worden. Das Landgericht sei mehrere Jahre faktisch untätig geblieben. Seit der Beschlussfassung im Herbst 2012, ein Sachverständigengutachten von Amts wegen einzuholen, hätten in den Ausgangsverfahren keine gerichtlichen Handlungen mehr stattgefunden. Die von Amts wegen angeordnete Begutachtung sei gegen den Willen der Kläger der Ausgangsverfahren erfolgt und mangels Schlüssigkeit der Klagen unzulässig gewesen. Außerdem seien die Beweisfragen insbesondere durch das inzwischen eingestellte staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren und durch mehrere Entscheidungen des Oberlandesgerichts Braunschweig hinreichend geklärt gewesen. Die Anordnung einer Beweisaufnahme von Amts wegen sei daher insgesamt unvertretbar und kausal für die mit der Entschädigungsklage geltend gemachten Verzögerungen. Die Begutachtung selbst sei durch eine unzureichende Prozessleitung sowie die Missachtung des Beschleunigungsgrundsatzes gekennzeichnet.

Das beklagte Land ist dem entgegengetreten. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen zur Tragfähigkeit des Beteiligungssystems sei jedenfalls vertretbar gewesen. Die Bearbeitungszeit durch den Sachverständigen sei angesichts des Umfangs der Begutachtung nicht zu beanstanden. Der Kläger habe auch keinen immateriellen Nachteil erlitten, da die Ausgangsverfahren für ihn ohne besondere Bedeutung gewesen seien. Die Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG sei widerlegt. Bis zum Jahr 2013 seien gegen den Kläger weitere 4.861 Klagen eingereicht worden. Er sei auf Zahlung von insgesamt 92.057.381,17 € in Anspruch genommen worden, so dass es bedeutungslos gewesen sei, ob er in den hiesigen Ausgangsverfahren obsiege oder unterliege.

Das Oberlandesgericht hat die auf Zahlung von 67.400 € nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Der Kläger verfolgt mit der Revision sein Klagebegehren weiter.

Aus den Gründen

 

10        Die zulässige Revision ist unbegründet.

 

I.

 

11        Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung (veröffentlicht in BeckRS 2022, 7772) im Wesentlichen ausgeführt:

 

12        Dem Kläger stehe gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG kein Anspruch auf Entschädigung für immaterielle Nachteile zu.

 

13        Er habe zwar in allen Ausgangsverfahren die gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 und 2 GVG erforderlichen Verzögerungsrügen wirksam erhoben, da im Dezember 2011 objektiv zu befürchten gewesen sei, dass es zu einer unangemessenen Verfahrensdauer kommen könne. Etwaige und allenfalls durch Verfahrensverzögerungen der Pilotverfahren verursachte passive Auswirkungen auf die Ausgangsverfahren und hierdurch bedingte immaterielle Nachteile könne der Kläger jedoch nicht im vorliegenden Entschädigungsverfahren geltend machen.

 

14        Für den ersten Verfahrensabschnitt bis zur Anordnung der Beweisaufnahme im September 2012 mache der Kläger keine Verfahrensverzögerungen geltend. Die Beweisbeschlüsse im September 2012 seien nicht schlechterdings unvertretbar gewesen. Das Entschädigungsgericht prüfe grundsätzlich nicht, ob der Ausgangsrichter richtig entschieden habe. Insbesondere gehöre die Beurteilung der Schlüssigkeit einer Klage und der Verjährungseinrede zum privilegierten Kernbereich der richterlichen Tätigkeit. Dem Kläger könne auch nicht darin gefolgt werden, dass alle Tatsachen und Rechtsfragen bereits durch Gutachten in vorangegangenen Verfahren und Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft geklärt gewesen seien. Das erkennende Gericht sei an die in anderen Verfahren erhobenen Entscheidungsgrundlagen nicht gebunden. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 ZPO (bis zum 31. Dezember 2019 geltende Fassung) sei nicht in unvertretbarer, an Willkür grenzender Weise erfolgt. Dies gelte auch für die Ausgestaltung der jeweiligen Beweisbeschlüsse, namentlich die Verbindung der Verfahren ausschließlich zum Zweck der Einholung eines schriftlichen Gutachtens. Es sei sachgerecht gewesen, Pilotverfahren auszuwählen und vorrangig zu betreiben, während die übrigen gleich oder ähnlich gelagerten Verfahren einstweilen zurückgestellt worden seien.

