AGH NRW: Zulassung eines Personaldirektors als Syndikusrechtsanwalt
AGH NRW, Urteil vom 13.2.2017 – 1 AGH 32/16
ECLI:DE:AWGHNRW:2017:0213.1AGH32.16.00
Volltext des Urteils: BB-ONLINE BBL2017-914-1
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Amtlicher Leitsatz
Ein angestellter Jurist, der als Geschäftsführer und Personaldirektor bei einer für Führungs-, Verwaltungs- und Beratungsfunktionen zuständigen Gesellschaft eines Transport- und Logistikkonzerns tätig ist, kann als Syndikusrechtsanwalt zuzulassen sein.
BRAO §§ 46, 46a
Sachverhalt
Der am ... …1974 geborene Beigeladene ist seit dem 24.05.2005 bei der Beklagten zugelassener Rechtsanwalt und hat mit Schreiben vom 16.02.2016 bei der Beklagten seine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für seine Tätigkeit bei der E GmbH, C3, beantragt.
Der Beigeladene legte einen Arbeitsvertrag mit der E GmbH vom 26.06.2015 vor, ausweislich dessen er mit Wirkung vom 01.09.2015 zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt worden ist. Ausweislich § 1 Abs. 2 des Vertrages nimmt der Beigeladene zusätzlich im Rahmen des Anstellungsvertrages die Aufgaben des Director Human Resources Operations DSC GHO in der Gesellschaft wahr. Der Anstellungsvertrag ist auf die Dauer von zwei Jahren geschlossen worden, für seine Tätigkeit erhält der Beigeladene neben einer fixen Vergütung eine variable Vergütung, die ausweislich § 6 des Vertrages „sowohl vom Unternehmenserfolg als auch von der individuellen Leistung abhängig“ ist.
Darüber hinaus legt der Beigeladene eine Tätigkeitsbeschreibung vom 11.02.2016 vor, ausweislich derer er „als Syndikusrechtsanwalt' bei der Gesellschaft beschäftigt ist. Aus der Tätigkeitsbeschreibung ergibt sich, dass der Beigeladene keinen allgemeinen oder konkreten Weisungen in fachlichen Angelegenheiten unterliege, die die eigenständige Analyse der Rechtslage und eine einzelfallorientierte Rechtsberatung beeinträchtigen. Seine fachliche Unabhängigkeit im Sinne von § 46 Abs. 3 BRAO sei vertraglich und tatsächlich gewährleistet.
Unter Ziffer 3. „Merkmale der anwaltlichen Tätigkeit“ wird seine Tätigkeit wie folgt beschrieben: „Herr Dr. U ist als Director HR Operations für die umfassende und eigenverantwortliche Bearbeitung sämtlicher personalrelevanter Themen der Gesellschaft verantwortlich. Zudem stellt Herr Dr. U die Vereinbarkeit aller administrativen Personalprozesse im Unternehmen mit den arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Vorgaben sicher.“
Ausweislich der Tätigkeitsbeschreibung finden sich insbesondere für den Personalbereich darüber hinaus noch folgende Tätigkeitsbeschreibungen:
- „Ansprechpartner für Betriebsräte und andere Arbeitnehmervertreter in allen mitbestimmungsrechtlichen Angelegenheiten, unabhängige und weisungsfreie Verhandlung und Abschluss von Betriebsvereinbarungen und anderen betrieblichen Regelungen.
- außergerichtliche Verhandlung mit Arbeitnehmern und deren Rechtsbeiständen über Inhalt, Begründung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen und eigenverantwortlicher Abschluss entsprechender Regelungen (...)
- Kompetenz zur Begründung, Beendigung und Änderung von Arbeitsverträgen und anderen einzelvertraglichen Regelungen“.
Unter Ziffer 4. erklärt das Unternehmen, dass die unter 2. und 3. gemachten Angaben zutreffend und „Bestandteil des Arbeitsvertrages“ seien. Unterschrieben ist die Tätigkeitsbeschreibung von den beiden anderen neben dem Beigeladenen tätigenGeschäftsführern des Unternehmens.
