KG Berlin: Zum Begriff des "Erscheinens" eines Aktionärs auf der Hauptversammlung
Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 10.12.2009
Aktenzeichen: 23 AktG 1/09
Rechtsgebiete: AktG
Vorschriften:
AktG § 129 Abs. 3 Satz 1 | |
AktG § 327 a | |
AktG § 327 e | |
AktG § 327 b | |
AktG § 319 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 | |
AktG § 319 Abs. 6 Satz 3 Nr. 3 | |
AktG § 327 f Satz 1 Alt. 2 | |
AktG § 327 e Abs. 2 |
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss
Geschäftsnummer: 23 AktG 1/09
verkündet am: 10. Dezember 2009
In dem Rechtsstreit
hat der 23. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Domke, die Richterin am Landgericht Moraht und die Richterin am Kammergericht Gabriel in der Sitzung vom 10. Dezember 2009 beschlossen:
Tenor:
Es wird festgestellt, dass die vor dem Landgericht Berlin zu 104 O 69/09 rechtshängige Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage des Antragsgegners gegen den in der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 16.6.2009 zu TOP 7 gefassten Beschluss, nämlich:
"Die auf den Inhaber lautenden Stückaktien an der Jeee Aktiengesellschaft mit Sitz in Berlin, die von anderen Aktionären (Minderheitsaktionäre) als der S GmbH mit Sitz in Köln (Hauptaktionärin) gehalten werden, werden gem. §§ 327 a ff AktG gegen Gewährung einer von der S GmbH zu zahlenden angemessenen Barabfindung in Höhe von 7,53 ? je auf den Inhaber lautenden Stückaktien mit einem anteiligen Betrag des Grundkapitals in Höhe von 1,00 ? auf die S GmbH übertragen."
der Eintragung dieses Beschlusses in das Handelsregister gem. § 327 e AktG nicht entgegensteht.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 50.000 ? festgesetzt.
Gründe:
I.
Die 1992 gegründete Antragstellerin, eine ab 01.11.2005 börsennotierte Aktiengesellschaft der Pharmabranche mit Sitz in Berlin, begehrt mit ihrem Antrag die Freigabe des Beschlusses der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 16.6.2009 zu TOP 7, durch den die Aktien der Minderheitsaktionäre der Antragstellerin gemäß §§ 327 a ff. AktG auf die Saa GmbH (im folgenden S GmbH), welche nach Behauptung der Antragstellerin zu mehr als 95 % an dem Grundkapital der Antragstellerin beteiligt sein soll, übertragen werden sollen. Vor dem Landgericht Berlin ist die Hauptsacheklage (Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage) des hiesigen Antragsgegners unter dem Aktenzeichen 104 O 69/09 rechtshängig. Die Akte ist zu Informationszwecken beigezogen.
Das Grundkapital der Antragstellerin beträgt Euro 58.942.179,00 und ist eingeteilt in 58.942.179 auf den Inhaber lautenden Stückaktien mit einem anteiligen Betrag des Grundkapitals von Euro 1,00 je Aktie. Unternehmensgegenstand der Antragstellerin ist die Entwicklung, die Herstellung und der Vertrieb von chemischen und biochemischen Produkten und Wirkstoffen und von Pharmazeutika und Diagnostika, und zwar von neuartigen Arzneimitteln auf Peptid-Basis insbesondere zur Behandlung akuter Attacken des heriditären Angioödems (HAE). Unter dem 24.4.2008 gab der Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur im Rahmen des Verfahrens zur Zulassung des von der Antragstellerin entwickelten Medikaments F2 eine positive Stellungnahme ab, und die Kommission der europäischen Union erteilte der Antragstellerin am 15.07.2008 die Zulassung für diese Medikament (Anlage Ast 17).
Anders stellte sich die Sachlage auf dem US-amerikanischen Arzneimittelmarkt dar. Von der dortigen Zulassungsbehörde erhielt die Antragstellerin ebenfalls am 24.4.2008 einen Bescheid über die Nichtzulassung dieses Medikaments, da die Ergebnisse der - in den USA - durchgeführten klinischen Phase-III-Studie nicht hinreichend dessen Wirksamkeit gezeigt hätten. Im Dezember 2008 verlangte die amerikanische Zulassungsbehörde eine neue klinische Phase-III-Studie.
Aufgrund der für die Forschung und Entwicklung der Medikamente erforderlichen erheblichen Investitionen erfolgte am 01.11.2005 der Börsengang der Antragstellerin. In einem Beschluss der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 13. 06 2007 wurde der Vorstand ermächtigt, das Grundkapital der Antragstellerin mit Zustimmung des Aufsichtsrats durch Ausgabe von bis zu 26.213.135 (heute gemäß § 6 Absatz 6 der Satzung: 26.267.352) neue Stammaktien gegen Bar- oder Sacheinlage einmalig oder mehrmalig um insgesamt bis zu 26.213.135 ? (heute gemäß § 6 Absatz 6 der Satzung: 26.267.352 €) zu erhöhen (im folgenden: Genehmigtes Kapital 2005/II). Zugleich war der Vorstand ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrats das Bezugsrecht auszuschließen, wenn die Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen 10 Prozent des Grundkapitals nicht übersteigt und der Ausgabebetrag den Börsenpreis der bereits börsennotierten Aktien gleicher Art zum Zeitpunkt der endgültigen Festlegung des Ausgabebetrages nicht wesentlich unterschreitet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Satzung der Antragstellerin in der Fassung gemäß Hauptversammlungsbeschluss vom 13.6.2007 (Anlage ASt 13) und auf die aktuelle Satzung der Antragstellerin (Anlage ASt 2) Bezug genommen.