 

15        Hinsichtlich des zweiten Verfahrensabschnitts nach Erlass der Beweisbeschlüsse im September 2012 seien originäre Verzögerungen der Ausgangsverfahren nicht ersichtlich. Etwaige Verzögerungen in den zugehörigen Pilotverfahren könnten dahinstehen, weil sie nicht zu einer Entschädigungspflicht in dem vorliegenden Verfahren führen könnten. Die durch entschädigungspflichtige Verzögerungen in einem Pilotverfahren verursachten Nachteile manifestierten sich für den personenidentischen Kläger, der auch Partei im Pilotverfahren sei, ausschließlich in dem Pilotverfahren, wobei die Anzahl der hiervon abhängigen Verfahren bei der Bemessung der billigen Entschädigung in dem das Pilotverfahren betreffenden Entschädigungsverfahren zu berücksichtigen sei. Etwaige Verzögerungen der Pilotverfahren hätten daher nur objektiv allein dem Entschädigungsprozess des zugehörigen Pilotverfahrens zurechenbare "passive" Auswirkungen auf die jeweils abhängigen, faktisch ruhenden Verfahren gezeitigt. Der Kläger habe auch keine konkreten psychischen oder physischen Beeinträchtigungen geltend gemacht, die gerade auf die streitgegenständlichen Verfahren zurückzuführen seien. Seine Ausführungen erschöpften sich darin, die durch den Gesamtkomplex der Verfahren hervorgerufenen Belastungen in allgemeiner Form zu schildern. Nach alledem sei die Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG widerlegt.

 

II.

 

16        Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.

 

17        Originäre Verzögerungen der Ausgangsverfahren, das heißt solche, deren Ursache in der Führung des konkreten Verfahrens liegt, hat das Oberlandesgericht zu Recht abgelehnt. Die Frage der unangemessenen Dauer der Pilotverfahren kann dahinstehen. Verzögerungen, die durch die Überlänge eines Pilotverfahrens begründet sind, führen - jedenfalls bei Personenidentität auf Kläger- oder Beklagtenseite - in den davon abhängigen, zurückgestellten Verfahren regelmäßig nicht zu gesondert entschädigungspflichtigen immateriellen Nachteilen. Insoweit kann sich der Betroffene nicht auf die Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG berufen. Derartige Verzögerungen sind vielmehr bei der Prüfung einer Erhöhung des Regelsatzes nach § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG in dem das Pilotverfahren betreffenden Entschädigungsverfahren zu berücksichtigen. Ein gesonderter Entschädigungsanspruch kommt nur in Betracht, wenn die durch das Pilotverfahren verursachte Verzögerung eines zurückgestellten Verfahrens über die mit dieser überlangen Verfahrensdauer typischerweise verbundenen Folgen hinausgehende, besondere entschädigungsrelevante (psychische oder physische) Auswirkungen für den Betroffenen hatte, die er allerdings konkret geltend machen muss.

 

18        1. Nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 Halbsatz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) ist die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) vorliegend anwendbar. Danach werden auch Verfahren erfasst, die am 3. Dezember 2011, als die Neuregelung gemäß Art. 24 ÜGRG in Kraft trat, bereits anhängig, aber noch nicht abgeschlossen waren. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Ausgangsverfahren waren seit 2007 anhängig und endeten jeweils durch Klagerücknahme in den Jahren 2019/2020.

 

19        2. Das Oberlandesgericht hat zutreffend angenommen, dass die vorliegenden Ausgangsverfahren keine entschädigungspflichtigen originären Verzögerungen aufweisen.