Darüber hinaus legt der Beigeladene eine „Nebenabrede zum Anstellungsvertrag vom 26.06.2015“ vor, die am 11.02.2016 geschlossen wurde. Ausweislich Ziffer 1. dieser Nebenabrede übe der Beigeladene „in seiner Funktion als Geschäftsführer / Director Human Resources Operations DSC GHO eine Tätigkeit als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) i.S.d. § 46 Abs. 2 S. 1 BRAO aus.“ Ausweislich Ziffer 3. gewährleistet die Gesellschaft „die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung“.
Die Beklagte hat die Klägerin mit Schreiben vom 05.04.2016 angehört. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 18.04.2016 Stellung genommen und dem Zulassungsantrag nicht zugestimmt. Sie konzediert zwar, dass der Antragsteller grundsätzlich die Voraussetzungen einer anwaltlichen Tätigkeit als Syndikusanwalt erfülle, angesichts seiner Funktion als Geschäftsführer und der ihm übertragenen Aufgaben sei jedoch „nicht nachgewiesen, dass die Gesamttätigkeit von der anwaltlichen Tätigkeit geprägt“ werde. Die anwaltlichen Tätigkeiten müssten den „ganz eindeutigen Schwerpunkt aller innerhalb der Beschäftigung ausgeübten Tätigkeiten bilden“, vorliegend bilde jedoch die geschäftsführende Tätigkeit den „deutlichen Schwerpunkt“, jedenfalls lasse sich aus den eingereichten Unterlagen kein schlüssiges Gesamtbild entnehmen.
Daraufhin reichte der Beigeladene eine „Stellungnahme der Geschäftsführung“ vom 26.04.2016 nach. Ausweislich dieser Stellungnahme handele es sich bei der Arbeitgeberin des Beigeladenen um eine Gesellschaft, die im Konzern E Q E Group im Wesentlichen das Erbringen von Dienstleistungen im Bereich der Führungs-, Verwaltungs- und Beratungsfunktionen zum Gegenstand habe. Herr Dr. U sei „zur selbständigen und eigenverantwortlichen Betreuung aller sich aus der Anstellung dieser [180] Mitarbeiter gegebenen Rechtsfragen angestellt worden.“ „Wesentlicher Tätigkeitsbereich“ sei die „Betreuung aller arbeits- und sozialrechtlichen Angelegenheiten der Gesellschaft“. Die Bestellung zum Geschäftsführer solle die Umsetzung der von Herrn Dr. U entschiedenen Rechtsfragen erleichtern. Die anwaltliche Tätigkeit mache „einen Großteil der von Herrn Dr. U ausgeübten Aufgaben“ aus. Die mit seiner Geschäftsführerstellung „einhergehenden administrativen Aufgaben betreffen hingegen - wenn überhaupt - nur einen untergeordneten Teil seiner Gesamttätigkeit, der weniger als 10% seiner Arbeitszeit ausmacht“. Zudem sei durch die Aufgabenverteilung innerhalb der Geschäftsführung sichergestellt, „dass Herr Dr. U nicht mit administrativen Aufgaben außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs Personal befasst wird“. Alle Angelegenheiten im Hinblick auf Rechnungslegung und andere buchhalterische Aufgaben sowie die Steuerangelegenheiten seien bei den anderen beiden Geschäftsführern angesiedelt.
Mit Bescheid vom 03.05.2016 hat die Beklagte den Beigeladenen als Syndikusrechtsanwalt gemäß § 46 Abs. 2 BRAO zugelassen und die sofortige Vollziehung des Bescheides nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet.
Gegen den Bescheid hat die Klägerin unter dem 30.05.2016 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, dass die Tätigkeit des Beigeladenen nicht den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entspreche. Die eingereichten Unterlagen seien nicht geeignet gewesen, um festzustellen, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Tätigkeiten und Merkmale einer Syndikusrechtsanwaltstätigkeit das Arbeitsverhältnis des Beigeladenen prägten. Da die „geschuldete Gesamttätigkeit“ nicht dargestellt worden sei, könne keine „Feststellung zur Prägung“ getroffen werden. Der Beigeladene sei nicht nur Geschäftsführer, sondern auch noch „Director Human Resources DSC GHO“, genauere Angaben zu seinem Tätigkeitsbereich und seinen Befugnissen fänden sich in den Unterlagen nicht.