In der Folgezeit verhandelte die Antragstellerin mit der SI GmbH und schloss mit dieser am Morgen des 03.07.2008 mit Zustimmung des Aufsichtsrats ein so genanntes Business Combination Agreement, wonach die S GmbH gegenüber den Aktionären der Antragstellerin ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot mit dem Ziel abgeben sollte, sämtliche Aktien an der Antragstellerin zu einem Kaufpreis von 6,25 € je Stückaktie (entsprechend einer Prämie von rund 199%, auf den Durchschnittskurs der Aktien innerhalb der letzten drei davor liegenden Monate von 2,09 € bezogen) zu erwerben. Ferner verpflichtete sich die Sl GmbH zur Unterzeichnung einer Kapitalerhöhung aus dem Genehmigten Kapital 2005/II im Umfang von 5.229.747 Aktien gegen einen Ausgabebetrag von vier Euro pro Aktie, der nach Auffassung des Antragsgegners zu gering bemessen war. Die Veröffentlichung dieser Maßnahmen erfolgte am 03.07.2008 (Anlage Ast 14); am18.07.2008 wurde die Kapitalerhöhung in das Handelsregister eingetragen. Ebenfalls am 03.07.2008 schloss die S8 GmbH mit Aktionären der Antragstellerin eine Vereinbarung über den Erwerb weiterer Aktien der Antragstellerin, die einer Beteiligung von circa 53% des Grundkapitals entsprachen, unter der aufschiebenden Bedingung der - alsbald darauf erfolgten - Zulassung von F durch die EU und der kartellrechtlichen Freigabe dieser geplanten Übernahme durch die deutsche und die US-Kartellbehörde, die seitens des Deutschen Kartellamts am 17.07.2008 erfolgte und in den USA ab dem 01.08.2008 als freigegeben galt. Aufgrund weiterer Zukäufe von Aktien hielt die Se GmbH am 15.12.2008 57.954.174 Aktien; dies entsprach einem Anteil von 98,32 % bei einem Grundkapital von 58.942.179 €, der sich bis zum 16.06.2009 durch weitere Zukäufe noch auf 98,78 % erhöhte.
In Vorbereitung von TOP 7 der Hauptversammlung vom 16.06.2009 und zur Ermittlung der angemessenen Barabfindung der Minderheitsaktionäre gemäß § 327 b AktG führte die Hauptaktionärin eine Unternehmensbewertung durch, wegen deren Einzelheiten auf den Übertragungsbericht in Anlage ASt 4 Bezug genommen wird. Aufgrund Beschlusses des Landgerichts Berlin zu 102 AR 4/09 AktG vom 29.01.2009 prüfte die R////// KG die Angemessenheit der Barabfindung im Rahmen des Squeeze-out. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht der Wirtschaftsprüfer in Anlage ASt 24 verwiesen.
Rechtsanwalt RRRR nahm u.a. mit den Eintrittskarten Nr. 47, 48 und 49, die durch den Antragsgegner - lautend auf Rechtsanwalt Dr. P D , Fremdbesitz - bestellt worden waren, an der Hauptversammlung vom 16.06.2009 teil und legte Widerspruch zur Niederschrift gegen den zu TOP 7 mit 99,63 % der abgegebenen Stimmen gefassten Beschluss ein.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, die Hauptsacheklage sei offensichtlich unbegründet und deshalb der Antrag gemäß § 319 Absatz 6 Satz 3 Nr. 1 AktG erfolgreich.
So habe der Antragsgegner bereits nicht nachgewiesen, dass er Herrn Rechtsanwalt Dr. DS , der unstreitig lediglich im Rahmen einer Legitimationsermächtigung gemäß § 129 Absatz 3 Satz 1 AktG aufgetreten ist, zur Ausübung seines - des Antragsgegners - Stimmrechts ausdrücklich ermächtigt und insbesondere ihm den Besitz an seinen Aktien verschafft habe. Mithin fehle es an dem Nachweis, dass der Antragsgegner auf der Hauptversammlung der Antragstellerin am 16.06.2009 vertreten gewesen sei und Widerspruch zur Niederschrift erklärt habe.
Ferner sei der Squeeze-out-Beschluss auch wirksam beschlossen worden, da die Frage der Angemessenheit der Baranfechtung im Anfechtungsprozess unbeachtlich gemäß § 327 f Satz 1 Alt. 2 AktG sei.