 

20        a) Für den Zeitraum bis zum Erlass der Beweisbeschlüsse im September 2012 macht der Kläger keine unangemessene Verfahrensdauer geltend. Dieser Verfahrensabschnitt ist daher nicht streitgegenständlich (vgl. Senat, Urteil vom 15. Dezember 2022 - III ZR 192/21, WM 2023, 236 Rn. 79 f; zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

 

21        b) Zutreffend hat das Oberlandesgericht es abgelehnt, die Erforderlichkeit der im September 2012 verkündeten Beweisbeschlüsse (Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen) im Hinblick auf die behauptete Unschlüssigkeit der Klage und die erhobene Verjährungseinrede zu überprüfen. Im Entschädigungsprozess findet keine Beurteilung der rechtlichen Überlegungen statt, die der Richter seiner Entscheidungsfindung zugrunde gelegt hat. Da hier der Kernbereich der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) betroffen ist, darf die Rechtsauffassung des Richters - abgesehen von aus der ex ante-Perspektive eklatanten Rechtsanwendungsfehlern (wofür im Streitfall im Zusammenhang mit der Anwendung von § 144 Abs. 1 Satz 1 ZPO aF nichts ersichtlich ist) - grundsätzlich nicht auf ihre sachliche Richtigkeit überprüft werden. Der Entschädigungskläger kann daher nicht damit gehört werden, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Tragfähigkeit des Beteiligungssystems der "Göttinger Gruppe" überflüssig gewesen sei und das Landgericht die Klage ohne Durchführung einer Beweisaufnahme hätte abweisen müssen. Aus demselben Grund hatte das Oberlandesgericht auch nicht zu überprüfen, ob das Landgericht die Beweisaufnahme durch Auswertung der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft sowie der bereits in anderen Zivilverfahren eingeholten Gutachten hätte vermeiden oder in ihrem Umfang reduzieren können (vgl. Senat, Urteil vom 15. Dezember 2022 aaO Rn. 28, 38).

 

22        c) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Landgericht habe die Ausgangsverfahren unter Missachtung der Voraussetzungen der Aussetzung wegen Vorgreiflichkeit (§ 148 ZPO) und des Ruhens des Verfahrens (§ 251 ZPO) über Jahre hinweg zugunsten so genannter Pilotverfahren unbearbeitet gelassen.

 

23        aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist dem Ausgangsgericht zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen, der es ihm ermöglicht, dem Umfang und der Schwierigkeit der einzelnen von ihm zu bearbeitenden Rechtssachen ausgewogen Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind (Senat, Urteile vom 12. Februar 2015 - III ZR 141/14, BGHZ 204, 184 Rn. 32 f und vom 15. Dezember 2022 aaO Rn. 55). Im nachfolgenden Entschädigungsprozess wird die Verfahrensführung des Richters - entsprechend den für den Amtshaftungsprozess entwickelten Grundsätzen - nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten - bei einer Beurteilung aus der ex ante-Sicht - nicht mehr verständlich ist (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom 15. Dezember 2022 aaO Rn. 28 f mwN).

 