Mit seiner Funktion als Director Human Resources seien auch Leitungsaufgaben verbunden, diese fänden in den vorgelegten Unterlagen keine hinreichende Erwähnung. Ausweislich der Stellungnahme der Geschäftsführung habe der Beigeladene neben den anwaltlichen Aufgaben „in erheblichem Umfang auch operative und strategische Aufgaben des Personalwesens“ zu erledigen, wozu auch die ..Personalplanung, die Budgetierung und Fragen der Personalentwicklung“ gehörten. Dass diese administrativen Aufgaben, wie angegeben, weniger als 10% seiner Arbeitszeit ausmachen sollen, hält die Klägerin für nicht nachvollziehbar. Auch die auf die anderen Geschäftsführer übertragenen Tätigkeiten führten nicht zu einer anwaltlichen Prägung der Tätigkeit des Herrn Dr. U, schließlich habe dieser weitergehende Überwachungspflichten und ebenfalls treffe ihn trotz etwaiger Delegation weiterhin eine entsprechende Haftung. Die Klägerin gehe vielmehr generell davon aus, dass Geschäftsführer einer GmbH grundsätzlich (nur) dann anwaltlich tätig sind, wenn der Unternehmensgegenstand der GmbH nach der Satzung darin bestehe, die rechtliche Beratung und Vertretung ihrer Mitglieder zu gewährleisten. In allen anderen Fällen müßten die Leistungspflichten des Geschäftsführers explizit ermittelt und die anwaltlichen und nicht-anwaltlichen Aufgaben gegenübergestellt werden.
Der Senat hat die Beteiligten persönlich gehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.10.2016 Bezug genommen. Mit Auflagenbeschluss vom 28.10.2016 wurde dem Beigeladenen aufgegeben, die zwischen ihm und seinem Arbeitgeber bestehende Zielvereinbarung vorzulegen. Die vorgelegte Zielvereinbarung wurde den Parteien zur Stellungnahme zugeleitet. Die Parteien haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erteilt.
Die Klägerin beantragt (unter Rücknahme ihres Antrages auf vorläufigen Rechtsschutz),
den Bescheid aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach einer Gesamtschau der dargelegten Tätigkeiten präge die anwaltliche Tätigkeit des Beigeladenen, obgleich er Geschäftsführer sei, seine Gesamttätigkeit; etwaige administrative Tätigkeiten, wenn nicht ohnehin mit der anwaltlichen Tätigkeit verbunden, stünden hinter der anwaltlichen Tätigkeit zurück.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.
Aus den Gründen
I. Die Anfechtungsklage ist statthaft, die Zuständigkeit des Anwaltsgerichtshofes Nordrhein-Westfalen ist gegeben (§§ 46a Abs. 2 S. 3, 112a BRAO). Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten ist ohne Vorverfahren zulässig (§§ 112 Abs. 1, 112c Abs. 1 BRAO, 42, 68 VwGO, § 110 JustG NW) und fristgerecht beim Anwaltsgerichtshof eingegangen.
II. Die zulässige Anfechtungsklage ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 03.05.2016 ist rechtmäßig.
1. Über die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt hat die Beklagte als örtlich zuständige Rechtsanwaltskammer nach Anhörung des Trägers der Rentenversicherung entschieden (§ 46a Abs. 2 S. 1 BRAO).
2. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt ist nach § 46a Abs. 1 BRAO auf Antrag zu erteilen, wenn
(a) die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen zum Beruf desRechtsanwalts gemäß § 4 erfüllt sind,
(b) kein Zulassungsversagungsgrund nach § 7 vorliegt und
(c) die Tätigkeit den Anforderungen des § 46 Absatz 2 bis 5 entspricht.
