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Wirtschaftsrecht
13.10.2022
Wirtschaftsrecht
BGH: Zulassung von Syndikusrechtsanwälten – Auslegung des Begriffs „Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers“

BGH, Urteil vom 25.8.2022 – AnwZ (Brfg) 3/22

ECLI:DE:BGH:2022:250822UANWZ.BRFG.3.22.0

Volltext: BB-Online BBL2022-2384-1

 

 

 

Sachverhalt

Die Klägerin wendet sich gegen die Zulassung der Beigeladenen als Syndikusrechtsanwältin für ihre Tätigkeit bei dem s.                                              e.V. (im Folgenden: s.  ).

Die Beigeladene war mit Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2017 als Syndikusrechtsanwältin bei der r.        GmbH zugelassen worden. Das Arbeitsverhältnis dort endete am 31. Oktober 2018. Seit dem 1. November 2018 ist sie auf Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 4. Oktober 2018 bei dem s.  tätig. Der Arbeitgeber ist eine nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz anerkannte Schlichtungsstelle für die außergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten zwischen Reisenden und Verkehrsunternehmen, die Mitglieder des Trägervereins sind.

Mit am 15. Januar 2019 bei der Beklagten eingegangenem Antrag begehrte die Beigeladene die Erstreckung der ursprünglich für die Tätigkeit bei der r.        GmbH erteilten Zulassung auf die Tätigkeit bei dem s.  . Nach § 2 des dem Antrag beigefügten Arbeitsvertrags vom 4. Oktober 2018 übernahm die Beigeladene die Aufgaben einer Schlichterin im sogenannten Bereich Flug. In der darüber hinaus vorgelegten Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 11. Januar 2019 war unter anderem angegeben, dass die Beigeladene bei der Prüfung von Schlichtungsangelegenheiten mit einem Beschwerdeführer (Reisenden) und den an der Schlichtung teilnehmenden Verkehrsunternehmen in direktem Kontakt stehe, die für den jeweiligen Fall relevanten Regelungskomplexe schriftlich darstelle und ihre Bewertung mit den Beteiligten erörtere. Sie führe eigenständig und weisungsunabhängig Verhandlungen zwischen den Beschwerdeführern und den beanstandeten Verkehrsunternehmen und unterbreite den Beteiligten auf Grundlage ihrer Bewertung der Sach- und Rechtslage sowie unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten einen Einigungsvorschlag. Zu ihren Aufgaben gehöre auch die rechtliche Beratung und Unterstützung der Geschäftsführung, des Leiters des s.  und von Mitarbeitern. Sie sei außerdem bestimmten Mitgliedsunternehmen des s.   zugeordnet und erörtere mit diesen außerhalb von laufenden Schlichtungsverfahren auch allgemein Beschwerden von Verbrauchern (insbesondere betreffend Fluggastrechte).

Die Klägerin wurde angehört und trat dem Antrag entgegen. Die Beklagte erstreckte die Zulassung der Beigeladenen mit Bescheid vom 21. August 2019 auf die Tätigkeit bei dem s.  "nach Maßgabe des […] Arbeitsvertrags vom 4. Oktober 2018 in Verbindung mit der Ergänzungsabrede vom 11. Januar 2019". Den Widerspruch der Klägerin hiergegen wies die Beklagte zurück, den ursprünglichen Erstreckungsbescheid im Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 2020 änderte sie allerdings entsprechend einem Antrag der Beigeladenen vom 1. September 2020 dahingehend ab, dass der Zulassungsbescheid bezüglich der Tätigkeit bei der r.        GmbH widerrufen wurde und die Beigeladene als Syndikusrechtsanwältin "bei der s.  aufgrund der arbeitsvertraglichen Verabredung vom 4. Oktober 2018 in Verbindung mit der Ergänzungsverabredung vom 11. Januar 2019" zugelassen wurde.

Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie die Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 21. August 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Oktober 2020 beantragt hat, soweit mit ihm die Beigeladene als Syndikusrechtsanwältin bei dem s.  zugelassen worden ist.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat er, soweit für das Berufungsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Zulassung der Beigeladenen als Syndikusrechtsanwältin lägen vor. Die den Kern des Arbeitsverhältnisses ausmachende Schlichtungstätigkeit der Beigeladenen erfülle die Voraussetzungen einer anwaltlichen Tätigkeit im Sinne von § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO. Die fachliche Unabhängigkeit der Beigeladenen sei sowohl vertraglich als auch tatsächlich gewährleistet. Die Voraussetzungen des § 46 Abs. 5 BRAO seien ebenfalls erfüllt. Die Beigeladene nehme ausschließlich Rechtsangelegenheiten ihres Arbeitgebers wahr. Dessen Tätigkeit sei nach seinem Vereinszweck auf Schlichtung ausgerichtet, weshalb die Schlichtung dessen Rechtsangelegenheit sei. Soweit die Beigeladene zudem Mitgliedern des Vereins als Ansprechpartnerin für die rechtliche Analyse, Herausarbeitung und Darstellung von Lösungen im Zusammenhang mit konkreten betriebsrelevanten Rechtsfragen zur Verfügung stehe, handele es sich hierbei nach § 46 Abs. 5 Satz 2 BRAO um Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Anwaltsgerichtshof zugelassenen Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt insbesondere vor, der Zulassung stehe § 46 Abs. 5 BRAO entgegen, weil die Beigeladene als Schlichterin nicht in Rechtsangelegenheiten ihres Arbeitgebers tätig sei. Zudem sei die fachliche Unabhängigkeit der Beigeladenen nicht tatsächlich gewährleistet.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Brandenburgischen Anwaltsgerichtshofs vom 20. Dezember 2021 - AGH 2/20 - den Bescheid der Beklagten vom 21. August 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Oktober 2020 aufzuheben, soweit mit ihm die Beigeladene als Syndikusrechtsanwältin bei der S.                                              e.V. zugelassen worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Die fachliche Unabhängigkeit der Beigeladenen sei vertraglich und tatsächlich gewährleistet. § 46 Abs. 5 BRAO stehe einer Zulassung nicht entgegen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. In der Sache verteidigt sie das Urteil des Anwaltsgerichtshofs. Ihre fachliche Unabhängigkeit sei insbesondere auch in den Schlichtungsverfahren, die Kernaufgabe ihrer Tätigkeit seien und den ganz überwiegenden Teil ihrer Arbeitskraft ausmachten, vertraglich und tatsächlich gewährleistet. Die schlichtende Tätigkeit sei eine Rechtsangelegenheit des s.  , so dass sie ausschließlich in dessen Rechtsangelegenheiten tätig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO) zugestimmt.

Aus den Gründen

15        Die Berufung ist nach § 112e Satz 1 Variante 1 BRAO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 2 und 3 VwGO). Sie hat in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 21. August 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 30. Oktober 2020, soweit die Beigeladene hierdurch als Syndikusrechtsanwältin bei dem s.  zugelassen wurde.

    I.

16        Soweit mit dem angefochtenen Bescheid in Form des Widerspruchsbescheids die Zulassung der Beigeladenen als Syndikusrechtsanwältin für ihre Tätigkeit bei dem s.  ausgesprochen wurde, ist der Bescheid rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

17        1. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Beigeladenen als Syndikusrechtsanwältin lagen im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids nicht vor.

18        Gemäß § 46a Abs. 1 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt auf Antrag zu erteilen, wenn die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen zum Beruf des Rechtsanwalts gemäß § 4 BRAO erfüllt sind, kein Zulassungsversagungsgrund nach § 7 BRAO vorliegt und die Tätigkeit den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entspricht.

19        Diese Voraussetzungen waren nicht gegeben. Es kann dahingestellt bleiben, ob die fachliche Unabhängigkeit der Beigeladenen vertraglich und tatsächlich im Sinne von § 46 Abs. 4 BRAO gewährleistet ist. Der Zulassung steht jedenfalls entgegen, dass die Beigeladene zumindest im Kernbereich ihrer Aufgaben, nämlich als Schlichterin, nicht in Rechtsangelegenheiten ihres Arbeitgebers anwaltlich tätig ist (§ 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 BRAO).