Schließlich habe das Freigabeverfahren auch gemäß § 327 e Absatz 2, § 319 Absatz 6 Satz 3 Nr. 3 AktG Erfolg, da der Antragstellerin bis zum Wirksamwerden des Übertragungsbeschlusses wesentliche wirtschaftliche Nachteile entstünden durch die Verpflichtung, aufgrund der Börsennotierung u.a. Publikumshauptversammlungen abzuhalten und die aufwändigen Anforderungen an die Rechnungslegung einzuhalten, so insbesondere einen Konzernabschluss und Konzernlagebericht aufzustellen und prüfen zu lassen. Dafür sei jährlich ein Mehraufwand von ca. 386.000,00 EUR (für die Hauptversammlungen) und 148.000,00 EUR (für die besondere Rechnungslegung) erforderlich, auf mehrere Jahre hochgerechnet bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens insgesamt mindestens von knapp 3 Mio. EUR. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Seiten 40-44 und 80-83 der Antragsschrift nebst Glaubhaftmachung durch Eidesstattliche Versicherung (Anlagen ASt 35 und 27) verwiesen.
Bei einer erforderlich werdenden Wiederholung des Squeeze-out würden, wie im Einzelnen auf Seite 44 f. und 83 ff. der Antragsschrift dargelegt, weitere Kosten von ca. 1.557.000,00 EUR erneut anfallen. Demgegenüber würden die Interessen des Antragsgegners, der lediglich zu 0,01 % und damit rein kapitalistisch und nicht unternehmerisch an der Antragstellerin beteiligt sei, nicht nennenswert benachteiligt werden, da er eine Entschädigung erhalte.
Die Antragstellerin beantragt,
festzustellen, dass die Erhebung der bei dem Landgericht Berlin zu 104 O 69/09 anhängigen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage des Antragsgegners gegen den in der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 16.06.2009 zu TOP 7 gefassten Beschluss, nämlich:
"Die auf den Inhaber lautenden Stückaktien an der J""" Aktiengesellschaft mit Sitz in Berlin, die von anderen Aktionären (Minderheitsaktionäre) als der S GmbH mit Sitz in Köln (Hauptaktionärin) gehalten werden, werden gemäß §§ 327 a ff. AktG gegen Gewährung einer von der S GmbH zu zahlenden angemessenen Barabfindung in Höhe von 7,53 € je auf den Inhaber lautenden Stückaktien mit einem anteiligen Betrag des Grundkapitals in Höhe von 1,00 € auf die S GmbH übertragen."
der Eintragung dieses Beschlusses in das Handelsregister gemäß § 327 e AktG nicht entgegensteht.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsgegner, dem die Antragsschrift am 31.10.2009 zugestellt worden ist, hat mit Schriftsatz vom 05.11.2009, bei Gericht am selben Tage eingegangen, eine Bankbestätigung vorgelegt, wonach er seit dem 04.05.2009 6.604 Stück Aktien an der Antragstellerin hält.
Er behauptet, sein Prozessbevollmächtigter Rechtsanwalt REEE habe im Wege der Legitimationsübertragung auf der Hauptversammlung am 16.06.2009 für ihn das Stimmrecht ausgeübt, und verweist auf das fehlende Bestreiten seiner Klagebefugnis durch die Antragstellerin sowie zur Glaubhaftmachung auf die Bescheinigung der B H und V AG vom 04.09.2009 (Anlage AG 3, Bl.139 d.A.).
Der Antragsteller ist der Auffassung, die §§ 319 Absatz 6, 327 e Absatz 2 AktG seien in ihrer geänderten Fassung verfassungswidrig u.a. wegen Verstoßes gegen Art. 14 GG, da Minderheitsaktionäre, deren Beteiligung unter der Grenze des Wertes von 1.000,00 € lägen, nunmehr schutzlos gestellt seien und da im Rahmen der Beurteilung des vorrangigen Vollzugsinteresses der Aktiengesellschaft nur noch schwere Rechtsverstöße eine Freigabe verhindern könnten. Auch gebe es keine Übergangsregelung, so dass eine echte - unzulässige - Rückwirkung vorliege. Ferner werde gegen die Bestimmung des gesetzlichen Richters verstoßen, da an sich durch die Rechtshängigkeit der Hauptsacheklage die Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen des Landgerichts gegeben wäre. Ebenso seien die Regelungen in §§ 327 a ff. AktG verfassungswidrig, da es de facto keinen effektiven Rechtsschutz mehr über den Weg der Anfechtungsklage gebe und anders als in sonstigen Eilverfahren die Vorwegnahme der Hauptsache den Regelfall darstelle. Die Kompensation durch Schadensersatzansprüche sei dafür nicht ausreichend.
Das Freigabeverfahren müsse aber auch deshalb ohne Erfolg bleiben, als die Hauptsacheklage offensichtlich begründet sei. Aufgrund der unzureichenden Prüfung durch den gerichtlich bestellten Prüfer sei bereits ein Verstoß gegen § 327 c Absatz 2 AktG gegeben, ohne dass es auf die Angemessenheit der Barabfindung ankomme. Diese Auffassung habe der Senat in dem Verfahren 23 W 8/07 gemäß Hinweisverfügung vom 03.09.2007 (Anlage AG 1) zutreffend vertreten.