Liegen die Voraussetzungen des § 46a Abs. 1 BRAO vor, ist die Syndikuszulassung zu erteilen, es handelt sich um eine gebundene Entscheidung.
a) Die Voraussetzungen für den Zugang zum Beruf des Rechtsanwaltes gemäß § 4 BRAO liegen vor. Der Beigeladene ist bereits seit dem 24.05.2005 bei der Beklagten als Rechtsanwalt zugelassen.
b) Gründe für die Versagung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 7 BRAO sind nicht ersichtlich.
c) Die Tätigkeit entspricht auch den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO.
aa) Der Beigeladene ist Angestellter einer anderen als in § 46 Abs. 2 BRAO genannten Person oder Gesellschaft, nämlich Angestellter der E GmbH.
bb) Angestellte Syndikusrechtsanwälte sind anwaltlich tätig, wenn ihre fachlich unabhängig und eigenverantwortlich auszuübende Tätigkeit durch die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO aufgeführten Merkmale geprägt ist (§ 46 Abs. 3 BRAO). Eine fachlich unabhängige Tätigkeit übt nicht aus, wer sich an Weisungen zu halten hat, die eine eigenständige Analyse der Rechtslage und eine einzelfallorientierte Rechtsberatung ausschließen. Die fachliche Unabhängigkeit ist vertraglich und tatsächlich zu gewährleisten. Aus § 46 Abs. 2 i.V.m. den Absätzen 3 und 4 BRAO wird deutlich, dass nicht jeder Mitarbeiter eines Unternehmens, der juristisch geprägte Tätigkeiten ausübt, anwaltlich tätig ist. Die anwaltliche Tätigkeit ist entscheidend von der Unabhängigkeit der anwaltlichen Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten geprägt.
Die Tätigkeit des Beigeladenen entspricht diesen Merkmalen.
Soweit die Klägerin die Ausübung einer fachrechtlichen Tätigkeit durch den Beigeladenen generell anzweifelt und darauf abstellt, dass der Beigeladene im Schwerpunkt leitende und steuernde Aufgaben ausübe, kann sie mit diesem Einwand nicht durchdringen. Zwar ist der Beigeladene ausweislich seines Anstellungsvertrages vom 26.06.2015 nicht nur „Geschäftsführer“ der Gesellschaft, sondern nimmt darüber hinaus auch noch die Aufgaben des „Director Human Resources Operations DSC GHO“, also eines Personaldirektors wahr, mithin also Tätigkeiten, die grundsätzlich nicht anwaltlich geprägt sind und damit tendenziell auch die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 BRAO nicht erfüllen, bei der von dem Beigeladenen geführten Gesellschaft handelt es sich jedoch um eine „Dienst-leitungsgesellschaft“, die hauptsächlich Dienstleitungen im Bereich von Führungs-, Verwaltungs- und Beratungsfunktionen für die Beteiligungsgesellschaften des DHL-Konzerns erbringt. Zwar ist im Rahmen unternehmerischer Tätigkeit kaum eine berufliche Betätigung ohne rechtliches Handeln und entsprechende Rechts-kenntnisse möglich oder bleibt ohne rechtliche Wirkung, gerade die Beratung von Wirtschaftsunternehmen erfordert neben spezifischen Kenntnissen des jeweiligen Wirtschaftsbereichs auch juristische Kenntnisse. Im Rahmen des § 46 BRAO ist daher die Tätigkeit des Syndikusanwalts von allgemeinen anderen juristischen Dienstleistungen, mithin dem Angestelltenverhältnis als angestellter Unter-nehmensjurist, der nicht anwaltlich tätig ist, abzugrenzen (vgl. BT-Drs. 18/5201, S. 19). Gerade diese Verzahnung juristischer Fähigkeiten und die besondere Funktion der Rechtsanwälte als Organ der Rechtspflege machen eine Abgrenzung anwaltlicher Tätigkeiten von anwaltsfremden Tätigkeiten erforderlich (BT-Drs, a.a.O, S. 19).
Ob eine anwaltliche Berufsausübung als Syndikusrechtsanwalt vorliegt, hängt damit nicht von der Bezeichnung der Tätigkeit, sondern von dem Inhalt der Aufgaben ab, die dem Rechtsanwalt im Rahmen des Anstellungsverhältnisses übertragen werden und davon, ob es sich hierbei um eine anwaltliche Tätigkeit handelt.