24        Zur Bewältigung so genannter Massenverfahren ist es sachgerecht, "Musterverfahren" oder "Pilotverfahren" auszuwählen und vorrangig zu betreiben, die die ganze Fallbreite der zahlreichen Klageverfahren abdecken und Synergieeffekte erwarten lassen, insbesondere ermöglichen, Rechtsfragen von zentraler Bedeutung verfahrensübergreifend auf besonders prozessökonomische Weise zu klären. Die Entscheidung, ein Pilotverfahren durchzuführen und die übrigen gleich oder ähnlich gelagerten Verfahren einstweilen zurückzustellen, gehört somit zu den verfahrensgestaltenden Befugnissen eines Gerichts (Senat, Urteile vom 12. Februar 2015 aaO Rn. 32 f und vom 15. Dezember 2022 aaO Rn. 39 und 55). Bezüglich der einstweilen zurückgestellten Verfahren kann nicht von einem "bloßen Liegenlassen" ausgegangen werden, wenn zu erwarten ist, dass in dem Pilotverfahren Erkenntnisse gewonnen werden, die auch für die übrigen Verfahren von Relevanz sind. Insoweit stellt sich das Zuwarten auf Ergebnisse eines Pilotverfahrens als aktive Bearbeitungszeit dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. September 2011 - 1 BvR 232/11, juris Rn. 31; BSG, Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 12/13 R, juris Rn. 47), so dass es auf das Vorliegen der Voraussetzungen einer Aussetzung wegen Vorgreiflichkeit (§ 148 ZPO) oder einer Anordnung des Ruhens des Verfahrens (§ 251 ZPO) nicht ankommt. Unerheblich ist, ob sich die Zurückstellung anderer Verfahren oder die Auswahl der Pilotverfahren - ex post betrachtet - als förderlich erwiesen hat (Senat, Urteil vom 12. Februar 2015 aaO).

 

25        bb) Nach diesen Maßgaben ist das Oberlandesgericht zu Recht davon ausgegangen, dass das Landgericht durch die Auswahl von Pilotverfahren sowohl zur Hauptserie als auch zur L.        -Serie seine verfahrensgestaltenden Befugnisse zumindest in vertretbarer Weise ausgeübt hat. Durch die Verbindung des jeweiligen Pilotverfahrens mit den davon abhängigen Verfahren (nur) zum Zweck der gemeinsamen Beweisaufnahme (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 30. Oktober 1956 - I ZR 82/55, NJW 1957, 183, 184; MüKoZPO/Fritsche, 6. Aufl., § 147 Rn. 13; Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., § 147 Rn. 10) und durch Einholung eines "zentralen" Gutachtens sowohl zur Hauptserie wie auch zur L.         Serie war es möglich, die ganze Fallbreite der mehr als 4.000 Klageverfahren zu erfassen. Dass die verfahrensgegenständlichen Ausgangsverfahren parallel zu den Pilotverfahren aktiv bearbeitet und keineswegs über Jahre hinweg "liegengelassen" wurden, ergibt sich nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts zudem daraus, dass in sämtlichen Ausgangsverfahren gesonderte Beweisbeschlüsse zur Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen über die Tragfähigkeit des Systems der Beteiligungsgesellschaften der "Göttinger Gruppe" ergingen und in der Folgezeit der Stand der hinzuverbundenen Verfahren - dem entsprechenden Pilotverfahren folgend - aktualisiert wurde (Neubestellung des Sachverständigen, Ergänzung und Änderung der Beweisfragen). Darüber hinaus wurde zum Beispiel über die Gewährung von Prozesskostenhilfe entschieden. In Gestalt von Vorsitzendenvermerken erfolgten jeweils "Rückmeldungen" aus den Pilotverfahren in die abhängigen Verfahren. Die Entscheidung des Landgerichts, Pilotverfahren auszuwählen sowie vorrangig zu betreiben und die davon abhängigen Verfahren konsequent "nachzuführen" (OLGU 44 Abs. 3), war nach alledem vernünftig und zweckmäßig (vgl. BVerfG, NVwZ 2013, 789, 791).

 

26        3. Das Oberlandesgericht hat zu Recht dahinstehen lassen, ob die Pilotverfahren der Hauptserie sachlich nicht gerechtfertigte Verzögerungen aufweisen. Der Kläger hat hierdurch in den einstweilen zurückgestellten Ausgangsverfahren keinen gesondert entschädigungspflichtigen immateriellen Nachteil erlitten. Ein solcher kann auch nicht nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG vermutet werden. Die Vermutung ist widerleglich und im vorliegenden Fall widerlegt. Etwaige, durch die Führung der Pilotverfahren bedingte Verzögerungen der Ausgangsverfahren sind - da der Entschädigungskläger zugleich Partei der Pilotverfahren ist - bei der Prüfung einer Erhöhung des Regelsatzes nach § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG in den die Pilotverfahren betreffenden Entschädigungsverfahren zu klären und gegebenenfalls zu kompensieren.