Ferner sei die Mehrheitsaktionärin nicht in Höhe von mindestens 95 % an der Antragstellerin beteiligt, da der Ausgabebetrag von 4,00 € im Rahmen der Kapitalerhöhung II/2005 unangemessen gewesen sei und deshalb die im Rahmen des Genehmigten Kapitals 2005/II erworbenen Aktien zurückzugewähren seien.
Schließlich habe nach den Grundsätzen der sog. Treuepflichten die Verpflichtung bestanden, den Squeeze-out-Beschluss bis zur Entscheidung im Zulassungsverfahren über das Medikament in den USA oder in anderen Ländern außerhalb der EU zurückzustellen.
Die Antragstellerin könne sich auch nicht auf § 319 Absatz 6 Satz 3 Nr. 3 AktG berufen, denn es fehle auch an einem vorrangigen Vollzugsinteresse, zumal die Gründe für das Squeeze-out-Verfahren, nämlich Kosten einzusparen, nicht zugleich zur Begründung des vorrangigen Vollzugsinteresses dienen könnten.
II.
1. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist das angerufene Kammergericht gem. § 327 e Absatz 2, § 319 Absatz 6 Satz 7 AktG i.d.F. des am 4. August 2009 verkündeten Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie vom 30. Juli 2009 (ARUG, BGBl 2009 I 2479) erstinstanzlich zuständig, da die Antragstellerin ihren Sitz in Berlin hat und die Zuständigkeitsregelung seit Inkrafttreten des ARUG am 1. September 2009 - und damit auch für den am 23.10.2009 eingegangenen Freigabeantrag der Antragstellerin - maßgeblich ist. Denn eine Übergangsvorschrift ist nicht erlassen; ferner ergibt sich dies aus dem Umkehrschluss von § 20 Absatz 4 und 6 AktGEG.
Bedenken gegen die Verfassungsgemäßheit der Neuregelung in § 319 Absatz 6 Satz 7 AktG, durch die das Freigabeverfahren nunmehr vor dem Oberlandsgericht durchzuführen ist, bestehen entgegen der Ansicht des Antragsgegners nicht. Darin liegt kein Entzug des gesetzlichen Richters gemäß Art 101 Absatz 1 Satz 2 GG, der nicht die Entscheidung durch einen bestimmten Richter gewährleistet, sondern nur erfordert, dass die Sache eines Rechtssuchenden durch ein im Vorhinein nach dem Gesetz bestimmtes Gericht entschieden wird (vgl. nur Zöller/Gummer, ZPO, 27. Aufl., § 16 GVG, Rn. 2). Ein Anspruch auf dauernden Verbleib einer Zuständigkeit bei einem bestimmten Spruchkörper auch für zukünftige Verfahren lässt sich daraus nicht ableiten. Anderenfalls wäre bereits jede Änderung eines Geschäftsverteilungsplans verfassungswidrig.
Dass die Antragstellerin im streitgegenständlichen Verfahren von Vorstand und Aufsichtsrat vertreten wird, ist unschädlich, selbst wenn die Vorschrift des § 246 Absatz 2 Satz 2 AktG im Freigabeverfahren gemäß § 319 Absatz 6 AktG nicht gelten sollte, da jedenfalls zugleich auch eine Vertretung - nur - durch den Vorstand vorliegt (vgl. OLG Frankfurt Beschluss vom 06.04.2009 - 5 W 8/09, zitiert nach juris).
Auch war der im Hauptsacheverfahren 104 O 69/09 auf Seiten der hiesigen Antragstellerin beigetretene Nebenintervenient, die T/// B GmbH, nicht an dem vorliegenden Eilverfahren zu beteiligen, da es sich bei beiden Verfahren um verschiedene Streitgegenstände handelt (vgl. OLG Frankfurt Beschluss vom 13.03.2008 - 5 W 4/08 in AG 2008, 667 ff., Rn. 24 ff., 26 nach juris; OLG Stuttgart Beschluss vom 13.05.2005 - 20 W 9/05 in AG 2005, 662 ff., Rn. 9 nach juris). Im Übrigen ist der T/// B GmbH rechtliches Gehör durch einfache Übersendung der Antragsschrift gewährt worden; von der prozessualen Möglichkeit des gesonderten Beitritts wollte jene offensichtlich keinen Gebrauch machen.
2. Der Antrag der Antragstellerin ist auch begründet. Der Erfolg ergibt sich zwar nicht schon aus der Neuregelung in §§ 327 e Absatz 2, 319 Absatz 6 Satz 3 Nr. 2 AktG, da der Antragsgegner durch Urkunde der Buuuuu H und V AG vom 03.11.2009 nachgewiesen hat, seit dem Tage der Bekanntmachung der Einberufung der Hauptversammlung, mithin dem 04.05.2009, 6.604 Aktien der Antragstellerin mit einem anteiligen Betrag von über 1.000 € inne zu haben.