Vorliegend ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Beigeladene ausweislich der Nebenabrede vom 11.02.2016 zum Anstellungsvertrag vom 26.06.2015 (auch) in seiner Funktion als Geschäftsführer / Director Human Resources Operations DSC GHO eine Tätigkeit als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt,) i.S.d. § 46 Abs. 2 S. 1 BRAO ausübt. Auch gemäß der Tätigkeitsbeschreibung vom 11.02.2016 ist der Beigeladene als Syndikusrechtsanwalt beschäftigt. Ausweislich der Tätigkeitsbe-schreibung stellt der Beigeladene „die Vereinbarkeit aller administrativen Personal-prozesse im Unternehmen mit den arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Vorgaben sicher“. Seine Tätigkeit umfasst ausweislich der Tätigkeitsbeschreibung insbesondere die folgenden Punkte:
- „Ansprechpartner für Betriebsräte und andere Arbeitnehmervertreter in allen mitbestimmungsrechtlichen Angelegenhelten, unabhängige und
weisungsfreie Verhandlung und Abschluss von Betriebsvereinbarungen und anderen betrieblichen Regelungen
- außergerichtliche Verhandlung mit Arbeitnehmern und deren Rechtsbeiständen über Inhalt, Begründung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen und eigenverantwortlicher Abschluss entsprechender Regelungen (...)
- Kompetenz zur Begründung, Beendigung und Änderung von Arbeitsverträgen und anderen einzelvertraglichen Regelungen“
Der Beigeladene ist ausweislich der Tätigkeitsbeschreibung berechtigt, für seine Arbeitgeberin Vertragsverhandlungen zu führen, sie im Vertragswege zu verpflichten und Rechte des Unternehmens zu verwirklichen. Der Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung ergänzend ausgeführt, dass er die in Rede stehenden Aufgaben jeweils auf den konkreten Einzelfall bezogen unter Beachtung der jeweiligen rechtlichen Grundlagen frei erarbeitet und aushandelt und entsprechende Rechtsfolgen auslöst. Die dem Beigeladenen obliegende Beurteilung individual- sowie kollektivarbeitsrechtlicher Angelegenheiten auf Grundlage des geltenden Rechts, die darauf folgende Verhandlung und der Abschluss von Betriebsverein-barungen sowie die Kompetenz zur Begründung, Beendigung und Änderung von Arbeitsverträgen und anderen einzelvertraglichen Regelungen erfüllt bei zutreffender Bewertung die Merkmale der Gestaltung von Rechtsverhältnissen und der Verwirklichung von Rechten im Sinne des § 46 Abs. 3 Nr. 3 BRAO.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist damit festzustellen, dass der Beigeladene in Ausübung seiner Tätigkeit Sachverhalte aufklärt, Rechtsfragen prüft und Lösungsmöglichkeiten erarbeitet (§ 46 Abs. 3 Nr. 1 BRAO) sowie, dass seine Tätigkeit auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen, insbesondere durch das selbständige Führen von Verhandlungen, und auf die Verwirklichung von Rechten ausgerichtet ist (§ 46 Abs. 3 Nr. 3 BRAO; vgl. Senatsurteil vom 28.10.2016, 1 AGH 33/16; Träger, in: Feuerich/Weyland, BRAO, 9. A., zu § 46 BRAO-E, Seite 363).
Mit der Tätigkeitsbeschreibung erklärt das Unternehmen, dass die gemachten Angaben zutreffend und „Bestandteil des Arbeitsvertrages“ sind, die Tätigkeits-beschreibung ist von zwei anderen Geschäftsführern des Unternehmens unter-schrieben. Dafür, dass das in der Tätigkeitsbeschreibung und in der Nebenabrede formulierte Tätigkeitsprofil nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht, gibt es keinen Anhaltspunkt.
Bei der Tätigkeit des Beigeladenen handelt es sich damit um eine anwaltliche Tätigkeit entsprechend den Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO.
cc) Die Tätigkeit des Beigeladenen ist auch von den Merkmalen des § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO geprägt.
Soweit die Klägerin die Prägung des Arbeitsverhältnisses durch die Merkmale des § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO in Abrede stellt, da mit der Tätigkeit insbesondere als Director Human Resources in erheblichem Umfang auch operative und strategische Aufgaben des Personalwesens verbunden seien, wozu auch die Personalplanung, die Budgetierung und Fragen der Personalentwicklung gehörten, ist zu konzedieren, dass mit der Tätigkeit als Geschäftsführer und als Director Human Ressources sicherlich auch administrative Aufgaben und auch bei ihm verbleibende Überwachungspflichten einhergehen. Dies hat der Beigeladene jedoch nicht in Abrede gestellt, er hat jedoch darauf hingewiesen, dass diese administrativen Aufgaben insgesamt nur einen geringen Teil seiner Arbeitszeit ausmachten.