20        a) Nach § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 BRAO ist Voraussetzung der Zulassung, dass der Antragsteller im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses für seinen Arbeitgeber in dessen Rechtsangelegenheiten tätig ist, seine Tätigkeit sich mithin auf die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers beschränkt. Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Senats handelt es sich hierbei nicht lediglich um eine Beschränkung der Rechtsdienstleistungsbefugnis des Syndikusrechtsanwalts, sondern um eine echte Tatbestandsvoraussetzung für die Zulassung (vgl. z.B. Senatsurteile vom 5. Oktober 2020 - AnwZ (Brfg) 43/18, NJOZ 2021, 1368 Rn. 15; vom 22. Juni 2020 - AnwZ (Brfg) 23/19, BGHZ 226, 170 Rn. 22; vom 9. März 2020 - AnwZ (Brfg) 1/18, juris Rn. 15; vom 3. Februar 2020 - AnwZ (Brfg) 71/18, NJW-RR 2020, 443 Rn. 10; vom 6. Mai 2019 - AnwZ (Brfg) 38/17, NJW-RR 2019, 946 Rn. 12 und vom 2. Juli 2018 - AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 Rn. 37 f.; jeweils mwN).

21        Ob der Antragsteller in Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers tätig wird, bestimmt sich nach dem objektiven Inhalt der Tätigkeit, nicht nach dem Erscheinungsbild nach außen (vgl. Senatsurteile vom 13. Mai 2022 - AnwZ (Brfg) 48/21 Rn. 19, zur Veröffentlichung bestimmt; vom 7. Dezember 2020 - AnwZ (Brfg) 11/20, NJW-RR 2021, 246 Rn. 27). Entscheidend ist, ob die zu klärenden Rechtsfragen dem Bereich des Arbeitgebers zuzuordnen sind oder dem eines Dritten (vgl. Senatsurteil vom 7. Dezember 2020 - AnwZ (Brfg) 11/20, aaO Rn. 19).

22        Nach ständiger Senatsrechtsprechung stellt eine Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten Dritter auch dann keine Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers dar, wenn dieser vertraglich oder gesetzlich dazu verpflichtet ist, sich mit den Rechtsangelegenheiten Dritter zu befassen (vgl. nur Senatsurteile vom 5. Oktober 2020 - AnwZ (Brfg) 43/18, NJOZ 2021, 1368 Rn. 16; vom 9. März 2020 - AnwZ (Brfg) 1/18, juris Rn. 20; vom 15. Oktober 2018 - AnwZ (Brfg) 58/17, juris Rn. 11; vom 2. Juli 2018 - AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 Rn. 39 ff.; jeweils mwN).

23        b) Nach diesen Grundsätzen scheidet eine Zulassung der Beigeladenen aus. Denn sie ist allenfalls zu einem untergeordneten Teil ihrer Beschäftigung anwaltlich für ihren Arbeitgeber tätig, während der ganz überwiegende Teil ihrer Arbeitstätigkeit, insbesondere die Durchführung der Schlichtungsverfahren, keine Rechtsangelegenheiten des s.  als ihrem Arbeitgeber, sondern eine solche der Parteien des Schlichtungsverfahrens betrifft.

24        aa) Der Arbeitgeber der Beigeladenen ist eine in der Rechtsform eines Vereins organisierte anerkannte Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr, die Verbraucher dann anrufen können, wenn das Verkehrsunternehmen, das sie in Anspruch nehmen wollen, Mitglied des Vereins ist und damit an der Schlichtung durch den s.  teilnimmt. Gegenstand eines Schlichtungsverfahrens sind Ansprüche zwischen den Verfahrensbeteiligten. Im Bereich Flug, für den die Beigeladene nach den Angaben in § 2 des Arbeitsvertrags vom 4. Oktober 2018 als Schlichterin eingesetzt ist, betrifft die Schlichtung nach § 57b Abs. 1 LuftVG Zahlungsansprüche aus einer einem Verbraucher geschuldeten Luftbeförderung, die dieser aus den in § 57b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 LuftVG genannten Gründen gegen das Luftfahrtunternehmen geltend macht.

