BGH: Zum Anfall einer Terminsgebühr bei Entgegennahme einer auf Erledigung des Verfahrens gerichteten Erklärung
BGH, Urteil vom 20.6.2024 – IX ZR 80/23
ECLI:DE:BGH:2024:200624UIXZR80.23.0
Volltext: BB-Online BBL2024-2178-4
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Amtlicher Leitsatz
Eine Terminsgebühr fällt an, wenn der Gegner eine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Erklärung zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine Partei entgegennimmt (Anschluss an BGH, Beschluss vom 20. November 2006 - II ZB 9/06, NJW-RR 2007, 286 Rn. 7).
Sachverhalt
Die Klägerin, ein Rechtsschutzversicherer, verlangt von der beklagten Rechtsanwaltsgesellschaft die Rückzahlung einer im Wege des Vorschusses für ein Berufungsverfahren ihres Versicherungsnehmers nach einem Gegenstandswert von 58.883,78 € an diese geleisteten 1,2 Terminsgebühr nebst Umsatzsteuer (1.782,14 €). Die Klage des von der Beklagten vertretenen Versicherungsnehmers gegen eine Bank wegen des Widerrufs eines Verbraucherdarlehensvertrags war in erster Instanz abgewiesen, das Urteil am 6. Juli 2019 zugestellt worden. Die Beklagte legte am 6. August 2019 für den Versicherungsnehmer Berufung ein und begründete diese unter dem 8. Oktober 2019. Die Berufung wurde durch das Oberlandesgericht Stuttgart mit Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Im nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahren beantragten die Prozessbevollmächtigten der Bank keine Terminsgebühr für das Berufungsverfahren.
Die Klägerin verlangt die Rückzahlung von 1.782,14 € und ist der Ansicht, eine Terminsgebühr sei nicht entstanden. Die Beklagte behauptet, einer ihrer Geschäftsführer habe am 6. August 2019 sowie am 8. Oktober 2019 der Prozessbevollmächtigten der Bank telefonisch einen Vergleichsvorschlag unterbreitet. Diese habe jeweils die Weiterleitung der Vergleichsvorschläge an ihre Mandantin zugesagt.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Klagabweisungsbegehren weiter.
Aus den Gründen
4 Die Revision hat Erfolg. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
I.
5 Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte könne bereits auf der Grundlage ihres Sachvortrags keine Terminsgebühr beanspruchen. Das erste Telefonat am 6. August 2019 habe keine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung beinhaltet, weil bereits zehn Minuten nach dem Gespräch Berufung eingelegt worden sei, obwohl der Vergleichsvorschlag noch von der gegnerischen Rechtsanwältin an die Bank habe weitergeleitet und besprochen werden müssen. Hinsichtlich des zweiten Telefonats am 8. Oktober 2019 sei maßgeblich, dass die Rechtsanwältin der Bank darin nach dem Klägervorbringen einerseits die Weiterleitung des Vergleichsvorschlags zugesagt, andererseits aber in dem - nur zwei Minuten dauernden - Gespräch erklärt habe, dass sie nicht davon ausgehe, dass Vergleichsbereitschaft bestehe. Jedenfalls für eine solche Fallgestaltung sei die Rechtsprechung dahingehend zu verstehen, dass eine Terminsgebühr nicht allein dadurch anfalle, dass der Gegner die Weiterleitung des Vorschlags an seinen Mandanten zusage.
II.
6 Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der Begründung des Berufungsgerichts lässt sich ein Erstattungsanspruch der Klägerin nicht bejahen.
7 1. Es trifft allerdings zu, dass der Rechtsanwalt aus dem Anwaltsvertrag mindestens entsprechend §§ 675, 667 BGB verpflichtet ist, denjenigen Teil eines ihm geleisteten Vorschusses zurückzuzahlen, der die tatsächlich geschuldete Vergütung übersteigt (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2019 - IX ZR 143/18, WM 2019, 738 Rn. 6; vom 16. Dezember 2021 - IX ZR 81/21, ZIP 2022, 217 Rn. 9). Zudem ist es richtig, dass im Fall eines rechtsschutzversicherten Mandanten der Rückzahlungsanspruch wegen eines nicht verbrauchten Gebührenvorschusses gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG auf den Rechtsschutzversicherer übergeht, weil die Rechtsschutzversicherung eine Schadensversicherung ist und der Versicherer mit der Vorschussleistung an den Rechtsanwalt seinem Versicherungsnehmer im Sinne der Bestimmung "einen Schaden ersetzt" (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2020 - IX ZR 90/19, ZIP 2020, 561 Rn. 10; vom 16. Dezember 2021 - IX ZR 81/21, ZIP 2022, 217 Rn. 15).