Die Klägerin geht insoweit zutreffend davon aus, dass die „umfassende und eigenverantwortliche Bearbeitung sämtlicher personalrelevanter Themen“ auch nicht-anwaltliche Tätigkeiten umfasst. Insbesondere die Tätigkeit als Personaldirektor umfasse, so die Klägerin, „neben anwaltlichen Aufgaben in erheblichem Umfang auch operative und strategische Aufgaben des Personalwesens“ insbesondere die „Personalplanung, die Budgetierung und Fragen der Personalentwicklung“.
Die Übertragung anwaltsfremder Aufgaben steht der Annahme einer anwaltlichen Tätigkeit jedoch nicht entgegen, die anwaltsfremden Aufgaben müssen aber in einem engen inneren Zusammenhang mit der rechtlichen Beistandspflicht stehen und auch rechtliche Fragen aufwerfen können. Zur Abgrenzung der anwaltlichen Tätigkeit von sonstigen Tätigkeiten bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber ist auf den Kern und den Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen. Der Gesetzgeber führt insoweit aus:
„Die anwaltliche Tätigkeit muss im Rahmen des Anstellungsverhältnisses die qualitativ und quantitativ ganz eindeutig prägende Leistung des angestellten Rechtsanwaltes ein.“ (BT-Drs, a.a.O. S. 19).
Eine derartige „Prägung“ der gesamten Tätigkeit liegt regelmäßig dann vor, wenn mindestens 50% der regelmäßigen durchschnittlichen Arbeitszeit auf anwaltliche Tätigkeiten entfallen.
Die Zugrundelegung einer solchen 50%-Grenze entspricht nicht nur der bisherigen Praxis der Rechtsanwaltskammern,
Nachweise bei: Offermann-Burckart, Die Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte im Praxistest, AnwBI. 2016, 474
auch die Klägerin bezieht sich auf ihrer Homepage auf eine solche Grenze.
„Ganz allgemein lässt sich sagen, dass die anwaltlichen Tätigkeitsmerkmale jedenfalls dann nicht mehr prägend für eine Tätigkeit sein dürften, wenn weniger als 50% der durchschnittlichen regulären Arbeitszeit für anwaltliche Aufgaben aufgewendet wird.“
http://www.e-s.de/Allgemein/de/lnhalt/0_Home/ meldungen/syndikusanwaelte/2016_06_01_syndikusrechtsanwaelte.html
Die 50%-Grenze fand sich auch zunächst im Referentenentwurf des § 46 BRAO, hat jedoch im Gesetz keinen Niederschlag gefunden. Auch in der Literatur wird weiterhin auf diese Grenze abgestellt.
vgl. Kleine-Cosack, Der Gesetzgeber ordnet neu: Durchbruch für die Syndikusanwälte, AnwBI. 2016, 101, 106; Schuster, Syndikusanwälte:
Folgen des neuen Rechts für das Arbeitsverhältnis, AnwBI. 2016, 121, 122.
Im Rahmen der „Stellungnahme der Geschäftsführung“ vom 26.04.2016 wird dazu ausgeführt, dass die „anwaltliche Tätigkeit einen Großteil der von Herrn Dr. U ausgeübten Aufgaben“ ausmache. Konkret heißt es dort weiter:
„Die aus seiner Geschäftsführerstellung einhergehenden administrativen Aufgaben betreffen hingegen - wenn überhaupt - nur einen untergeordneten Teil seiner Gesamttätigkeit, der weniger als 10% seiner Arbeitszeit ausmacht. (...)
„Zudem ist die durch die Aufgabenverteilung innerhalb der E GmbH sichergestellt, dass Herr Dr. U nicht mit administrativen Aufgaben außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs Personal befasst wird. Alle Angelegenheiten mit Blick auf Rechnungslegung und andere buchhalterische Aufgaben sind innerhalb der Geschäftsführung bei Herrn N, alle Steuerangelegenheiten bei Herrn I angesiedelt.“
vgl. Stellungnahme der Geschäftsführung vom 26.04.2016
Bereits hieraus ergibt sich, dass die administrativen, mithin nicht anwaltlichen Tätigkeiten „aus seiner Geschäftsführerstellung“ weniger als 10% seiner Arbeitszeit ausmachen.