25        Das Ziel der Schlichtung ist es, eine Lösung für die zwischen den Verfahrensbeteiligen bestehende rechtliche Streitigkeit zu finden. Die Rechtsfragen, die sich im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens stellen, betreffen allein die zwischen den Verfahrensbeteiligten geltend gemachten Ansprüche und damit deren rechtliche Angelegenheiten. Inhaltlich befasst sich der Schlichter somit mit Rechtsangelegenheiten der Verfahrensbeteiligten. Rechte und Pflichten des s.  sind dagegen nicht Gegenstand des Schlichtungsverfahrens.

26        bb) Der Umstand, dass die Schlichtungsstelle nach ihrer Anrufung durch einen Verbraucher für die Durchführung des Schlichtungsverfahrens auf Grundlage der von ihr erlassenen Verfahrensordnung zuständig ist, führt nicht dazu, dass sie beziehungsweise die für sie tätigen Schlichter sich inhaltlich mit Rechtsangelegenheiten der Schlichtungsstelle befassen. Im Gegenteil wird ein Schlichter - ähnlich wie ein Gericht oder ein Schiedsgericht (vgl. hierzu Senatsurteil vom 13. Mai 2022 - AnwZ (Brfg) 46/21, NJW-RR 2022, 1139) - in Rechtsangelegenheiten der Verfahrensbeteiligten tätig. Ebenso wenig wie die schuldrechtliche Verpflichtung zur Erbringung einer Rechtsdienstleistung diese zu einer Rechtsangelegenheit des Dienstleisters macht, führt die Position einer anerkannten Schlichtungsstelle und die damit verbundene Pflicht zur Durchführung von Schlichtungsverfahren auf Grundlage der jeweiligen Verfahrensordnung dazu, dass aus den Rechtsangelegenheiten der Beteiligten solche der Schlichtungsstelle werden. Maßgeblich ist, dass sich die auf Grundlage der gesetzlichen Regelung und der Verfahrensordnung des s.  durchgeführte Tätigkeit eines Schlichters bestimmungsgemäß nur auf das Rechtsverhältnis der Verfahrensbeteiligten auswirkt (vgl. für die Betreuung von Schiedsverfahren durch einen Case Manager: Senatsurteil vom 13. Mai 2022 - AnwZ (Brfg) 46/21 Rn. 19, aaO).

27        cc) Entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs sowie der Beigeladenen betrifft die Schlichtung nicht deshalb Rechtsangelegenheiten des s.  , weil die Prüfung der Rechtsansprüche der Verfahrensbeteiligten gerade originärer satzungsmäßiger Zweck der Schlichtungsstelle ist und der Schlichter zur Schlichtung nach § 4 Abs. 1 LuftSchlichtV gesetzlich berufen ist. Es ist zwar gesetzliche und satzungsmäßige Aufgabe der Schlichtungsstelle, Lösungen für fremde Rechtsangelegenheiten zu finden. Der Schlichter wird dementsprechend auf Grund seines gesetzlichen und satzungsmäßigen Aufgabengebiets rechtlich tätig. Entscheidend für die Zuordnung der Tätigkeit zu den rechtlichen Angelegenheiten der Schlichtungsstelle als Arbeitgeber ist indes nicht die Tatsache, dass die Tätigkeit zum Aufgabengebiet des Arbeitgebers gehört oder gar sein alleiniger satzungsmäßiger Zweck ist, sondern allein die Frage, ob die zu entscheidenden Rechtsfragen nach objektiven Kriterien inhaltlich dem Bereich des Arbeitgebers zuzuordnen sind. Dies ist bei den im Rahmen von Schlichtungsverfahren zu prüfenden Rechtsfragen nicht der Fall - sie beziehen sich ausschließlich auf die zwischen den Parteien des Schlichtungsverfahrens bestehende Streitigkeit und damit auf deren Rechtsangelegenheit.