Jedoch sind die Voraussetzungen gemäß §§ 327 e Absatz 2, 319 Absatz 6 Satz 3 Nr. 1 gegeben, da die Hauptsacheklage offensichtlich unbegründet ist.
a) Auf die Verfassungsgemäßheit der Neuregelung in § 319 Absatz 6 Satz 3 Nr. 2 und Nr. 3 AktG kommt es vorliegend nicht an, da darauf der Erfolg des Freigabeverfahrens nicht gestützt wird.
Bedenken gegen die Verfassungsgemäßheit der Neuerungen des Freigabeverfahrens im Übrigen, insbesondere hinsichtlich der Unanfechtbarkeit des Beschlusses, bestehen auch über die unter 1. angeführten Gründe hinaus nicht: Der jedermann zustehende Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass aufgrund der Entscheidung eines Oberlandesgerichts die sofortige Beschwerde ausgeschlossen ist, § 319 Absatz 6 Satz 9 AktG. Denn die Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes sichert keinen Instanzenzug, sondern lässt es ausreichen, dass die Rechtsordnung eine einmalige Möglichkeit zur Einholung einer gerichtlichen Entscheidung eröffnet. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, unter Abwägung und Ausgleich der verschiedenen betroffenen Interessen zu entscheiden, ob es bei einer Instanz bleiben soll oder ob mehrere Instanzen bereitgestellt werden und unter welchen Voraussetzungen sie angerufen werden können (BVerfG, Plenumsbeschluss vom 30.04.2003 - 1PBvU 1/02, in NJW 2003, 1924 ff.). Vorliegend begegnet es keinen Bedenken, wenn sich der Gesetzgeber entschieden hat, das Freigabeverfahren auf eine Instanz zu beschränken, zumal eine Entscheidung durch den Einzelrichter ausgeschlossen ist, § 319 Absatz 6 Satz 7 AktG. Denn es ist nicht zu beanstanden, wenn der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz zu Gunsten der Interessen des Hauptaktionärs an einer schnellen Umsetzung des Squeeze-out-Beschlusses aufgrund der finanziellen Entschädigung der Kleinaktionäre zurücktreten muss. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass es im Hinblick auf die vermögensrechtliche Komponente der Aktie als Kapitalanlage dem Gesetzgeber nicht verwehrt ist, die Schutzvorkehrungen zugunsten des Minderheitsaktionärs auf die vermögensrechtliche Komponente der Anlage zu konzentrieren (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30.05.2007 - 1 BvR 390/04 in ZIP 2007, 1261 ff.; bestätigt im Nichtannahmebeschluss vom 19.09.2007 - 1 BvR 2984/06 in ZIP 2007, 2121 f.).
b) Die vor dem Landgericht Berlin zu 104 O 69/09 rechtshängige Klage ist nach dem Vorbringen der Parteien offensichtlich unbegründet im Sinne von §§ 327 e Absatz 2, 319 Absatz 6 Satz 3 Nr. 1 AktG.
Keiner Entscheidung bedarf, ob eine Anfechtungsklage schon dann offensichtlich unbegründet ist, wenn sich mit hoher Sicherheit die Unbegründetheit der Klage vorhersagen lässt (so OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.06.2009 - 5 W 6/09, in NZG 2009, 1183 ff. m.w.N.), oder ob sogar erforderlich ist, dass nach Durchdringung des Streitstoffes die Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit des angegriffenen Beschlusses als nicht oder kaum vertretbar erscheint (so z.B. OLG München, Beschluss vom 16.11.2005 - 23 W 2384/05, in AG 2006, 296 ff.). Denn auch unter Anwendung des strengeren Maßstabs ist davon auszugehen, dass die Hauptsacheklage des Antragsgegners keinen Erfolg haben wird.
Der Antragsgegner hat bereits seine Klagebefugnis in der Hauptsacheklage gemäß § 245 Nr. 1 AktG nicht hinreichend vorgetragen und glaubhaft gemacht. Zwar hat der Antragsgegner eine entsprechende Bescheinigung der Beeeee H und V AG vom 03.11.2009 vorgelegt, dass er zum maßgeblichen Zeitpunkt Aktionär der Antragstellerin war. Jedoch ist nicht davon auszugehen, dass er auf der Hauptversammlung im Sinne der genannten Vorschrift "erschienen" war. Dafür reicht zwar eine Vertretung im Wege der sog. Legitimationsübertragung gemäß § 129 Absatz 3 Satz 1 AktG aus (vgl. nur Schwab in Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 245 Rn. 11 m.w.N. in Fn. 39). Diese Möglichkeit erfordert jedoch - im Gegensatz zur Stimmrechtsausübung bei Inhaberaktien durch ein Kreditinstitut - die Übertragung des Besitzes an den Aktien auf den Dritten als Vertreter, der gegenüber der Aktiengesellschaft als durch den Aktienbesitz legitimierter Vollrechtsinhaber auftritt. Bei Inhaberaktien muss dementsprechend die Übergabe des Besitzes oder eines Übergabesurrogats erfolgen (Volhard in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 134 Rn. 65; Holzborn in: Heidelberger Kommentar zum AktG, 2008, § 134 Rn. 26; Zöllner in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 134 Rn. 100). Diese Voraussetzungen hat der Antragsgegner weder konkret vorgetragen noch durch die Bescheinigung der Blllll H und V AG vom 04.09.2009 glaubhaft gemacht.