8 2. Hingegen kann der Anfall der Terminsgebühr mit der Begründung des Berufungsgerichts nicht verneint werden. Nach § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 VV RVG verdient der Rechtsanwalt die Terminsgebühr auch durch die Mitwirkung an einer auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts. Nach der Intention des Gesetzgebers sollte mit dieser Regelung der Anwendungsbereich der Terminsgebühr erweitert werden; die Gebühr soll insbesondere bereits dann verdient sein, wenn der Rechtsanwalt an auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen mitwirkt, insbesondere, wenn diese auf den Abschluss des Verfahrens durch eine gütliche Einigung zielen (BT-Drucks. 15/1971, S. 148, 209).
9 a) Dementsprechend stellt der Bundesgerichtshof an das Merkmal der - auch telefonisch durchführbaren (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Januar 2010 - I ZB 14/09, ZfSch 2010, 286 Rn. 8) - Besprechung keine besonderen Anforderungen und sieht die Terminsgebühr als entstanden an, wenn der Gegner die auf eine Erledigung des Verfahrens gerichteten Äußerungen zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine Partei zur Kenntnis nimmt (BGH, Beschluss vom 20. November 2006 - II ZB 9/06, NJW-RR 2007, 286 Rn. 7; vom 21. Januar 2010, aaO Rn. 7; vom 9. Mai 2017 - VIII ZB 55/16, NZM 2017, 439 Rn. 8) oder sich auch nur an Gesprächen mit dem Ziel einer Einigung interessiert zeigt (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2007 - XI ZB 38/05, NJW 2007, 2858 Rn. 10; vom 9. Mai 2017, aaO). Dagegen genügt es nicht, wenn es in dem Gespräch nur um die grundsätzliche Bereitschaft oder abstrakte Möglichkeit einer Einigung (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2007, aaO; vom 21. Januar 2010, aaO) oder um Verfahrensabsprachen wie beispielsweise um die Zustimmung zum Ruhen des Verfahrens (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2007, aaO Rn. 10; vom 6. März 2014 - VII ZB 40/13, ZfSch 2014, 286 Rn. 12) geht. Verweigert der Gegner von vornherein ein sachbezogenes Gespräch oder eine gütliche Einigung, kommt eine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung bereits im Ansatz nicht zustande (BGH, Beschluss vom 20. November 2006, aaO Rn. 8; vom 6. März 2014, aaO Rn. 15; vgl. ebenso BAG, NZA 2013, 395 Rn. 14; BVerwG, ZfSch 2018, 703 Rn. 6). Die Voraussetzungen für die Auslösung einer Terminsgebühr durch eine außergerichtliche Besprechung können auch in einem Berufungsverfahren, in dem ein Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO erteilt wird, erfüllt sein, wenn die Besprechung bereits vor Erteilung des Hinweises geführt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2011 - II ZB 4/11, MDR 2012, 376 Rn. 6 ff).
10 b) An diesen Grundsätzen ist auch unter Berücksichtigung einer teilweise abweichenden und von dem Berufungsgericht zugrunde gelegten instanzgerichtlichen Rechtsprechung, wonach die bloße Erklärung des anderen Prozessbevollmächtigten, das Angebot an den Mandanten zur Prüfung weiterzuleiten, nicht genügen soll (vgl. OLG Nürnberg, AnwBl. 2006, 495, 496; OVG Hamburg, AGS 2016, 62, 68 f), festzuhalten (vgl. ebenso Schneider, AGS 2016, 64 f). Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Entstehung der Terminsgebühr führt zu einer einfachen, klaren und rechtssicheren Abgrenzung. III.
11 Das Urteil ist danach aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird die angebotenen Beweise zum Inhalt der behaupteten beiden Telefonate zu erheben haben.