28        dd) Vor diesem Hintergrund ist entgegen dem Vorbringen der Beigeladenen auch nicht entscheidend, dass sie die Schlichtung für ihren Arbeitgeber erbringt. Zwar ist die Beigeladene auf Grund ihres Arbeitsvertrags gegenüber dem s.  verpflichtet, im Bereich Flug als Schlichterin tätig zu werden, so dass sie in Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung und insoweit für diesen tätig wird. Dieser für jede Tätigkeit eines Arbeitnehmers im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses geltende Umstand besagt indes nichts darüber, ob die Tätigkeit auch eine Rechtsangelegenheit des Arbeitgebers betrifft. Allein dies ist indes entscheidend und für den Bereich der Schlichtung abzulehnen.

29        ee) Für eine Zuordnung zum Bereich der Rechtsangelegenheiten der Schlichtungsstelle spricht entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs auch nicht, dass die Schlichtungsstelle nicht einen der Verfahrensbeteiligten zu deren Rechtsangelegenheit berät oder vertritt, sondern eine unverbindliche Schlichtungsempfehlung ausspricht. Entscheidend für die Zuordnung einer Rechtsangelegenheit ist nicht die Art der ausgeübten rechtlichen Tätigkeit, sondern deren inhaltlicher Bezug, der hier - wie ausgeführt - ausschließlich zu den Beteiligten, nicht jedoch zu der Schlichtungsstelle herzustellen ist. Die Unverbindlichkeit der Schlichtungsempfehlung ändert nichts daran, dass diese sich auf die Rechtsangelegenheiten der Verfahrensbeteiligten bezieht. Im Gegenteil bestätigt der Umstand, dass die abschließende und verbindliche Regelung der verfahrensgegenständlichen Rechtsangelegenheit letztlich allein in der Entscheidungskompetenz der Verfahrensbeteiligten steht, das Vorliegen von Rechtsangelegenheiten der Verfahrensbeteiligten.

30        ff) Es kommt für die Zuordnung der Tätigkeit zu den Rechtsangelegenheiten ihres Arbeitgebers auch nicht darauf an, ob - wie der Anwaltsgerichtshof meint - das Fremdkapitalverbot gewahrt ist und eine Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit durch ein mögliches Einwirken fremder wirtschaftlicher Interessen im Rahmen der Tätigkeit der Beigeladenen als Schlichterin schon gesetzlich nicht in Betracht kommt, weil der Schlichter nach § 7 Abs. 1 VSBG sowie § 4 Abs. 3 Satz 2 LuftSchlichtV unabhängig ist und Gewähr für eine unparteiische Streitbeilegung bieten muss und weil die Schlichtungsempfehlung nicht verbindlich ist. Abgesehen davon, dass gesetzliche Regelungen, die die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit vorschreiben, deren tatsächliche Gefährdung nicht ausschließen und der Zusammenhang zwischen der Unverbindlichkeit der Schlichtungsempfehlung und einer fehlenden Gefährdung des Fremdkapitalverbots nicht nachvollziehbar ist, verlangt die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nicht nur irgendeine rechtlich unabhängige und eigenverantwortliche anwaltliche Tätigkeit, sondern eine Tätigkeit gerade in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers. Die Zulassung erfolgt bezogen auf ein konkretes Arbeitsverhältnis und nur dann, wenn der Antragsteller im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses für seinen Arbeitgeber in prägendem Umfang anwaltlich tätig ist. Die anwaltliche Unabhängigkeit einer Tätigkeit des Antragstellers und die Wahrung des Fremdkapitalverbots führt indes nicht dazu, dass diese Tätigkeit ohne Berücksichtigung ihres Inhalts Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers zuzuordnen ist. Vielmehr ist nur in den vom Gesetzgeber in § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 bis 3 BRAO vorgesehenen Fällen der Drittberatung von einer Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers auszugehen. Diese Ausnahmen sind abschließend und einer Analogie nicht zugänglich (vgl. Senatsurteil vom 22. Juni 2020 - AnwZ (Brfg) 23/19, BGHZ 226, 170 Rn. 30).