 

27        a) Zutreffend macht die Revision allerdings geltend, dass die Überlänge eines Pilotverfahrens regelmäßig dazu führen wird, dass auch die zum Zweck der gemeinsamen Beweisaufnahme hinzuverbundenen Verfahren unangemessen verzögert werden. Dies folgt aus dem besonderen Charakter als Pilotverfahren, dessen Ausgang für eine Vielzahl davon abhängiger Verfahren von Bedeutung ist, weil die dort zu erwartenden Erkenntnisse dem gesamten Verfahrenskomplex zugutekommen und deshalb ein Zuwarten in den übrigen Verfahren gerechtfertigt ist. Wenn sich der Fortgang des Pilotverfahrens sachwidrig verzögert, hat dies dementsprechend auch eine unangemessene Dauer der zurückgestellten Verfahren zur Folge (Senat, Urteil vom 15. Dezember 2022 aaO Rn. 70).

 

28        b) In dem die Verzögerung des Pilotverfahrens betreffenden Entschädigungsprozess nach § 198 GVG ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Charakter als Pilotverfahren nicht nur für die Parteien eine besondere Bedeutung begründet, sondern auch eine entschädigungsrelevante Besonderheit darstellt, durch die sich das Pilotverfahren von anderen Verfahren abhebt, so dass die Auswirkungen der überlangen Verfahrensdauer auf die übrigen, zurückgestellten Verfahren den Pauschalsatz nach § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG gegebenenfalls als unbillig im Sinne des § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG erscheinen lassen (Senat aaO). Im Hinblick auf die (eventuell) gravierenden Auswirkungen der Überlänge eines Pilotverfahrens auf eine Vielzahl weiterer Verfahren im Rahmen eines Gesamtkomplexes wird es regelmäßig angezeigt sein, den gesetzlichen Pauschalsatz nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalles gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG angemessen zu erhöhen. Dabei sind neben den in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Umständen insbesondere die nachteiligen Auswirkungen der Überlänge auf die im Hinblick auf das Pilotverfahren einstweilen zurückgestellten Verfahren zu berücksichtigen. Erforderlich ist eine Würdigung der Gesamtumstände. Auf der Grundlage dieser Gesamtbetrachtung ist sodann eine einheitliche Entschädigung für die aus der überlangen Verfahrensdauer des Pilotverfahrens erwachsenen Nachteile festzusetzen, die auch die mit der gleichzeitigen Verzögerung der abhängigen Verfahren typischerweise verbundenen immateriellen Nachteile (siehe Senat aaO Rn. 60) kompensiert, wobei sich jedoch eine streng rechnerische Ermittlung verbietet (Senat aaO Rn. 84, vgl. auch Urteil vom 6. Mai 2021 - III ZR 72/20, BGHZ 230, 14 Rn. 19).

 

29        c) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG widerleglich vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Das Oberlandesgericht hat zu Recht angenommen, dass diese Vermutung in den vorliegenden Ausgangsverfahren gemäß § 292 Satz 1 ZPO widerlegt ist.

 

30        aa) Die Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG ist widerlegt, wenn das Entschädigungsgericht unter Berücksichtigung der von dem Kläger gegebenenfalls geltend gemachten Beeinträchtigungen nach einer Gesamtbewertung der Folgen, die die Verfahrensdauer mit sich gebracht hat, die Überzeugung gewinnt, dass die (unangemessene) Länge des Prozesses in dem jeweils zu beurteilenden Ausgangsverfahren nicht zu einem fühlbaren Nachteil geführt hat (Senat, Urteile vom 12. Februar 2015 aaO Rn. 40 f; vom 13. April 2017 - III ZR 277/16, NJW 2017, 2478 Rn. 20 f und vom 15. Dezember 2022 aaO Rn. 60).