Inwieweit der Beigeladene auch in seiner Funktion als Personaldirektor noch administrative Aufgaben zu erfüllen hat, hat der Senat in der mündlichen Verhand-lung mit den Beteiligten erörtert. Der Beigeladene hat ausgeführt, dass er zwar administrative Aufgaben wahrnimmt, diese aber insgesamt gemessen an der Gesamtarbeitszeit nicht mehr als 10% in Anspruch nehmen und daher die anwalt-liche Prägung seiner Tätigkeit nicht in Frage stellten.
Anlass, an der Schilderung des Beigeladenen sowie der Bestätigung seines Arbeit-gebers zu zweifeln, vermochten die lediglich abstrakt geäußerten Zweifel der Klägerin nicht zu geben.
Die anwaltliche Tätigkeit des Beigeladenen ist durch die in § 46 Abs. 3 BRAO bezeichneten Merkmale geprägt. Das Arbeitsverhältnis wird durch die genannten Tätigkeiten und Merkmale beherrscht, der ganz eindeutige Schwerpunkt der im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses ausgeübten Tätigkeiten liegt im anwalt-lichen Bereich.
dd) Schließlich sieht der Senat auch keine Anhaltpunkte dafür, dass der Beigeladene seine anwaltliche Tätigkeit nicht unabhängig und eigenverantwortlich im Sinne des § 46 Abs. 4 BRAO ausübt.
Bereits ausweislich Ziffer 3 der Nebenabrede vom 11.02.2016 zum Anstellungsvertrag vom 26.06.2015 gewährleistet die Gesellschaft die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung. Auch aus der Tätigkeitsbeschreibung vom 11.02.2016 ergibt sich, dass der Beigeladene keinen allgemeinen oder konkreten Weisungen in fachlichen Angelegenheiten unterliegt, die die eigenständige Analyse der Rechtslage und eine einzelfallorientiere Rechtsberatung beeinträchtigen könnten. Seine fachliche Unabhängigkeit im Sinne von § 46 Abs. 3 BRAO sei vertraglich und tatsächlich gewährleistet. Diese Angaben sind Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden. Damit ist die fachliche Unabhängigkeit arbeitsvertraglich vereinbart.
Auch aus der vorgelegten Zielvereinbarung des Beigeladenen mit seinem Arbeit-geber erschließen sich keine Zweifel an seiner Unabhängigkeit, etwa in Folge der Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Vergütung im Sinne von § 49b BRAO. Zwar erhält der Beigeladene einen erfolgsabhängigen Bonus, der Großteil des Bonus (80%) orientiert sich jedoch am Erfolg des Unternehmens, auf das der Beigeladene nur sehr mittelbar Einfluss hat. 10% des Bonus orientieren sich an der „Mitarbeiter-zufriedenheit“ und werden anhand einer Mitarbeiterbefragung ermittelt, ein solcher Bonus spricht vielmehr gegen die Annahme einer Weisungsabhängigkeit. Lediglich 10% des Bonus orientieren sich an der allgemeinen Leistung des Bereiches HR Global Functions. Auch aus einem solchen lediglich untergeordneten Bonusanteil kann nicht ernsthaft auf das Fehlen der anwaltlichen Unabhängigkeit in fachlichen Angelegenheiten geschlossen werden, da auch dieser Bonus einerseits die Performance des gesamten HR-Bereichs anknüpft und andererseits nicht willkürlich festgesetzt wird, sondern nach Angaben des Beigeladenen mittels einer Umfrage unter den Führungskräften mit dem Leistungsangebot des HR-Bereichs erhoben wird. Anhaltspunkte dafür, dass die Tätigkeit des Beigeladenen durch die Auslobung eines Bonus durch das Unternehmen mittelbar gesteuert bzw. reglementiert wird, gibt es insoweit nicht.
III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 112c BRAO, 154 Abs. 1, 162 Abs. 3, 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 194 Abs. 2 BRAO.
Ein Anlass, die Berufung nach §§ 112c Abs. 1 BRAO, 124 VwGO zuzulassen, bestand nicht. Weder weist die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 124a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO). Auch ein Fall der Divergenz im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt nicht vor.