Aus dieser Bescheinigung lässt sich nur entnehmen, dass der Antragsgegner das Stimmrecht übertragen wollte, nicht aber auch, dass er seinem Vertreter das Recht zum Besitz an den Aktien gemäß §§ 858 ff. BGB einräumen wollte. Das Stimmrecht kann jedoch nicht von der Aktie abgespalten und nicht ohne sie übertragen werden (Volhard a.a.O. Rn. 68).
Eine Schriftsatzfrist zu den Ausführungen der Antragstellerin dazu auf Seite 2 des Schriftsatzes vom 09.12.2009 war dem Antragsgegner nicht zu gewähren, da es sich nicht um einen neuen rechtlichen Gesichtspunkt handelte, sondern nur um die rechtliche Subsumtion der bereits mit Schriftsatz vom 26.11.2009 erhobenen Rüge des fehlenden Nachweises der Legitimationsübertragung, wie sich dies ebenfalls aus Seite 35 der Klageerwiderung im Hauptsacheverfahren ergibt.
Selbst wenn man jedoch zu Gunsten des Antragsgegners seine Anfechtungsbefugnis unterstellen würde, ist dennoch das Hauptsacheverfahren ganz offensichtlich unbegründet. Denn nach dem derzeitigen Sachstand sind weder Nichtigkeits- noch zumindest Anfechtungsgründe auch nur ansatzweise erkennbar; der angegriffene, in der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 16.06.2009 zu TOP 7 gefasste Beschluss ist vielmehr ganz offensichtlich wirksam:
aa) Es ist davon auszugehen, dass die SE GmbH über einen Aktienbesitz von über 95 % an der Antragstellerin verfügt. Der Antragsgegner beruft sich insoweit allein darauf, der Aktienerwerb aus der Kapitalerhöhung aus dem Genehmigtes Kapital 2005/II sei wegen des zu niedrigen Ausgabebetrages nicht wirksam erfolgt, ohne den übrigen Vortrag der Antragstellerin zu weiteren Aktienkäufen der S/ GmbH anzugreifen.
Der Antragsgegner ist zwar nicht bereits mangels Wahrung der Frist analog § 246 Absatz 1 AktG mit diesem Sachverhalt ausgeschlossen, obwohl die Seite 21 der Klageschrift erst nach Ablauf der dort geregelten Frist beim Landgericht eingegangen ist. Denn zum einen handelt es sich, wenn die Mehrheitsaktionärin tatsächlich die 95-%-Grenze zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht überschritten hätte, um einen Nichtigkeitsgrund, für den die Ausschlussfrist des § 246 Absatz 1 AktG nicht gilt, § 249 Absatz 1 Satz 1 AktG. Das in § 327 a Absatz 1 Satz 1 AktG festgelegte Limit soll die Minderheitsaktionäre schützen; der unverzichtbare Schutz der beschließenden Aktionäre ist jedoch zugleich Schutz der Öffentlichkeit (vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 241 Rn. 18 m.w.N.) und stellt mithin eine Regelung dar, deren Einhaltung im überwiegenden öffentlichen Interesse im Sinne von § 241 Nr. 3 AktG liegt.
Darüber hinaus lässt sich bereits dem Vortrag auf der fristgemäß eingereichten Seite 20 der Klageschrift der Sachverhalt hinreichend entnehmen. Maßgeblich, aber auch ausreichend für die Einhaltung der Frist des § 246 Absatz 1 AktG ist, dass der einen Teil des Klagegrundes bildende maßgebliche Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die Anfechtbarkeit des Beschlusses herleiten will, vorgetragen wird (BGH, Urteil vom 14.03.2005 - II ZR 153/03, in ZIP 2005, 706 ff.). Diesen Vorgaben wird der Klagevortrag schon durch die fristgemäß eingereichte Seite 20 der Klageschrift gerecht.
Offen bleiben kann, ob der in den Morgenstunden des 03.07.2008 gefasste Beschluss des Vorstands, die neuen Aktien aus dem Genehmigten Kapital 2005/II zu einem Ausgabebetrag von 4,00 € der S/ GmbH unter Ausschluss des Bezugsrechts der übrigen Aktionäre anzubieten, nach den Anforderungen gemäß § 6 Absatz 6 Satz 6 der Satzung n.F. (entsprechend dem ermächtigenden Beschluss der Hauptversammlung) wirksam war. Denn die Ermittlung der Kapitalmehrheit von 95 % ist gemäß §§ 327 a Absatz 2 AktG nach § 16 Absatz 2 und 4 AktG zu beurteilen. Genehmigtes Kapital erhöht das Grundkapital ab Wirksamwerden der Kapitalerhöhung gemäß §§ 203 Absatz 1, 189 AktG (Vetter in Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 16 Rn. 8). Vorliegend wurde die Kapitalerhöhung am 18.07.2008 ins Handelsregister eingetragen. Dies wirkt konstitutiv (BGH Urteil vom 10.10.2005 - II ZR 90/03, in NJW 2006, 374, zitiert nach juris, Rn. 14), und aus den Ausführungen des BGH in dem zuvor zitierten Urteil ergibt sich inzident, dass selbst eine Klage gegen den Vorstandsbeschluss, in dem die Ermächtigung umgesetzt wurde, nicht die Wirksamkeit der Kapitalerhöhung beseitigen würde. Vorliegend sind jedoch offensichtlich nicht einmal Gerichtsverfahren gegen die entsprechenden Beschlüsse eingeleitet worden; sonstige Gründe, die gegen die Wirksamkeit der Kapitalerhöhung sprechen könnten (vgl. dazu Veil in Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 189, Rn. 4) sind weder vorgetragen noch ersichtlich, da eine etwaige Unangemessenheit des Ausgabebetrages nicht unter diese Gründe fällt.