31        gg) Der Verweis der Beklagten auf § 18 BORA führt ebenfalls nicht zu einer anderen Bewertung. Hiernach unterliegt ein Rechtsanwalt, der als Vermittler, Schlichter oder Mediator tätig ist, den Regeln des Berufsrechts. Dies kann allenfalls von Bedeutung sein für die Einordnung der Schlichtung als anwaltliche Tätigkeit. Die hier allein umstrittene Frage, in wessen Rechtsangelegenheiten der Schlichter tätig ist, betrifft § 18 BORA dagegen nicht.

32        c) Die Zuordnung der Schlichtungstätigkeit der Beigeladenen zu Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers folgt auch nicht aus § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BRAO. Hiernach umfassen Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers unter anderem auch erlaubte Rechtsdienstleistungen des Arbeitgebers gegenüber seinen Mitgliedern, sofern es sich bei dem Arbeitgeber um eine Vereinigung oder Gewerkschaft nach § 7 des Rechtsdienstleistungsgesetzes handelt. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG sind etwa Rechtsdienstleistungen erlaubt, die berufliche oder andere zur Wahrung gemeinschaftlicher Interessen gegründete Vereinigungen oder deren Zusammenschlüsse im Rahmen ihres satzungsmäßigen Aufgabenbereichs für ihre Mitglieder oder für die Mitglieder der ihnen angehörenden Vereinigungen erbringen, soweit sie gegenüber der Erfüllung ihrer übrigen satzungsmäßigen Aufgaben nicht von übergeordneter Bedeutung sind. Diese Voraussetzungen liegen bezüglich der Schlichtungstätigkeit nicht vor. Ob - wovon der Anwaltsgerichtshof in Übereinstimmung mit der Auffassung der Beteiligten ausgeht - der s.  eine zur Wahrung gemeinschaftlicher Interessen gegründete Vereinigung im Sinne dieser Vorschrift ist, kann dahingestellt bleiben. Abgesehen davon, dass die Anwendbarkeit von § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BRAO, § 7 Abs. 1 Satz 1 RDG schon deshalb fraglich ist, weil die Tätigkeit von Schlichtungsstellen nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 RDG keine Rechtsdienstleistung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes darstellt, wird die Beigeladene als Schlichterin nicht nur - wie dies § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BRAO und § 7 Abs. 1 Satz 1 RDG vorsehen - gegenüber Mitgliedern des Arbeitgebers tätig, sondern auch gegenüber den jeweils beteiligten Verbrauchern. Überdies setzt eine Erlaubnis nach § 7 Abs. 1 Satz 1 RDG voraus, dass die betreffende Tätigkeit gegenüber der Erfüllung der übrigen satzungsmäßigen Aufgaben nicht von übergeordneter Bedeutung ist. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Denn die Schlichtung ist nicht gegenüber der Erfüllung der übrigen satzungsmäßigen Aufgaben von untergeordneter Bedeutung, sondern stellt den Kern der Tätigkeit des s.  dar.

33        2. Eine Zulassung der Beigeladenen jedenfalls ab 1. August 2022 kommt auch nicht auf Grundlage von § 46 Abs. 6 BRAO in Betracht, der mit Wirkung ab 1. August 2022 durch das Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe vom 7. Juli 2021 (BGBl. I 2021, 2363) an § 46 BRAO angefügt wurde. Unabhängig von der Frage, ob für die Entscheidung über die Anfechtung des Zulassungsbescheids durch die Rentenversicherung grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erteilung der Zulassung abzustellen ist oder ob bei nachträglichen Änderungen zu Gunsten des Antragstellers der Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich ist (vgl. Senatsurteil vom 18. März 2019 - AnwZ (Brfg) 22/17, juris Rn. 3), so dass bei einem erst nachträglich entstandenen Anspruch auf Zulassung die Zulassungsentscheidung nur bis zu dem Zeitpunkt, ab dem der Anspruch bestand, aufzuheben wäre, kommt eine Zulassung auch auf Grundlage des § 46 Abs. 6 BRAO nicht in Betracht.