 

31        Die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen eines immateriellen Nachteils obliegt dem Träger des Ausgangsgerichts, dem allerdings die Grundsätze der sekundären Darlegungslast zugutekommen können, da es sich insoweit um einen Negativbeweis handelt. Dabei dürfen - wie allgemein im Beweisrecht - auch an den Beweis des Gegenteils keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden (Senat, Urteile vom 12. Februar 2015 aaO Rn. 41 und vom 13. April 2017 aaO; BeckOGK/Dörr, BGB, § 839 Rn. 1318 [Stand: 1. Dezember 2022]). Um die tatsächliche Schwierigkeit eines Nachweises negativer Tatsachen zu mildern, hat die damit belastete Partei in der Regel nur diejenigen Umstände zu widerlegen, die nach dem Vortrag der Gegenseite für die positive Tatsache, also für das Vorhandensein des streitigen Umstands, sprechen (zB BGH, Urteil vom 22. Februar 2011 - XI ZR 261/09, NJW 2011, 2130 Rn. 20 mwN). Entgegen der Auffassung des Klägers (Revisionsbegründung vom 25. August 2022, S. 17 Abs. 1) trifft es nicht zu, dass durch die sekundäre Darlegungslast des Entschädigungsklägers die gesetzliche Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG ausgehebelt wird. Die sekundäre Darlegungslast führt nicht zu einer Umkehr der Beweislast. Sie besteht zudem nur im Rahmen des der nicht beweisbelasteten Partei Zumutbaren (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteile vom 19. Mai 2016 - III ZR 274/15, NJW-RR 2016, 842 Rn. 40 und vom 28. Mai 2020 - III ZR 58/19, NJW 2020, 3786 Rn. 33 [insoweit in BGHZ 226, 39 nicht abgedruckt]; Versäumnisurteil vom 4. Februar 2021 - III ZR 7/20, NJW 2021, 1759 Rn. 19; BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 37; jew. mwN).

 

32        bb) Eine Widerlegung der Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG kann zum Beispiel dann anzunehmen sein, wenn im Einzelfall immaterielle Nachteile schon von vornherein oder im Verfahrensverlauf in ihrem Gewicht beziehungsweise ihrer Wirkung als erheblich vermindert oder als weggefallen zu bewerten sind (BVerwG, NVwZ 2021, 1309 Rn. 16). So hat der Senat in einem ebenfalls die "Göttinger Gruppe" betreffenden Verfahren die tatrichterliche Würdigung gebilligt, dass die Vermutung eines fühlbaren immateriellen Nachteils als widerlegt anzusehen ist, wenn ein Entschädigungskläger, gegen den bereits 386 Verfahren mit einer Gesamtschadensersatzforderung von mehr als zehn Millionen Euro anhängig waren und Steuerforderungen ebenfalls in Millionenhöhe bestanden, im Rahmen seiner sekundären Behauptungslast nicht näher darlegte, weshalb sich gerade aus den von ihm herausgegriffenen zehn Verfahren eine konkrete immaterielle Beeinträchtigung für ihn ergebe (Urteil vom 12. Februar 2015 aaO Rn. 43).

 

33        Eine Widerlegung der Vermutung kommt ferner dann in Betracht, wenn im Rahmen der Gesamtbewertung der Folgen der überlangen Verfahrensdauer die immateriellen Nachteile als kompensiert anzusehen sind (vgl. BVerwG aaO). Der Gedanke der Kompensation ist auch einschlägig, wenn bei einer Masse gleichgelagerter Einzelverfahren vom Gericht ausgewählte Pilotverfahren verzögert werden und dies auf die zurückgestellten (abhängigen) Verfahren durchschlägt. Die dadurch bewirkten verfahrenstypischen Folgen einer überlangen Verfahrensdauer sind - jedenfalls wenn auf Kläger- oder Beklagtenseite in den Ausgangsverfahren Personenidentität besteht - im Entschädigungsprozess über das Pilotverfahren, in dem die Verzögerung originär entstanden ist, auf der Grundlage einer Würdigung der Gesamtumstände durch eine Anpassung des Entschädigungsbetrags gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG vorrangig auszugleichen mit der Folge, dass ein und dieselben Nachteile im Entschädigungsprozess über die zurückgestellten Verfahren nicht nochmals entschädigt werden (vgl. BVerwGE 156, 229 Rn. 193).