Soweit der Antragsgegner sich auf die Vorschrift des § 57 Absatz 1 AktG beruft, würde eine verbotene (verdeckte) Einlagenrückgewähr nur zu einem schuldrechtlichen Herausgabeanspruch gegen die SDI GmbH gemäß § 62 AktG führen. Im Übrigen stellt §§ 255 AktG eine Sondervorschrift dar, die einen Rückgriff auf § 57 AktG nicht gestattet.
bb) Die Rügen des Antragsgegners betreffend den Prüfbericht sind nicht geeignet, einen Verstoß gegen §§ 327 c ff. AktG zu begründen.
Die Wirksamkeit des Übertragungsbeschlusses im Hinblick auf die Ordnungsmäßigkeit der Prüfung ist nur nach formalen Gesichtspunkten zu überprüfen, wie bereits gesetzlich ausdrücklich in § 327 f Satz 1 Alt. 2 AktG geregelt ist. Danach scheidet eine Anfechtung wegen unangemessener Barabfindung aus (vgl. auch Schnorbus in Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 327 f Rn. 5). Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Prüfungsbericht durch den vom Gericht bestellten Prüfer erstattet ist, gemäß §§ 327 c Absatz 3 und 4, 327 d AktG vor der Hauptversammlung bekannt gemacht wurde, in der Hauptversammlung ausliegt und dass er sich über das Bewertungsgutachten in seiner letzten Fassung und über die Angemessenheit der angebotenen Barabfindung verhält. Diesen Anforderungen genügt der Prüfbericht vom 24.04.2009. Etwaige inhaltliche Mängel und andere Unzuträglichkeiten bei der Abfassung des Prüfungsberichtes können den Übertragungsbeschluss grundsätzlich nicht unwirksam oder anfechtbar machen. Dies folgt aus der unabhängigen Stellung des gerichtlich bestellten Prüfers. Das Amt des Prüfers ist persönlich, sachlich unabhängig und weisungsfrei zum Schutz der Minderheitsaktionäre auszuüben. Damit wäre es unvereinbar, wenn die Gesellschaft oder der Hauptaktionär für mögliche Fehler der Prüfung einstehen müssten, denn solche Fehler entziehen sich bei wohlverstandener unabhängiger Prüfungstätigkeit der Einflussnahme- und Korrekturmöglichkeit der Gesellschaft und des Hauptaktionärs, die nicht einmal über die Möglichkeit verfügen, den fehlerhaft arbeitenden gerichtlich bestellten Prüfer ohne weiteres auszuwechseln (OLG Frankfurt, Beschluss vom 06.04.2009 - 5 W 8/09, zitiert nach juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 03.12.2008 - 20 W 12/08, zitiert nach juris, Rn. 133 f.; OLG Koblenz, Beschluss vom 29.06.2006, in AG 2007, 92 f.; OLG Hamm, Beschluss vom 17.03.2005 - 27 W 3/05, in AG 2005, 773 ff. ). Hieraus folgt, dass der Einwand des Antragsgegners im Klageverfahren, der Prüfbericht leide daran, dass die Höhe der Abfindung vom Prüfer nicht eigenständig ermittelt, sondern dieser allenfalls eine vorläufige und nicht wirklich ernsthaft erfolgte Plausibilitätskontrolle der Unternehmensbewertung durch die Hauptaktionärin vorgenommen habe, bei der Überprüfung des Übertragungsbeschlusses nicht relevant sein kann. Informationsmängel, die sich auf die Ermittlung der Höhe der Barabfindung beziehen, bleiben vielmehr im Anfechtungsverfahren außer Betracht und können erfolgreich nur im Spruchverfahren vorgebracht werden (BGH, Urteil vom 16.03.2009 - II ZR 302/06, in NJW-RR 2009, 828 ff.; vgl. auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 03.12.2008 - 20 W 12/08, zitiert nach juris, Rn. 140 ff.)
Darüber hinaus hat der Antragsgegner im Klageverfahren nur pauschal vorgetragen, es fehle an einer eigenständigen Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung, und im Wesentlichen sich darauf berufen, die eigentliche Prüfung sei, von den üblichen Textbausteinen abgesehen, auf sieben Seiten dargestellt. Dagegen spricht, dass die Durchführung von eigenständigen Untersuchungen und Bewertungsplausibilisierungen seitens des Prüfers unmittelbar aus dem Bericht erkennbar ist, da an zahlreichen Stellen (vgl. nur Seite 17, 18, 22, 27) mitgeteilt wird, dass eine rechnerische und inhaltliche eigenständige Prüfung erfolgt sei. Die pauschalen Beanstandungen seitens des Antragsgegners im Hauptsacheverfahren reichen nicht aus, inhaltliche Fehler des Prüfberichts zu begründen.