34        a) Nach der gesetzlichen Neuregelung können Rechtsdienstleistungen, zu deren Erbringung ein Arbeitgeber, der nicht den in § 59c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BRAO genannten Berufen angehört, berechtigt ist, auch durch den Syndikusrechtsanwalt erbracht werden (§ 46 Abs. 6 Satz 1 BRAO). Die Erbringung dieser Rechtsdienstleistungen ist allerdings gemäß § 46 Abs. 6 Satz 2 BRAO keine anwaltliche Tätigkeit im Sinne von § 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

35        Eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt kommt somit ab 1. August 2022 zwar dann in Betracht, wenn der Antragsteller neben der prägenden anwaltlichen Tätigkeit für seinen Arbeitgeber auch - im nicht prägenden Teil seiner Tätigkeit - dem Arbeitgeber erlaubte Rechtsdienstleistungen für Dritte erbringt. Der nach ständiger Senatsrechtsprechung auf Grundlage der bis 31. Juli 2022 geltenden Gesetzeslage bestehende Ausschluss der Zulassung bei jeglicher rechtsberatender Tätigkeit für Dritte (vgl. Senatsurteil vom 22. Juni 2020 - AnwZ (Brfg) 23/19, BGHZ 226, 170 Rn. 24 ff.) gilt mithin ab 1. August 2022 nicht mehr.

36        b) Auch nach neuer Rechtslage kommt eine Zulassung der Beigeladenen jedoch nicht in Betracht. Selbst wenn die Tätigkeit der Beigeladenen als Schlichterin als erlaubte Rechtsdienstleistung im Sinne von § 46 Abs. 6 Satz 1 BRAO anzusehen wäre, obwohl die Tätigkeit von Schlichtungsstellen nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 RDG keine Rechtsdienstleistung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes darstellt, wäre diese nach § 46 Abs. 6 Satz 3 BRAO nicht als anwaltlich im Sinne von § 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO zu qualifizieren. Unabhängig davon, ob die im Rahmen des Arbeitsverhältnisses neben der Schlichtung ausgeübte sonstige Tätigkeit der Beigeladenen anwaltlich im Sinne von § 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO ist, kommt eine Zulassung ab 1. August 2022 mithin schon deshalb nicht in Betracht, weil es im Hinblick darauf, dass die Beigeladene weit überwiegend als Schlichterin tätig ist und hierin nach der gesetzlichen Neuregelung keine anwaltliche Tätigkeit für ihren Arbeitgeber liegt, bereits an der für die Zulassung gemäß § 46 Abs. 2, Abs. 3 BRAO erforderlichen Prägung des Arbeitsverhältnisses durch anwaltliche Tätigkeit für den Arbeitgeber fehlt.

37        3. Die Zulassung der Beigeladenen als Syndikusrechtsanwältin war demnach rechtswidrig, wodurch die Rechte der Klägerin als Rentenversicherungsträgerin verletzt wurden. Der Bescheid der Beklagten vom 21. August 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 30. Oktober 2020 war deshalb aufzuheben, soweit die Beigeladene hierdurch als Syndikusrechtsanwältin bei dem s.  zugelassen worden ist. Nicht aufzuheben war der Bescheid hingegen, soweit er zugleich den Widerruf der Zulassung bezüglich der beendeten Tätigkeit bei der r.         enthält. Auf den Widerrufsbescheid bezieht sich das vorliegende Verfahren nicht.

    II.

38        Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Der Streitwert wurde nach § 194 Abs. 2 Satz 2 BRAO festgesetzt.

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