 

34        Im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung kann zudem dem Umstand angemessen Rechnung getragen werden, dass die Belastung des Entschädigungsklägers mit jedem weiteren Ausgangsverfahren so lange abnimmt, bis eine Belastungserhöhung nicht mehr fühlbar ist (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 11. April 2014 - 6 SchH 1/13, juris Rn. 49, 51; Lorenz, Die Dogmatik des Entschädigungsanspruches aus § 198 GVG, 2018, S. 215 f). Durch die Gesamtbetrachtung der von der Verzögerung betroffenen Verfahren auf der Ebene des § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG wird auch vermieden, dass es zu einer ungerechtfertigten Summierung der Entschädigungsbeträge kommt, die zwangsläufig wäre, wenn bei Verzögerung eines Pilotverfahrens für die zurückgestellten Verfahren - bei Personenidentität auf Kläger- oder Beklagtenseite - jeweils gesonderte Entschädigungsbeträge festgesetzt würden. Andernfalls könnte die Anwendung der §§ 198 ff GVG zu einer derart hohen Gesamtentschädigungshöhe führen, die in einem krassen Missverhältnis zu sonstigen im deutschen Recht gewährten Entschädigungssummen stünde (vgl. OLG Braunschweig aaO Rn. 50; Lorenz aaO S. 214; Althammer/Lorenz, NJW 2013, 2445). So könnte der Kläger vorliegend bei einer unterstellten Überlänge der beiden Pilotverfahren der Hauptserie von (nur) acht Monaten (vgl. Senat, Urteil vom 15. Dezember 2022 aaO Rn. 21, 32) und Zugrundelegung des Regelsatzes gemäß § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG von 100 € für jeden Monat der Verzögerung eine Entschädigung von insgesamt rund 3,2 Mio. € (8 x 100 € x 4.000 Verfahren) beanspruchen.

 

35        Da nach dieser Lösung in dem Entschädigungsprozess über das Pilotverfahren sowohl dessen etwaige Überlänge als auch deren Auswirkungen auf die zurückgestellten Verfahren zu prüfen und gegebenenfalls auszusprechen sind, bestehen auch keine Bedenken im Hinblick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Danach genügt es in Bezug auf eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK, dass das Entschädigungsgericht eine unangemessene Verzögerung in den Entscheidungsgründen anerkennt (EGMR, Entscheidung vom 30. November 2021 - Individualbeschwerde Nr. 49528/16 [Z.     /B.                      ], juris Rn. 11).

 

36        cc) Eine Kompensation immaterieller Nachteile durch eine pauschale Erhöhung des Regelsatzes gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG im Entschädigungsprozess über das Pilotverfahren wird allerdings regelmäßig ausscheiden, wenn und soweit der Kläger besondere entschädigungsrelevante (psychische oder physische) Auswirkungen geltend macht, die gerade durch die Verzögerung eines konkreten zurückgestellten Verfahrens herbeigeführt wurden. Es kommt dann ein gesonderter Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG in Betracht, weil die Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG insoweit nicht widerlegt ist.

 

37        Daran fehlt es jedoch im vorliegenden Fall. Nach den unangegriffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts hat der Kläger keine konkreten psychischen oder physischen Beeinträchtigungen behauptet, die gerade auf die verfahrensgegenständlichen Ausgangsprozesse zurückzuführen seien. Seine Ausführungen erschöpften sich vielmehr darin, die durch den gesamten Verfahrenskomplex hervorgerufenen Belastungen in allgemeiner Form zu schildern. Diese Folgen einer etwaigen Verfahrensverzögerung sind jedoch im Entschädigungsprozess über das die Verzögerung auslösende Pilotverfahren gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG zu berücksichtigen.

 

 

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