In dem vorliegenden Verfahren führt der Antragsgegner ergänzend aus, dass die Schätzung von 65 % Wahrscheinlichkeit einer Marktzulassung des Medikaments FIII in den USA und 90 % in europäischen Ländern außerhalb der EU nicht zutreffend ermittelt worden sei. Damit greift der Antragsgegner erneut die Angemessenheit der Barabfindung an, da diese Zahlen für die Unternehmensbewertung von Bedeutung sind. Eine Überprüfung der Barabfindung findet jedoch, wie ausgeführt, nur im Spruchverfahren statt. Auch soweit der Prüfbericht zur zugrunde zu legenden Höhe der Wahrscheinlichkeiten keine besonderen Ausführungen enthält, kann ein solcher Informationsmangel allenfalls im Spruchverfahren eine Rolle spielen.
Der Antragsgegner kann sich auch nicht auf die Hinweisverfügung des Senats in dem Verfahren 23 W 8/07 berufen. Das dort zugrunde liegende Verfahren zeichnete sich durch die Besonderheit aus, dass auf der Hauptversammlung nicht die vom Prüfer ermittelte Abfindung beschlossen wurde, sondern eine höhere, so dass für diesen Wert weder ein Bericht noch eine Prüfbericht vorlagen. Bei einer solchen Sachlage bezieht sich der Prüfbericht nicht auf das vom Hauptaktionär abgegebene Abfindungsangebot und kann deshalb einer Nichterfüllung des Prüfauftrages gleichgesetzt werden (vgl. auch OLG München, Beschluss vom 03.09.2008 - 7 W 1432 /08, zitiert nach juris, Rn. 74).
Ferner war bei der Antragstellerin des Freigabeverfahrens 23 W 8/07 bereits eine wesentliche (positive) Veränderung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse abzusehen aufgrund des - zunächst noch nicht veröffentlichten - Jahresabschlusses, während sich der Prüfbericht noch auf den vorhergehenden Jahresabschluss, der schlechtere Zahlen aufwies, bezog. Eine solche Ausnahmesituation liegt vorliegend unzweifelhaft nicht vor, sondern der Antragsgegner beruft sich allein auf eine Steigerung des Unternehmenswertes in nicht absehbarer Zukunft nach Zulassung des Medikaments Fnnn auch außerhalb der EU.
Schließlich verfängt der wiederholte Hinweis des Antragsgegners auf die Unzulänglichkeiten des Spruchverfahrens nicht, um die Verfassungsgemäßheit der Regelungen des Squeeze-out-Verfahrens in Frage zu stellen. Denn das Bundesverfassungsgericht hat sich dazu mit der Wirkung des § 31 BVerfGG bereits hinreichend geäußert (vgl. nur BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30.05.2007 - 1 BvR 390/04 in ZIP 2007, 1261 ff.).
cc) Ebenso wenig kann der Antragsgegner erfolgreich eine Treuwidrigkeit geltend machen, soweit die Antragstellerin den Squeeze-out bereits jetzt durchführt, ohne die weitere Entwicklung des Unternehmens im Hinblick auf die Zulassung des Medikaments FEEE auf dem amerikanischen Markt abzuwarten. Eine Anfechtbarkeit wegen Verstoßes gegen Treuepflichten ist dann anerkannt, wenn das Verfahren zum Ausschluss bestimmter Aktionäre missbraucht wird und alsdann der Aktionärskreis neu zusammengesetzt werden soll oder wenn das Verhalten des Hauptaktionärs gegen Zusagen an Minderheitsaktionäre oder gegen früheres eigenes Verhalten verstößt (OLG Koblenz, Beschluss vom 29.06.2006 - in AG 2007, 92 f.). Diese Konstellation ist vorliegend nicht gegeben.
Ob in Zukunft höhere Ertragschancen bestehen, ist dagegen unbeachtlich, da das Squeeze-out-Verfahren keiner sachlichen Rechtfertigung nach den Maßstäben der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit bedarf, sondern das Gesetz die erforderliche Abwägung selbst zugunsten des Hauptaktionärs vorgenommen hat, die keiner gerichtlichen Kontrolle unterliegt (OLG Koblenz a.a.O.; OLG München, Beschluss vom 03.09.2008 - 7 W 1432 /08, zitiert nach juris, Rn. 99; Schnorbus in Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 327 f Rn. 12 m.w.N. in Fn. 14 sowie Rn. 14).
III.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Absatz 1 Satz 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 319 Absatz 6 Satz 2, 247 Absatz 1 Satz 1 AktG und orientiert sich an OLG Stuttgart, Beschluss vom 13.05.2005 - 20 W 9/05, in AG 2005, 662 ff.
Verfahrensgang: | LG Berlin, 104 O 69/09 |